Kaffeestübchen

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
Timberlake
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Sa 19. Nov 2022, 01:46

Henk hat geschrieben :
Fr 18. Nov 2022, 19:03
"„Künftig muss das Unverständliche gewagt werden,“ schrieb Martin Heidegger einmal: „Jedes Zugeständnis an Verständlichkeit ist schon Zerstörung.“
Der Satz ist wie ein Schlag ins Gesicht für jeden, der an die Kraft des nachvollziehbaren Arguments glaubt, an die Verantwortung begründender Rede.
„Unverständlich“ solle die Philosophie bleiben, ja mehr noch, nur die Unverständlichkeit sichere ihre Existenz."
...
"https://www.hoheluft-magazin.de/2018/02 ... ilosophie/
8-)
Ich ergänze ..
Nauplios hat geschrieben :
Fr 18. Nov 2022, 19:49
Thomas Vašek, Chefredakteur des "Philosophie"-Magazins Hohe Luft, sagt:

"Für die akademische Welt und die Feuilletons muss die Philosophie immer etwas Erhabenes sein – schwierig, nicht für jedermann verständlich, eine exklusive Veranstaltung."

Und zum Anspruch der Zeitschrift:
...
"Eines der Verdienste der analytischen Philosophie ist sicherlich, dass sie hilft, Unsinn und Geschwurbel zu entlarven. Eine Philosophie allerdings, die sich nur noch als streng rationales Unternehmen begreift, droht letztlich langweilig zu werden." -
...
..der Satz ist wie ein Schlag ins Gesicht für jeden , der an die Kraft der analytischen Philosophie glaubt. Gut möglich , so zumindest mein Eindruck , dass genau deshalb analytischen Philosophie , wie der dialektische Materialismus , hier im Forum so einen schweren Stand hat. 8-)




Henk
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Sa 19. Nov 2022, 12:12

"Man kann, wie ich meine, drei Weisen des Philosophierens unterscheiden:
Philosophie als Lebensform, Philosophie als Weltweisheit und Philosophie als Wissenschaft.
Das, was sich offiziell als Philosophie gibt, nämlich die akademische Philosophie, macht nur ein Drittel dessen aus, was zur Philosophie gehört, nämlich den Teil, den man als Wissenschaft bezeichnen kann.
Philosophie als Lebensform wäre eine Weise des Philosophierens, die nach dem Vorbild des Sokrates Philosophie in einer besonderen Lebensführung sieht. Philosophie als Weltweisheit wäre nach der Definition Kants, Philosophie, die sich um das kümmert, was jedermann interessiert, also um die öffentlichen Probleme. Dabei würde es sich also um eine Art des Philosophierens handeln, die ihre Probleme nicht aus den engeren Fachzirkeln gewinnt, sondern sich von der breiten Öffentlichkeit vorgeben lässt.
Das Bewusstsein, dass Philosophie viel mehr ist, als was im akademischen Fach betrieben wird, ist nie ganz verloren gegangen. Charakteristisch dafür ist eine Äußerung von Wolfgang Wieland, man müsse zwischen Philosophen und Philosophieprofessoren unterscheiden. Zwar wird gegenwärtig der Ausdruck Philosoph durchaus als eine Berufsbezeichnung verstanden und danach wären gerade die akademischen Philosophieprofessoren auch Philosophen. Wielands Bemerkung unterstellt jedoch, dass für den Status des Philosophen eigentlich mehr zu verlangen wäre als akademische Fachkenntnisse im Fach Philosophie
."
(Der leider verstorbene Philosoph Gernot Böhme über Zugangsschwellen zur Philosophie und das Glück, da zu sein., Siehe auch sein Buch "Einführung in die Philosophie: Weltweisheit, Lebensform, Wissenschaft", 1994) https://www.information-philosophie.de/ ... 2&y=1&c=59

Noch ein Postkartensatz aus der Cocktailbar :lol:
"Die für uns wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch ihre Einfachheit und Alltäglichkeit verborgen." (PU 129)




Nauplios
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Henk hat geschrieben :
Sa 19. Nov 2022, 12:12

"Man kann, wie ich meine, drei Weisen des Philosophierens unterscheiden:
Philosophie als Lebensform, Philosophie als Weltweisheit und Philosophie als Wissenschaft.

