Kaffeestübchen

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NaWennDuMeinst
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Mo 27. Jun 2022, 18:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 27. Jun 2022, 07:19
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 27. Jun 2022, 00:43
Woher weiß sie in einer solchen Situation, dass es wichtiger ist das zu befolgen was Menschen im Allgemeinen wollen und nicht dass was der Mensch vor ihr gerade will?
Wie sollte eine KI überhaupt "wissen", was ein Mensch ist?
Stell mir doch nicht immer so schwierige Fragen. ;)
Frag das Burkart, er hat auf alles eine Antwort.



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Nauplios
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Kant - ein Rassist?

Die Berlin-Brandenburgische Akadamie der Wissenschaften, welche die "Neuedition, Revision und Abschluss der Werke Immanuel Kants" betreut, hat eine interdisziplinäre Diskussionsreihe zu diesem Thema veranstaltet. In sechs Diskussionen von je zwei Stunden Länge äußern sich u.a. Volker Gerhard, Leiter des Akademienprojekts "Neuedition, Revision und Abschluss der Werke Immanuel Kants", Franziska Dübgen, Andrea Esser, die im Rahmen der Neuedition die Kritik der Urteilskraft herausgibt. Alle drei sind in der sechsten Diskussionrunde zu hören.

Kant - ein Rassist?




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Jörn Budesheim
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Mo 27. Jun 2022, 20:49

https://youtu.be/rl_h4tFE8hU

Kann man sich auch bei youtube angucken, da finde ich die Navigation etwas angenehmer.




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Stefanie
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Mo 27. Jun 2022, 21:23

Gib es das auch als Text, also so was wie eine Abschrift, Protokoll, etc.?
Was Frau lesen kann, markieren kann? Auf der Internetseite habe ich nichts gefunden.



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Burkart
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Mo 27. Jun 2022, 21:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 27. Jun 2022, 06:16
Burkart hat geschrieben :
So 26. Jun 2022, 22:28
"War Kant ein Rassist?" finde ich als Frage irgendwie unangemessen, weil Kant damit diskreditiert zu werden scheint, während die Begriff "Rassismus" erst seit gut 100 Jahren existiert
Mit anderen Worten, du hast den Film gar nicht angeschaut.
Deshalb habe ich ja auch die Frage direkt aufgegriffen.
Und hier zwei Quellen zu der Frage, seit wann der Begriff Rassismus existiert. Du kannst deine Quelle ja nachreichen. Im Allgemeinen finde ich es im Übrigen nicht falsch, wenn man solche Behauptungen wie "der Begriff Rassismus existiert erst seit gut 100 Jahren" auch belegt.
Bitte sehr, siehe mal wieder bei Wikipedia



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Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Jörn Budesheim
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Mo 27. Jun 2022, 21:49

Es wäre nett, wenn du die relevanten Passagen hier posten könntest und die Quellen, mit denen sie belegt werden.

Wikipedia ist für mich keine relevante Quelle.




Burkart
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Di 28. Jun 2022, 18:05

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 27. Jun 2022, 21:49
Es wäre nett, wenn du die relevanten Passagen hier posten könntest und die Quellen, mit denen sie belegt werden.
Du erwartest doch nicht wirklich im Ernst, dass ich zu Wikipedia-Passagen Quellen suche, um sie zu belegen? Ich habe so schon zu wenig Zeit.
Wikipedia ist für mich keine relevante Quelle.
Welche allgemeine ähnlich gute gibt es denn sonst so...?



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Burkart
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Di 28. Jun 2022, 18:58

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 27. Jun 2022, 00:43
Burkart hat geschrieben :
Do 16. Jun 2022, 22:20
NaWennDuMeinst, was sagst du denn zu meiner groben Zielarchitektur, wie vor ein paar Tagen dargestellt?:
Burkart hat geschrieben :
Sa 11. Jun 2022, 09:30

Erst einmal dank dir für die konkrete, konstruktive Frage.


Das erfordert eine grundlegende Programm-Architektur, die nicht (nur bzw. direkt) auf Ausführung von Befehlen aufbaut, sondern auf einer eigenen Zielarchitektur ("Motivationen" ist für mich hier zumindest erst einmal gleichwertig mit "Zielen").

