Kaffeestübchen

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NaWennDuMeinst
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Di 9. Mär 2021, 10:37

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 09:47
Und wenn es verboten ist, dann käme eine Frau in den entsprechenden Kreisen nie in Erklärungsnöte, sondern könnte immer auf die Gesetzeslage hinweisen.
Aber das war doch auch vorher schon so.
Jede Frau (oder besser jeder Mensch) die sich bestimmten religiösen Praktiken nicht beugen will, kann dazu in unseren Breiten nicht gezwungen werden.
Das schliesst ja auch Vollverschleierungen ein.
Wozu also nochmal zusätzlich ein Gesetz?
Schweres Thema ...
Damit da kein Missverständnis aufkommt: Ich kann auch nicht nachvollziehen, wieso man sich freiwillig anzieht wie ein schwarzes Gespenst.
Ich kann aber auch nicht nachvollziehen, wieso erwachsene Menschen in kurzen Lederhosen mit Latz rumrennen.
So ist das halt mit der Selbstbestimmung. Da kommen auch Sachen bei raus, die man persönlich nicht nachvollziehen kann.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
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NaWennDuMeinst
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Di 9. Mär 2021, 10:50

transfinitum hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 09:51
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Vollverschleierung aus freiem Willen getragen wird. Selbst die, die es wegen einer religiösen Überzeugung tun, machen dies doch nicht freiwillig (würde ich schätzen).
So funktioniert das mit der Selbstbestimmung aber nicht.
Selbsbestimmung bedeutet, dass man die Entscheidung den Menschen selbst überlässt und nicht ihnen aufzwingt was man glaubt was sie tun oder nicht tun wollen.
Es spricht gegen die Selbstbestimmung der Frau, wenn man vorgeschrieben bekommt, was man zu tragen hat.
Genau. Und deshalb schreiben wir ihnen vor, dass sie eine Vollverschleierung nicht tragen dürfen.
Das ergibt Sinn.

Noch was zum Thema Mode. In dem Artikel den Stefanie gepostet hat wird darauf auch eingegangen:

Die französische Soziologin Agnès De Féo beschäftigt sich seit 15 Jahren mit dem Thema. Nach ihren Angaben sind Frauen in Europa, die sich verhüllen, vielfach erst als Teenager oder Erwachsene zum Islam übergetreten. Sie seien in aller Regel nicht unterdrückt, sondern sehr forsch und wollten mit dem Gewand gegen das gängige Mode- und Schönheitsideal protestieren, sagte sie der "NZZ". In Frankreich habe der Nikab durch das dortige Verhüllungsverbot als Zeichen des Protests an Bedeutung gewonnen.

Es hat halt rein gar nichts mit der "Selbstbestimmung der Frau" zu tun, wenn wir ihnen vorschreiben wie sie sich zu kleiden haben. Warum soll eine Frau sich modisch und "farbenfroh" kleiden müssen? Weil wir das lieber sehen und uns dann "behaglicher" fühlen?



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Jörn Budesheim
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Di 9. Mär 2021, 10:55

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 10:37
So ist das halt mit der Selbstbestimmung.
Damit setzt du aber voraus, dass das, was strittig ist, eigentlich schon klar ist. Ist die Burka wirklich in aller Regel eine Form der Selbstbestimmung? Und ist sie ein Ausdruck der Gleichberechtigung der Frauen?




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NaWennDuMeinst
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Di 9. Mär 2021, 11:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 10:55
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 10:37
So ist das halt mit der Selbstbestimmung.
Damit setzt du aber voraus, dass das, was strittig ist, eigentlich schon klar ist. Ist die Burka wirklich in aller Regel eine Form der Selbstbestimmung? Und ist sie ein Ausdruck der Gleichberechtigung der Frauen?
Ich setze gar nichts voraus. Im Gegenteil, ich vermeide diese Frage absichtlich, weil ich sie für irrelevant halte.
Entscheidend für die Selbstbestimmung der Frauen ist ob sie selbst entscheiden können wie sie leben wollen (hier: Mit oder ohne Burka).
Das können sie aber nicht wenn es gesetzlich verboten ist auf eine bestimmte Art und Weise zu leben.
Ohne Wahlmöglichkeit besteht keine Freiheit.

