Kaffeestübchen

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
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Alethos
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So 25. Jul 2021, 13:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 12:07
Alethos hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 09:13
Es geht also dem Realisten tatsächlich darum, die konkreten spezifischen Gründe zu erforschen, durch die wir zur provisorischen Wahrheit gelangen.
Nur mal zur Sicherheit: provisorisch ist gegebenenfalls unser "Fürwahrhalten". Denn wir können uns irren. Es ist eine Art Lackmustest für Realismus, ob man in einem Bereich Irrtumsmöglichkeiten einräumt.
Ja, so meinte ich es. Du hast es hier auf den Punkt gebracht.

Das zugrunde Liegende des Wahrheitsurteils sind die Tatsachen. Wenn etwas über etwas wahr ist, dann ist das nicht provisorisch so, sondern auch unabhängig von unseren Wahrheitsurteilen.



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NaWennDuMeinst
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So 25. Jul 2021, 16:43

Alethos hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 13:44
Das zugrunde Liegende des Wahrheitsurteils sind die Tatsachen. Wenn etwas über etwas wahr ist, dann ist das nicht provisorisch so, sondern auch unabhängig von unseren Wahrheitsurteilen.
Nenne mir mal eine Wahrheit, von der wir wissen, dass sie unabhängig von unseren Wahrheitsurteilen wahr ist.
Nur eine. Und warum diese?



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Alethos
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So 25. Jul 2021, 17:06

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 16:43
Alethos hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 13:44
Das zugrunde Liegende des Wahrheitsurteils sind die Tatsachen. Wenn etwas über etwas wahr ist, dann ist das nicht provisorisch so, sondern auch unabhängig von unseren Wahrheitsurteilen.
Nenne mir mal eine Wahrheit, von der wir wissen, dass sie unabhängig von unseren Wahrheitsurteilen wahr ist.
Nur eine. Und warum diese?
Es gibt keine.

Alle Wahrheiten, von denen wir wissen, beruhen auf Wahrheitsurteilen. Auch Naturtatsachen.

Nun wissen wir z.B. über die Erde, dass sie sich um die Sonne dreht, auch wenn wir gegenteilig urteilten. Es ist eben über die Sonne wahr, dass sie von der Erde umkreist wird. Das ist auch dann wahr, wenn wir es nicht wüssten. Es gibt Tatsachen, auch ohne unser Wissen über sie.



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Jörn Budesheim
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So 25. Jul 2021, 18:26

Alethos hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 17:06
Es gibt keine.
Es gibt beliebig viele: Es gibt mich. Ich bin gerade etwas müde. Vor mir steht ein Tisch. Ich war gerade in der Stadt und habe mich mit meiner Familie getroffen. Mein rechtes Bein wippt. In China leben Menschen. Männer und Frauen. Manche Menschen schlafen gerade. Die Erde ist nicht der einzige Planet im Universum. Es gibt mehr Wahrheiten als ich aufschreiben kann.




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Alethos
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So 25. Jul 2021, 18:37

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 18:26
Alethos hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 17:06
Es gibt keine.
Es gibt mich. Ich bin gerade etwas müde. Vor mir steht ein Tisch. Ich war gerade in der Stadt und habe mich mit meiner Familie getroffen. Mein rechtes Bein wippt. In China leben Menschen. Männer und Frauen. Manche Menschen schlafen gerade. Die Erde ist nicht der einzige Planet im Universum. Es gibt mehr Wahrheiten als ich aufschreiben kann.
Von allen diesen Sachen wissen wir aber nicht unabhängig von unsere Wahrheitsurteilen. dass sie existieren, denn die Feststellung (unser Wissen darüber), dass sie existieren, ist ja selbst ein Wahrheitsurteil über ihre Existenz. Leidiglich, dass sie existieren, ob wir über sie urteilen oder nicht, das wissen wir.