Nauplios hat geschrieben :
Di 23. Jun 2020, 00:17

Andererseits sei daran erinnert, daß Philosophie immer auch eine Lebensform ist, nicht nur eine Denkform. (Link)
Drei Weisen des Philosophierens - das ist eine schöne Einteilung. Bedauerlich ist nur, daß die Hohe Luft die Schwelle zu keiner dieser drei Weisen überschreitet. Vielmehr handelt es sich um eine denkberuhigte Zone, in der intellektuelles Schritt-Tempo gilt. Wer das mag, dem sei Thomas Vašeks Die 101 wichtigsten Fragen zur Philosophie ans Herz gelegt, deren Beantwortung 288 Seiten in Anspruch nimmt - 2,85 Seiten für jede wichtige Frage der Philosophie.




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Jörn Budesheim
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Sa 19. Nov 2022, 16:08

Gibt es hier im Forum Fußballfans? Ich meine,wir hätten schon mal "zusammen" Spiele hier im kaffeestübchen "gesehen". Wie haltet es ihr mit der kommenden WM - schaut ihr euch das an oder boykottiert ihr es?




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AufDerSonne
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Sa 19. Nov 2022, 16:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Nov 2022, 16:08
Gibt es hier im Forum Fußballfans? Ich meine,wir hätten schon mal "zusammen" Spiele hier im kaffeestübchen "gesehen". Wie haltet es ihr mit der kommenden WM - schaut ihr euch das an oder boykottiert ihr es?
Ich bin nicht ein ausgesprochener Fußballfan.
Aber die WM schaue ich mir oft gerne an.
Sonst interessiere ich mich eher weniger für Fußball.



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Jörn Budesheim
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Sa 19. Nov 2022, 16:48

Und wie genau lautet jetzt die Antwort auf meine Frage?




Henk
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Sa 19. Nov 2022, 17:01

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Nov 2022, 16:08
Gibt es hier im Forum Fußballfans? Ich meine,wir hätten schon mal "zusammen" Spiele hier im kaffeestübchen "gesehen". Wie haltet es ihr mit der kommenden WM - schaut ihr euch das an oder boykottiert ihr es?
Ich bin kein ausgesprochener Fußballfan, kucke aber fast immer zumindest die deutschen Spiele bei Europa- und Weltmeisterschaften und natürlich lese, kucke ich alles, was damit zusammen hängt.
Wie war das eigentlich 2014 (!) bei den olympischen Spielen in Sotschi? Bevor der erste Wettkampf stattfand, waren schon hunderte Arbeiter beim Bau gestorben. Ok, in Katar sollen es Tausende gewesen sein.
Putin war auch 2014 schon Putin, Krieg in Tschetschenien. Die damals schon lange begonnene Zerstörung der Presse-Mweinungsfreiheit, Giftanschlag in England, politische Morde, Wahlmanipulationen und so weiter. Und anschließend die Annektierung der Krim und Gründung der so genannten Volksrepubliken in der Ostukraine.
2008 Sommerspiele und 2022 Winterspiele in China. Uiguren?
2008 führte Putin Krieg gegen Georgien.

Was sollen die Boykottaufrufe und -erklärungen eigentlich bringen?
Wer finanziert alles die Bundesligavereine?
Und mit wem machen wir Geschäfte?
Wir wollten doch auch Gas aus Katar kaufen. Und kriegen jetzt keins oder doch?
Fragen über Fragen.




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Jörn Budesheim
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Sa 19. Nov 2022, 17:37

Fragen über Fragen, aber worauf laufen sie hinaus? Wenn es auch andere Anlässe für Boykott gegeben hätte, würde es ja nicht bedeuten, dass der Boycott diesmal falsch wäre, oder?




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Stefanie
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Sa 19. Nov 2022, 18:38

Ein Boykott bringt nichts.
Man hätte viel früher reagieren müssen. Es gab genug Zeit, die WM woanders auszutragen. Es gibt genug Länder, die haben die Infrastrukturen dafür. Die WM hätte nicht nach Quatar vergeben werden dürfen. Nicht, weil es zu heiss im Sommer ist, sondern wegen der Situation dort. Geld hätte keine Rolle spielen dürfen.
Selbst Amnesty International rät nicht zum Boykott. Sie fordern, wie auch andere Organisationen, weiter Maßnahmen, z.B. Entschädigungen.
Die Fifa und das IOC sind teilweise ein verlogender Haufen. Wenn ich an Herrn Bach denke, wie er sich zu China verhalten hat, ohne Worte. Herr Infantino gehört weg. Beide Organisationen gehören von Grund auf reformiert. Der Sport steht nicht im Vordergrund, die Sportler und Sportlerinnen auch nicht. Die Fifa wie das IOC sagen immer, das Geld, was sie einnehmen, wird für die Förderung von Sport verwendet. Na dann zahlt mal Entschädigungen.