Feministinnen machen den selben Fehler, wenn sie Frauen aus der Rolle der Hausfrau "befreien" wollen. Sie vergessen dabei aber alle jene Frauen, die diese Rolle freiwillig übernehmen wollen, für die das ein akzeptabler Lebensentwurf ist.
Das heißt sie zwingen ihnen ihren eigenen Lebensentwurf auf. Für mich hat das nichts mit Selbstbestimmung zu tun. Das ist das Gegenteil.

Man hat mMn mit diesem Gesetz die Frauen nicht freier gemacht. Man hat einen Zwang durch einen anderen ersetzt.

Man könnte vielleicht noch geltend machen, dass man mit dem Gesetz ein Zeichen setzen will.
Wir - als Gesellschaft - positionieren uns gegen religiöse Zwänge.
Ich finde aber das kommt im Grundgesetz schon ausreichend zur Geltung, denn dort heißt es ja explizit: Niemand darf gegen sein Willen zur Annahme einer Religion gezwungen werden.



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Jörn Budesheim
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Di 9. Mär 2021, 12:06

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 11:24
Ohne Wahlmöglichkeit besteht keine Freiheit.
Und ich verstehe die Initiative so, dass Frauen aus dieser Zwangslage befreit werden sollen. Der Preis dafür ist, dass niemand die Burka tragen darf. Und die Frage ist, nach meinem Verständnis, ob dieser Preis zu hoch ist.




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Jörn Budesheim
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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 11:24
Feministinnen machen den selben Fehler, wenn sie Frauen aus der Rolle der Hausfrau "befreien" wollen. Sie vergessen dabei aber alle jene Frauen, die diese Rolle freiwillig übernehmen wollen, für die das ein akzeptabler Lebensentwurf ist.
Das heißt sie zwingen ihnen ihren eigenen Lebensentwurf auf. Für mich hat das nichts mit Selbstbestimmung zu tun. Das ist das Gegenteil.
Verrückt: Von solchen Feministinnen hab ich bisher weder gelesen noch gehört.




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iselilja
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Di 9. Mär 2021, 12:19

Wie kann denn das bloße Tragen einer Burka gegen unsere Werte stehen, wenn gleichzeitig Porno up to date für die selbe Gesellschaft ist?

Hier werden Themen politisch instrumentalisiert, die jenseits von Moral stehen.




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NaWennDuMeinst
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Di 9. Mär 2021, 12:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 12:06
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 11:24
Ohne Wahlmöglichkeit besteht keine Freiheit.
Und ich verstehe die Initiative so, dass Frauen aus dieser Zwangslage befreit werden sollen.
Aber das hat man ja nicht. Man hat eine Zwangslage gegen eine andere eingetauscht.
Die Wahlmöglichkeiten haben sich für die Frauen nicht erhöht. Vorher waren sie angeblich gezwungen die Burka zu tragen, jetzt sind sie (nicht angeblich, sondern tatsächlich per Gesetz) gezwungen sie nicht zu tragen.
Von Selbstbestimmung in der Sache keine Spur.

