Kaffeestübchen

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
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Jörn Budesheim
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Mo 30. Sep 2019, 18:52

Diskussionen müssen von geteilten Überzeugung getragen werden. Dieses Gerüst kann sich zwar als hinfällig erweisen, aber ohne es geht es nicht.

Wenn man in einem Faden bestimmte Dinge nicht in Frage stellen möchte, dann muss man das im Prinzip in der Einleitung zum Thema deutlich machen. In dem alten Forum lief jede Diskussion, jede Diskussion! irgendwann auf einen Streit zwischen Realismus und Antirealismus hinaus. Also habe ich gelegentlich versucht, Diskussionen zu initiieren, die von vornherein darauf ausgelegt waren, dass die Teilnehmer zumindestens eine realistische Grund Intuition hatten. Denn man kommt bei der Erkundung eines Gebietes am Ende nicht weiter, wenn man stets an den Grenzmarken hängen bleibt. Ich denke, ich brauche nicht zu erwähnen, dass diese Versuche nie funktioniert haben.

Philosophische Diskussionen laufen in der Regel sehr schnell auf Grundlagenforschung hinaus, weil sie ohnehin die Wissenschaft der ganz allgemeinen Dinge ist. An der Nulllinie ist man ganz schnell, weil Philosophieren immer auch heißt, Anfänger zu sein.




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Jörn Budesheim
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Mo 30. Sep 2019, 18:55

Friederike hat geschrieben :
Mo 30. Sep 2019, 18:28
Nauplios hat geschrieben : [...] wenn wir erst mal klären wollen, was eine Metapher ist, ob und wie wir sie erkennen können, ob sie überhaupt etwas bedeutet, ob es überhaupt Metaphern gibt, ob alles eine Metapher ist [...]

Das nehme ich gerne auf meine Kappe, weil es mir tatsächlich so gegangen ist, daß mir der Begriff "Metapher" im Verlaufe des Gesprächs immer befragungswürdiger vorkam, vorkommt.
Begriffsstutzig zu sein und das Fragwürdige im Selbstverständlichen (und umgekehrt) zu sehen, ist meines Erachtens eine philosophische Grundtugend.




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Nauplios
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Di 1. Okt 2019, 01:57

Friederike hat geschrieben :
Mo 30. Sep 2019, 14:44
Alethos hat geschrieben :
Mo 30. Sep 2019, 12:26
Habe am Wochenende Blumenberg-Literatur bestellt und werde mich nach deren Studium wieder zu Wort melden, falls ich dann Gescheitere zu sagen habe oder schweigen. Denn auch über etwas schweigen soll der Mensch, wenn er nichts (Interessantes) zu sagen hat.
Es muß eine Art und Weise geben, aktiv und förderlich an einem Gespräch teilzunehmen, auch ohne nähere Kenntnis der Texte eines Autors oder einer Autorin. Damit es sich nicht nur wie eine Proklamation anhört, deren Mutter lediglich der Wunsch ist: Nachfragend, nachbohrend, vorsichtig kritisch vielleicht ...
"aktiv und förderlich" - erst auf den zweiten Blick habe ich den metaphorischen Hintergrund des Förderns bemerkt. Gefördert wird jemand in seiner Entfaltung, als Musiker, als Künstler, ein Talent kann gefördert werden - durch Zuspruch, auch Zuwendung, hier sogar im mehrfachen Sinne, etwa als emotionale oder auch finanzielle Zuwendung; gefördert wird aber auch aus dem Erdinneren ans Tageslicht oder metaphorisch aus dem Dunklen eines Textes ins Helle eines Verstehens. Förderlich ist dann alles, was den philosophischen Gehalt des Textes aus(einander)legt, sein Bedeutungspotential entfaltet, seine geschichtlichen Hintergründe aufhellt, seine mitgemeinten Bezüge offenlegt, seine ihn ermöglichenden zeitgeschichtlichen Bedingungen berücksichtigt u.ä. - kurzum, indem seine innere Textur entfaltet wird, sein Gewebe zutage "gefördert" wird.

