Erinnerungen oder was ist eine Unzeit

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
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Jörn Budesheim
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Tassen können zwar fallen, sind aber nicht der Fall. Tassen existieren. Gegenstände und Tatsachen sollte man auseinander halten.




Tosa Inu
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novon hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 23:38
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 08:42
Wenn das System heute um 12.00 Uhr erfunden, ersonnen, geschöpft wird dann sind um 14.00 Uhr vielleicht noch nicht alle Feinheiten und gültigen Schlüsse bekannt oder formuliert, wahr sind sie aber sehr wohl schon und waren es auch schon um 12.00.01 Uhr.
Müssten die, sofern sie denn zutreffen, nicht immer schon wahr gewesen sein und wurden nun lediglich systematisch gefasst?
Ja.

Und auf die Gefahr hin, dass das die Verwirrung nicht kleiner macht, glaube ich, dass auch historische Ereignisse, die noch passieren zeitlos wahr sind.
Frau Merkel wird entweder auch bei der nächstenn Wahl wieder Kanzlerin, oder eben nicht. Die Aussage, dass sie 2021 Kanzlerin wird ist entweder wahr, oder falsch. Auch jetzt schon. Wir wissen es halt nur nicht.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Alethos
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So 22. Okt 2017, 18:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 17:48
Ich will darauf hinaus, dass Gegenstände (Steine, Tassen, Atome,...) etwas anderes sind als Tatachen (Der Stein fällt, die Tasse ist voll, Atome kreisen.) Das sollte man nicht vermixen. Zumal etliche Philosophen glauben, dass es zwar Dinge gibt, aber keine Tatsachen.
Logisch-semantische Propädeutik, Ernst Tugendhat und Ursula Wolf hat geschrieben : Die Welt (unsere raumzeitliche Welt) besteht [...] nicht aus Tatsachen, sondern aus konkreten Gegenständen.
Spannende Fragestellung. Für mich war immer klar, dass eine Tatsache Dinge meint, die tätig sind. Bei ‚Die Tasse steht dort auf dem Pult‘ zeigt das Verb, dass Dinge in der Tatsache, von der sie Teil sind, erwas bewirken und erleiden, also spezifische Seinsmodi haben. Unsere grammatische Flexion (Akkusativ, Dativ etc.) gibt das soweit es geht wieder, so auch die Tempora.

Wenn ich es mir aber genau überlege, dann könnte man selbst das nochmal genauer aufschlüsseln..



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Alethos
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So 22. Okt 2017, 18:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 18:12
Tassen können zwar fallen, sind aber nicht der Fall. Tassen existieren. Gegenstände und Tatsachen sollte man auseinander halten.
Dann sagts du also: ‚Diese Tasse ist.‘ sei keine Tatsache.



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Jörn Budesheim
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"Der Ball ist rund" ist eine Tatsache, aber Rundsein ist wohl eher keine Tätigkeit :-)




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Alethos
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So 22. Okt 2017, 18:26

Ich will ja nicht komplizierter sein als die Konstruktionsanleitung eines Lasers, aber..

Wenn Tatsachen etwas andere sind als Dinge, dann muss man besprechen, worin sich jene irren, die sagen, Tatsachen gebe es nicht.



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Jörn Budesheim
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So 22. Okt 2017, 18:32

Man kann es sich vielleicht so ausmalen: Wir haben eine Welt mit einigen Gegenständen. Dass es diese gibt, gestehen Leute wie Tugendthat zu. Jetzt kommen Tatsachen ins Spiel. Da stellen sie sich (karikierend ausgedrückt) wohl so vor, als würden wir mit dem metaphysischen Zeigefinger um Grüppchen von diesen Dingen heraumfahren und so Tatsachen "konstruieren". Die Beziehungen (etwa) oder Grüppchen sind nach dieser Ansicht von uns gestiftet.




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Alethos
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So 22. Okt 2017, 18:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 18:20
"Der Ball ist rund" ist eine Tatsache, aber Rundsein ist wohl eher keine Tätigkeit :-)
Sein ist natürlich keine Tätigkeit, darum ist der Mann, der an der Bushaltestelle nur ist und wartet, auch untätig. Warten ist natürlich auch keine Tätigkeit, weil sich da nichts tut :)



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Alethos
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So 22. Okt 2017, 18:38

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 18:32
Man kann es sich vielleicht so ausmalen: Wir haben eine Welt mit einigen Gegenständen. Dass es diese gibt, gestehen Leute wie Tugendthat zu. Jetzt kommen Tatsachen ins Spiel. Da stellen sie sich (karikierend ausgedrückt) wohl so vor, als würden wir mit dem metaphysischen Zeigefinger um Grüppchen von diesen Dingen heraumfahren und so Tatsachen "konstruieren". Die Beziehungen (etwa) oder Grüppchen sind nach dieser Ansicht von uns gestiftet.
Schöne Karikatur, das verstehe sogar ich.

