Kaffeestübchen

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
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Stefanie
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Mi 28. Feb 2024, 15:45

Wobei das auch mal beides zusammenkommt oder ineinander fließt. Das Hobby Lesen verdrängt das Sehen eines Films, oder auch das Schreiben im Forum verdrängt mal das Lesen oder das Film schauen. So in der Art.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Mi 28. Feb 2024, 17:07

Meines Wissens hatte jemand Gewisses (siehe Link unten: der dort Interviewte) schon vor vielen Jahren einmal eine alternative Definition von E und U vorgeschlagen - etwa so: E stehe für den Voraussetzungsreichtum das betreffende kulturelle Artefakt angemessen goutieren zu können (Bildung, Geschmack, Geschmacksbildung etc. - eher dem Bildungsbürgerlichem, traditionell: "Höhergestelltem" usw., modern Akademischem usf. zugeordnet -> "exklusiv"), während U weit weniger voraussetzungsreich daherkommt - z.B. "Massenkultur", "Jede/r kann mitmachen" (-> potentiell/"freiwillig" "inklusiv") - , aber sehr wohl oftmals sehr spezifische, etwa subkulturelle Codes ausbilden könnend, die gesellschaftlich eher "Ohnmächtigen" eine gewisse, von der offiziellen Macht primär nicht vorgesehene Macht (halt selbstermächtigend) zuschanzt. Bei U können also Alle recht voraussetzungsarm mitmachen, was bei E traditionell nicht so einfach zu haben ist und eben an gewisse (früher durchaus auch klassenspezifische) Bedingungen geknüpft ist. (Der "Erfinder" dieser Redefinitionen konnte das wesentlich besser und überzeugender darstellen, aber ich finde die entsprechenden Text-"Stellen" nicht wieder.)

Hier vom besagtem Autor auch noch etwas über Adorno und Jazz:
profil: Adornos Jazzverachtung ist legendär und gilt vielen Pop-und Jazzfreunden als unverständlich. Sie beschreiben Adornos Sicht auf den Jazz viel ambivalenter.
Diederichsen: Adorno hatte als Kind erfahren, dass Musik mit Glück zusammenhängt. Seine Tante spielte mit ihm vierhändig Klavier. Dann kam Jazz und bot ein ganz anderes soziales Glück an, auch noch sexualisiert. Das war eine enorme Provokation, aber sie traf den Richtigen. Adorno konstruierte in der Reaktion darauf das "Jazz-Subjekt“ und wurde darüber quasi homophob. Die Sexualität fand er falsch, und das Jazz-Subjekt war irgendwie schwul oder auch kastriert. Dennoch ist diese Denkfigur eine inspirierende Steilvorlage: Viele seiner Beobachtungen stimmen, wenn man sie umdreht und anders bewertet. Das Jazz-Subjekt ist ein Vorläufer des Pop-Subjekts und hat dessen spezifisch afroamerikanische Geschichte aufgenommen, auch wenn das Adorno selbst gar nicht interessiert hat.
https://www.profil.at/gesellschaft/died ... smo-373429




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Jörn Budesheim
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Mi 28. Feb 2024, 17:37

U: alles wird geliefert
E: man muss selbst liefern




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Quk
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Mi 28. Feb 2024, 17:48





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Mi 28. Feb 2024, 19:20

Wohl unterhaltsam, aber sicherlich nicht sehr realistisch, die Mozartmode Mitte der 80er.





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Quk
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Do 29. Feb 2024, 10:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2024, 17:37
U: alles wird geliefert
E: man muss selbst liefern
Was wenn ein Werk "nur" ein einziges, außergewöhnliches Gefühl auslöst, das man nicht konkret und nicht rational deuten kann? Ist das dann nicht ernst?

Da die GEMA einen Unterschied macht zwischen ernst und unernst, beziehungsweise zwischen Unterhaltung und Nichtunterhaltung, und keine dritte Kategorie anbietet, komme ich zu diesem Schluss:

Unterhaltung sei dasjenige, was unernst ist.
Ernst sei dasjenige, was nicht unterhält.