Daran beteiligt sind sekundäre Schriften, Übersetzungen, Kommentare, Monographien, Biographien, Lexikaeinträge, Einführungen, Glossare, historische Abrisse ... ein Regiment von Helfern, zu dem seit neuestem das Internet gerechnet werden darf. Will man ein Textmassiv wie "Arbeit am Mythos" ersteigen, sind all diese Sherpas und Träger notwendig, dazu ein Basislager, ein Hochlager in unmittelbarer Nähe des Einstiegs und - mehrere Anläufe. Sich in der Felswand über die Attraktivität benachbarter Gipfel zu streiten, bietet sich nicht an. Im Basislager befindet sich das Vorverständnis des Textes. Hier lagern Alltags- und Vorverständnis von Metapher, Mythos, Lebenswelt, Säkularisierung, Horizont, Sorge, Bedeutsamkeit, Kosmos, Logos, Theorie, Paradigma, Vernunft, Phänomen, Moderne u.a. Hat man Wesentliches vergessen, kann es noch kurz aus dem Tal (Wikipedia) nachgeholt werden. Der Anstieg kann beginnen und es kann passieren, daß man das Vorverständnis in dem einen oder anderen Punkt neu justieren oder auch revidieren muß. Mythos ist vielleicht etwas anderes als Legende oder Märchen, Kosmos etwas anderes als Universum, Lebenswelt etwas anderes als Alltagswelt, Logos etwas anderes als Logik. Notfalls liest man eine Passage noch einmal, zieht weitere Sekundärliteratur zu Rate. - Im Hochlager befinden sich Konstruktionen und Sauerstoff, die es für Steilwand, Gletscher und Gipfel braucht. Hier lagern Nostrozentrik, Eidetik, Umbesetzung, Gnosis, Astranoetik, Bewußtseinsintermittenz, Urstiftung, Retention, Suisuffizienz, Doketismus, Kerygma u.a. - Auf dem Gipfel schließlich wartet auf den Erschöpften das Gipfelkreuz. Es trägt die Inschrift Repetitio est mater studiorum. - Wie weit man vom Gipfel aus in die Landschaft sehen kann, weiß nur der Schöpfer.

"aktiv und förderlich" - Um aktiv zu sein, bedarf es keines Fitnesswahns. Man kann Blumenberg auch ohne Graecum und Latinum lesen. Bewegen allerdings muß man sich. Daß der Berg einen Kopfstand macht, damit man vor seinem Gipfel ein Selfie machen kann, davon hat noch niemand gehört.

"Proklamation" - es darf und wird natürlich nicht so sein, daß man sich anschickt, das gesamte Forum auf Hans Blumenberg zu vereidigen. Es gibt noch viele andere Achttausender mit ambitionierten Routen, die sich dem philosophischen Ehrgeiz in verlockenden Hochglanzbroschüren anbieten. Und natürlich können wir hier nicht annähernd so etwas wie Vollständigkeit erreichen, wollten wir Blumenbergs Terrain abschreiten. Man kann Pflöcke einschlagen, sich über Gelesenes austauschen ... Und natürlich kann man mit all dem auch scheitern, kann im Textgebirge Blumenberg´schen Denkens abstürzen. Dann soll uns Trost sein, was Blumenberg mal in ironischer Distanz zu Heidegger schrieb: "Bei Heidegger ist, um im Bild zu bleiben, der Sturz des Philosophen das Kriterium dafür geworden, daß er sich auf dem richtigen Weg befindet." (Das Lachen der Thrakerin - S. 149)




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Nauplios
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Di 1. Okt 2019, 02:43