Sport hat eine hohe Intergationskraft. Kaum eine andere Sportart ist so verbindend wie Fussball.
Kaum eine andere Sportart ist so emotional und für viele auch irgendwie trösten wie Fussball. Es fängt immer mit Fussball an. Gibt Kindern in Kriegsgebieten, in Flüchtlingslagern usw. einen Ball, wie schlecht er auch ist, und sie spielen Fussball.
Diese WM zu boykottieren schadet dem Sport und dem Fußball und nicht Quatar.
Und es sollten alle, die mit Menschrechten zu tun haben, dort hinfahren und ihren Mund aufmachen und deutlich werden. Die werden wohl kaum jemanden wie António Guterres verhaften, oder Scholz. Das ist mein Wunsch.

Ich schaue mir die Spiele an, sofern es möglich ist. Etliche Spiele sind in der Arbeitszeit.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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NaWennDuMeinst
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So 20. Nov 2022, 00:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Nov 2022, 16:08
Gibt es hier im Forum Fußballfans? Ich meine,wir hätten schon mal "zusammen" Spiele hier im kaffeestübchen "gesehen". Wie haltet es ihr mit der kommenden WM - schaut ihr euch das an oder boykottiert ihr es?
Ich muss sagen bei mir will keine Stimmung aufkommen. Zu gar nichts. Weder die WM, noch Weihnachten, noch Neujahr.
Corona, der Ukraine-Krieg... mich deprimiert das alles.
Im Iran rebellieren die Menschen (was ich begrüße) aber sie zahlen einen hohen Preis dafür.
Fußball? Kommt mir daneben unwichtig vor.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

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Lucian Wing
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So 20. Nov 2022, 10:29

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Nov 2022, 16:08
Gibt es hier im Forum Fußballfans? Ich meine,wir hätten schon mal "zusammen" Spiele hier im kaffeestübchen "gesehen". Wie haltet es ihr mit der kommenden WM - schaut ihr euch das an oder boykottiert ihr es?
Ich werde mir die Spiele anschauen, die mich 1. interessieren und die 2. in meinen Tagesrhythmus einigermaßen passen. So werde ich zum Beispiel das erste deutsche Spiel vermutlich erst ab Halbzeit 2 sehen.

Wie immer gilt: Eine Minute nach Anpfiff anschalten und mit dem Schlusspfiff direkt aus.

Ursprünglich hatte ich mal gedacht, dies würde die erste WM seit 94 und 98, die ich (fast) komplett verpasse, weil eine WM nicht in ein Land ohne Fußballtradition wie Katar gehört. Aber ich habe mich umentschieden, weil ich es inzwischen leid bin, dass es sich bei allen kulturellen Ereignissen - ob Film oder Literatur, Kunst oder Musik usw. - nur noch um irgendwelche politisch-moralischen Themen dreht und die Sache selbst völlig zweitrangig wird. Daher jetzt erst recht.

Was die FIFA oder wie Katar ist, braucht mir niemand zu erklären. Aber ich musste gestern zumindest dem Teil von Infantinos lächerlichem Auftritt zustimmen, wo er dem Westen Doppelmoral vorwarf. Alle, die glauben, aus moralischen Gründen boykottieren zu müssen, können ja während des Boykotts schon einmal vorbeugend gegen die Ankunft katarischen Flüssiggases in der Zeit ihres Boykotts die Heizung auslassen und kalt duschen. Denn als Herr Habeck Diener machte beim Emir schienen die Moralisten doch nicht so zahlreich und wortgewaltig aufzutreten wie jetzt.

Noch abstoßender als die FIFA-Show ist die Moralshow, die zumindest hier in Deutschland aufgezogen wird, wo natürlich in solchen Momenten niemand Daimler fährt oder ein Konto bei der deutschen Bank hat oder Aktien von Firmen, an denen Katar eine Beteiligung hält. Und niemand von den moralisch Erhitzten boykottiert Spielübertragungen aus der Champions League oder der Premier League, wo die Clubs der Scheichs gegeneinander antreten. Ich kann's inzwischen gar nicht mehr sagen, wie sehr mich dieses selbstgerechte deutsche Moralisieren graust.