Deswegen sage ich ja: Für mich wäre es - wenn es wirklich darum ginge den Frauen mehr Selbstbestimmung zu geben - richtiger gewesen ein Gesetz zu erlassen, das die Rahmenbedingungen schafft, innerhalb derer die Frauen das selbst entscheiden können (sofern ein solches nicht schon existiert).
Aber das will man gar nicht. Man will nicht, dass Frauen da die Wahl haben. Zugunsten irgendeines anderen Wertes soll ihnen die Wahl genommen werden.
Nur wird das so nicht offen kommuniziert. Stattdessen wird behauptet es ginge um die "Selbstbestimmung der Frauen". Und das halte ich für Lüge und Heuchelei.
In Wahrheit geht es darum den "extremistischen Muselmännern" mal ordentlich eins reinzuwürgen (Jetzt zeigen wir denen mal wer hier in unserer schönen Schweiz das Sagen hat).
Und dafür müssen dann eben auch die Frauen ein Stück ihrer Freiheit abgeben. Die wird sozusagen geopfert im Kulturkampf.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Di 9. Mär 2021, 12:53, insgesamt 9-mal geändert.



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NaWennDuMeinst
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Di 9. Mär 2021, 12:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 12:10
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 11:24
Feministinnen machen den selben Fehler, wenn sie Frauen aus der Rolle der Hausfrau "befreien" wollen. Sie vergessen dabei aber alle jene Frauen, die diese Rolle freiwillig übernehmen wollen, für die das ein akzeptabler Lebensentwurf ist.
Das heißt sie zwingen ihnen ihren eigenen Lebensentwurf auf. Für mich hat das nichts mit Selbstbestimmung zu tun. Das ist das Gegenteil.
Verrückt: Von solchen Feministinnen hab ich bisher weder gelesen noch gehört.
Dass man sich gegen das "Frauen hinter den Herd" auflehnt hast Du noch nie gehört?
Wo warst Du die letzten 50 Jahre?

Meine Haltung ist da aber genau die gleiche: Lasst das doch bitte die Frauen selbst entscheiden, ob sie lieber ein Leben hinter dem Herd oder ein Leben auf der Karriereleiter führen wollen.
Den Staat geht das mMn überhaupt nichts an, der hat sich da überhaupt nicht einzumischen.
Er soll nur dafür sorgen, dass die Wahlmöglichkeit besteht, das heißt, dass Frauen sich auch faktisch frei für das eine oder andere entscheiden können.



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Jörn Budesheim
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Di 9. Mär 2021, 13:04

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 12:30
Dass man sich gegen das "Frauen hinter den Herd" auflehnt hast Du noch nie gehört?
Das hab ich ähnlich schon gehört, aber nicht deine Interpretation davon, die kenn ich so nicht.




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Alethos
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Di 9. Mär 2021, 13:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 09:47
ziemlich offensichtlich ein "Unterdrückungsinstrument", oder?
Die Absicht der Erfinder war sicherlich nicht, den Frauen eine Wahl zu geben.

Die Burka verfolgt, wenigstens in der grossen Mehrheit der Fälle, das Ziel, die Frauen zu isolieren.
Natürlich kann man argumentieren, dass man sie mit der Burka auch schützen wolle vor Männerblicken, dass man ihre Würde schützen wollen etc. Aber, falls dies das Hauptmotiv sein sollte, dass man die Frauen ermächtigen will, schützen will etc., warum sollen sie in diesen Ländern, in denen die Burka verbreitet ist, nicht auch selbständig ein Bankkonto eröffnen dürfen, oder einen Reisepass beantragen oder auch schon nur das Haus verlassen dürfen? Das geht nicht zusammen. Es geht also nicht um den Schutz der Frau im Sinne eines frauenrechtlichen Anliegens, dass wir sie "schützen" wollten, es geht bei der Burka offensichtlich darum, die (öffentliche) Identität der Frau zu untergraben - ihr ihre Rechte zu nehmen (auch das Recht, sich zu zeigen etc.).

Nun kann man zurecht einwenden, dass es auch Religionsfreiheit gibt und ein Recht auf freie Meinungsäusserung. Aber angesichts der Tatsache, dass es in der Mehrheit der Fälle um Unterdrückung und Bevormundung der Frau geht und nicht um Ermächtigung, entscheide ich im Zweifelsfall gegen das Recht, eine Burka zu tragen und somit auch für die Möglichkeit der Frau auf vollständige Selbstbestimmung.



