Erinnerungen oder was ist eine Unzeit

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
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Alethos
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Sa 21. Okt 2017, 15:47

Dieses Konzept der informierten Raumzeit habe ich dann wieder verworfen, vielleicht zu unrecht. Aber warum sollte es wahr bleiben, dass etwas war, nur weil es in dieser Raumzeit sozusagen eingespeichert ist, es aber kein Bewusstsein gibt, dass es in eine Wahrheit überführen kann? Andees gesagt: Müsste diese Raumzeit ein me Art Bewusstsein sein, darin dasjenige, was war, eben gespeichert bleibt.

Und wenn wir dieses ‚Bewusstsein‘ dann auch noch ewig nennen, brauchen wir da nicht ein Konzept von Gott. Brauchen wir nicht eine Ewigkeit zu denken, denn es muss ja für immer so bleiben, dass es war? Oder wir denken, dass Wahrheit nicht ewig ist, was ich tue.



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Alethos
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Sa 21. Okt 2017, 15:55

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 15:38
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 13:23
Für mich impliziert das, dass wo keine Behauptung ist, auch keine Wahrheit sein kann, denn eine Behauptung nicht zu machen, stellt keine Wahrheit her. Er sagt nicht, die nichtsprachlichen Tatsachen sind wahr, wenn niemand eine Behauptung macht.
Doch, exakt mit dem zitierten Satz:
"Die nichtsprachlichen Tatsachen könnten im wesentlichen so sein, wie sie sind, auch wenn unsere diskursiven Praktiken ganz andere wären (oder es keine gäbe), denn welche Behauptungen wahr sind, hängt nicht davon ab, ob sie jemand aufstellt." (R.Brandom)
Du verstehst mich nicht, das verstehe ich. Aber ich bin deshalb nicht, nur deshalb, weil ich eine Idee von Jörn aufgreife, einfach ein Esoteriker. Dein Huch ist deshalb unfair, zumal du auch noch immer nicht eingestehen kannst, dass Tatsachen untergehen. :)

Zu Brandom nochmal: Ich habe oben Fett markiert, worauf es in diesem Satz ankommt. Welche Behauptung wahr ist, hängt eben nicht davon ab, ob sie jemand behauptet. Dass aber eine wahr sein muss, weil sie jemand behauptet, das ist hier impliziert. Denn er sagt ja nicht: "Die nichtsprachlichen Tatsachen könnten im wesentlichen so sein, wie sie sind, auch wenn unsere diskursiven Praktiken ganz andere wären (oder es keine gäbe), denn dass Behauptungen wahr sind, hängt nicht davon ab, ob sie jemand aufstellt."



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Sa 21. Okt 2017, 16:27

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 15:55
Dein Huch ist deshalb unfair, zumal du auch noch immer nicht eingestehen kannst, dass Tatsachen untergehen. :)
In meiner Welt gehen Tatsachen nicht unter, sondern bleiben immer Tatsachen. Die Frage, was denn ihre Kontinuität gewährleistet ist dennoch gut, die Antwort ist unbefriedigend: nichts.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 15:55
Zu Brandom nochmal: Ich habe oben Fett markiert, worauf es in diesem Satz ankommt. Welche Behauptung wahr ist, hängt eben nicht davon ab, ob sie jemand behauptet. Dass aber eine wahr sein muss, weil sie jemand behauptet, das ist hier impliziert. Denn er sagt ja nicht: "Die nichtsprachlichen Tatsachen könnten im wesentlichen so sein, wie sie sind, auch wenn unsere diskursiven Praktiken ganz andere wären (oder es keine gäbe), denn dass Behauptungen wahr sind, hängt nicht davon ab, ob sie jemand aufstellt."
Etwas davor schreibt er:
Robert Brandom hat geschrieben : „Doch es könnte die Sorge bleiben, eine Semantik, die Tatsachen mit wahren Behauptungen gleichsetzt (vermittels der Gleichsetzung des Als-Tatsache-Betrachtens und des Als-Wahr-Betrachtens, also des Anerkennens einer doxastischen Festlegung), müsse unausweichlich 'die Welt verlieren'* - ihre Solidität zugunsten verbaler Schaumschlägerei aufgeben. In einer solchen Gleichsetzung schient ein bedrohlicher Idealismus sprachlicher Praktiken implizit enthalten zu sein.
Doch diese Sorge ist unbegründet. Was nicht verloren gehen darf ist die Berücksichtigung der Art und Weise, wie unsere diskursive Praxis empirisch und praktisch eingeschränkt wird. Es ist nicht uns überlassen, welche Behauptungen wahr sind (das heißt, was die Tatsachen sind). Es ist in gewissem Sinn uns überlassen, welche Geräusche und Zeichen welchen Behauptungen ausdrücken, und damit, in einem schwächeren Sinne, welche davon wahre Behauptungen ausdrücken. Doch empirische und praktischen Einschränkung unserer Willkür ist ein durchgängiges Merkmal unserer diskursiven Praxis.“
(Robert Brandom, Expressive Vernunft, 1994, dt. Suhrkamp 2000, S.473)
*im Original mit hochgestelltem s