Alethos hat geschrieben :
Mo 30. Sep 2019, 16:39

Hattest du den Eindruck, dass ich das "Gerüst laufend auf seine Statik überprüft hätte" und dass ich meinen "Konstruktionen misstraut" hätte, dass ich gar auf der "Nulllinie allen Denkens" angefangen hätte? Falls ja, dann werde ich meine Teilnahme gewiss aussetzen müssen und erst dann wieder Schreiben, wenn ich auf der Höhe der Sache angelangt sein werde. Denn wenn mein Beitrag an unsere Diskussionen nicht nur wenig hilfreich, sondern gar hinderlich ist, dann befördere ich die Sache durch mein Stillhalten mehr als durch meine Teilnahme. Mir ist ein Anliegen, dass die Diskussionen um die "Metaphorologie" erfolgreich sind. Und wenn es ohne mich besser gelingen kann, dann sei es so.

Bestellt habe ich mir "Paradigmen zu einer Metaphorologie" und "Arbeit am Mythos".
Nein, ich hatte nicht diesen Eindruck, Alethos. Ich hab´ ja bei einer früheren Gelegenheit mal geschrieben, daß Du Dich in Diktion und Duktus dem Blumenberg´schen Denken einzugewöhnen und einzufühlen verstehst. "Stillhalten" ist in einem Forum von derzeit fünf Aktiven keine Option. Deswegen möchte ich Dich ermutigen, die Sache zu "befördern" (s.o.) - auch Du greifst zu diesem Bild - indem aus dem freien Flottieren ja jetzt durch Zuwendung zu Blumenberg selbst (Paradigmen, Arbeit am Mythos) eine erste Geländebegehung werden kann. Ich bin gespannt, was Du zu diesem Gelände sagst und wie Deine ersten Eindrücke sind. -

"Nullinie allen Denkens" - damit meine ich die Vorstellung, man müsse, um zu einer Verständigung zu kommen, zunächst einmal jedes Alltags- und Vorverständnis einer kritischen Prüfung unterziehen, indem man seine Terminologie dem Verdacht aussetzt, sie könne der Sache unangemessen sein. In dieser Vorstellung lauern Abwärtsspiralen ins Grundsätzliche. Nicht, daß das Grundsätzliche nicht grundsätzlich befragbar wäre. Es ist wie mit dem Umbau des Schiffes auf hoher See. Es hier in sämtliche Elementarteile gleichzeitig zu zerlegen, bedeutet Untergang. Will man, um die Metapher näher zu bestimmen, zunächst mal wissen, was es eigentlich mit der Wahrheit auf sich hat, wird man auf den seltsamen Befund stoßen, daß die Wahrheit häufig über die Metapher des Lichts, der Aufklärung oder auch als nackte Wahrheit, als unverschleierte Wahrheit adressiert wird, d.h. man findet sich in zirkulären Verhältnissen wieder, bevor man überhaupt einen Anfang gemacht hat. Am Ende findet man sich im Anfang aller Anfänge wieder, also dort wo Verständigung gerade am wenigsten zu erwarten ist.




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Nauplios
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Di 1. Okt 2019, 03:01

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 30. Sep 2019, 18:52

An der Nulllinie ist man ganz schnell, weil Philosophieren immer auch heißt, Anfänger zu sein.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 30. Sep 2019, 18:55

Begriffsstutzig zu sein und das Fragwürdige im Selbstverständlichen (und umgekehrt) zu sehen, ist meines Erachtens eine philosophische Grundtugend.
Ja, dem kann man durchaus zustimmen, insbesondere dann, wenn es sich um eine "Tugend verminderter Strenge" handelt, die günstigstenfalls in einer "kalkulierten Zulassung des Unerlaubten" besteht, deren Rechtfertigung darin liegt, "daß es sonst gar nichts gäbe, keinen Anfang oder den alsbaldigen Stillstand des Angefangenen". (Hans Blumenberg; Theorie der Lebenswelt; S. 10) -




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Nauplios
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Di 1. Okt 2019, 03:38

"In den USA hat der politische Herbst begonnen, jene Jahreszeit, die üblicherweise in die Wahl des nächsten Präsidenten mündet und die vor inszenierter Kulisse aus Strohballen und Coffee Diners abgehalten wird. Das aber ändert sich nun, plötzlich wird der Anhörungssaal zum zentralen Ort, die zum Schwur gehobene Hand wird das meist fotografierte Bild im Wahlkampf abgeben. Viele Hände werden da in die Höhe gereckt werden, denn was sich nach nur wenigen Tagen des jüngsten Trump-Dramas abzeichnet, läßt einen Skandal massiven Ausmaßes erwarten.