Das sind sogar gleich zwei Widersprüche. Das ganze Prinzip ist unsinnig, pseudo-elitär und ungerecht.




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Stefanie
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Do 29. Feb 2024, 11:00

Nenn es doch gleich Blödsinn.

Die GEMA ist eh ein Kapitel für sich.(aus der Sicht eines sozialen Trägers in NRW mit Sommerfesten, Weihnachtsfesten etc. in Kindergärten).



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Jörn Budesheim
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Do 29. Feb 2024, 11:45

Quk hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 10:10
ungerecht
Warum ungerecht?




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Jörn Budesheim
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Für mich sind U und E auch keine sich ausschließenden Gegensätze. In der Regel sind es sogar besonders großartige Werke, die gewissermaßen zwei Eingänge haben, den U- und den E-Eingang.




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Quk
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Do 29. Feb 2024, 13:54

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 11:45
Quk hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 10:10
ungerecht
Warum ungerecht?
Mitglieder der GEMA bekommen Geld von ihr, wenn GEMA-Werke aufgeführt werden. Die GEMA bekommt die ganze Kohle, und verteilt sie an die Mitglieder. Der Verteilungsschlüssel richtet sich aber nicht an der Anzahl und Art der Aufführung, sondern danach, in welcher Kategorie das Werk ist -- E oder U.
U bekommt nur einen kleinen Bruchteil. E bekommt den Großteil. Das Geld wandert von U nach E, egal wie komplex das U-Stück ist und wie banal das E-Stück ist.

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 11:48
Für mich sind U und E auch keine sich ausschließenden Gegensätze.
Für die GEMA leider schon.




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Jörn Budesheim
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Do 29. Feb 2024, 20:13

Ich trage Jeans seit ich 16 bin.
Ich trage Jeans seit ich 16 war.

Was ist richtig und warum? (Ich bin ü60)




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Lucian Wing
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Do 29. Feb 2024, 21:49

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 20:13
Ich trage Jeans seit ich 16 bin.
Ich trage Jeans seit ich 16 war.

Was ist richtig und warum? (Ich bin ü60)
Das ist eine hübsche Frage. Abgesehen davon, dass die Präposition, wenn sie einen Nebensatz einleitet, ein Komma braucht, klingt der zweite Satz falsch. Leider gibt weder "Richtiges und gutes Deutsch" (Duden Band 9) darüber Auskunft noch lässt sich dem ChatGPT eine irgendwie vernünftige Antwort entlocken. Man müsste wohl Peter Eisenberg fragen. Der könnte das abschließend beantworten.

Meine Erklärung wäre, dass "seit ich war" eigentlich wie ein abgeschlossenes Ereignis klingt, das keine Fortsetzung gefunden hat. Also etwa so wie "Ich gehe nicht mehr zum Skilaufen, seit ich einen Unfall hatte". Da ist der Gebrauch des Präteriums richtig, weil das Ereignis "Unfall" abgeschlossen ist. Das Ereignis "Leben" ist jedoch nicht abgeschlossen mit dem Ende des 16. Lebensjahres, es dauert vielmehr an. Daher gehört aus meiner Sicht hier dem Präsens, also dem ersten Satz, der Vorzug.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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Stefanie
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Do 29. Feb 2024, 21:55

Kann man nicht auch sagen, dass das Ereignis das Tragen der ersten Jeans war? Und seit diesen, in der Vergangenheit liegenden Ereigniss, trage ich Jeans. Deshalb "war".