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NaWennDuMeinst
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Di 9. Mär 2021, 14:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 13:04
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 12:30
Dass man sich gegen das "Frauen hinter den Herd" auflehnt hast Du noch nie gehört?
Das hab ich ähnlich schon gehört, aber nicht deine Interpretation davon, die kenn ich so nicht.
Für mich ist eine "Frau hinter dem Herd" eine Hausfrau. Keine Ahnung was dich da an "meiner" Interpretation stört.
Für viele Feministinnen ist das eben das alte Rollenbild: Frau=Hausfrau, Mann = Versorger.
Und dieses "überkommene Rollenbild" gilt es eben aufzulösen.
Und dann habe ich dir dazu meine Haltung geschildert. Ich finde nicht, dass man das "auflösen" muss. Man sollte nur dafür sorgen, dass Menschen nicht in bestimmte Rollen gezwungen werden, dass sie die Wahl haben.
Wenn sie sich dann freiwillig (also ohne Zwang und Druck) entscheiden Hausfrau oder Versorger zu spielen, dann finde ich geht das so in Ordnung, ganz egal was Feministinnen dazu meinen.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Di 9. Mär 2021, 14:50, insgesamt 1-mal geändert.



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NaWennDuMeinst
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Di 9. Mär 2021, 14:46

Alethos hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 13:30
Nun kann man zurecht einwenden, dass es auch Religionsfreiheit gibt und ein Recht auf freie Meinungsäusserung. Aber angesichts der Tatsache, dass es in der Mehrheit der Fälle um Unterdrückung und Bevormundung der Frau geht und nicht um Ermächtigung, entscheide ich im Zweifelsfall gegen das Recht, eine Burka zu tragen und somit auch für die Möglichkeit der Frau auf vollständige Selbstbestimmung.
Wenn Du Frauen verbietest das zu tragen was sie tragen wollen, forderst Du aber keine "vollständige Selbstbestimmung". Im Gegenteil. Du verwehrst den Frauen einen bestimmten Lebensentwurf.
Du hast - wenn Du so vorgehst - eben das Problem, dass Du einen bestimmten Lebensentwurf zugunsten eines anderen verbietest. Du lässt den Frauen also nicht die Wahl sondern zwingst sie in eine Rolle rein.... Ich finde nicht, dass das was mit Selbstbestimmung zu tun hat.
Selbstbestimmung bedeutet eben auch, dass ich mich frei entscheiden kann. So wie der Christ sich frei entscheidet sich der christlichen Tradition zu beugen.
Entscheidend ist ja nicht, wofür er sich entscheidet, sondern dass er die Wahl hat.

Die Taliban verbieten den Frauen zu tragen was sie wollen. Die Schweizer machen das jetzt auch.
Was das (also nur das) betrifft sind für mich die Schweizer jetzt nicht besser als die Taliban.



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Di 9. Mär 2021, 15:22

Vielleicht nochmal zur Erklärung, weil es mir wichtig ist, dass das nicht falsch verstanden wird.
Ich finde schon, dass man gute Gründe für ein Verbot der Vollverschleierung finden kann.
Man kann zum Beispiel argumentieren, dass wir in unserem Kulturkreis unser Gesicht zeigen. Wir treten Anderen nicht mit "geschlossenem Visier" gegenüber.
Das galt schon zur Zeit der Ritter und ist eine Form der Höflichkeit und des Anstands.
Es gibt auch eine Reihe praktischer Gründe zu denen auch Sicherheitsbedenken gehören.
Man kann natürlich auch mit der Symbolik argumentieren (vielleicht ähnlich wie wir in Deutschland Hakenkreuze in der Öffentlichkeit verbieten).
Also genug Gründe sich für ein Verbot zu entscheiden gibt es.
Ich finde es nur aus genannten Gründen problematisch das Verbot mit der "Selbstbestimmung der Frauen" zu begründen.
Weil die wird offensichtlich dadurch nicht gefördert.



