Erinnerungen oder was ist eine Unzeit

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Alethos
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Sa 21. Okt 2017, 11:19

Brandom habe ich gelesen und verstanden. Und ich denke, du hast ihn vielleicht verstanden :) Übrigens sind das schöne Texte für ein Leseprojekt.

Brandom sagt meines Erachtens zurecht: "Die nichtsprachlichen Tatsachen könnten im wesentlichen so sein, wie sie sind, auch wenn unsere diskursiven Praktiken ganz andere wären (oder es keine gäbe), denn welche Behauptungen wahr sind, hängt nicht davon ab, ob sie jemand aufstellt." Hervorhebung von mir.

Brandom sagt ja gerade nicht, ob jemand eine Behauptung macht oder nicht, spiele für die Wahrheitsfähigkeit einer Behauptung eine Rolle. Du sagst aber genau das.
Zuletzt geändert von Alethos am Sa 21. Okt 2017, 11:31, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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Sa 21. Okt 2017, 11:21

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:19
Brandom habe ich gelesen und verstanden.
Wie kann das denn sein? Es wurde doch noch gar nicht verraten, wie er zu verstehen ist :-)




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Alethos
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Sa 21. Okt 2017, 11:30

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:16
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:05
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:41
Dann wiederum sagst du, dass eine Wahrheit, weil sie einmal wahr gewesen sei, immer wahr sei, ob man sie nun aussagen kann oder nicht.
Wo ist das Problem? Etwas ist auch dann eine Wahrheit, wenn niemand sie behauptet, in dem Sinne, dass sie jemand behaupten könnte. Sofern die Behauptung - aufgestellt oder nicht - mit den Tatsachen übereinstimmt.
Zur Erläuterung. Es könnte eine Tatsache sein, dass meine Körpertemnperatur gerade 36,8°C beträgt.
Wenn niemand die Behauptung aufstellt, dass dies genau jetzt so ist, bleibt es dennoch eine Tatsache, dass dies am 21.10.17 um 11.12 Uhr so war.
Behauptet jemand in Millionen Jahren, in einer anderen Galaxis, vor langer Zeit habe es auf der Erde einen sog. Rurpott mit Einwohnern gegeben und am 21.10.17 um 11.12 Uhr hätte einer dieser Einwohner eine Temperatur von 36,8°C gehabt, dann wäre das wahr, auch wenn niemand mehr überprüfen oder erinnern kann, ob das stimmt.
Ja. Das ist genau das, was ich ja von Anfang an sage, Tosa. Und du näherst dich damit meiner Position. Keine Sorge, es droht dir kein Missfallen, wenn du mir am Ende recht geben müsstest :D Kleines Witzchen am Vormittag, 11.22h.

Ich sage ja, dass wenn eine Tatsache erinnert werden kann, und diese Erinnerung eine mit der nicht nichtsprachlichen Tatsache korrespondierende Aussage ist, dass diese Wahrheit immer wieder aktualisert werden kann. Hunderte von Millionen von Jahren. Meinetwegen Trilliarden von Jahren.
Die Erinnerungsfähigkeit muss aber gegeben sein, in welcher Form auch immer. In deinem Beispiel in Form von Ausserirdischen. Es könnte ja auch mal eine künstliche Intelligenz dir im Nachhinein den Puls messen. What ever.
Aber dieses Erinnerungsvermögen muss da sein, ohne das die gewesene Tatsache nirgends mehr sein kann. Denn die nichtsprachliche Tatsache, dass etwas damals war, enthält sich nur in dieser nichtsprachlichen Tatsachenebene, wenn es sich immer wieder ins Präsens überführt. Also, wenn die Tatsache fortdauert.
Aber da Tatsachen auch untergehen können, was unbestreitbar der Fall ist, geht eben auch ihr Sein in ein Gewesenes über. Und dieses Gewesene ist keine nichtsprachliche Tatsache mehr, sondern gar keine.
Zuletzt geändert von Alethos am Sa 21. Okt 2017, 11:39, insgesamt 1-mal geändert.



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Sa 21. Okt 2017, 11:35

Es braucht also Erinnerung, damit die Wahrheit des Gewesenen sei.