Ach übrigens: Nein, Stimmung kommt bei mir ganz bestimmt nicht auf. Aber eben ein bisschen Interesse an manchem Spiel. Interesse um des reinen Spiels wegen.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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AufDerSonne
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So 20. Nov 2022, 11:48

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 20. Nov 2022, 00:12
Ich muss sagen bei mir will keine Stimmung aufkommen. Zu gar nichts. Weder die WM, noch Weihnachten, noch Neujahr.
Es geht mir gleich. Nur finde ich das äußerst positiv.
WM ist manchmal auch ein bisschen eine Ansteckung durch die anderen.

Zu Weihnachten sollte man eine äußerst kritische Einstellung haben. Erstens ist es eine Energieverschwendung, alle die Lichter. Zweitens von der Industrie getrieben, die Geschenke. Drittens religiös im christlichen Sinne, Geburt von Jesus usw. Man darf sich ernsthaft fragen wieso der 24. Dezember irgendwie anders sein soll als ein anderer Tag im Jahr! Und so die übrigen festlichen Tage (Advent).

Neujahr. Ja, noch am ersten. Also Stimmung. Aber auch hier die Frage, wieso der Jahreswechsel irgend ein besonderer Tag sein soll. Also der 31. Dezember, bzw. der 1. Januar.

Also, NaWennDuMeinst, ich fühle gleich. Bei mir muss nicht einmal die Weltlage so schlecht sein, damit ich so fühle.



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Lucian Wing
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So 20. Nov 2022, 12:00

AufDerSonne hat geschrieben :
So 20. Nov 2022, 11:48
Man darf sich ernsthaft fragen wieso der 24. Dezember irgendwie anders sein soll als ein anderer Tag im Jahr!
Im Ernst?



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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Jörn Budesheim
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So 20. Nov 2022, 15:00

Lucian Wing hat geschrieben :
So 20. Nov 2022, 10:29
Ich kann's inzwischen gar nicht mehr sagen, wie sehr mich dieses selbstgerechte deutsche Moralisieren graust.
Ich hatte vor längeren mal einen Faden zum Thema "Moralisieren" eröffnet, in dem es im Prinzip darum ging, den Begriff mit Inhalt zu füllen, hat aber leider keinerlei Anklang gefunden :)

Ich würde die Frage, ob man die WM anschaut oder nicht, keineswegs per se unter die Überschrift "Moralisieren" stellen. Ganz im Gegenteil, ich finde das sogar unangemessen. Mich graust es auch nicht, dass Themen wie diese seit Jahren öffentlich diskutiert werden, ich begrüße das sogar sehr. Schade ist natürlich, dass sie oft sehr schnell in einem sehr scharfen Ton ausgestritten werden.




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Lucian Wing
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So 20. Nov 2022, 15:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 20. Nov 2022, 15:00
Lucian Wing hat geschrieben :
So 20. Nov 2022, 10:29
Ich kann's inzwischen gar nicht mehr sagen, wie sehr mich dieses selbstgerechte deutsche Moralisieren graust.
Ich hatte vor längeren mal einen Faden zum Thema "Moralisieren" eröffnet, in dem es im Prinzip darum ging, den Begriff mit Inhalt zu füllen, hat aber leider keinerlei Anklang gefunden :)

Ich würde die Frage, ob man die WM anschaut oder nicht, keineswegs per se unter die Überschrift "Moralisieren" stellen. Ganz im Gegenteil, ich finde das sogar unangemessen. Mich graust es auch nicht, dass Themen wie diese seit Jahren öffentlich diskutiert werden, ich begrüße das sogar sehr. Schade ist natürlich, dass sie oft sehr schnell in einem sehr scharfen Ton ausgestritten werden.
Bei mir macht es die Summe des "Moralisierens" und im Falle Katars diese Bilder vom dienernden Habeck in Katar.

Was die Summe angeht, meine ich damit, dass solche Diskussionen um irgendjemandes Diskriminierung oder Falschbehandlung inzwischen alle inhaltlichen Frage weggefegt haben. Wir erfahren als normale Hörer eines Berichts über sagen wir eine Preisverleihung für den besten Film sehr viel darüber, ob nun jemand aus einer quotenfähigen Minderheit berücksichtigt wurde, aber wenig darüber, was eigentlich der Inhalt der nominierten Filme ist. Es sei denn, ein einzelner solcher Film würde sich wieder mit einem Thema beschäftigen, in dem das, was die Diskussion über Inhalte zurückdrängt, dargestellt wird.

