Kaffeestübchen

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Jörn Budesheim
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Do 14. Mär 2024, 21:58

Ich finde daran nichts unnötig weitschweifiges, die Formulierung drückt genau das aus, was auszudrücken ist, kein Wort zu viel, kein Wort zu wenig.




Michael7Nigl
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Fr 15. Mär 2024, 20:28

Quk hat geschrieben :
Do 14. Mär 2024, 20:34
Man kennt Kants berühmte 3-Punkt-Sätze "die Bedingung der Möglichkeit der X". Manchmal frage ich mich, ob die Nummer 2, also "die Möglichkeit", notwendig enthalten sein muss. Kann man nicht direkt von 1 auf 3 gehen? Die Bedingung der X.

Beispiel:

X: Das Buchlesen
Möglichkeit: Möglichkeit des Buchlesens
Bedingung: Licht

Licht ist eine Bedingung der Möglichkeit des Buchlesens, und die Möglichkeit des Buchlesens ermöglicht das tatsächliche Buchlesen.

Abgekürzt:
Licht ist eine Bedingung für das tatsächliche Buchlesen.

Welches Verständnisproblem wird bei so einer Abkürzung verursacht?
Wenn Du fragst: Was sind Bedingungen des Buchlesens? Dann denke ich an die Ursachen oder Umstände, welche zum Buchlesen führen, also z.B. ich habe gerade Zeit und Lust, ich lese gerne Bücher, ich beschäftige mich gerade mit einem Thema und will etwas lernen, ich muss ein Referat halten etc. Nicht aber denke ich an die Bedingungen der Möglichkeit des Buchlesens wie z.B. dass es hell genug ist, dass ich meine Lesebrille aufhabe, dass ich lesen kann, dass ich wach bin, dass ich Zugriff auf ein Buch habe etc.

Die bloße Tatsache, dass es hell ist, würde in keiner Weise dazu beitragen, dass ich ein Buch lese, also ist es nach meinem Sprachverständnis auch keine Bedingung des Buchlesens, wohl aber eine Bedingung der Möglichkeit.




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Quk
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Fr 15. Mär 2024, 21:43

Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 15. Mär 2024, 20:28
Die bloße Tatsache, dass es hell ist, würde in keiner Weise dazu beitragen, dass ich ein Buch lese ...
Meinst Du das in dem Sinne, dass die Helligkeit allein noch lange nicht den Willen in Dir erweckt, jetzt Buch X zu lesen?

Hingegen trägt die bloße Möglichkeit des Buchlesens dazu bei, dass Du jetzt Buch X liest?

Ist es nicht so, dass in beiden Sätzen der notwendige kausale Anstoß unerwähnt bleibt? Es geht ja um die Bedingung und nicht um den kausalen Anstoß.

Wenn Du fragst: Was sind Bedingungen des Buchlesens? Dann denke ich an die Ursachen oder Umstände, welche zum Buchlesen führen
Bedingungen oder Umstände bezeichne ich nicht als Ursachen. Ursachen sind Bestandteil von Kausalitäten; Ursachen sind Ereignisse auf der Zeitachse. Hingegen sind Bedingungen zeitlos; und Umstände sind eher Zustände als Zeitpunkte, denke ich. Die Bedeutung des Umstandsbegriffs ist meinem Sprachgefühl nach auch eher verwandt mit der Bedeutung des Bedingungsbegriffs.

Vielleicht wollte Kant einen Adapter einfügen: Einen Adapter zwischen Bedingung (zeitlos) und Wirkung (zeithaft). Als Adapter dient der Begriff Möglichkeit. Warum? Weil dieser Begriff sowohl etwas Bedingtes (zeitlos) als auch eine Wirkung (zeithaft) ermöglichen kann. In dieser Hinsicht ist der Möglichkeitsbegriff universal. Ein ideales Verkupplungsstück.

Ist mir gerade beim Schreiben eingefallen.




Michael7Nigl
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Fr 15. Mär 2024, 22:08

Im Wörterbuch steht als Bedeutung für das Wort "bedingen": "die Ursache (für etwas) sein; zur Folge haben".

Licht bedingt nicht, dass ich ein Buch lese. Also ist Licht keine Bedingung für Buchlesen.

Licht ermöglicht aber das Buchlesen. Es ist also eine Bedingung der Möglichkeit.




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Quk
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Sa 16. Mär 2024, 00:27

OK, verstehe. Einverstanden. Ermöglichen, erlauben, dadurch kann ich ... etc.

Licht ist keine Bedingung fürs Buchlesen. Licht ist eine Bedingung fürs Buchlesenkönnen.
Licht bedingt nicht, dass ich ein Buch lese. Licht bedingt, dass ich ein Buch lesen kann.

Das ist aber alles Bedingung, nicht Ursache. Bedingung ist nach meiner strikten Auffassung keine Ursache, sondern eben eine Bedingung, Voraussetzung, Prämisse.