Hier wird klar, was Brandom meint: wahre Behauptung = Übereinstimmung mit den Tatsachen.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Alethos
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Sa 21. Okt 2017, 17:03

Ich sehe noch immer nicht, wo Brandom dich hier stützt, sorry. Solange du Wahrheit und Tatsachen synonym brauchst, kommen wir leider nicht weiter. Du beziehst dich zwar auf Brandom, um deinen Standpunkt zu untermauern, aber er sagt genau das Gegenteil, dass Behauptungen wahr sind, nicht Tatsachen. Eine wahre Behauptung aufstellen ist ein zweistufiger Prozess. Einmal muss hier eine Behauptung 1. überhaupt stattfinden und 2. muss diese auch noch mit nicht sprachlichen Tatsachen zusammenpassen: Erst beim Vorkommen dieser beiden Momente lässt sich von Wahrheit reden.

Dein Konzept von ewigen Tatsachen ist, finde ich, idealisierte Sprache. Sowie ich das Konzept der informierten Raumzeit auch für idealisierte Sprache halte, weshalb ich diesen Weg für mich auch wieder verwarf. Beiden Denkmodellen entgeht, dass Wahrheit in erster Linie nur Behauptungen zukommen, nicht Tatsachen. Tatsachen sind von unseren Behauptungen völlig unberührt, so auch von Wahrheit. Nicht die Tatsachen sind auf unsere Wahrheit angewiesen, die Wahrheit selbst ist auf die Behauptung angewiesen, die sich durch ihre Bezüglichkeit auf Tatsachen als wahre auszeichnen muss.
Das ist ja alles auch relativ unproblematisch, wenn wir von seienden Tatsachen sprechen. Seiende Tatsachen schränken die Wahrheitsfähigkeit unserer sprachlichen Akte ein, insofern es diese nichtsprachlichen Tatsachen sind, die ihnen den Wahrheitsgehalt geben. Schwierig wird es, wenn man von Tatsachen spricht, die eben gar keine mehr sind, denn in ihrem Nichtsein müssen sie unseren Behauptungen ja nach wie vor Wahrheitsgehalt zuweisen können. Und das können sie nur, indem man sich ihrer erinnert: Bohrkerne analysiert, einen prähistorischen Kothaufen findet oder ein Tagebuch liest und dann über diese gewesenen Tatsachen zu Aussagen kommt. Erst dadurch bleibt die Wahrheit einer Aussage über eine Tatsache erhalten, die nicht mehr ist, dass man auf sie behauptend Bezug nimmt. Erinnerung stellt deshalb auch eine Aktualisierung dieser gewesenen Tatsache im Jetzt dar. Sie wird wieder zur Aussage gebracht, d.h. in eine Behauptung überführt, wo sie als Gegenstand von wahren Aussagen fungieren kann.
Zuletzt geändert von Alethos am Sa 21. Okt 2017, 17:21, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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Sa 21. Okt 2017, 17:18

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 15:44
Huch.
Kannst du vielleicht kurz erläutern, was es mit diesem Link auf sich hat? Worauf willst du damit hinaus?