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Lucian Wing
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Do 29. Feb 2024, 22:15

Stefanie hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 21:55
Kann man nicht auch sagen, dass das Ereignis das Tragen der ersten Jeans war? Und seit diesen, in der Vergangenheit liegenden Ereigniss, trage ich Jeans. Deshalb "war".
Das Tragen ist das ein Ereignis, das andauert. Grundsätzlich darf die Präposition nur mit Verben verwendet werden, die ein andauerndes Geschehen bezeichnen, also mit imperfekten und nicht mit perfektiven Verben. In diesem Sinne bezieht sich das Tragen m.E. als Geschehen auf den Zeitraum seit dem 16. Lebensjahr, und so wäre m.E. der korrekte Satz auch: Ich trage seit meinem 16. Lebensjahr Jeans. Die anderen Sätze sind umgangssprachlich ok, aber ganz koscher sind sie eben beide nicht, weil sie den Sachverhalt so oder so einfach nicht korrekt ausdrücken.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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Quk
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Do 29. Feb 2024, 23:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 20:13
Ich trage Jeans seit ich 16 bin.
Ich trage Jeans seit ich 16 war.

Was ist richtig und warum? (Ich bin ü60)
Das hatten wir hier neulich schon mal, und ich dachte, Du wüsstest, was richtig ist :-)

Das lässt sich ganz einfach klären:

X: "Ich trage Jeans seit ich 16 bin."
Y: "Was? Du bist 16? Ich dachte du bist 63. Seit wann bist du denn 16? Wann wirst du 17? Dieses oder nächstes Jahr? "

X: "Ich spreche Englisch seit ich in der 5. Klasse bin."
Y: "Was? Du bist immer noch in der fünften?"

X: "Ich trage Jeans seit ich 16 war."
Y: "Du warst also 16, als du anfingst, Jeans zu tragen."

X: "Ich spreche Englisch seit ich in der 5. Klasse war."
Y: "Du warst also in der fünften, als du anfingst, Englisch zu sprechen."




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Jörn Budesheim
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Fr 1. Mär 2024, 07:36

Ich erinnere mich vage. Gestern kamen mir beide Versionen falsch vor - immer die, die ich gerade genutzt habe.




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Stefanie
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Fr 1. Mär 2024, 10:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 1. Mär 2024, 07:36
(...) Gestern kamen mir beide Versionen falsch vor - immer die, die ich gerade genutzt habe.
Geht mir auch so. Mal so, mal so.



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Jörn Budesheim
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Fr 1. Mär 2024, 11:27

User bei FB hat geschrieben : Die gebräuchliche Ausdrucksweise ist die mit „bin“, … auch wenn es einem nicht logisch erscheint, da du ja nicht mehr 16 bist. Deutsche Sprache, schwere Sprache … 😉😅 … Aber frag mich nicht warum.
Entschieden hatte ich mich übrigens für die Lösung mit "war".
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 15:11
Die Mode, die sich von Saison zu Saison ändert, interessiert mich selbst nicht so sehr. Aber Jeans zum Beispiel trage ich, glaube ich, seit ich 16 oder 17 war.
Der digitale Schreibassistent DeepL bevorzugt "bin" :-)
DeepL hat geschrieben : Die Mode, die von Saison zu Saison wechselt, interessiert mich nicht so sehr. Aber Jeans zum Beispiel trage ich, glaube ich, seit ich 16 oder 17 bin.




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Quk
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Fr 1. Mär 2024, 12:01

Das mag auf Facebook die gebräuchliche Ausdrucksweise sein, ist aber trotzdem falsch. Und die KI kopiert gerne das falsche, wenn es oft genug vorkommt.

Die KI wird sicherlich irgendwann auch Fehler wie Deppenapostrophen und dergleichen weit genug verbreiten, dass sie in den Duden aufgenommen werden müssen. Suchmaschinen-Algorithmen werden unsere Sprache massiv beeinflussen.




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Lucian Wing
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Fr 1. Mär 2024, 12:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 1. Mär 2024, 11:27
User bei FB hat geschrieben : Die gebräuchliche Ausdrucksweise ist die mit „bin“, … auch wenn es einem nicht logisch erscheint, da du ja nicht mehr 16 bist. Deutsche Sprache, schwere Sprache … 😉😅 … Aber frag mich nicht warum.
Entschieden hatte ich mich übrigens für die Lösung mit "war".
Wie auch immer, aber hoffentlich mit Komma, denn ohne ist es definitiv falsch, weil die temporale Konjunktion "seit" hier einen adverbialen Nebensatz einleitet.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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