Wenn wir uns diese Kreise, die sie Grüppchen bildend ziehen, so vorstellen, dass sie auch dann sind, wenn wir nicht mit dem methaphysischen Finger herumfahren, könnte man sie glatt Sinnfelder nennen.



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Tosa Inu
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So 22. Okt 2017, 18:43

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 18:32
Man kann es sich vielleicht so ausmalen: Wir haben eine Welt mit einigen Gegenständen. Dass es diese gibt, gestehen Leute wie Tugendthat zu. Jetzt kommen Tatsachen ins Spiel. Da stellen sie sich (karikierend ausgedrückt) wohl so vor, als würden wir mit dem metaphysischen Zeigefinger um Grüppchen von diesen Dingen heraumfahren und so Tatsachen "konstruieren". Die Beziehungen (etwa) oder Grüppchen sind nach dieser Ansicht von uns gestiftet.
Ich glaube auch, dass wir (logische Einzel)Dinge (Objekte, Subjekte) und die mannigfaltigen Beziehungen zwischen ihnen zu Tatsachen erklären.
Das wiederum macht den Schritt von den Tatsachen zu den Wahrheiten etwas difficiler als wo man glauben tut, weil es dann nämlich in einigen Fällen nicht das Verhältnis von privater Meinung zum ontologischen Sosein beschreibt, sondern von privater Meinung zu öffentlicher Meinung über das Sosein der Dinge.
Man kann es ewig hin und her klappen. Nichts ist darauf zu reduzieren, dass es uns einfach gegeben ist, andererseits ist die reine Konstruktion der Dinge (und ihrer Beziehungen) auch kein gelungenes Konzept.



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novon
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So 22. Okt 2017, 23:20

Alethos hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 15:41
novon hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 23:57
Geschichte des Universums
Kurz: Tatsachen sind seiende ‚Dinge‘.
Na okay. Denn definier' mal bitte "seiend", bevor ich dich weiter mit meiner Blödheit einöle...
Alethos hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 15:41
Nichts an ihnen ist wahr. Dass es theoretisch ewig möglich bleibt, über sie eine wahre Aussage zu machen, halte ich für eine sehr steile These, aber doch für eine im Prinzip mögliche.
Denk noch mal kurz an deine Ururururururur...urgroßeltern, von denen du keinen blassen Schimmer hast, ohne die du aber wohl kaum hier schreiben könntest. Doch eigentlich nicht so schwer, einzusehen, dass die Aussage "Du hattest Ururururururur...urgroßeltern" notwendig wahr sein muss (und wenn nicht du, dann wenigstens dein Coder).
Alethos hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 15:41
Worauf ich gerne zu sprechen käme, wäre die ‚Geschichte des Universums‘. :) Bei Geschichten wissen wir, dass sie tradiert werden. Sie kommen als Tatsachen vor, insofern sie überhaupt erzählt werden. Oder sie werden in Büchern niedergeschrieben, wo sie jederzeit gelesen werden können.
Ich hab gerade keine Bock auf Teekesselschen. ("Geschichte" war im Sinne der "Ururururururur...urgroßeltern" zu lesen.)




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Jörn Budesheim
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Mi 25. Okt 2017, 19:21

Tosa Inu hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 18:43
Ich glaube auch, dass wir (logische Einzel)Dinge (Objekte, Subjekte) und die mannigfaltigen Beziehungen zwischen ihnen zu Tatsachen erklären.
Weil mir gerade was vergleichbares über den Wg gelaufen ist, was mich an diesen Satz von dir erinnert hat und ich noch nachfragen wollt: Wie genau meinst du das? Wäre es keine Tatsache gewesen, dass die Erde sich um die Sonne dreht, wenn das niemand beobachtet hätte? Oder an was denkst du dabei?