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Sa 21. Okt 2017, 18:54

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 17:03
IDu beziehst dich zwar auf Brandom, um deinen Standpunkt zu untermauern, aber er sagt genau das Gegenteil, dass Behauptungen wahr sind, nicht Tatsachen.
Die Beziehung von Wahrheit zu den Tatsachen ist m.E. und ich glaube sehr sicher auch Brandoms Erachtens die:
Es gibt Tatsachen. Die sind einfach, wie sie sind.
In dem Moment wo man etwas behauptet, sagt man etwas sei eine Tatsache. Diese Behauptung kann nun erst wahr oder falsch sein.
Das kann vielleicht insofern verwirren, als wir etwas oft als Tatsache darstellen, was eigentlich eine Behauptung oder eine Näherung ist.
Das wäre dann auch meine Kritik über zwei Banden, dass nämlich Behauptung und vermeintliche Tatsache öfter mal (aber nicht immer) zusammen fallen.
Ich dachte allerdings dass es mit dem Thema insgesamt etwas einfacher wird.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 17:03
Eine wahre Behauptung aufstellen ist ein zweistufiger Prozess. Einmal muss hier eine Behauptung 1. überhaupt stattfinden und 2. muss diese auch noch mit nicht sprachlichen Tatsachen zusammenpassen: Erst beim Vorkommen dieser beiden Momente lässt sich von Wahrheit reden.
Was mich angeht: volle Punktzahl.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 17:03
Dein Konzept von ewigen Tatsachen ist, finde ich, idealisierte Sprache.
Warum?
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 17:03
Sowie ich das Konzept der informierten Raumzeit auch für idealisierte Sprache halte, weshalb ich diesen Weg für mich auch wieder verwarf. Beiden Denkmodellen entgeht, dass Wahrheit in erster Linie nur Behauptungen zukommen, nicht Tatsachen.
Wenn Du damit meinst, dass wir oft nicht wissen, was die Tatsachen sind, ja.
Genau das ist es ja, was mich letztlich mit der Korrespondenztheorie hadern lässt. Eine tolles Kriterium der Wahrheit (wahr ist etwas, wenn der Gedanke oder die Aussage mit den Tatsachen übereinstimmen), leider wissen wir oft gar nicht, was die Tatsachen sind.
Kann sein, dass es im Dunkel der Vergangenheit verloren gegangen ist, ohne dass wir Zeugenberichte irgendeiner Art haben (das ist es wohl, was Du meinst!?), aber oft ist es auch so, dass wir hier und heute, vor unser aller Augen gar nicht wissen, welche Kriterien wir überhaupt anlegen sollen. Da fließen Wahrheit und Meinung m.E. dann mehr zusammen, als uns lieb sein kann.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 17:03
Tatsachen sind von unseren Behauptungen völlig unberührt, so auch von Wahrheit.
Ja.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 17:03
Nicht die Tatsachen sind auf unsere Wahrheit angewiesen, die Wahrheit selbst ist auf die Behauptung angewiesen, die sich durch ihre Bezüglichkeit auf Tatsachen als wahre auszeichnen muss.
Vollig korrekt.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 17:03
Das ist ja alles auch relativ unproblematisch, wenn wir von seienden Tatsachen sprechen. Seiende Tatsachen schränken die Wahrheitsfähigkeit unserer sprachlichen Akte ein, insofern es diese nichtsprachlichen Tatsachen sind, die ihnen den Wahrheitsgehalt geben.
Ich würde jetzt gerne ein semantisch notwendiges Haar spalten: nicht seiende Tatsachen wären keine. Der Begriff der Tatsache impliziert, dass etwas so ist oder mindestens war.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 17:03
Schwierig wird es, wenn man von Tatsachen spricht, die eben gar keine mehr sind, denn in ihrem Nichtsein müssen sie unseren Behauptungen ja nach wie vor Wahrheitsgehalt zuweisen können. Und das können sie nur, indem man sich ihrer erinnert: Bohrkerne analysiert, einen prähistorischen Kothaufen findet oder ein Tagebuch liest und dann über diese gewesenen Tatsachen zu Aussagen kommt. Erst dadurch bleibt die Wahrheit einer Aussage über eine Tatsache erhalten, die nicht mehr ist, dass man auf sie behauptend Bezug nimmt.

