NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑ So 25. Jul 2021, 00:25
nicht durchsetzen
Ich weiss, was du meinst, denke aber wirklich, dass es Jörn viel eher darum geht, verstanden zu werden (so wie es dir und mir ja auch darum geht). Im Bemühen um Anerkennung der Argumente für die eigene Position wirkt es dann so, als wollte man seine Position durchsetzen, dabei will man ja nur deutlich machen, wieso man eine Ansicht vertritt.
Bezüglich Luxus: Für mich ist es bspw. Luxus, allein sein zu können hier in Berlin. Weg von allen Meetings, den vielen Anrufen, den Kundenanliegen. Einfach untergehen in der Masse des umtriebigen Berlins. Einsam sein.
Dieses Einsamsein, isoliert betrachtet, würde man wohl kaum als Luxus ansehen, also als verschwenderischen, übermässigen Genuss. Viel eher würde man i.d.R. sagen, das Einsamsein sei ein sparsames, emeritäres und vielleicht sogar bemitleidenswertes Tun
Aber da es ja für mich - in meiner Situation - ein Luxus ist, könnte man meinen, dass die Wahrheit von mir abhängt, dass es wirklich ein Luxus sei. Aber das ist es ja offenbar nicht, denn obwohl ich es bin, der mir den Luxus gönne, also ich es bin, der es als solchen ansehe, ist es ja begründet durch die spezifische Situation (als gestresster Manager z.B.), dass ich zur wahren Ansicht gelange.
Wenn nun jemand kommt, und sagt, das sei kein Luxus resp. man solle diesen Luxus nicht anstreben (um etwas moralischer zu werden), muss er Gründe liefern, die für seine gegenteilige Haltung sprechen, was er sicherlich tun kann. Dann stünden sich widersprechende Gründe gegenüber: also was tun mit der Wahrheit?
Genau an diesem Punkt scheiden sich Realisten von Relativisten: Relativisten nehmen die gegenteiligen Ansichten zum Anlass zu denken, die Wahrheit sei relativ zu den jeweiligen Ansichten, für die man in beiden Fällen Gründe anführen kann. Der Realist sagt hingegen, dass die Gründe nur eine Wahrheit zulassen: Richtig oder falsch, nicht beides.
Der Relativist ist sozusagen ein Pragmatiker, der wegen eines gewissen Begründungsnotstands eine Linie zieht und sagt: „Wir können die Richtigkeit nicht entscheiden, weil wir weder alle Gründe kennen noch sie weitergehender begründen können. Daher müssen wir in der Situation der Unentscheidbarkeit festhalten, dass die Wahrheit von der jeweiligen Behauptung, der subjektiven Einstellung etc. abhängt.“ Was Wahr sei - in moralischen Dingen - könne man nicht abschliessend sagen und liesse sich anhand der vorgebrachten Gründe sowohl so als auch gegenteilig beurteilen, also müsse man die Gründe im Widerstreit lassen.
Der Realist fordert, dass wir an diesem Punkt nicht stehen bleiben, sondern die Gründe weiter erforschen, die ja - wie bei allen anderen Tatsachen auch - vorgeben, was wahr sei. Eine Ansicht sei aus bestimmten Gründen wahr oder falsch, aber zu sagen, die gegenteilige Ansicht sei ebenso wahr, das sei nicht logisch (und müsse deshalb die Realität verkennen).
Der Realist sagt aber nicht, dass ein Urteil (z.B. „Menschen zu töten ist falsch“), völlig losgelöst betrachtet werden kann von den Umständen, in denen es zur Anwendung kommt. Ganz im Gegenteil muss der Realist diese situationsspezifischen Gründe untersuchen, die dieses Urteil wahr machen in der spezifischen Wirklichkeit. Die „widerstreitenden Gründe“ kommen ja nicht im Ideenhimmel vor oder im Denken des Realisten allein, sondern sie müssen sich zeigen in der Konkretisierung des Sachverhalts, den es zu beurteilen gilt. Somit, ja, kann es auch für einen moralischen Realisten denkbar sein, dass es richtig sei, Menschen zu töten (z.B. in Notwehr, bei einer terroristischen Attacke etc.), aber immer nur aus objektiven Gründen, die dafür sprechen, falls sie denn dafür sprechen. Auch das „Töten von Menschen“* kann so gesehen richtig oder falsch sein, aber eben nicht sowohl richtig als auch falsch, denn die Umstände sind entweder diese oder andere. Es geht also dem Realisten tatsächlich darum, die konkreten spezifischen Gründe zu erforschen, durch die wir zur provisorischen Wahrheit gelangen.
*Für einen moralischen Realisten ist die Richtigkeit des Tötens von Menschen in praktisch allen Fällen ausgeschlossen, weil die Würde des Menschen ihm im Prinzip als unantastbar gilt. So wie es für den Physiker unvorstellbar wäre zu glauben, dass die Trägheitsgesetze nicht gelten, so gelten dem Realisten diese moralischen Prinzipien als gesetzt - gesetzt durch die Logik der moralischen Wirklichkeit, die sich begründet wie alle Wirklichkeit - aus sich selbst.