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Jörn Budesheim
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Di 9. Mär 2021, 16:05

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 14:46
Die Taliban verbieten den Frauen zu tragen was sie wollen. Die Schweizer machen das jetzt auch.
"Die Taliban" zwingen ihre Frauen, Burka zu tragen, alles andere ist verboten. "Die Schweizer" verbieten den Taliban, ihre Frauen dazu zu zwingen, die Burka zu tragen. Das gibt es jedoch (leider) nicht umsonst, denn für die Frauen, die die Burka aus Überzeugung tragen, bedeutet das eine ziemliche Einschränkung. In meiner Vorstellung geht es dabei jedoch zum Beispiel um kleine Mädchen, die von ihren Familien in die Burka gezwungen werden. Das zu verhindern, finde ich richtig und wichtig. Die Frage ist, ob man den Preis dafür zahlen sollte. Das ist nicht so einfach zu entscheiden.




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AndreaH
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Di 9. Mär 2021, 17:01

Alethos hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 13:30
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 09:47
ziemlich offensichtlich ein "Unterdrückungsinstrument", oder?
Die Absicht der Erfinder war sicherlich nicht, den Frauen eine Wahl zu geben.

Die Burka verfolgt, wenigstens in der grossen Mehrheit der Fälle, das Ziel, die Frauen zu isolieren.
Natürlich kann man argumentieren, dass man sie mit der Burka auch schützen wolle vor Männerblicken, dass man ihre Würde schützen wollen etc. Aber, falls dies das Hauptmotiv sein sollte, dass man die Frauen ermächtigen will, schützen will etc., warum sollen sie in diesen Ländern, in denen die Burka verbreitet ist, nicht auch selbständig ein Bankkonto eröffnen dürfen, oder einen Reisepass beantragen oder auch schon nur das Haus verlassen dürfen? Das geht nicht zusammen. Es geht also nicht um den Schutz der Frau im Sinne eines frauenrechtlichen Anliegens, dass wir sie "schützen" wollten, es geht bei der Burka offensichtlich darum, die (öffentliche) Identität der Frau zu untergraben - ihr ihre Rechte zu nehmen (auch das Recht, sich zu zeigen etc.).

Nun kann man zurecht einwenden, dass es auch Religionsfreiheit gibt und ein Recht auf freie Meinungsäusserung. Aber angesichts der Tatsache, dass es in der Mehrheit der Fälle um Unterdrückung und Bevormundung der Frau geht und nicht um Ermächtigung, entscheide ich im Zweifelsfall gegen das Recht, eine Burka zu tragen und somit auch für die Möglichkeit der Frau auf vollständige Selbstbestimmung.
Ich finde diese Argumentation sehr gut!
Deshalb finde ich dieses Thema auch schwierig.
Es ist sicher eine Gradwanderung zu entscheiden, was wohl Frauen die wirklich in einer unterdrückten Lage sind. Befreiung bringen könnte. Ich würde aber nie eine Burka als ein Bild der Unterdrückung sehen.




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Stefanie
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Di 9. Mär 2021, 17:02

Ich hatte lange gezögert, dieses Thema anzusprechen. Aber dieses Bild aus der Schweiz, das musste ich einfach loswerden. Diese Bild ist diskriminierend und auch rassistisch.

Ich hätte gegen ein Verhüllungsverbot gestimmt. Weil ich es nicht als zielführend erachte.
Will man und mann gegen die Unterdrückung der Frauen vorgehen, reicht es nicht, ein Zeichen einer Religion und einer Unterdrückung zu verbieten. Das bringt Frauen in eine unmögliche und vielleicht auch gefährliche Lage. Einerseits zwingt sie oftmals das männlich dominierte System es zu tragen, andererseits zwingt sie ein demokratische System, es nicht zutragen. Was soll die Frau tun, wenn sie auch finanziell abhängig ist? Solange sich Frauen nicht auch mit Burka oder Kopftuch emanzipieren können, Sport treiben können, an den Olympischen Spielen teilnehmen können, Autofahren dürfen, wählen dürfen, einem Beruf lernen und ausüben können, wird so ein Verbot nicht viel bringen. Ebenso muss das gesellschaftliche Umfeld eingebunden werden, auf die Männer eingewirkt werden, und nicht wieder einseitig den Frauen es aufzubürden, ein Risiko einzugehen.