Ich würde das nicht Erinnerung nennen. Rekonstruktion erscheint mir passender.
Erinnerung würde ich als das belassen, wie es gewöhnlich verwendet wird: Wir erinnern uns, dass wir heute Mittag dies und das gegessen haben, einen Film gesehen, ein Buch gelesen, einen Menschen gesprochen haben.
Bohrkern, Höhlenforschung, Archäologie, Geschichte, Kriminalistik, Psychoanalyse sind zu einem sehr hohen Grad Rekonstruktionen, Nachzeichnungen dessen, wie es gewesen sein könnte, auf dem Boden hinreichend guter Ursachen und Gründe.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 17:03
Erinnerung stellt deshalb auch eine Aktualisierung dieser gewesenen Tatsache im Jetzt dar. Sie wird wieder zur Aussage gebracht, d.h. in eine Behauptung überführt, wo sie als Gegenstand von wahren Aussagen fungieren kann.
Die Tatsachen bestehen ja, ob sich jemand erinnert oder nicht. Da wir in aller Regel redliche Menschen sind und keinen Mist erzählen wollen versuchen wir den Tatsachen von ehedem möglichst plausibel und gut gestützt nahe zu kommen.
Etwa wenn man eine Biographie schreibt. Man sammelt Briefe, Schriften, fragt Nachbarn, Freunde, Zeitzeugen, wertet bei Promis irgendwelche Ton- oder Flimdokumente aus, die mehr oder minder zweifelsfrei belegen, dass jemand zu der und der Zeit da und dort war. Irgendwann würden bei guter Recherche die vernünftigen Zweifel verblassen und die meisten würden eine bestimmte Lesart als wahr, weil den (rekonstruierbaren und/oder erinnerbaren) Tatsachen entsprechend einordnen.

Kannst Du damit was anfangen?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Sa 21. Okt 2017, 18:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 17:18
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 15:44
Huch.
Kannst du vielleicht kurz erläutern, was es mit diesem Link auf sich hat? Worauf willst du damit hinaus?
Ich war spontan an die Akasha-Chronik erinnert, die genau das darstellt, was hier gefordert wurde.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Alethos
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Sa 21. Okt 2017, 19:16

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 18:54
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 17:03
Sowie ich das Konzept der informierten Raumzeit auch für idealisierte Sprache halte, weshalb ich diesen Weg für mich auch wieder verwarf. Beiden Denkmodellen entgeht, dass Wahrheit in erster Linie nur Behauptungen zukommen, nicht Tatsachen.
Wenn Du damit meinst, dass wir oft nicht wissen, was die Tatsachen sind, ja.
Genau das ist es ja, was mich letztlich mit der Korrespondenztheorie hadern lässt. Eine tolles Kriterium der Wahrheit (wahr ist etwas, wenn der Gedanke oder die Aussage mit den Tatsachen übereinstimmen), leider wissen wir oft gar nicht, was die Tatsachen sind.
Kann sein, dass es im Dunkel der Vergangenheit verloren gegangen ist, ohne dass wir Zeugenberichte irgendeiner Art haben (das ist es wohl, was Du meinst!?), aber oft ist es auch so, dass wir hier und heute, vor unser aller Augen gar nicht wissen, welche Kriterien wir überhaupt anlegen sollen. Da fließen Wahrheit und Meinung m.E. dann mehr zusammen, als uns lieb sein kann.
Schau, ich bin mit vielem einverstanden, was du schreibst, auch betreffend den Unterschied von Rekonstruktionen und Erinnerungen. Ich bin auch einverstanden mit deiner Interpretation von Brandoms Standpunkt, insofern du neuerdings die heikle Grenze zwischen Tatsachen und Wahrheit betonst. Ich finde, gerade letzteres ist ein wichtiger Punkt, weil ich denke, dass wir das Vorkommen von Wahrheit damit etwas schärfer konturiert haben.

Ich bin sogar einverstanden mit dir, wo du sagst, dass nichtvorkommende Tatsachen strenggenommen keine mehr seien. Ich denke, durch ihre Nichtsexistenz verliert die Tatsache ihre Tatsächlichkeit, insofern ist sie als nicht seiende Tatsache keine mehr.

Was ich noch nicht verstehe, ist, wie du vor dem Hintergrund solcher mit mir geteilter Annahmen dann zum Schluss kommen kannst, dass Tatsachen nicht untergehen können? Und ich verstehe auch nicht, wie du von da zu Wahrheit kommst, die ewig währt. Ich sage nicht, dass dein Standpunkt falsch ist, ich denke einfach, du hast ihn nicht gut genug begründet für mein Verstehen.