Klassische Architektur:
- Hole Befehl und führe ihn aus, ggf. mit Priorisierung von Befehlen (z.B. timern)

Ziel-Architektur (letztlich die klassische als Grundlage nehmend) grob bzw. als eine Idee, die auch noch dynamischer sein kann:
- Hole wichtigstes Ziel (bzw. anschaulicher auch "Zielschritt") und verfolge es, eine Priorisierung ist damit schon genannt und könnte ungefähr so aussehen:
- Prio 1: Kommunikationanfrage eines Benutzers berücksichtigen
- Prio 2: Aktuell verfolgtes Ziel weiterverfolgen durch nächsten Zielschritt
- Prio 3: Neues Ziel aus gespeicherter Zielliste holen und verfolgen
Die Zielliste ist priorisiert und hierarchisch (ein grobes Ziel mit Unterzielen)

Soweit grob; bei leerer aktueller Zielliste könnte z.B. vielleicht auf alte Ziele (Nachdenken über Vergangenheit, z.B. mit spielerischer Nachverarbeitung) zugegriffen werden oder es mag langfristige und mehr oder weniger statische Ziele geben wie - als menschliches Beispiele - "räume auf", "betreibe Sport/halte dich fit" u.ä. bzw. KI(-Roboter) vielleicht mit "baue neue Kontakte auf", "versuche Unklares zu klären" o.ä.
Grundlegend sind für mich ganz weniger zentrale, feste Ziele (wobei nicht unbedingt eindeutig ist, was beliebig fest programmiert und was schon als Ziel programmiert ist) wie "Verfolge Ziele", "baue ggf. Unterziele auf" (bei Problemen z.B.), "Lerne".
Wer legt fest was in der/den Zielliste(n) steht?
Doch der Programmierer, oder wer sonst? Die Maschine kann es ja nicht sein. Wo und wie sollte sie sich selbst Ziele herholen?
(Nur) Die grundlegenden, sehr allgemeinen legt der Programmierer (bzw. KI-System-Architekt) fest.
Z.B. könnte eines sein: "Zur Zielerreichung nähere dich dem Ziel in machbaren Schritten."
Ein reales könnte dann sein, dass die KI von A nach B gehen soll und so als konkretes, nun eigenes Teil-Ziel den Schritt mit dem kleinsten Abstand sucht.
(Klar, dass "Abstand" u.ä. vorher zu lernen ist, ggf. auch in weitergehenden Zusammenhängen.)
Wenn ich dir jetzt sage was Du tun sollst und Du das machst, dann handelst Du doch nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil ich es dir befehle.
Ist das das Selbe wie eigene Motivationen und Ziele zu haben?
Richtig, bei Zielen ist zu unterscheiden zwischen "befehlten" und eigenen.
"Eigene" sind die festen grundlegenden und die daraus für aktuelle Ziele abgeleiteten, "befehlte" sind welche z.B. durch Kommunikation der KI gegebene.
Woher bekommt die Maschine die "eigenen, festen grundlegenden Ziele"?
Wie gesagt, die grundlegenden Ziele sind fest (programmiert).
Und wie ist das, kannst Du die Ausführung meiner Anweisungen verweigern? Ja, oder?
Und der Computer? Kann der die Befehle die wir ihn in Form eines Programmes geben verweigern?
Jein bzw. bedingt.
Grundlegende Kommunikation kann nicht verweigert werden, sie kann z.B. auch zur Sicherheit dienen wie ein Alarmsignal. Wenn ein Mensch dich anschreit, kannst du diesen Schrei i.a. auch nicht überhören.
Die Frage war nicht, ob eine Maschine oder ein Mensch etwas überhören kann (das hat überhaupt nichts mit meiner Frage zu tun), sondern ob sie sich weigern kann einen Befehl auszuführen. Und wenn sie sich weigern kann, auf welcher Basis kann sie sich weigern?
Sie kann sich "weigern" (falls du damit das gleiche wie ich meinst), wenn ein aktueller Befehl einer höheren Wahrheit widerspricht, z.B. ihrer Grundprogrammierung, z.B. a la 1. Asimov-Gesetz bei "töte jemanden".
Wenn wir ihr eingeben, dass sie bestimmte Befehle verweigern kann, dann verweigert sie ja nur das was wir wollen dass sie es verweigert.
Du vergisst, dass die KI gelernt haben kann und dies (auch) unabhängig vom Programmierer.
Der Witz bei der Fähigkeit zur Weigerung ist ja aber dass man auch das verweigern kann, was andere gerade nicht wollen dass man es verweigert. Das macht ja die Freiheit und Selbstbestimmtheit aus.
Wenn die KI irgendeinen triftigen, logischen Grund hat sich einer Weigerung zu verweigern oder so, mag es es können, why not.
Ob du dann auf eine Anweisung annimmst oder verweigerst, hängt von Verschiedenem ab.
Wenn dir eine Anweisung zusagt oder zumindest nicht "gegen den Strich geht", wirst du sie oft annehmen. Sonst aber u.U. eben nicht.

