Kaffeestübchen

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Friederike
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Sa 13. Jun 2020, 18:51

Friederike hat geschrieben :
Fr 12. Jun 2020, 17:09
Aber in einer von Bildern dominierten sozialen Wirklichkeit wirkt dieses Primat des Schriftlichen antiquiert. (F. Heidenreich).
Das Primat der Schriftlichkeit ist nicht selbstverständlich, so selbstverständlich es mir und Anderen auch scheinen mag. Vielleicht deutet der Satz von H. bereits eine Veränderung an, die mir entgangen ist. Man wird älter und findet eine Bemerkung lächerlich, womit man nur zu erkennen gibt, daß man selbst antiquiert ist. Aber ich glaube das nicht wirklich.

Zumindest könnte es aber sein, daß sich der Wechsel zum Primat des Bildes (nicht nur in der sozialen Wirklichkeit, sondern auch in den wissenschaftlichen Disziplinen) in nicht allzu ferner Zukunft vollzieht. Das halte ich für nicht unwahrscheinlich. Derzeit ist es allerdings immer noch so, daß fast alle Texte aus den geisteswissenschaftlichen Disziplinen, aber auch Romane, ohne jedes Bild gedruckt werden und auch ohne Bilder online zu lesen sind. Oder nicht?

Ihr merkt, das Sätzchen läßt mich nicht los, und wie ich mir eine Arbeit über die Vernünftigkeit o.ä. ohne Schrift oder hauptsächlich in Bildern vorstellen soll, das weiß ich nicht. Aber das wird die Entwicklung nicht aufhalten, so es sich denn dahin entwickeln wird. 8-)




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Jörn Budesheim
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Sa 13. Jun 2020, 19:36

Wie will man diese Behauptung von dem Primat der Bilder in der sozialen Wirklichkeit, denn eigentlich untermauern?

Nimmt man z.b. Instagram, das zwar auf Bilddarstellung ausgerichtet ist, aber findet man dort natürlich auch ziemlich viel Text. Wie soll man das vergleichen? Dieses Bild nimmt 1000 x 1200 Pixel ein. Der Text darunter 1000 x 50 Pixel. Also haben wir hier ein Primat des Bildes! Ist das ein vernünftiges Maß? Natürlich nicht.

Wie will man es bei sogenannten Memes machen? Hier haben wir ein Bild - meistens im Hintergrund und darauf einen kurzen Text. Will man das zum Primat der Bilder oder zum Primat des Textes rechnen?




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Jörn Budesheim
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Sa 13. Jun 2020, 20:01

Bild




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Friederike
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So 14. Jun 2020, 08:37

Einen Bluttropfen ... wie ich den Tropfen sehe.




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Jörn Budesheim
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So 14. Jun 2020, 09:04

Ich sehe das so ähnlich. Wie viel Blut wird Mao wohl wirklich vergossen haben?

Die Zeichnung bezieht sich übrigens auch auf ein "kunsthistorisches Bild". Man sieht auf dem Original den Künstler Jackson Pollock bei der Arbeit an seinen berühmten Drippings. Es gehört zu diesen Bildern, die hinter unserem Rücken wirken sollen und unsere Sicht auf die Dinge bestimmen sollen: der amerikanische Künstler als Ausdruck des freien Westens, z.b.




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Jörn Budesheim
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So 14. Jun 2020, 10:41

FF. Heidenreich hat geschrieben : Aber in einer von Bildern dominierten sozialen Wirklichkeit wirkt dieses Primat des Schriftlichen antiquiert.
Hans Blumenberg; Paradigmen zu einer Metaphorologie; S. 92 hat geschrieben : "Nicht nur die Sprache denkt uns vor und steht uns bei unserer Weltsicht gleichsam 'im Rücken'; noch zwingender sind wir durch Bildervorrat und Bilderwahl bestimmt, 'kanalisiert' in dem, was überhaupt sich zu zeigen vermag und was wir in die Erfahrung bringen können."
Bilder und Bilder sind offenbar nicht dasselbe. Oder?

Das ist (wenn man es sehr weit versteht) übrigens ein interessanter und schwieriger Punkt bei vielen Fragen, die uns zur Zeit beschäftigen. Welche Bilder sollten in unsere Museen hängen? Welche Statuen sollen das Bild unserer Städte bestimmen?