Wenn du mir z.B. aufzeigen willst, wie eine Wahrheit als Aussage über etwas als wahr zu ihrer Ewigkeit kommt, ohne ein ewiges Bewusstsein zu denken, dann begleite ich dich auf diesem Denkweg :)



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Sa 21. Okt 2017, 19:20

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 18:55
Ich war spontan an die Akasha-Chronik erinnert, die genau das darstellt, was hier gefordert wurde.
Ich hab es jetzt nicht im Detail gelesen ... mag sein, dass es eine gewisse Nähe zu dem Beweis Spaemanns hat, aber meine Metapher wäre etwas zu wörtlich genommen, wenn du da eine Nähe sehen würdest :-) Kann aber sein, dass gleich jemand um die Ecke kommt und uns etwas von Blockuniversen erzählt ...




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Sa 21. Okt 2017, 19:34

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 19:16
Was ich noch nicht verstehe, ist, wie du vor dem Hintergrund solcher mit mir geteilter Annahmen dann zum Schluss kommen kannst, dass Tatsachen nicht untergehen können?
Und ich wundere mich, warum sie das können sollten. Aber versuchen wir es rauszufinden.
Etwas ist jetzt eine Tatsache. Ich schreibe Dir gerade eine Antwort, beim Blick auf die Uhr ist es jetzt 19.24 Uhr.
Morgen werden wir das beide noch wissen und bezeugen können, vielleicht gibt es dieses Forum in 20 Jahren nicht mehr, in 100 Jahren lebt vermutlich niemand mehr, der unseren Dialog noch aus erster Hand bezeugen könnte, wenn die Sonne sich ausdehnt, ist die Erde und alles auf ihr platt und irgendwann gibt es vermutlich niemanden mehr (Kältetod unterstellt) der auch nur noch Spuren unseres Austauchs finden könnte. Genau an diesem Punkt glaube ich, dass es selbstverständlich noch immer wahr ist, dass ich Dir am 21.10.17 um 19.24 Uhr eine Antwort geschrieben habe und ich sehe überhaupt nicht, wie das auch nur weniger wahr sein könnten, auch wenn da nichts mehr zu rekonstruieren wäre.
Wo genau steigst Du aus und warum?
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 19:16
Und ich verstehe auch nicht, wie du von da zu Wahrheit kommst, die ewig währt. Ich sage nicht, dass dein Standpunkt falsch ist, ich denke einfach, du hast ihn nicht gut genug begründet für mein Verstehen.
Ich glaube einfach das jeder Wahrheit ewig ist. Von 1939 - 45 war der 2.Weltkrieg, wie sollte das in 1000 Jahren falsch sein können?
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 19:16
Wenn du mir z.B. aufzeigen willst, wie eine Wahrheit als Aussage über etwas als wahr zu ihrer Ewigkeit kommt, ohne ein ewiges Bewusstsein zu denken, dann begleite ich dich auf diesem Denkweg :)
Es braucht kein Bewusstsein. Irgendwann hast Du begriffen, dass 5+7=12 sind. Das war natürlich auch schon am Tag bevor Du es begriffen hast wahr.
Irgendwann hat irgendwer zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte des Kosmos begriffen, dass 5+7=12 sind. War das am Tag davor deshalb falsch?



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Sa 21. Okt 2017, 19:37

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 19:20
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 18:55
Ich war spontan an die Akasha-Chronik erinnert, die genau das darstellt, was hier gefordert wurde.
Ich hab es jetzt nicht im Detail gelesen ... mag sein, dass es eine gewisse Nähe zu dem Beweis Spaemanns hat, aber meine Metapher wäre etwas zu wörtlich genommen, wenn du da eine Nähe sehen würdest :-) Kann aber sein, dass gleich jemand um die Ecke kommt und uns etwas von Blockuniversen erzählt ...
Geschenkt, der Vergleich ist nicht gut angekommen und so wichtig ist er mir nun wirklich nicht.