Eine KI sollte gerade am Anfang natürlich Anweisungen möglich immer annehmen "als guter Diener" (was die KI sein sollte).
Wenn die KI aber einiges gelernt hat, kann sie immer mehr gegebene Anweisungen mt ihrem Gelernten abgleichen und die Anweisungen kritisch hinterfragen.
Z.B. "Wirf das Glas auf die Erde" wird sie anfangs befolgen, bis sie gelernt hat, dass ein Glas kaputt gehen kann und Menschen dies i.a. nicht wollen.
Woher weiß sie in einer solchen Situation, dass es wichtiger ist das zu befolgen was Menschen im Allgemeinen wollen und nicht dass was der Mensch vor ihr gerade will?
Tja, woher weiß ich Mensch das? Da hilft nur viel lernen und Erfahrung.



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Jörn Budesheim
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Di 28. Jun 2022, 19:57

Burkart hat geschrieben :
Di 28. Jun 2022, 18:05
Welche allgemeine ähnlich gute gibt es denn sonst so...?
Mit ähnlich "guten" wäre ja nicht geholfen. Ich poste hier oft Zitate aus Büchern, die ich gelesen habe. Aber auch gegen Videoclips von youtube mit guter Quelle ist natürlich nichts einzuwenden und vergleichbares mehr. Es gibt viele Möglichkeiten. Wichtig ist, dass es eine nachvollziehbare Quelle gibt. Ich denke, wikipedia bietet das womöglich auch an, dann kannst du raussuchen - auch, um dich selbst zu vergewissern - und dann hier posten.




Burkart
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Di 28. Jun 2022, 21:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 28. Jun 2022, 19:57
Burkart hat geschrieben :
Di 28. Jun 2022, 18:05
Welche allgemeine ähnlich gute gibt es denn sonst so...?
Mit ähnlich "guten" wäre ja nicht geholfen. Ich poste hier oft Zitate aus Büchern, die ich gelesen habe. Aber auch gegen Videoclips von youtube mit guter Quelle ist natürlich nichts einzuwenden und vergleichbares mehr. Es gibt viele Möglichkeiten. Wichtig ist, dass es eine nachvollziehbare Quelle gibt. Ich denke, wikipedia bietet das womöglich auch an, dann kannst du raussuchen - auch, um dich selbst zu vergewissern - und dann hier posten.
Ich vertraue i.a. den Aussagen von Wikipedia, kann doch nicht wegen jeder Sache sie in Zweifel ziehen und erst ein Literaturrecherche machen. Vielleicht hast du die Zeit dafür, ich habe sie nicht.



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Nauplios
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Di 28. Jun 2022, 23:13

Ad fontes! (Zu den Quellen) - einer der Rufe des Humanismus; andere gingen ihm voraus, andere folgten ihm ("Zu den Sachen selbst", "Zu den Sachen und zurück", "Zurück zu Kant" ...)

Kant - ein Rassist?
Die Erinnerung ist zwar dunkel, aber ich bringe die Frage in einen Zusammenhang mit einem Kant-Seminar, das Volker Gerhardt Ende der 70er Jahre zu Kants Anthropologie in pragmatischer Hinsicht abgehalten hat (kann mich aber auch irren).

Ähnlich wurde (und wird) der "Fall Jauß" diskutiert, Rothacker, Carl Schmitt u.a. -




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NaWennDuMeinst
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Mi 29. Jun 2022, 01:22

Burkart hat geschrieben :
Di 28. Jun 2022, 18:58
Eine KI sollte gerade am Anfang natürlich Anweisungen möglich immer annehmen "als guter Diener" (was die KI sein sollte).
Wenn die KI aber einiges gelernt hat, kann sie immer mehr gegebene Anweisungen mt ihrem Gelernten abgleichen und die Anweisungen kritisch hinterfragen.
Z.B. "Wirf das Glas auf die Erde" wird sie anfangs befolgen, bis sie gelernt hat, dass ein Glas kaputt gehen kann und Menschen dies i.a. nicht wollen.
Woher weiß sie in einer solchen Situation, dass es wichtiger ist das zu befolgen was Menschen im Allgemeinen wollen und nicht dass was der Mensch vor ihr gerade will?
Tja, woher weiß ich Mensch das? Da hilft nur viel lernen und Erfahrung.
So einfach ist das aber nicht. Die Maschine kann nämlich gar nicht alle nötigen Erfahrungen haben oder machen.