Bedingungen (und Gründe) sind logisch, nicht physikalisch. Ursache und Wirkung sind physikalisch.

Dein Wörterbuch scheint sich auf die weiter gefasste Alltagssprache zu beziehen.




Michael7Nigl
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Sa 16. Mär 2024, 01:37

Quk hat geschrieben :
Sa 16. Mär 2024, 00:27
OK, verstehe. Einverstanden. Ermöglichen, erlauben, dadurch kann ich ... etc.

Licht ist keine Bedingung fürs Buchlesen. Licht ist eine Bedingung fürs Buchlesenkönnen.
Licht bedingt nicht, dass ich ein Buch lese. Licht bedingt, dass ich ein Buch lesen kann.

Das ist aber alles Bedingung, nicht Ursache. Bedingung ist nach meiner strikten Auffassung keine Ursache, sondern eben eine Bedingung, Voraussetzung, Prämisse.

Bedingungen (und Gründe) sind logisch, nicht physikalisch. Ursache und Wirkung sind physikalisch.

Dein Wörterbuch scheint sich auf die weiter gefasste Alltagssprache zu beziehen.
Dein Ausgangsproblem war doch zu verstehen, warum Kant von den Bedingungen der Möglichkeit schreibt und nicht einfach von Bedingungen. Das dürfte nun hinreichend klar geworden sein, oder?

Mit Bedeutungen aus dem Wörterbuch meine ich immer Alltagssprache. Ansonsten spreche ich von der Bedeutung eines (philosophischen) Fachterminus.

Der Begriff "Bedingung" lässt sich nach meinem Verständnis nicht so weit einengen, dass er grundsätzlich den Bedeutungsbereich von "Ursache" nicht (teilweise) enthält.

Dass dies auch in der philosophischen Fachsprache gilt, sieht man an der Bedeutung des Wortes "Ursache": "im allgemeinen Sprachgebrauch der Realgrund einer Sache; philosophisch ist Ursache (lateinisch causa) die Sache, deren Existenz die Bedingung für die Existenz eines anderen Sachverhalts ist (causa essendi, Seinsursache), oder der Vorgang, der mit Notwendigkeit einen anderen Sachverhalt bewirkt (causa fiendi, Geschehensursache). Der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung wird als Kausalität bezeichnet." (https://www.wissen.de/lexikon/ursache)

Mit Bedingungen können in bestimmten Fällen also auch Ursachen gemeint sein. Ich verstehe "Bedingung" als einen Oberbegriff, der in vielen Feldern Anwendung findet, auch in solchen, wo es nicht um "Ursachen" geht.




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Quk
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Sa 16. Mär 2024, 05:36

Ja, ich denke, anhand des "kann"-Hilfsverbs wird verdeutlicht, dass das Licht allein nicht hinreichend ist, sondern dass das Licht nur eine von mehreren notwendigen Bedingungen ist: Dass ich ein Buch lese, ist bedingt durch Licht, Wille, Verstand, Buchexistenz, Auge etc.

Glatteis führt zum Ausrutschen? Nicht notwendigerweise. Nicht unbedingt (es sind weitere Bedingungen notwendig). Nicht allein. Kann, muss aber nicht.
Glatteis kann zum Ausrutschen führen? Ja.

Ich denke, der Punkt ist, dass das Wort "Möglichkeit" die Unterscheidung herstellt zwischen "notwendig" und "hinreichend". Das ist wohl der Punkt, den ich alle zwanzig Jahre vergesse :-)




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Jörn Budesheim
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Sa 16. Mär 2024, 07:24

Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 15. Mär 2024, 22:08
Im Wörterbuch steht als Bedeutung für das Wort "bedingen": "die Ursache (für etwas) sein; zur Folge haben".

Licht bedingt nicht, dass ich ein Buch lese. Also ist Licht keine Bedingung für Buchlesen.

Licht ermöglicht aber das Buchlesen. Es ist also eine Bedingung der Möglichkeit.
Ich denke gerade an die modalen Begriffe: Notwendigkeit, Möglichkeit/Unmöglichkeit, Kontingenz. Die Bedingungen in der kantigen Formel wären dann als notwendige Bedingungen zu verstehen, die etwas möglich machen (aber natürlich nicht garantieren). Diese notwendigen Bedingungen sind verkürzt Sinnlichkeit und Anschauungsformen und Vernunft und Kategorien. Möglich (aber nicht garantiert) werden dadurch z.B. naturwissenschaftliche Erkenntnisse.




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Jörn Budesheim
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Sa 16. Mär 2024, 08:25

Oder anders: in jeder Erfahrung immer schon vorausgesetzt, also "transzendental", sind reine sinnliche Anschauungen und reine Verstandesbegriffe, die die Erfahrung notwendig bedingen und grundsätzlich ermöglichen.