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Friederike
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So 25. Jul 2021, 18:37

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 18:26
Alethos hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 17:06
Es gibt keine.
Es gibt mich. Ich bin gerade etwas müde. Vor mir steht ein Tisch. Ich war gerade in der Stadt und habe mich mit meiner Familie getroffen. Mein rechtes Bein wippt. In China leben Menschen. Männer und Frauen. Manche Menschen schlafen gerade. Die Erde ist nicht der einzige Planet im Universum. Es gibt mehr Wahrheiten als ich aufschreiben kann.
Gerade hatte ich gedacht verstanden zu haben, und nun weiß ich es wieder nicht.
"Es gibt keine", das schien mir die logische und richtige Antwort zu sein auf die Unterscheidung in "Fürwahrhalten" und "Wahrheit" hin. Provisorisch ist all unser Fürwahrhalten und deswegen können wir die Wahrheit niemals wissen. Und jetzt verstehe ich Deine Antwort nicht @Jörn.




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Jörn Budesheim
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So 25. Jul 2021, 18:39

Gefragt war nach folgendem: "Nenne mir mal eine Wahrheit, von der wir wissen, dass sie unabhängig von unseren Wahrheitsurteilen wahr ist." Davon gibt es unendlich viele, mehr als wir jemals aufzählen können.




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NaWennDuMeinst
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So 25. Jul 2021, 19:19

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 18:26
Alethos hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 17:06
Es gibt keine.
Es gibt beliebig viele: Es gibt mich. Ich bin gerade etwas müde. Vor mir steht ein Tisch. Ich war gerade in der Stadt und habe mich mit meiner Familie getroffen. Mein rechtes Bein wippt. In China leben Menschen. Männer und Frauen. Manche Menschen schlafen gerade. Die Erde ist nicht der einzige Planet im Universum. Es gibt mehr Wahrheiten als ich aufschreiben kann.
Aber wenn das alles unzweifelhaft wahr ist (wir wissen also dass das kein Irrtum ist) wie passt das dann mit der Behauptung zusammen dass wir uns immer über die Wahrheit irren können?
Eigentlich müsste man doch dann sagen: Wir können uns immer irren, nur in Diesem und Jenem irren wir uns garantiert nicht. Der Irrtumsvorbehalt gilt dann also doch nicht immer.

Und wenn das so ist, dann kann es auch nicht stimmen, dass es Wahrheit und Fakten nur da gibt wo wir uns irren können.



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Jörn Budesheim
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So 25. Jul 2021, 19:43

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 19:19
Aber wenn das alles unzweifelhaft wahr ist (wir wissen also dass das kein Irrtum ist) wie passt das dann mit der Behauptung zusammen dass wir uns immer über die Wahrheit irren können?
Warum sollte es hier ein Problem geben? Die Aussagen stehen in keiner Weise irgendeinem Widerspruch. Ich schätze, dass wir uns in unserem Leben ziemlich oft irren und ich schätze, dass wir in unserem Leben auch ziemlich oft richtig liegen. Das ist kein Widerspruch. Das geht ganz prima zusammen.

Und nochmal: Daraus dass wir uns irren könnten, folgt nicht, dass wir uns irren. Es könnte ja sein, dass ein böser Dämonen mich in ein Gehirn im Tank verwandelt hat und ich nur glaube, dort einen Tisch zu sehen. Daraus dass das sein kann, folgt aber weder, dass es so ist, noch, dass ich irgendeinen begründeten Anlass habe, an meiner Wahrnehmung zu zweifeln.




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Alethos
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So 25. Jul 2021, 19:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 18:39
Gefragt war nach folgendem: "Nenne mir mal eine Wahrheit, von der wir wissen, dass sie unabhängig von unseren Wahrheitsurteilen wahr ist." Davon gibt es unendlich viele, mehr als wir jemals aufzählen können.
Betonung lag auf „wissen“, darum sagte ich, „keine“. Wir können von keiner Wahrheit wissen, die unabhängig ist von unseren Urteilen, weil das Wissen ja selbst ein Urteil einschliesst.