Woher nimmt die Maschine denn z.B. die Erfahrung wie es sich anfühlt (wie es ist) ein Mensch (eine natürliche Intelligenz) zu sein?
Dass ich einen Gegenstand nicht zerstöre, weil ich damit einen Menschen traurig mache ist für uns Menschen ein gewichtiger Grund, weil wir wissen was es heißt (wie sehr das weh tut) traurig zu sein.
Wie aber soll die gefühllose Maschine das nachvollziehen? Wie soll sie den Wert von Glück begreifen?
Das kann sie ja überhaupt nicht, weil sie weder Leid noch Glück empfindet.

Und sag jetzt nicht wieder das muss sie nicht. Doch, das muss sie. Genau so funktioniert das nämlich bei uns Menschen. Durch die eigenen Gefühle und Empathie entwickeln wir Verständnis für Werte.
Das ist ein wichtiger Teil dessen was Du "Lernen und Erfahrung" nennst.
Wie fühlt es sich an verletzt zu sein? Was ist eine Kränkung? Was heißt es glücklich zu sein? Was ist Mitleid?
Das alles kann die Maschine nicht verstehen, weil sie tot, kalt und gefühllos ist.

Du meinst Du könntest alles das einfach mit Binärschaltungen (Logik) und dem massenhaften Ansammeln von Daten ("Lernen") nachbilden.
Nein, kannst Du nicht. Nicht mal im Ansatz.



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Nauplios hat geschrieben :
Di 28. Jun 2022, 23:13
Kant - ein Rassist?
Meine Kurzfassung dessen, was ich dazu gelesen/gehört/gesehen habe:

Es gibt vom frühen Kant rassistische Äußerungen, später revidiert er das weitgehend. Allerdings kann man Kant gar nicht ohne Kant für seine frühen rassistischen Äußerungen kritisieren. Zudem muss man bedenken, dass der Stand des (biologischen) Wissens damals ein anderer war. Heute wissen wir, dass es so etwas wie Rassen gar nicht gibt, ein Wissen, dass zurzeit Kants gar nicht zur Verfügung stand.

Aufklärung und Rassismus. Die Aufklärung brauchte den "wissenschaftlich verbrämten" Rassismus, um gegen die eigenen Einsichten Menschen (überwiegend aus wirtschaftlichen Interessen) zu versklaven.

Muss Kant aus den Regalen der Unis? Meines Erachtens: natürlich nicht. Er bleibt eine ganz zentrale Figur der Philosophie auch mit seinen Schattenseiten.




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Mi 29. Jun 2022, 12:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 29. Jun 2022, 09:17
Muss Kant aus den Regalen der Unis?
Das geht gar nicht. Wenn Du Kants Bücher entfernst fällt die Hälfte der anderen Bücher auch um, weil sie von Kants Büchern getragen werden.
In vielen Werken steht Zeug drin, das wir heute besser wissen. Das muss man einfach dazu denken, wenn man sich mit alten Werken beschäftigt.
Wissen wird überholt. Das ist so. Man nennt das Fortschritt. Kein Grund zur Aufregung.



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Jörn Budesheim
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Mi 29. Jun 2022, 14:16

In diesem Zusammenhang passt auch dieser Text, den ich vor kurzem hier schon mal gepostet habe.

Jürgen Kaube über Robert Brandom:

"Brandom ist Philosoph. Alles findet bei ihm im großen Reich der Gründe und Begründungen statt. Weil aber immer wieder falsche Gründe angegeben werden, irrtümliche Wahrheitsbehauptungen und niederträchtige Handlungen stattfinden, bedarf dieses Reich, soll es nicht zerfallen, normativ zweier Einstellungen: der Fähigkeit zum Eingestehen des Falschen wie der Bereitschaft zur Verzeihung.

Hier kommt das Vertrauen im Titel des Buches ins Spiel. Ohne das Vertrauen darauf, dass Irrtümer, sofern sie gestanden werden, auch verziehen werden, könne keine vernünftige Welt entstehen. „Man muss“, schreibt Brandom, „eine Tradition derart rational rekonstruieren, dass sie sich als expressiv-fortschrittlich herausstellt“, die Geschichte spricht mit anderen Worten nur zu uns, wenn sie verzeihend auf das hin erinnert wird, was sich in ihr als wahr oder bejahbar zeigt. Nicht alles war vergeblich, lautet das Motto einer solchen Bemühung.'