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Jörn Budesheim
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Und noch was: Es geht bei Kant, gemäß dem wenigen, was ich womöglich verstehe, und in dieser Formel auch, nicht um das, was Hirnforscher, Psychologen, Anthropologen, Kulturwissenschaftler usw. untersuchen können, sondern um das, was a priori ist und die Bedingung der Möglichkeit ihrer Untersuchungen darstellt, oder? Ich schreibe das, weil ich bei den Beispielen oben etwas skeptisch bin.




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Quk
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Sa 16. Mär 2024, 08:48

Das ist mir alles klar. Ich vergaß nur den Sinn des Möglichkeitsbegriffs, also des Könnens: "Kann" will sagen, dass für X eine Bedingung allein nicht hinreichend ist, sondern dass für X mehrere Bedingungen notwendig sind.

Wenn all diese notwendigen Bedingungen vorliegen, dann ist unmittelbar X. Dann ist X. Das "ist" ersetzt dann das "kann", da X dann eintreten muss.

Wenn nicht alle notwendigen Bedingungen vorliegen, dann kann X. Dies hängt ab vom Eintritt der restlichen notwendigen Bedingungen.




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Jörn Budesheim
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Ich bin gespannt, wie du in 20 Jahren darüber denkst.




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Quk
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Sa 16. Mär 2024, 16:34

Mit 80 werden meine Gedanken ganz woanders sein ... :-)




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Stefanie
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Sa 16. Mär 2024, 21:12

Über diese kurze kurze Bezeichnung von Jörn
kantigen Formel
musste ich schmunzeln.
Kantige meint nicht nur Kant, sondern "kantige" meint auch eigenwillig, nicht leicht zugänglich, sperrig, mit Ecken und Kanten, das passt auch auf die Formel. Finde ich.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Jörn Budesheim
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AufDerSonne
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Mo 18. Mär 2024, 20:03

Apropos Kaffeestübchen. Ich habe meine Kaffeemaschine entkalkt. Jetzt geht sie wieder wie einst im Mai! :D



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Stefanie
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Mo 18. Mär 2024, 21:33

Gestern Mittag auf dem Weg zu meiner Mutter und Schwester hatte ich 2/3 der Fahrstrecke ein Auto vor mir, das man doch selten sieht. Einen Ferrari. Nicht das Modell aus Magnum. Schwarz, vier Auspuffrohre, zwei links und zwei rechts. Die Kotflügel hinten waren sehr bauchig. Hinten breiter und höher als vorne. Sah neu aus. Bei jedem anfahren ließ sich erahnen, wie schnell dieses Auto ist. Und dazu dieses röhren. Er oder sie, die das Auto gefahren hatten, erfüllten nicht das Klischee, was den Fahrstil angeht. Zwar immer schnell angefahren, aber auf Abstand geachtet, kein drängeln. Zweimal wäre die Gelegenheit gewesen, schnell rauszuziehen, überholen usw., wurde nicht gemacht. Vorbildlicher Verkehrsteilnehmer.
Zwischendurch hatte ich einen kurzen Gedanken, das Auto durch Lichthupe zum anhalten zu bringen....Unsere beiden Autos auf einem Photo, das wäre ein Bild geworden.
Ich habe versucht herauszufinden, was das für ein Modell war. Mich interessiert aus Neugierde, was das Auto kostet usw.
Zufällig ein Ferrari Kenner hier im Forum?



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AufDerSonne
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Mo 18. Mär 2024, 22:01

Ich möchte doch noch einmal das Thema Ethik in der Wissenschaft aufgreifen. Oder ist es mit Nauplios Bemerkungen schon vom Tisch?
Ein Wissenschaftler, dem man notgedrungen eine gewisse Intelligenz zuschreiben muss, kann sich ja denken, dass seine Entdeckungen für zerstörerische Zwecke benutzt werden könnten. Irgendwie war uns ja nicht recht wohl bei dem Gedanken an einen radikalen Glauben an die Wissenschaft. Irgendwie schwebt ja doch die Atombombe über diesem Wissensideal. Ist es wenigstens nicht falsch, wenn ein Wissenschaftler daran denkt, was man mit seinen Formeln alles anstellen könnte?
Oder kann mir jemand sagen, wo mein Denkfehler ist?



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Jörn Budesheim
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Di 19. Mär 2024, 15:17

In Bayern sind jetzt nur noch Schüler zulässig

https://www.zeit.de/politik/deutschland ... che-verbot




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Jörn Budesheim
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AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 18. Mär 2024, 22:01
Ein Wissenschaftler [...] kann sich ja denken, dass seine Entdeckungen für zerstörerische Zwecke benutzt werden könnten.
Ja, kann sie. Aber sie kann sich auch denken, dass Wissenschaftlerinnen in Nordkorea die gleiche Entdeckung ebenso machen könnten. Das macht es nicht einfacher.




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