Nauplios
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So 14. Jun 2020, 11:12

Friederike hat geschrieben :
Sa 13. Jun 2020, 18:51
Friederike hat geschrieben :
Fr 12. Jun 2020, 17:09
Aber in einer von Bildern dominierten sozialen Wirklichkeit wirkt dieses Primat des Schriftlichen antiquiert. (F. Heidenreich).

Ihr merkt, das Sätzchen läßt mich nicht los ... 8-)
Auch Heidenreich läßt das Fehlen von Bildern in den Büchern von Blumenberg nicht los. An einer späteren Stelle kommt er noch mal darauf zu sprechen: Unter dem Imperativ "Ignoriere die Mediengrenzen! heißt es: "Unplausibel in Blumenberg' s Arbeitsweise erschien schon früh die konsequente Ausklammerung aller tatsächlichen Bilder." Die angehängte Fußnote verweist auf seinen Aufsatz Bilderverbot und Portraitsammlung: Hans Blumenberg in: Bildwissenschaften, hrsg. von Jörg Probst und Jost Klenner, S. 10-27) -

Was es nun mit den "tatsächlichen Bildern" auf sich hat, laß' ich mal dahingestellt. Im Text heißt es weiter: "Intermedialität ist für uns heute eine Trivialität. Wir müssen zwischen Begriffen, Denkbildern, Metaphern, Narrativen, Gemälden, Photographien, Filmen, ja selbst Computerspielen in unseren Analysen wandern können." (S. 93f) -

"... für uns heute ..." - "Blumenberg heute" - Blumenberg starb 1996. Was "gestern" noch ausgeklammert wurde, ist "heute" schon Trivialität.
"Heute" ist eben alles anders. ;)




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Jörn Budesheim
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So 14. Jun 2020, 11:34

Vielleicht kommt man auf sowas, wenn man den Schein nicht zum Sein rechnet?




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Friederike
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So 14. Jun 2020, 12:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 13. Jun 2020, 19:36
Wie will man diese Behauptung von dem Primat der Bilder in der sozialen Wirklichkeit, denn eigentlich untermauern?
Einzelbeobachtungen, Eindrücke lediglich:

Vom Radio zum Fernsehen (als Volks-Zugangsmedium zu den Informationen über die Ereignisse der Welt ).
Comics, Memes als "Bilderbuch" für die Erwachsenen, vormals den Kindern vorbehalten das "Bilderbuch".
Auf allen Geräten und an öffentlichen Orten der Wechsel von Schrift- zu Bild-Symbolen (sprachunabhängiges Verstehen).

Zum "Untermauern" müßte man ein oder mehrere Kriterien finden, anhand derer man prüfen könnte, ob eine Gesellschaft primär schriftlich oder bildlich (oder mündlich, also hörend) kommuniziert.




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Jörn Budesheim
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So 14. Jun 2020, 12:12

Ich habe ja sowohl beruflich als auch privat einen gewissen Einblick in diese soziale Wirklichkeit. Und wie auch immer sie beschaffen sein mag: eins kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass was ich in der Arbeitswelt auf denselben Kanälen zu sehen bekomme, unterscheidet sich von dem, was ich von hier zu Hause aus dort sehe, extrem!

Aber eins kann man meines Erachtens mit ziemlich großer Sicherheit sagen: es gibt in diesen Medien (und im Grunde überhaupt) natürlich sehr viel mehr Bilder als ... ja wann eigentlich? ... sagen wir einfach mal in der Vergangenheit. Das hängt natürlich auch mit den technischen Möglichkeiten zusammen. Und dieser Vergleich mit der Vergangenheit erweckt vielleicht bei uns den Eindruck, dass Bilder mittlerweile dominieren. Aber solche Eindrücke können verfehlt sein. Da müsste eine empirische Untersuchung her, jedoch - wie sollte sie verfahren? Bilder und Texte lassen sich schließlich nicht einfach gegeneinander aufwiegen.




Nauplios
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Alethos hat geschrieben :
Sa 13. Jun 2020, 16:40
Ich lese gerade in den "Paradigmen" und werde versuchen den Thread, den wir einmal ganz beschwingt begonnen haben, wieder zu aktivieren. Es kann holprig werden - jeder Neustart ist in gewisser Weise eine Krisensituation :)
Danach sieht es in der Tat aus. - Ich werde deshalb die Phase des Neustarts aus respektvollem Abstand beobachten, da mir nach Krisen nicht zumute ist, derweil ich mich mit philosophischer Mischernährung am Leben erhalten will.