Aber ja, es gibt sehr viele Dinge, die wahr sind, unabhängig von unseren Wahrheitsurteilen



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Jörn Budesheim
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So 25. Jul 2021, 19:59

Da spricht (noch) der Berkley in dir, nicht wahr?




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NaWennDuMeinst
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So 25. Jul 2021, 20:14

Was ist damit gemeint, wenn von Euch gesagt wird für jedes Urteil gelte der Irrtumsvorbehalt?
Das heißt doch - jedenfalls verstehe ich das so - dass für jedes Urteil gilt es könnte auch falsch sein.
Das heißt doch aber nichts anderes, als das wir nicht wissen können, ob unsere Urteile die Wahrheit oder Tatschen korrekt beschreiben.
Wir können es glauben, aber wissen können wir es nicht, weil ja immer gilt, dass wir uns irren können.

Wenn man nun aber sagt, dass wir Urteile kennen bei denen wir uns unzweifelhaft nicht irren (wir wissen dass sie korrekt sind), dann gilt doch für diese Urteile kein Irrtumsvorbehalt mehr.
Es heißt ja nichts anderes als: Ein Irrtum ist (in diesem Falle) ausgeschlossen.
Und das finde ich nun ziemlich verwirrend, weil ich ja nicht auf der einen Seite sagen kann, für jedes Urteil gelte der Irrtumsvorbehalt (was nichts andere heißt als dass ein Irrtum nicht ausgeschlossen werden kann) und dann sage ich aber es gebe Urteile bei denen sei ein Irrtum ausgeschlossen.
Irrtum ausgeschlossen = Irrtum nicht ausgeschlossen.
Das ist Unfug. Das widerspricht sich..
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am So 25. Jul 2021, 20:33, insgesamt 2-mal geändert.



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Alethos
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So 25. Jul 2021, 20:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 19:59
Da spricht (noch) der Berkley in dir, nicht wahr?
Nein, das ist kein radikaler Subjektivismus.

Ich denke nur nicht, dass wir von „der Wahrheit“ etwas wissen können ohne Wahrheitsurteil. Alle Rede über die Wahrheit, alles Wissen über sie schliesst ein Wahrheitsurteil ein.

Wir können die Welt nicht haben ohne subjektive Perspektive, die sie denkt. Das ist aber klar, denn „wir“ sind Subjekte. Aber das heisst nicht, dass Wahrheit Subjekte braucht. die provisorische Wahrheit des Urteils braucht Subjekte.



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So 25. Jul 2021, 20:30

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 20:14
Was ist damit gemeint, wenn von Euch gesagt wird für jedes Urteil gelte der Irrtumsvorbehalt?
Das heißt doch - jedenfalls verstehe ich das so - dass für jedes Urteil gilt es könnte auch falsch sein.
Das heißt doch aber nichts anderes, als das wir nicht wissen können, ob unsere Urteile die Wahrheit oder Tatschen korrekt beschreiben.
Wir können es glauben, aber wissen können wir es nicht, weil ja immer gilt, dass wir uns irren können.

Wenn man nun aber sagt, dass wir Urteile kennen bei denen wir uns unzweifelhaft nicht irren (wir wissen dass sie korrekt sind), dann gilt doch für diese Urteile kein Irrtumsvorbehalt mehr.
Es heißt ja nichts anderes als: Ein Irrtum ist (in diesem Falle) ausgeschlossen.
Und das finde ich nun ziemlich verwirrend, weil ich ja nicht auf der einen Seite sagen kann, für jedes Urteil gelte der Irrtumsvorbehalt und dann sage ich aber es gebe Urteile bei denen sei ein Irrtum ausgeschlossen.
Das widerspricht sich doch.
Nein, ich behaupte nicht, dass wir uns nicht irren können. Ganz ausdrücklich sagte ich ja, dass der Taliban recht behalten könnte, wenn er die Menschenwürde für einen Witz hält. Aber, es muss sich zeigen, dass er recht hat, an der Sache selbst (der sozialen Realität, der menschlichen Realität etc.)