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Alethos
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Sa 21. Okt 2017, 11:46

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:21
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:19
Brandom habe ich gelesen und verstanden.
Wie kann das denn sein? Es wurde doch noch gar nicht verraten, wie er zu verstehen ist :-)
Ich habe einfach genau gelesen, was da steht. Und nicht das, was nicht da steht. :)
Wenn wir über das reden wollen, was er meinte, dann müssten wir wohl mit Brandom reden, er wird es uns wahrscheinlich gerne verraten.



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Tosa Inu
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Sa 21. Okt 2017, 12:19

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:30
Ja. Das ist genau das, was ich ja von Anfang an sage, Tosa. Und du näherst dich damit meiner Position. Keine Sorge, es droht dir kein Missfallen, wenn du mir am Ende recht geben müsstest :D Kleines Witzchen am Vormittag, 11.22h.
Wäre für mich tatsächlich kein Beinbruch.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:30
Ich sage ja, dass wenn eine Tatsache erinnert werden kann, und diese Erinnerung eine mit der nicht nichtsprachlichen Tatsache korrespondierende Aussage ist, dass diese Wahrheit immer wieder aktualisert werden kann.
Wieso den aktualisiert? Meine 11.12 Uhr Temperatur, bleibt doch auch um 15.00 Uhr wie sie (um 11.12 Uhr) war, auch wenn sie nun anders sein sollte, da Badewanne, Gartenarbeit, im Kühlschrank eingeklemmt, Chillis gefuttert, ungelegen kommende Sepsis ... Mögliche 38,6° ändern doch nichts an den 36,8° von davor.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:30
Die Erinnerungsfähigkeit muss aber gegeben sein, in welcher Form auch immer.
Nö.
Niemand erinnert sich heißt ja nicht, dass es keine Tatsache war.
Und selbst ohne jede Erinnerung kann man eine wahre Aussage treffen.
Ich wage mal die kühne Prognose, dass drei Monate nach dem Urknall das Universum fast nur aus Wasserstoff bestand. Niemand kann sich daran erinnern, aber wir haben Gründe es zu vermuten. Die behauptende Aussage hat gute Chancen wahr zu sein. Erinnerung?
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:30
Aber dieses Erinnerungsvermögen muss da sein, ohne das die gewesene Tatsache nirgends mehr sein kann.
Eine gewesene Tatsache kann sowieso nicht sein. Sein kann nur das was jetzt ist, das andere ist eben gewesen aber das beeindruckt uns nicht, da wir Wesen sind, die in Erinnerungen und Projektionen leben, mit einem Spritzer Tatsachen.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:30
Denn die nichtsprachliche Tatsache, dass etwas damals war, enthält sich nur in dieser nichtsprachlichen Tatsachenebene, wenn es sich immer wieder ins Präsens überführt. Also, wenn die Tatsache fortdauert.
Nur Erinnerungen, Legeden, Dokumente, Mythen usw. leben in dem Sinne fort, ja.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:30
Aber da Tatsachen auch untergehen können, was unbestreitbar der Fall ist,
Sorry, aber das ist falsch. Atome und Weltreiche können untergehen, Tatsachen nicht. Kategorienfehler :!: :arrow: :idea: ;)
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:30
...geht eben auch ihr Sein in ein Gewesenes über. Und dieses Gewesene ist keine nichtsprachliche Tatsache mehr, sondern gar keine.
Wir sind doch normative und Möglichkeitswesen. Husserl, Heidegger, Brandom ... wen jucken denn die Fakten oder Tatsachen? Tatsache ist, dass Tatsachen im Sinne des empirisch zweifelsfrei Verifizierbaren, sofern es das überhaupt geben kann, immer mal wieder auch ganz nett zu wissen sind, vielleicht wenn man Inschenör oder Physiker ist etwas mehr, aber sonst ...



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Alethos
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Sa 21. Okt 2017, 12:34

Ich gebe mich geschlagen für den Moment. Ich muss nämlich für die Kinder kochen.

Es ist doch aber unbestreitbar so, Tosa, dass ich sterben werde. Das ist ein Induktionsschluss, der mich aber vor dem Sterben mit aller grösster Wahrscheinlichkeit nicht retten wird.
Nun ist mein Sein heute eine Tatsache. Und wenn ich nicht bin, ist dieses mein Sein einfach keine Tatsache mehr.
Dass ich einmal gewesen sein werde, dass ich einmal war, das wird dann eine Tatsache sein, aber eine erinnerte. Einverstanden?