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Mi 25. Okt 2017, 22:40

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 25. Okt 2017, 19:21
Tosa Inu hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 18:43
Ich glaube auch, dass wir (logische Einzel)Dinge (Objekte, Subjekte) und die mannigfaltigen Beziehungen zwischen ihnen zu Tatsachen erklären.
Weil mir gerade was vergleichbares über den Weg gelaufen ist, was mich an diesen Satz von dir erinnert hat und ich noch nachfragen wollt: Wie genau meinst du das? Wäre es keine Tatsache gewesen, dass die Erde sich um die Sonne dreht, wenn das niemand beobachtet hätte? Oder an was denkst du dabei?
Was ich meine, ist, dass man zwar einerseits sagen kann, dass das Verhältnis von Sonne zur Erde natürlich auch dann so ist, wie es ist, wenn das niemand bezeugt oder behauptet. Andererseits sind Erde und Sonne nicht alleine auf der Welt und ihr Charakter als logisches Subjekt in jeweiliger Beziehung ist ja schon eine Idealisierung. Für uns ist ganz klar, das ist ein Hund, das ein Auto, das ein Baum aber da hat die Selektion ja schon stattgefunden, die vermutlich einen Gefahr/Lust Aspekt hat, nützlich ist, nicht zwingend wahr.

Kurz: Mit welcher Berechtigung kann man etwas überhaupt zu einem Einzelding erklären?
Insofern machen wir etwas zu Tatsachen, die dann nachher als Grundlage für unsere Wahrheiten dienen.



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novon
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Mi 25. Okt 2017, 23:25

Tosa Inu hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 18:14
Und auf die Gefahr hin, dass das die Verwirrung nicht kleiner macht, glaube ich, dass auch historische Ereignisse, die noch passieren zeitlos wahr sind. Frau Merkel wird entweder auch bei der nächstenn Wahl wieder Kanzlerin, oder eben nicht. Die Aussage, dass sie 2021 Kanzlerin wird ist entweder wahr, oder falsch. Auch jetzt schon.
Bislang hatte ich mich daran gehalten, dass Wahrheit Aussagen zukommt. Aussagen über zukünftige Ereignisse nennt man Prognosen. Die zerfallen nicht in wahre oder falsche, sondern z. B. in plausible oder unplausible, begründete oder unbegründete, fundiert oder nicht fundiert, etc. Ob Prognosen in wahre Aussagen münden oder nicht, stellt sich heraus, wenn die Zeit, auf die sich eine Prognose bezog, eingetreten ist - und etwaige Prognosen werden dadurch hinfällig, denn im Anschluss lassen sich entsprechend Aussagen treffen -.




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Jörn Budesheim
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Do 26. Okt 2017, 08:44



Dieser Ausschnitt ab 1h 41m 40s ist für den Themenkomplex Wahrheit, Dinge, Tatsachen spannend, weil Gabriel auch kurz einen Streit zwischen ihm und Searle darstellt.




Tosa Inu
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Do 26. Okt 2017, 15:46

Wenn ich Gabriel an der Stelle richtg verstehe, dann kritisiert er das, was ich auch kritisiere, nur setzt er den Bruch an einer anderen Stelle.
Er sagt, Wahrheit sei keine Eigenschaft von Aussagen (ich: doch), aber er will glaube ich auch sagen, dass wir Tatsachen erst zu solchen machen, indem wir Relationen zwischen den Dingen irgendwie künstlich beifügen müssten.

Also als gäbe es eine Welt der Dinge, von der wir dann feststellen, hoppla die sind ja in Beziehungen und das machte Dinge zu Tatsachen.
Dass Tatsachen immer schon vorliegen und die (Einzel)Dinge eigentlich eine theoretische Reduktion sind, da bin ich glaube ich bei Gabriel, ich habe nur nichts dagegen, dass Wahrheit eine Eigenschaft von Aussagen ist.

Ich glaube, dass Tatsachen auch "so", ohne dass man sie benennt, vorliegen, wenn sie dann aber benannt werden, werden sie zu Wahrheitsbehauptungen oder, was dasselbe ist, Tatsachenbehauptungen. Insofern ist der Rekurs auf Tatsachen zur Stützung von Wahrheiten manchmal doppelt gemoppelt.

Dass Tatsachen Dinge (wie sie sind) sind, "ohne Relationen", wie Searle meint, sind, halte ich mit Gabriel für falsch. Dinge sind immer in Relationen. Das spielt für die Aussage, dass Pinguine zwei Beine haben vielleicht keine große Rolle, beim Ich sieht das schon anders aus.

Ken Wilber nennt Einzeldinge Holons (es gibt verschiedene Arten) und sagt über sie, sie seien Einzeldinge in Beziehung, was sie definiere sei: "Agenz und Kommunion."