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Sa 21. Okt 2017, 20:21

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 19:34
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 19:16
Was ich noch nicht verstehe, ist, wie du vor dem Hintergrund solcher mit mir geteilter Annahmen dann zum Schluss kommen kannst, dass Tatsachen nicht untergehen können?
Und ich wundere mich, warum sie das können sollten. Aber versuchen wir es rauszufinden.
Etwas ist jetzt eine Tatsache. Ich schreibe Dir gerade eine Antwort, beim Blick auf die Uhr ist es jetzt 19.24 Uhr.
Morgen werden wir das beide noch wissen und bezeugen können, vielleicht gibt es dieses Forum in 20 Jahren nicht mehr, in 100 Jahren lebt vermutlich niemand mehr, der unseren Dialog noch aus erster Hand bezeugen könnte, wenn die Sonne sich ausdehnt, ist die Erde und alles auf ihr platt und irgendwann gibt es vermutlich niemanden mehr (Kältetod unterstellt) der auch nur noch Spuren unseres Austauchs finden könnte. Genau an diesem Punkt glaube ich, dass es selbstverständlich noch immer wahr ist, dass ich Dir am 21.10.17 um 19.24 Uhr eine Antwort geschrieben habe und ich sehe überhaupt nicht, wie das auch nur weniger wahr sein könnten, auch wenn da nichts mehr zu rekonstruieren wäre.
Wo genau steigst Du aus und warum?
Genau dort :)

Weil für mich Wahrheit nicht ohne Menschen vorkommen kann. Sagen wir, um dem Vorwurf des Anthropozentrimus oder des Konstruktivismus zu begegenen, dass Wahrheit ohne ein Gefäss, darin sie sein kann, oder eine Registratur, die sie liest, oder eine Aussage, die sie einschliesst, oder eine künstliche Intelligenz, die sie birgt etc. nicht vorkommen kann.

Die Tatsachen kommen ohne unser Wissen von ihnen vor, ich bin also kein Konstruktivist. Ich halte mich sogar für einen Realisten. Aber zu sagen: ‚Diese Tatsache ist wahr‘ ist für mich nicht nur ein Kategorienfehler, sondern ein konstruktivistischer Trugschluss :) Eine Tasse ist nicht wahr, die nichtsprachliche Tatsache, dass du damals zu jenem Zeitpunkt eine Nachricht verfasst hast, ist nicht wahr. Nicht deshalb nicht wahr, weil es nicht so gewesen wäre, sondern weil die nichtsprachliche Tatsache selbst keine Trägerin von Wahrheitsinformstion ist. Die Tatsache als Aussage von etwas als etwas, mag wahr sein, ja, aber nur als Aussage von etwas und nicht als nichtsprachliche Tatsache. Kannst du das nachvollziehen?

Und deshalb überzeugt mich auch das Formelbeispiel nicht: Es simuliert, dass die mathematische Formel einen ontologischen Wahrheitsstatus habe, als gebe es in der Welt eine Raumzeit, darin die Formel in aller Wahrheit strahle. Das halte ich für einen konstruktivistischen Fehlschluss.
Die mathematische Formel ist nichts weiter als eine Regel, die auf einem bestimmten, aber nicht einzigen, Zahlensystem basiert, das funktioniert. Die Formel aber ist nur sofern wahr, als sie eine Aussage darstellt, die wahr ist.



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Sa 21. Okt 2017, 21:40

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 20:21
Kannst du das nachvollziehen?
Ja, alles.

Deine Einwände sind auch meine, ich verstehe in welchem Sinn es ewige Wahrheiten gibt, aber wenn sie keiner äußert ...
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 20:21
Und deshalb überzeugt mich auch das Formelbeispiel nicht: Es simuliert, dass die mathematische Formel einen ontologischen Wahrheitsstatus habe, als gebe es in der Welt eine Raumzeit, darin die Formel in aller Wahrheit strahle.
Doch, das fand ich eigentlich ganz gut, mir hat das eine Tür geöffnet. Für welche Seite ich mich da entscheiden soll, weiß ich bis heute nicht.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 20:21
Die mathematische Formel ist nichts weiter als eine Regel, die auf einem bestimmten, aber nicht einzigen, Zahlensystem basiert, das funktioniert. Die Formel aber ist nur sofern wahr, als sie eine Aussage darstellt, die wahr ist.
So ist es mit (sprach)logischen Systemen aber letztlich auch.

Endliche Schlussregel produzieren ewige Wahrheiten, das ist irgendwie leidenschaftslos schön.