Und so ist es mit allem und mir jedem. Mein Vater ist keine Tatsache mehr, die Erinnerung an ihn, seine Ideen sind tatsächlich. Und so ist auch der Stein in meinem Garten, wenn ich ihn in die Sonne werfe, nicht mehr Tatsache. Nichtsprachliche Tatsachen können untergehen. Ich sehe hier überhaupt keine Schwierigkeit damit.



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Tosa Inu
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Sa 21. Okt 2017, 12:51

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 12:34
Ich gebe mich geschlagen für den Moment. Ich muss nämlich für die Kinder kochen.
Gut, ich hätte sonst geschrieben, dass ich einkaufen muss.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 12:34
Es ist doch aber unbestreitbar so, Tosa, dass ich sterben werde. Das ist ein Induktionsschluss, der mich aber vor dem Sterben mit aller grösster Wahrscheinlichkeit nicht retten wird.
Logisch in letzter Konsequenz nicht haltbar zu sein, heißt nicht unplausibel zu sein. Induktion ist das halbe Leben, nicht nur beim Herd.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 12:34
Nun ist mein Sein heute eine Tatsache. Und wenn ich nicht bin, ist dieses mein Sein einfach keine Tatsache mehr.
Dass ich einmal gewesen sein werde, dass ich einmal war, das wird dann eine Tatsache sein, aber eine erinnerte. Einverstanden?
Halb.
Es wird eine Tatsache bleiben, dass Du geseint hast = gewesen bist, wenn Du mit mir die Weltformel findest, steigert das die Chancen erinnert zu werden exponentiell. Kurz: Es stimmt einfach nicht, dass es irgendwelche Umstände gibt, unter denen Deine Existenz mal keine Tatsache mehr sein wird, tot oder nicht. Du wirst immer gewesen sein.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 12:34
Und so ist es mit allem und mir jedem. Mein Vater ist keine Tatsache mehr, die Erinnerung an ihn, seine Ideen sind tatsächlich. Und so ist auch der Stein in meinem Garten, wenn ich ihn in die Sonne werfe, nicht mehr Tatsache. Nichtsprachliche Tatsachen können untergehen. Ich sehe hier überhaupt keine Schwierigkeit damit.
Vergangenheit ist vergangen, nicht nichtgeschehen.
Es gibt den psychologischen Wunsch des Ungeschehen machens. "Ach hätte ich doch damals bloß nicht ...." Auch wenn man aufrichtig bereut (was gut ist), es bleibt ein frommer Wunsch. Frohes kochen, ich liebe das Kochen.



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Jörn Budesheim
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Sa 21. Okt 2017, 13:00

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 12:34
Nun ist mein Sein heute eine Tatsache.
Heute ist Samstag, der 21. Oktober 2017. Setze ich das Datum oben ein, wird wohl klarer, was (nach meiner Vermutung) der Dissens ist. Ich schlüpfe mal in deiner Rolle: Nun ist mein Sein am Samstag, der 21. Oktober 2017 eine Tatsache. Und selbst wenn ich nicht bin, ist dieses mein Sein am Samstag, der 21. Oktober 2017 immer noch eine Tatsache, freilich eine, die vergangen ist.




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Sa 21. Okt 2017, 13:05

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:19
Brandom sagt ja gerade nicht, ob jemand eine Behauptung macht oder nicht, spiele für die Wahrheitsfähigkeit einer Behauptung eine Rolle. Du sagst aber genau das.
Damit ist gesagt, dass Behauptungen auch dann wahr sind (nämlich indem die mit den Tatsachen übereinstimmen) wenn sie niemand aufstellt.
Kurz, ihr Wahrheitsgehalt hängt nicht davon ab, dass sie tatsächlich formuliert werden (sondern nur davon, dass sie mit den Tatsachen übereinstimmen).



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Alethos
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Sa 21. Okt 2017, 13:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 13:00
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 12:34
Nun ist mein Sein heute eine Tatsache.
Heute ist Samstag, der 21. Oktober 2017. Setze ich das Datum oben ein, wird wohl klarer, was (nach meiner Vermutung) der Dissens ist. Ich schlüpfe mal in deiner Rolle: Nun ist mein Sein am Samstag, der 21. Oktober 2017 eine Tatsache. Und selbst wenn ich nicht bin, ist dieses mein Sein am Samstag, der 21. Oktober 2017 immer noch eine Tatsache, freilich eine, die vergangen ist.
Ja, das würde ich so sagen. Aber ich denke, wir, Tosa und ich, haben hier ja auch keinen Dissens. Auch Tosa sagt, dass eine Tatsache übergeht in ein Gewesensein und in diesem Gewesensein dann fortfauert.