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Stefanie
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Mi 17. Jun 2020, 22:17

Unphilosophisch zur Natur:
Natur kann schön, beeindruckend und auch mal sehr laut sein, Regen und Donner, dass es einem das Fernsehgucken und das Lesen verleidet und dazu noch einen gehörigen Scheck einjagt, wenn Blitz und Donner gleichzeitig krachen. Kurz danach tatütata in der Nähe. Seit einer halben Stunden hört man wieder Vögel. Ruhe.



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Alethos
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Mi 17. Jun 2020, 22:47

Beeindruckend. Die Natur ist genau das: beeindruckend. Bei mir in Gunten war Hochwasser und Überflutung. Ein wenig war es so, als würde sich das Wasser vom Teer und Beton zurückholen, was ihm gehört.

https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/ ... 138192688



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Mi 17. Jun 2020, 23:06

Hört sich nicht gut an...Den Artikel darf ich ohne einloggen nicht lesen, leider.



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Alethos
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Das Video müsste sichtbar sein. Das sagt alles. Geschah sozusagen vor meiner Haustür :|



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Friederike
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Do 18. Jun 2020, 11:40

Alethos hat geschrieben :
Mi 17. Jun 2020, 22:47
Beeindruckend. Die Natur ist genau das: beeindruckend. Bei mir in Gunten war Hochwasser und Überflutung. Ein wenig war es so, als würde sich das Wasser vom Teer und Beton zurückholen, was ihm gehört.
Das Video habe ich mir angesehen. Wohnst Du direkt in Gunten? Ist Euer Haus auch betroffen @Alethos?




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Do 18. Jun 2020, 12:06

Friederike hat geschrieben :
Do 18. Jun 2020, 11:40
Alethos hat geschrieben :
Mi 17. Jun 2020, 22:47
Beeindruckend. Die Natur ist genau das: beeindruckend. Bei mir in Gunten war Hochwasser und Überflutung. Ein wenig war es so, als würde sich das Wasser vom Teer und Beton zurückholen, was ihm gehört.
Das Video habe ich mir angesehen. Wohnst Du direkt in Gunten? Ist Euer Haus auch betroffen @Alethos?
Ich wohne direkt in Gunten, ja, aber das Gebäude ist glücklicherweise leicht erhöht, sodass es nicht beschädigt wurde. Heute scheint die Sonne und die Strassen sind blitzblank geputzt, als wäre das nie passiert. Irgendwie bizarr.



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Do 18. Jun 2020, 12:31

Alethos hat geschrieben :
Do 18. Jun 2020, 12:06
Ich wohne direkt in Gunten, ja, aber das Gebäude ist glücklicherweise leicht erhöht, sodass es nicht beschädigt wurde. Heute scheint die Sonne und die Strassen sind blitzblank geputzt, als wäre das nie passiert. Irgendwie bizarr.
Ja, irre - Schutt, Geröll, Schlamm ... ich bin schon wieder geneigt, die schweizerische Penibilität zu bemühen.




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Jörn Budesheim
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Alethos hat geschrieben :
Do 18. Jun 2020, 12:06
Irgendwie bizarr.
Das kann ich mir gut vorstellen!




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Alethos
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Do 18. Jun 2020, 14:02

Friederike hat geschrieben :
Do 18. Jun 2020, 12:31
Alethos hat geschrieben :
Do 18. Jun 2020, 12:06
Ich wohne direkt in Gunten, ja, aber das Gebäude ist glücklicherweise leicht erhöht, sodass es nicht beschädigt wurde. Heute scheint die Sonne und die Strassen sind blitzblank geputzt, als wäre das nie passiert. Irgendwie bizarr.
Ja, irre - Schutt, Geröll, Schlamm ... ich bin schon wieder geneigt, die schweizerische Penibilität zu bemühen.
Naja, wahrscheinlich wurde der ganze Müll
auf dem Seegrund versenkt. Wir Schweizer sind gut darin, Dinge, die niemand sehen will, unter den Teppich zu kehren.



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