Wenn einem Fortschritt jedoch ein rotes Tuch ist, kann man damit natürlich nichts anfangen :-)




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Mi 29. Jun 2022, 15:05

Mir kam vorhin der Gedanke, ob es sich nicht als gute Idee erweisen könnte, die Frage "Kant - ein Rassist?" unter einer um Jauß, Rothacker, Schmitt u.a. erweiterten Perspektive in einem eigenen Thread zu behandeln. Es bleibt zwar eine Idee, aber keine gute.




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Jörn Budesheim
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Do 30. Jun 2022, 07:22

Ich schätze, die meisten kennen sie, die Menschen, die gleichsam ausflippen, wenn der Begriff "Moral" auf den Tisch kommt. Albig nennt sie Moralphobiker. Beim SWR gibt es ein ganz kurzes Interview mit ihm:
swr hat geschrieben : Was haben Niccolo Machiavelli, Al Capone und Donald Trump gemeinsam? Sie haben Angst vor Fortschritt und neuer Moral und sind deshalb, wo es geht, besonders brutal, meint Jörg-Uwe Albig.

Sein Essay-Buch „Moralophobia. Wie die Wut auf das Gute in die Welt kam“ ist eine launigen Porträtsammlung beleidigter Leberwürste der Geschichte.

https://www.swr.de/swr2/literatur/joerg ... a-100.html




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Do 30. Jun 2022, 10:16

"... alles ziemlich brutale Männer ... und alle haben eine Moralphobie ... wovor fürchten sie sich denn genau?" (Lukas Meyer-Blankenburg)

"Sie fürchten sich vor allem, was ihre Privilegien bedrohen könnte und sie fürchten sich vor der Weltverbesserung ... und häufig sind es einfach Menschen, die sich von Entwicklungen überfordert fühlen und gestresst fühlen und dann entsprechende Symptome zeigen." (Jörg-Uwe Albig)

Die Rede ist von Männern, die "ganz allgemein mit der neuen Zeit nicht mehr klarkommen": Götz von Berlichingen, Niccolò Machiavelli, Al Capone, Donald Trump ...

Das klingt nach einem Buch, das ich gleich bestellen werde und in der nächsten Woche verschicken könnte - diesmal aber als Geschenk, Stefanie. ;)

Wenn man es bei "Symptomen" und "Weltverbesserung" nicht belassen will, bietet sich beim Blick auf Moral Niklas Luhmann an, der in seiner Hegelpreis-Rede sagt: "Angesichts dieser Sachlage ist es die vielleicht vordringlichste Aufgabe der Ethik, vor Moral zu warnen."

Für Luhmann ist die "Begründung der Moral", die als Teilsystem der Gesellschaft keineswegs erledigt ist, sondern Gegenstand der Theorie der Gesellschaft ist, ein "paradoxes Unternehmen", denn "alle Begründungsversuche" werden zu "Operationen, die Notwendigkeit suchen und Kontingenz erzeugen." (Die Moral der Gesellschaft; S. 346)

Den "polemogenen Ursprung" der Moral hat Luhmann u.a. auch in Die Realität der Massenmedien betont:

"Das, was als Realität nicht ausreichend zur Geltung kommt, wird als Moral angeboten, wird gefordert. Konsens ist danach besser als Dissens, Konflikte sollte man schlichten können (da es ohnehin nur um Werte geht), und der primär an Quantitäten orientierte Realitätsbezug (möglichst mehr, und nicht weniger, vom Guten) sollte durch die 'Sinnfrage' neutralisiert werden. Es sieht dann so aus, als ob es im Wesen der Moral läge, für Frieden, für Ausgleich, für Solidarität, für Sinn zu optieren. Das ist jedoch, historisch und empirisch gesehen, keineswegs der Fall. Es gibt keinerlei in der Moral selbst liegenden Gründe, nicht auch Kampf gegen Feinde, in-group und out-group Unterscheidungen, Dissens im Verhältnis zu andersartigen Auffassungen moralisch zu prämieren. Auch hier scheinen die Massenmedien die Art zu bestimmen, wie die Welt gelesen wird, und die moralischen Perspektiven dieser Beschreibung zuzuordnen. Die mit Vermißtheitsakzenten versehene Betonung von Konsens, Solidarität, Werten, Sinnsuche entsteht erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in einer Zeit der Massenpresse und der Vollinklusion der Unterschichten in die Literalität, als eine Art Pasteurisierung der Gesamtgesellschaft – oder dessen, was man dafür hält. Man könnte vermuten, daß dies penetrante Insistieren auf Moral im Zusammenhang steht mit der Codierung Information/Nichtinformation oder mit der einseitigen Präsentation von Formen, deren andere Seite, obwohl vorausgesetzt, nicht mitdargestellt wird; also mit dem Verschweigen der unaufgeregten Normalität; also mit der Paradoxie des im Sinn eingeschlossenen, aber als ausgeschlossen eingeschlossenen Anderen. Moral ist ja im normalen Umgang gar nicht nötig, sie ist immer ein Symptom für das Auftreten von Pathologien. Statt sich an Selbstverständlichkeiten zu orientieren, wählt die Kommunikation die Form der Moral als etwas, was zugleich Tatsache und Nichttatsache ist; als etwas, das ständig angemahnt werden muß; als etwas, das fehlt, und eben deshalb nicht nach innen oder außen zugeordnet werden kann. Ist der Übergang, ist die Ablenkung auf Moral einmal geschafft, läuft es wie von selbst, wie auf Rollen, manchmal zu schnell. Moral dient dann als eine Art Supplement zur Selektivität, das kompensatorisch im Sinne Odo Marquards, also 'statt dessen' angeboten wird. Das könnte erklären, daß die Moral und selbst ihre Reflexionsform, die Ethik, heute einen altgewordenen, zerfurchten Eindruck macht und sich offensichtlich nur noch für pathologische Fälle interessiert. Entsprechend summieren sich Einzelfälle unter Stichworten wie 'Korruption', und man kann nur bestätigen, was Jean Paul schon vor langem vermutet hatte: 'Noch immer können Engel fallen und die Teufel sich vermehren'." (Niklas Luhmann; Die Realität der Massenmedien; S. 98f)

Moral als Teilsystem des Kommunikationssystems Gesellschaft soll nicht zum Verschwinden gebracht werden. Im Gegenteil, ihre Funktion soll offengelegt werden. Die Gesamtgesellschaft läßt sich infolge ihres Differenzierungsgrades nicht mehr durch Moral integrieren. Die Teilsysteme (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft ...) sind füreinander Umwelt. Luhmann spricht sogar von einer "Ebene höherer Amoralität" (Die Moral der Gesellschaft; S.259) Die Ausdifferenzierung der Teilsysteme hat zur Folge:

"Man kommuniziert mit Amtsinhabern, Verkäuferinnen, Büroangestellten oder Lehrerinnen - und diese Kommunikation gelingt, gerade weil man sie nicht als Personen verstehen muss. Gerade weil die Seele des Anderen für mich eine Blackbox bleibt, kann ich ‘sozial’ verstehen, was er mir mitteilt. Der Andere ist kein Seelenbruder, sondern eine Kommunikationsadresse." (Norbert Bolz; Ratten im System. Niklas Luhmann und die Grenzen der Aufklärung; S. 64f)

Soweit mal ein paar Gedanken zum Moralbegriff beim Bielefelder Al Capone. :o




Nauplios
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Do 30. Jun 2022, 10:30

Der vollständige Text Die Realität der Massenmedien ist hier als pdf verfügbar:

Die Realität der Massenmedien




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Do 30. Jun 2022, 11:02

Nauplios hat geschrieben :
Do 30. Jun 2022, 10:16
Wenn man es bei "Symptomen" und "Weltverbesserung" nicht belassen will, bietet sich beim Blick auf Moral Niklas Luhmann an, der in seiner Hegelpreis-Rede sagt: "Angesichts dieser Sachlage ist es die vielleicht vordringlichste Aufgabe der Ethik, vor Moral zu warnen."
In der Moral geht es um das, was wir tun sollten, insofern wir Menschen sind. Ethik ist die systematische philosophische Beschäftigung mit der Moral. Wenn dabei herauskommt, dass wir das, was wir tun sollten, nicht tun sollten, dann ist offenbar etwas schiefgelaufen. Wenn es also beispielsweise heißt, rette kleine Kinder nicht vor dem Ertrinken, selbst wenn du es kannst, weil vor Moral zu warnen ist, dann leben wir in der schlimmsten denkbaren Dystopie, weil wir dann unsere Würde und unser Menschsein aufgeben.




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