In NRW wurde jetzt still und leise ein Gesetz erlassen, das folgendes regelt: Es ist Beschäftigten in der Justiz verboten, im dienstlichen Zusammenhang religiöse Symbole sichtbar zu tragen. Das betrifft das Kreuz, die Kippa und das Kopftuch etc.
Liest sie erstmal gut....Aber. Es diskriminiert mittelbar Frauen und nicht christliche Religionen. Ein Kreuz als Anhänger kann unter Kleidung verborgen werden, die Kippa und das,Kopftuch nicht. Es wird wohl noch langebdauern, eine muslimische Frau als Richterin an einem obersten Gericht zu erleben, oder einen jüdischen Mann mit Kippa.

Gewöhnen wir uns an die burka und Kopftücher, und unterstützen und ermöglichen es, das Frauen mit Kopfbedeckungen nicht mehr von allen Seiten diskriminiert werden und für sich selbst sprechen und entscheiden können. Das bringt mehr als ein Verbot.

Wenn corona vorbei ist, und in der Schweiz wieder viele Sommergäste aus dem arabischen Raum die Berge stürmen, was macht denn die Schweiz mit Gästen, die die burka tragen?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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AndreaH
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Di 9. Mär 2021, 17:13

Stefanie hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 17:02


Wenn corona vorbei ist, und in der Schweiz wieder viele Sommergäste aus dem arabischen Raum die Berge stürmen, was macht denn die Schweiz mit Gästen, die die burka tragen?
Sie werden Strafen bekommen wenn sie eine Vollverschleierung tragen. In Österreich hat man das schon gemacht. In manchen Urlaubgebieten. Was ich weiß, blieb es bisher nur bei Verwarnungen.
Das hatte schon zu Folge das einige nicht mehr anreisen.




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AndreaH
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Di 9. Mär 2021, 17:27

transfinitum hat geschrieben :
Di 9. Mär 2021, 09:51
Alethos hat geschrieben :
Mo 8. Mär 2021, 21:04


Wobei ich dir sagen muss: Ich finde die Vollverschleierung schlecht. Es mag Frauen geben, insbesondere Konvertitinnen, die die Burka freiwillig tragen, aber mir kommt diese Robe einfach vor wie ein aus Stoff gewobenes Gefängnis. Mir gefällt das nicht, weshalb ich für das Verhüllungsverbot gestimmt habe. Ich mag Muslima, ich mag Muslime, ich mag den Islam - aber ich finde Burka echt scheusslich.
ich würde mich dem anschliessen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Vollverschleierung aus freiem Willen getragen wird. Selbst die, die es wegen einer religiösen Überzeugung tun, machen dies doch nicht freiwillig (würde ich schätzen).
Es spricht gegen die Selbstbestimmung der Frau, wenn man vorgeschrieben bekommt, was man zu tragen hat. Aber hier ist dann eher der Fehler bei der Religion zu suchen, die das vorbestimmt. Auch ist die Farbe schwarz entgegen dem, was man als Frau tragen möchte (Ausnahmen gibt es ntürlich.. :)). Normalerweise möchte man als Frau aber mit Farben herumexperimentieren und seinen eigenen Geschmack damit zum Ausdruck verleihen. Schwarz kann da auch Mode sein, aber so?

Stefanie hat geschrieben :
Mo 8. Mär 2021, 22:20
Danke Alethos.