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So 25. Jul 2021, 20:37

Alethos hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 20:30
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 20:14
Was ist damit gemeint, wenn von Euch gesagt wird für jedes Urteil gelte der Irrtumsvorbehalt?
Das heißt doch - jedenfalls verstehe ich das so - dass für jedes Urteil gilt es könnte auch falsch sein.
Das heißt doch aber nichts anderes, als das wir nicht wissen können, ob unsere Urteile die Wahrheit oder Tatschen korrekt beschreiben.
Wir können es glauben, aber wissen können wir es nicht, weil ja immer gilt, dass wir uns irren können.

Wenn man nun aber sagt, dass wir Urteile kennen bei denen wir uns unzweifelhaft nicht irren (wir wissen dass sie korrekt sind), dann gilt doch für diese Urteile kein Irrtumsvorbehalt mehr.
Es heißt ja nichts anderes als: Ein Irrtum ist (in diesem Falle) ausgeschlossen.
Und das finde ich nun ziemlich verwirrend, weil ich ja nicht auf der einen Seite sagen kann, für jedes Urteil gelte der Irrtumsvorbehalt und dann sage ich aber es gebe Urteile bei denen sei ein Irrtum ausgeschlossen.
Das widerspricht sich doch.
Nein, ich behaupte nicht, dass wir uns nicht irren können.
Ne, Du nicht. Aber Jörn. Und das ist besonders bemerkenswert, weil er ja sagt, Wahrheit zeige sich nur, wenn Irrtum möglich ist.
Gleichzeitig sagt er aber nun, Wahrheit zeige ich auch da, wo Irrtum ausgeschlossen ist.
Also das ergibt für mich keinen Sinn.
Ganz ausdrücklich sagte ich ja, dass der Taliban recht behalten könnte, wenn er die Menschenwürde für einen Witz hält. Aber, es muss sich zeigen, dass er recht hat, an der Sache selbst (der sozialen Realität, der menschlichen Realität etc.)
Ich will Dir ja nicht die Laune verderben, aber sehe mich doch gezwungen Dich in die Realität zurückzuholen. Die menschliche Realität ist die , dass wir dem Taliban so lange die Fresse polieren, bis er nicht mehr "nein" sagen kann. Fürs eigene Gewissen bieten wir ihm dann noch beim Fresseeinschlagen die ganze Zeit "Verhandlungen" an.
So läuft das dann.
(Ich weiß auch nicht was man machen will, wenn man es mit Leuten wie den Taliban zutun hat. Und ich war auch dafür, dass wir da militärisch vorgehen. Aber mit Würde und so kann man das nicht mehr begründen. Das ist dann am Ende einfach pures Faustrecht.).



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Jörn Budesheim
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So 25. Jul 2021, 21:12

Alethos hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 20:28
Alle Rede über die Wahrheit, alles Wissen über sie schliesst ein Wahrheitsurteil ein.
Alle unsere Wahrheitsurteile sind Wahrheitsurteile, alle unsere Wahrnehmungen sind Wahrnehmungen etc. P.p das ist eine Tautologie, wie sie sich auch (natürlich nicht ganz so offensichtlicher Form) in einem Berkley Argument findet, wenn mich nicht alles täuscht. Wir haben vor vielen Jahren mal noch in dem alten Forum darüber diskutiert. Dass Argument, dass sich daraus entwickelt, wird manchmal the GEM genannt. Ich muss das mal raussuchen...