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Sa 21. Okt 2017, 23:38

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 08:42
Wenn das System heute um 12.00 Uhr erfunden, ersonnen, geschöpft wird dann sind um 14.00 Uhr vielleicht noch nicht alle Feinheiten und gültigen Schlüsse bekannt oder formuliert, wahr sind sie aber sehr wohl schon und waren es auch schon um 12.00.01 Uhr.
Müssten die, sofern sie denn zutreffen, nicht immer schon wahr gewesen sein und wurden nun lediglich systematisch gefasst?




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novon
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Sa 21. Okt 2017, 23:57

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
novon hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 00:59
Alethos hat geschrieben :
Fr 20. Okt 2017, 19:28
Heisst das, dass Tatsachen für dich auch Wahrheit zukommen kann?
Nein. Sachverhalte bestehen oder nicht. Wahrheit kommt Aussagen zu. Aussagen, die reale Sachverhalte (semantisch) treffen, hinreichend beschreiben, sind wahr.
Ok, Tatsachen liegen vor. Sie können verifiziert oder falsifiziert werden.
Nein. Tatsachen sind vorliegende Sachverhalte. Aussagen stellen den Gegenstand von Verifikation oder Falsifikation dar (nämlich anhand nachweisbarer Sachverhalte).
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
Das meine ich: Wir machen Aussagen über Tatsachen und darum kann der Aussage Wahrheit zukommen oder nicht. Das ist ja eine Korrespondenztheorie.
Ist mir, ganz ehrlich ziemlich egal, welcher Theorie man das zuordnen könnte. Es ist eben wahr, dass ich irgendwann geboren wurde, nie Dackelfleisch gegessen habe und gelegentlich zweifle. Dafür bedarf es keiner großartigen Theorie.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
In diesem Thread geht es um Erinnerungen, d.h. das heisst erstmal um Aussagen über die Tatsache des Gewesensein.
So genau ist Erinnerung nicht. Du kannst dich u. U. auch an Zeugs erinnern, das niemals statt hatte, oder umgekehrt Dinge vergessen, die sehr wohl statt hatten.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
novon hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 00:59
Und was du mit den "ewigen Wahrheiten" hast ist mir irgendwie gar nicht klar. Was wahr ist, ist eben wahr. Wobei meinerseits natürlich der physikalische Zeitpfeil vorausgesetzt ist. Das impliziert: Wahre Aussagen sind ausschließlich über bereits Geschehenes möglich. Prognosen fallen nicht in einen Wahrheits-, sondern in einen Wahrscheinlichkeits- bzw. Plausibilitätsbegriff.)
Also, wenn es nicht mehr klar ist, was ihr einmal sagtet, dann können wir uns ja glücklicherweise gemeinsam erinnern :D :
?
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
Es gibt Wahrheit, selbst dann, wenn sie nicht ausgesagt wird?
Über Sachverhalte können zutreffende oder unzutreffende (Sachverhalt besteht nicht) Aussagen getätigt werden. Je nachedem wäre eine entsprechende Aussage dann entweder wahr oder nicht.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
Das gerade hattest du oben mit der Unterscheidung zwischen Tatsache und Aussagen gerade bestritten. Aussagen können wahr sein, Tatsachen sind aber Sachverhalte.
Tatsache bezeichnet einen bestehenden Sachverhalt. Was nicht besteht entfällt vollständig.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
novon hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 01:03
Ich verstehe, ganz ehrlich, kein Wort, worauf du hinaus wollen könntest.
Weißt du, was Bohrkerne sind und was man an denen so alles ablesen kann...?
Klar.
Aber oben habt ihr ewige Wahrheiten postuliert und die gehen aus dem im Gestein eingelagerten Dinofurz leider nicht hervor.
Okay. Dass du nichts mitgeschnitten hast, hättest du nun kürzer formulieren können... ;)
Sei's drum: Allem, was jemals tatsächlich stattgefunden hat, kommt das Attribut zu, dass darüber immer wahr ausgesagt werden kann. Das Mastodont hat eben ständig mal irgendwo hingeäppelt und das war damals wahr, wie es auch heute wahr ist oder in Äonen wahr sein wird. Oder meinst du, dass das Äppeln des Mastodont sich irgendwie aus der Geschichte des Universums tilgen lassen könnte? What's the problem?
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
Wenn ein Bohrkern aus der Erde gezogen wird, dann ‚erinnern‘ sich Wissenschaftler.
Wie oben schon angemerkt, scheint dein Begriff von "Erinnern" ein wenig diffus.