Wir haben einen Dissens darüber, dass wir für dieses Fortdauern ein anderes Medium wählen. Ich sage, es ist die Erinnerung oder Erinnerbarkeit. Tosa sagt, eine Tatsache bleibe einfach als Vergangenes Tatsache.



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Sa 21. Okt 2017, 13:23

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 13:05
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:19
Brandom sagt ja gerade nicht, ob jemand eine Behauptung macht oder nicht, spiele für die Wahrheitsfähigkeit einer Behauptung eine Rolle. Du sagst aber genau das.
Damit ist gesagt, dass Behauptungen auch dann wahr sind (nämlich indem die mit den Tatsachen übereinstimmen) wenn sie niemand aufstellt.
Kurz, ihr Wahrheitsgehalt hängt nicht davon ab, dass sie tatsächlich formuliert werden (sondern nur davon, dass sie mit den Tatsachen übereinstimmen).
Brandom sagt aber nicht das, was du sagst. Er sagt nicht, eine Behauptung ist wahr, ob sie aufgestellt wird oder nicht, er sagt, der Wahrheitswert einer Behauptung misst sich an der nichtsprachlichen Tatsache durch Interferenz und nicht daran, dass jemand eine Behauptung aufstellt.

Für mich impliziert das, dass wo keine Behauptung ist, auch keine Wahrheit sein kann, denn eine Behauptung nicht zu machen, stellt keine Wahrheit her. Er sagt nicht, die nichtsprachlichen Tatsachen sind wahr, wenn niemand eine Behauptung macht.



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Jörn Budesheim
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Sa 21. Okt 2017, 14:28

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 13:09
Wir haben einen Dissens darüber, dass wir für dieses Fortdauern ein anderes Medium wählen.
Eine Tatsache hat kein Medium, meine ich (vorbehaltlich einer Klärung deinerseits)

Was ist ein Tatsache? Nehmen wir zwei Dinge, diese Tasse und jene. Es ist eine Tatsache, dass diese Tasse größer ist als jene. Eine Tatsache ist etwas, was über etwas wahr ist, nach einer Definition von Gabriel, die ich passend finde. Es ist über diese Tasse wahr, dass sie größer ist als jene. Nun ist diese Tatsache ja nichts, was zu den Dingen (den beiden Tassen) noch hinzu kommt. Die Tatsache besteht einfach, in ihr kommen die Tassen vor und die fragliche Relation. Wir brauchen dafür auch kein Medium. Was sollte das sein? Etwas anderes ist es natürlich für das Erkennen der Tatsache, dazu braucht es irgendeine Registratur.




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Sa 21. Okt 2017, 14:44

Das wollte ich auch nicht sagen, dass Tatsachen eines Mediums bedürfen, obwohl ich das vielleicht suggeriert habe. Aber, ich denke, dass Erinnerungen als Medium für gewesene Tatsachen dienen. Mir wurde von meinen eifrigen Mitduskutanten jedenfalls noch nicht erklärt, wie gewesene Tatsachen weiterexistieren, wenn nicht in ihrem Erinnertwerden. Vielleicht hast du ja einen Vorschlag?

Was du über Tatsachen als Aussagen über etwas als wahr geschrieben hast, würde ich unterzeichnen.



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Sa 21. Okt 2017, 14:57

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 14:44
Vielleicht hast du ja einen Vorschlag?
Eben gerade war ich in der Küche ... jetzt sitze ich am Rechner. Die Frage, wie diese Tatsache weiterexistiert, würde ich so beantworten: sie existiert gar nicht weiter, dann sie ist vergangen. Aber daraus folgt nichts für die Wahrheit, dass ich vor 5 Minuten in der Küche war.