Wir sind, evolutionstechnisch sicher erklärbar, irgendwie besessen von Negativität. Und da Großereignisse, sofern man sie und die Beteiligten unter irgendeinem moralischen Aspekt betrachtet, immer riesige Negativitätspotenziale haben - irgendwer ist immer über irgendwas erregt - wird man sich eben auf diese impliziten Nebenaspekte stürzen, weil sich schlechte Nachrichten besser vermarkten lassen als gute Nachrichten. Die Standardfrage lautet heute ja immer "Was macht das mit Ihnen" (dass die WM in Katar stattfindet zum Beispiel), und wehe, es würde jetzt einer antworten: Ich freue mich drauf. Das Aufjaulen wäre gewaltig. Die Negativität ignorieren? Unmöglich.



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Jörn Budesheim
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So 20. Nov 2022, 15:33

Lucian Wing hat geschrieben :
So 20. Nov 2022, 15:16
Wir erfahren als normale Hörer eines Berichts über sagen wir eine Preisverleihung für den besten Film sehr viel darüber, ob nun jemand aus einer quotenfähigen Minderheit berücksichtigt wurde, aber wenig darüber, was eigentlich der Inhalt der nominierten Filme ist.
Wenn ich vor der unangenehm Wahl stünde, dass erstens die besagten Minderheiten unberücksichtigt bleiben aus den bekannten Gründen oder dass zweitens die besagten Minderheiten überproportional ausgewählt werden aus den angeblichen Gründen, würde ich mich ohne zu zögern für zweiteres entschließen. Aber vor dieser Wahl stehe ich zum Glück nicht.

Was du monierst, kommt sicherlich gelegentlich vor und ist dementsprechend, wie ich auch finde, abzulehnen, aber ich finde man sollte es keineswegs übergeneralisieren. Dass die vielen, vielen Ungerechtigkeiten der Vergangenheit jetzt wettgemacht werden sollen, ist meines Erachtens vorbehaltlos zu begrüßen. Dass dabei auch Fehler gemacht werden, kann und sollte man natürlich diskutieren.

Bei der Kunst treffen sich hier (mindestens) zwei Tendenzen. Die eine ist, dass seit geraumer Zeit zunehmend die Inhalte im Fokus stehen gegenüber der Form, und die andere ist der Versuch, den besagten Ungerechtigkeiten zu begegnen. Es stimmt, dass daher manchmal Fragen der Form, des Gelingens und der Schönheit ins Hintertreffen geraten. Aber das ist keineswegs durchgängig der Fall. Doch selbst wenn das Pendel im Moment manchmal etwas zu sehr in eine Richtung ausschlagen sollte, was keineswegs ausgemacht ist, besser so, als dass es gar nicht ausschlägt.

Im Zusammenhang mit diesen "Ereignissen" wird z.b die Kunstgeschichte ganz neu diskutiert (ich denke dabei z.b an die Ursprünge der documenta) und teilweise auch umgeschrieben. Ich bin wirklich sehr glücklich darüber! Das sind, wie ich finde, sehr, sehr spannende Diskussionen.




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So 20. Nov 2022, 16:20





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Lucian Wing
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So 20. Nov 2022, 22:44

Mir geht das ein bisschen wie Loriots Hermann, der keine Zeitung lesen, keinen Spaziergang machen sondern einfach nur sitzen möchte. Ich möchte einfach nur ein paar Fußballspiele sehen.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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AufDerSonne
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Mo 21. Nov 2022, 10:04

Lucian Wing hat geschrieben :
So 20. Nov 2022, 12:00
AufDerSonne hat geschrieben :
So 20. Nov 2022, 11:48
Man darf sich ernsthaft fragen wieso der 24. Dezember irgendwie anders sein soll als ein anderer Tag im Jahr!
Im Ernst?
Ja, wieso nicht?



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AufDerSonne
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Mo 21. Nov 2022, 10:07

Guten Morgen.
Ich wollte nur einmal einen guten Morgen wünschen.
Das muss ja auch sein. Macht man so!

Philosophische Gedanken habe ich im Moment noch keine. Es ist ja auch früh am Morgen.
Aber ich habe schon ein bisschen Python programmiert heute. Eine geniale Programmiersprache.
Eigentlich, wenn man so darüber nachdenkt, versteht ein Computer nicht gerade viel. Also schlussendlich ja nur Zahlen, sogar nur binäre Zahlen.
Ist schon faszinierend, was dann daraus alles entstehen kann.



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