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Alethos
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So 22. Okt 2017, 15:41

novon hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 23:57
Geschichte des Universums
Zu deinen Einwänden habe ich gestern schon mit Tosa Inu reichlich hin und her geschrieben und das möchte ich heute auch nicht im einzelnen wiederholen.
Kurz: Tatsachen sind seiende ‚Dinge‘. Nichts an ihnen ist wahr. Dass es theoretisch ewig möglich bleibt, über sie eine wahre Aussage zu machen, halte ich für eine sehr steile These, aber doch für eine im Prinzip mögliche.

Worauf ich gerne zu sprechen käme, wäre die ‚Geschichte des Universums‘. :) Bei Geschichten wissen wir, dass sie tradiert werden. Sie kommen als Tatsachen vor, insofern sie überhaupt erzählt werden. Oder sie werden in Büchern niedergeschrieben, wo sie jederzeit gelesen werden können.

Nun ist die Geschichte ja auch eine Erzählung, nämlich die von der Vergangenheit der Welt, des Weltgeschehens etc. Die Geschichte bildet eine Chronik der gewesenen Tatsachen. Auch diese werden erzählt oder niedergeschrieben. Die Geschichte macht Aussagen über das Vergangene. Mir würde nie in den Sin kommen zu sagen, dass die Weltgeschichte nur die Summe der paar Terrabytes an Aussagen sei, die die Historiker zusammengetragen haben. Denn offenbar kamen in der Geschichte der Welt mehr Tatsachen vor, als wir zu erinnern fähig sind. Ich würde aber lediglich sagen, dass nur diese jetzt vorhandenen und in Zukunft getätigten Aussagen wahr sind resp. dass nur die tätigbaren Aussagen überhaupt wahrheitsfähig sein können.
Dass die gewesenen nichtsprachlichen Tatsachen aber deshalb ewig wahr seien, kann deshalb kein korrekter Schluss sein.

Oder, und hier wirds vielleicht interessant: Wo steht denn diese Vergangenheit der nichtsprachlichen Tatsachen geschrieben, die nirgend in Büchern, in keiner Bohrkernprobe und in keiner Erinnerung eine Spur hinterlassen haben? Wer schreibt die Geschichte des Universums?



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Jörn Budesheim
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So 22. Okt 2017, 17:06

Alethos hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 15:41
Tatsachen sind seiende ‚Dinge‘.
Meines Erachtens sind Tatsachen keine Dinge - egal ob mit oder ohne Anführungszeichen :-) Eine Blume ist ein "Ding", dass sie auf dem Tisch liegt, ist eine Tatsache.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 17:06
Alethos hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 15:41
Tatsachen sind seiende ‚Dinge‘.
Meines Erachtens sind Tatsachen keine Dinge - egal ob mit oder ohne Anführungszeichen :-) Eine Blume ist ein "Ding", dass sie auf dem Tisch liegt, ist eine Tatsache.
Wer schreibt denn diese Geschichte der Tasse, die auf dem Schreibtisch liegend, für soviel semantische Polemik sorgt? :) Die Raumzeit-Historiographie haben wir ja schon mal diskutiert.



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So 22. Okt 2017, 17:48

Ich will darauf hinaus, dass Gegenstände (Steine, Tassen, Atome,...) etwas anderes sind als Tatachen (Der Stein fällt, die Tasse ist voll, Atome kreisen.) Das sollte man nicht vermixen. Zumal etliche Philosophen glauben, dass es zwar Dinge gibt, aber keine Tatsachen.
Logisch-semantische Propädeutik, Ernst Tugendhat und Ursula Wolf hat geschrieben : Die Welt (unsere raumzeitliche Welt) besteht [...] nicht aus Tatsachen, sondern aus konkreten Gegenständen.




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Im Übrigen halte ich alles Ontische für eine Tatsache, ob mit oder ohne Explizitmachung der relationalen Verortung ihres Seins oder ihrer seienden Tätigkeit. :) Wenn ich sage: ‚Die Tasse‘ wird mitgesagt, dass sie sei, war oder sein wird, und dass sie dort oder dort ist, war oder sein wird. Wenn du aber willst: ‚Die Tasse ist der Fall’ hier in minimal-ontologischem Format :)



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