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Jörn Budesheim
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Do 26. Okt 2017, 18:04

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 26. Okt 2017, 15:46
Wenn ich Gabriel an der Stelle richtg verstehe, dann kritisiert er das, was ich auch kritisiere, nur setzt er den Bruch an einer anderen Stelle.
Er sagt, Wahrheit sei keine Eigenschaft von Aussagen (ich: doch), aber er will glaube ich auch sagen, dass wir Tatsachen erst zu solchen machen, indem wir Relationen zwischen den Dingen irgendwie künstlich beifügen müssten.
Erstaunlich, wie unterschiedlich du das "hörst". Meines Erachtens gibt es nach Gabriels Ansicht Tatsachen. Seine sehr gängige Definition ist: Eine Tatsache ist etwas, was über etwas wahr ist. Es ist über ihn wahr, dass er diesen Vortrag hielt. Oder: Es war auch schon bevor das erforscht wurde wahr, dass es mehr als X Elementarteilchen gibt. Auch Aussagen können nach Gabriel natürlich wahr sein. Darin bestand der Streit mit Searle, der sich auf Aussagenwahrheit beschränken wollte (weil er Old-School ist), dadurch aber bei der Definition von Tatsachen laut Gabriel ins Schleudern kam.




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Alethos
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Do 26. Okt 2017, 20:40

Das ist ein interessanter Gedanke von Gabriel: Man befreie die Welt von der Unerkennbarkeit des Dings an sich. Man nehme die Tatsachen, wie sie erscheinen und nenne diese Erscheinung die Existenz für sich. Hat man einmal akzeptiert, dass das Ding an sich völlig unproblematisch die Erscheinung für uns ist, dann braucht man auch in keinem Konstruktivismus mehr Zuflucht suchen, die Tatsachen sind dann einfach gegebene Wirklichkeiten, die sich beschreiben lassen. Und nur jene Aussagen haben Wahrheit, die die Wahrheit der Tatsache zu erfassen vermögen.

Wahrheit nach diesem realistischen Konzept ist kein Resultat von Sprache oder von Aussagen oder von Modellen. Wahrheit hat eine rein ontische Dimension, die sich erfolgreich überführen lässt in Sprache oder auch nicht. Der Linguistic Turn wird sozusagen nochmal ‚geturnt‘. Wahrheit ist keine Angelegenheit von Sprache, sondern von Wirklichkeit.

‚Es regnet in Bonn!‘ ist dann auch nichts anderes als ein sprachliches Konstrukt leer von jeder Wirklichkeit über Bonn und hat nur Wirklichkeit als Satz in einem Satzgefüge. Der Satz ‚Es regnet in Bonn‘ ist wirklich, was er beinhaltet ist aber keine Wirklichkeit, sondern nur die Tatsachenbeschreibung einer Wirklichkeit, die ausserhalb von Sprache stattfindet.



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Jörn Budesheim
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Do 26. Okt 2017, 20:53

Das ist eine sehr freie Interpretation :-)

(Und den letzten Absatz verstehe ich nicht wirklich - wenn der Bezug Gabriel sein soll ...)




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Alethos
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Do 26. Okt 2017, 20:56

Ich denke, auf folgendes können wir uns im kleinen Kreis hier verständigen:

1. Tatsachen sind relationale Zustände von Dingen in der Raumzeit
2. Tatsachen existieren auch ohne unsere Aussagen über sie, d.h. auch ohne unsere Erinnerungen.
3. Aussagen sind wahr, wenn sie eine Wirklichkeit beschreiben, wie sie ist

Und hier das sozusagen entproblematisierte Ding an sich:

4. Tatsachen sind an sich und als solche Erscheinungen für uns.

Und hier kommt mein Zweifel, ob man den Konstruktivismus wirklich ganz entsorgen kann. Denn ob es in Bonn regnet oder nicht, kann Herr Gabriel wohl überprüfen und feststellen: In der Bonner Wirklichkeit regnet es, deshalb ist die Aussage, es regne in Bonn, wahr. Dass es in Bonn regnet ist also wahr, weil es in Bonn regnet, weshalb ich es sehen und überprüfen kann. Nun aber müssen wir doch auch fragen, wie man die erkannte Wahrheit von der illudierten unterscheiden kann. Vielleicht regnet es nicht, sondern Herr Gabriel hat einfach eine Halluzination. Es braucht eine rezertifizierende Meinung, und eine dritte und eine vierte, also eine intersubjektive Gültigkeit. Denn anders als pluralistische Vielstimmigkeit können wir Realität gar nicht denken, d.h. wenn sie uns allen in der gleichen Weise Aussagen abzuringen in der Lage ist.



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