Mich hat dieses Bild erschreckt; ehrlich gesagt, mich hat es entsetzt.
Einerseits Augen wie Bambi Augen, nur mandelförmig. Aber die Partie zwischen den Augen, diese gerunzelte Stirn. Die Frau sieht böse aus, sie soll böse aussehen. Jede Frau, die das trägt ist eine Gefahr, wahrscheinlich zündet sie eine Bombe.
Das sagt das Bild.
Unglaublich. Falsch ist das.
In der Schweiz soll es gerade mal 30 Frauen geben, die das tragen. 30!
Mir ist noch nie Frau mit burka begegnet, die so guckt und aussieht.
Ich finde den Umstand, dass so Bild öffentlich verbreitet werden kann Angst.
Nun, ich glaube, dass es ein Vorurteil ist, dass dies als bedrohlich empfunden wird. In meiner früheren Studienstadt (BW) habe ich immer sehr viele damit gesehen und habe bemerkt, dass sie im Hochsommer sehr darunter leiden, da es sehr warm darunter wird. Meine Familie hatte oft Vorurteile und meinte, dass die Burkas so bedrohlich aussehen, da alles verschleiert wird und man den Menschen dahinter gar nicht erkennen kann. Dieses wird wohl zu einem unbehaglichen Gefühl bei den Betrachtern führen.

Ich denke das ist mit Sicherheit etwas sehr schönes wenn jeder Mensch ungehindert sich in seiner Persönlichkeit entfalten kann und sehe es auch als sehr wichtig.

Ich denke auch das diesbezüglich leider viele Traditionen sehr festgefahren sind. Es ist wie gesagt ein schwieriges Thema.


Ich habe mal erlebt wie einer verschleierten arabische Familie vor mir an der Kasse Rumkugeln zu ihren Einkauf aufs Kassenband legten. Ich habe dann der Frau versucht zu erklären, (in Englisch) dass diese Alkohol enthalten. Das funktionierte natürlich nicht. Daher kommunizierte dann ihr Mann mit mir, der war sichtlich auch etwas überfordert, dass er plötzlich mit einer Dame im farbenfrohen Sommerkleid, mit offenem Haar zu reden hatte, die ständig verneinend etwas (inzwischen) gestukulierend mitteilen wollte.
Also für diese Familie war meine Art auch  zuerst sehr befremdlich. Letztlich nachdem geklärt war was ich wollte, waren sie sehr dankbar. Alle (inkl. ich) gingen mit einem Lächeln und auch lachend auseinander. Dieses Lächeln und Lachen sah man auch unter der Verhüllung sehr gut.

Vielleicht sind wir auch geschichtlich etwas vorbelastet. So hängen uns die Bilder von schwarzen Witwen  ( Smertnizy) noch schwer in den Knochen. Doch dies hat ja nichts mit dem Glauben selbst zu tun, sondern mit Krieg.
Nichts mehr mit der Religion selbst.
Auch sonst ist geschichtlich viel passiert.
Daher ist es ja auch verständlich und auch wichtig  das wir nicht gleich alles mit offenen Armen annehmen. Aber man könnte klar zu dem stehen (in dem Fall gegen die Unterdrückung der Frau) ohne dabei Traditionen anzugreifen.




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Friederike
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Di 9. Mär 2021, 17:31

Als ein Nebengedanke (nicht zu berücksichtigen bei der Entscheidung über ein Verbot) ist mir eingefallen, daß eine Burka in unserer Kultur, d.h. wenn sie in unserer Kultur erscheint, von uns vermutlich als ein Machtinstrument wahrgenommen wird. Die Person, von der wir noch nicht einmal wissen, ob es eine Frau oder ein Mann ist, entzieht sich vollständig unserer Kontrolle. Wir kontrollieren einander maßgeblich über die Augen. Weiterhin läßt eine Burka die Person gespenstisch erscheinen, wie das "Fremde" schlechthin.




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