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Sa 21. Okt 2017, 15:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 14:57
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 14:44
Vielleicht hast du ja einen Vorschlag?
Eben gerade war ich in der Küche ... jetzt sitze ich am Rechner. Die Frage, wie diese Tatsache weiterexistiert, würde ich so beantworten: sie existiert gar nicht weiter, dann sie ist vergangen. Aber daraus folgt nichts für die Wahrheit, dass ich vor 5 Minuten in der Küche war.
Ja, damit bin ich so sehr einverstanden, dass ich ganz intensiv auf den Gefällt-mir-Button geklickt habe. Das hat eine Fehlermeldung produziert.

Wir sind uns also einig darin, dass Tatsachen untergehen können sowie auch darin, dass sie neu eintreten können.
Das ist von mir aus gesehen in dieser Diskussion wirklich ein kleiner Fortschritt.



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Sa 21. Okt 2017, 15:22

Man könnte sich das als vierdimensionales Bild ausmalen, in dem es Raum und Zeitkoordinaten gibt. Wenn ich die Bohnen in den Topf schütte, dann ist das metaphorisch gesprochen an einer bestimmten Stelle in diesem vierdimensionalen Raumzeitgefüge "eingetragen" und an diesem Umstand lässt sich nicht mehr rütteln :-) das danach (an einer anderen Stelle = später) des Gefüges etwas anderes geschieht (anderes "eingetragen" wird), dass die Bohne verdaut wird und ihre Existenz zum Teil in meine übergeht, das ändert daran nichts.




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Sa 21. Okt 2017, 15:35

Ja, so etwas hat mir auch vorgeschwebt: Eine Information im Raumzeitgefüge, die sich dort unter der entsprechenden Koordinate wieder aufrufen liesse. Theoretisch und theoretisch auch praktisch.

Diese informierte Raumzeit, wenn man sie so nennen will, bietet, so wie ich sie denke, und ihr vielleicht auch, die Vorlage für eine mögliche Weltvernunft. Bitte nicht auf diesen Begriff behaften :) Es lässt sich durch diese Vorstellung der raumzeitlichen Information eine präformierte Wahrheit denken, die immer sein wird, aber auch schon immer war. Auch das Künftige müsste so gesehen als das bereits Wahre angesehen werden können, insofern alles Tatsache werden kann? Ist das jetzt zu viel Science Fiction?



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Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 13:23
Brandom sagt aber nicht das, was du sagst. Er sagt nicht, eine Behauptung ist wahr, ob sie aufgestellt wird oder nicht, er sagt, der Wahrheitswert einer Behauptung misst sich an der nichtsprachlichen Tatsache durch Interferenz und nicht daran, dass jemand eine Behauptung aufstellt.
Das sage ich aber auch. Die Behauptung wird wahr, durch Übereinstimmung mit den Tatsachen.
Ansonsten gehört zu einer Behauptung, dass man sie aufstellt wesenthaft dazu, sonst ist es nämlich keine.
Zum Tor beim Fußball gehört auch, dass zuvor geschossen oder geköpft wurde. (Okay, Schulter, Sturm ...)
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 13:23
Für mich impliziert das, dass wo keine Behauptung ist, auch keine Wahrheit sein kann, denn eine Behauptung nicht zu machen, stellt keine Wahrheit her. Er sagt nicht, die nichtsprachlichen Tatsachen sind wahr, wenn niemand eine Behauptung macht.
Doch, exakt mit dem zitierten Satz:
"Die nichtsprachlichen Tatsachen könnten im wesentlichen so sein, wie sie sind, auch wenn unsere diskursiven Praktiken ganz andere wären (oder es keine gäbe), denn welche Behauptungen wahr sind, hängt nicht davon ab, ob sie jemand aufstellt." (R.Brandom)

Der Mond ist auch dann eine verkraterte Kugel und Erdtrabant von knapp 3500 km, wenn der Wolf ihn nur anheult.



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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 15:22
Wenn ich die Bohnen in den Topf schütte, dann ist das metaphorisch gesprochen an einer bestimmten Stelle in diesem vierdimensionalen Raumzeitgefüge "eingetragen" ...
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 15:35
Ja, so etwas hat mir auch vorgeschwebt: Eine Information im Raumzeitgefüge, die sich dort unter der entsprechenden Koordinate wieder aufrufen liesse. Theoretisch und theoretisch auch praktisch.

Diese informierte Raumzeit, wenn man sie so nennen will, bietet, so wie ich sie denke, und ihr vielleicht auch, die Vorlage für eine mögliche Weltvernunft.
Huch.



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