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So 25. Jul 2021, 21:54

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 08:41
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 24. Jul 2021, 22:52
Meine Position ist dabei keine "reine". Ich glaube dass es im wesentlichen zwei Kategorien von Wahrheiten gibt.
1. Wahrheiten die bewusstseinsunabhängig bestehen (Wahrheiten die gelten ganz egal was wir darüber denken oder was wir wollen- zum Beispiel die Naturgesetze),
2. "Wahrheiten", die "lediglich" von unserem pers. Standpunkt abhängen (die menschengemacht sind und deshalb auch jederzeit von Menschen geändert werden können).
Nehmen wir mal ein Beispiel: Peter bekommt einen heftigen Faustschlag in die Magengrube. Peter hat starke Schmerzen. Hier haben wir einen Tatbestand, der in keine der beiden Kategorien wirklich passt. Denn Schmerzen sind nicht bewusstseinsunabhängig. Und sie hängen zudem keineswegs "lediglich" von unserem pers. Standpunkt ab. Denn egal wie mein persönlicher Standpunkt dazu ist: Peter hat Schmerzen.

Nehmen wir ein weiteres Beispiel: rasende Inflation. Ich schätze, das Geld gemäß obigen Kategorisierung nicht zur bewusstseinsunabhängigen Wirklichkeit zählt, es passt aber auch nicht in die zweite Kategorie, denn rasende Inflation kann nicht jederzeit von uns geändert werden. Dazu braucht man nur in die Geschichtsbücher schauen. Das heißt mit dieser Kategorisierung schließt man Wirklichkeiten aus, die das Leben von unendlich vielen Menschen zur Hölle gemacht hat.

Diese Zweiteilung kann nicht mal zwischen individuellen und subjektiven Standpunkten unterscheiden. Außerdem hat sie keinen Platz für den Unterschied von epistemischer und ontologischer Subjektivität und vieles andere mehr. Zudem setzt sie voraus, das es soetwas wie eine bewusstseinsunabhängige Wirklichkeit überhaupt gibt, denn schließlich könnte es sein, dass die Wirklichkeit vom Bewusstsein durchwirkt ist. Wir wissen schlicht nicht sicher ob und wenn ja in welchem Ausmaß das der Fall ist.* Das heißt, man setzt sich damit eine Brille auf, die die Wirklichkeit mit sehr großer Sicherheit im Wesentlichen verdeckt.


* Der Panpsychismus kam mir selbst für die meiste Zeit meines Lebens wie eine abwegige esoterische Position vor. Aber wenn Leute wie Chalmers und Tononi das ernsthaft in Erwägung ziehen, sollte man mit solchen Urteilen ein klein wenig vorsichtiger sein. Letztlich ist in dieser Frage (die für die Frage, welches unser Ort in der Wirklichkeit ist, von großem Belang ist) vieles noch ungeklärt.
Auch Schmerzen sind eine "Auslegung & Verarbeitung" usw. vonseiten des Schmerzenhabenden, keine "an sich seiende, vom Bewusstsein unabhängige Realität oder Wahrheit". So wenig wie es Töne ohne Hörende gibt. Schallwellen vielleicht, aber selbst diese stellen bereits eine "menschengemachte" Abstraktion oder so, jedenfalls bestimmte Vorstellung dar. (Weswegen auch ein fallender Baum kein Geräusch macht, wenn niemand es hört!) So wie eine Menükarte nicht mit den dort angepriesenen Gerichten verwechselt werden sollte.
Die Wirklichkeiten als solche sind transzendent und somit grundsätzlich "unerreichbar". Auch beim anderen Beispiel verhalten sich "Subjekte" (Menschen) auf ihre Weise dazu, bewerten, "ordnen ein" etc. Alles Wahrgenommene ist vermittelt, alles immer schon abgewandelt. Ohne "zurichtendes" Auge und "konstruktivistisches" Gehirn kein "Sehen" (und überhaupt Wahrnehmen!). Die Vorstellung (!) einer Wirklichkeit überhaupt ist genauso "kontaminiert" wie die aller vermeintlichen (!) "Einzelwirklichkeiten". Man schließt auf eine "an sich seiende Wirklichkeit", kann sie prinzipiell aber niemals "erreichen".
"Wirklichkeit vom Bewusstsein durchwirkt"...? Den Satz verstehe ich nicht. Panpsychismus? Puh, nun wird's esoterisch. Ich muss weg.




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Alethos
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So 25. Jul 2021, 23:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 21:12
Alethos hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 20:28
Alle Rede über die Wahrheit, alles Wissen über sie schliesst ein Wahrheitsurteil ein.
Alle unsere Wahrheitsurteile sind Wahrheitsurteile, alle unsere Wahrnehmungen sind Wahrnehmungen etc. P.p das ist eine Tautologie, wie sie sich auch (natürlich nicht ganz so offensichtlicher Form) in einem Berkley Argument findet, wenn mich nicht alles täuscht. Wir haben vor vielen Jahren mal noch in dem alten Forum darüber diskutiert. Dass Argument, dass sich daraus entwickelt, wird manchmal the GEM genannt. Ich muss das mal raussuchen...
Gerne, ja, denn damit kann ich momentan nichts anfangen.

Du benutzst den Begriff „Tautologie“ so, als wäre sie ein Argument für das Falschsein des Gesagten. Dabei ist eine Tautologie immer wahr :)

Ich denke, wir machen uns nicht als Skeptiker verdächtig, wenn wir sagen, dass alle Tatsachen, von denen wir wissen, nur insofern Tatsachen genannt werden können, als wir es vermögen zu beurteilen, dass sie es sind. Ob sie es sind, hängt nicht von unseren Wahrheitsurteilen ab. Dass wir sie so nennen und über sie wissen, hingegen schon.

Die Aussage: „Es regnet draussen“ beschreibt eine Tatsache, sofern es draussen regnet, aber natürlich könnte diese Tatsachenbeschreibung falsch sein, wenn es draussen nicht regnet. Ob es regnet oder nicht, sehen wir, wenn wir rausgucken und wir beurteilen diesen Sachverhalt als Tatsache. Wir schaffen mit unseren Urteilen keine extramentale Tatsache, aber keine Tatsache überhaupt könnten wir als solche erkennen, wenn wir nicht urteilten, dass sie eine ist. Insofern ja: Es gibt keine Wahrheit, von der wir wissen, dass sie wahr ist, wenn wir diese Wahrheit nicht als wahr beurteilten. Es gibt folglich keine Wahrheit, von der wir wüssten, dass sie wahr ist, unabhängig von unseren Wahrheitsurteilen. Das war nwdm‘s Frage.



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Jörn Budesheim
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Mo 26. Jul 2021, 05:52

@1+1=3 mir ist bei deinem Beitrag nicht klar wofür oder wogegen du in Bezug auf meine Argumentation argumentierst.

Unabhängig davon:
1+1=3 hat geschrieben : Die Wirklichkeiten als solche sind transzendent und somit grundsätzlich "unerreichbar".
Dieser Satz ist natürlich ein direkter selbst Widerspruch. Denn wenn die Wirklichkeit angeblich grundsätzlich unerreichbar ist, wie kann man dann Aussagen über sie "als solche" machen?




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Mo 26. Jul 2021, 05:58

Alethos hat geschrieben :
So 25. Jul 2021, 23:03
Du benutzst den Begriff „Tautologie“ so, als wäre sie ein Argument für das Falschsein des Gesagten. Dabei ist eine Tautologie immer wahr
Doch Berkeleys Argumenttyp ist genau deswegen ein Trugschluss, "da man eine nicht-tautologische Schlussfolgerung nicht aus einer tautologischen Prämisse herleiten kann." (N.N. = ich hab Textausschnitte gefunden, aber mir fehlt noch die Quelle.)




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