Dabei ist es nicht nur der Sachverhalt selbst [...], sondern vielmehr das System, das sich offenbart. [...] Erst unter der Wasseroberfläche zeigt der Eisberg seine gewaltigen Dimensionen.

Ein Netz von Büchsenspannern und politischen Mobstern hat systematisch die neue ukrainische Führung bearbeitet, Hilfsgelder wurden offenbar als Druckmittel zurückgehalten, Staatsanwälte instrumentalisiert. Dutzende Mithörer und Mitwisser beißen sich nun lieber die Zunge ab, statt Alarm zu schlagen. Beweise wurden weggesperrt, Spuren verwischt. [...]

Diesen Albtraum hatten die Verfassungsväter vor Augen, als sie die Amtsenthebungs-Klausel in ihr Werk aufnahmen. [...] Sie wollten deswegen sicherstellen, dass in ihrem neuen freien Land einem Diktator, einem jeder Kontrolle enthobenen Machthaber das Handwerk gelegt werden kann. [...]

Das Clinton-Impeachment hat die USA ein Jahr lang aus der Weltpolitik genommen und die politische Belegschaft Washingtons in einen Topf mit siedendem Öl getaucht. [...] Nicht nur in den USA werden Moral und Wahrheit inzwischen in unterschiedlichen Währungen berechnet. [...] Tatsächlich geht es um die Frage, wie viel die amerikanische Demokratie an Verbiegung erträgt, ehe sie bricht. [...]

Wichtig ist nun, daß sich die Gegner dieses Präsidenten nicht von dessen Zorn anstecken lassen, sondern kühl die Fakten sprechen lassen."

(Stefan Kornelius in der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Wochenende S. 4)

Ich habe mal auf die Schnelle die Bilder und Metaphern dieses Kommentars zum Impeachment von Trump hervorgehoben. Man kann sich im Einzelnen darüber streiten, ob es sich jedesmal um eine Metapher, eine Metonymie, eine Allegorie, eine Katachrese ... handelt. Das wäre mal eine Angelegenheit für Deutschlehrer, Germanisten, Linguisten ... - Was man jedoch schnell überschauen kann, ist die Dominanz und die Leitfunktion, die Allgegenwart bildlicher Rede. Und das ist eigentlich das, worauf es in der Metaphorologie ja ankommt: wie Bilder unsere Vorstellungen anleiten. Nun ist dies ein Stück politischer Rhetorik; doch finden sich in der Philosophie und in den Wissenschaften ebenso solche Leitmetaphern.




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Nauplios
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Di 1. Okt 2019, 03:55

"Denn Wien darf für sich in Anspruch nehmen, eine Art politisches Versuchslabor zu sein. [...]

Die jüngste Probe ist eine Regierungskoalition aus einer eigentlich in der Mitte verankerten Volkspartei und polternden Rechtspopulisten gewesen. Was dies für Folgen zeitigt im gesellschaftlichen und politischen Klima ...

Mit dem Aufstieg der Freiheitlichen wurden die Grenzen des Sagbaren systematisch verschoben.

Die Ibiza-Affäre war ein Blick in den Abgrund. Sie hat die rechte Regierung aus dem Amt gefegt, doch noch ist es zum Aufatmen offenbar viel zu früh.

Leichtfertig werden zudem die Fundamente der repräsentativen Demokratie zersetzt.

Immerhin aber haben die Österreicher nun nach gerade einmal 18 Monaten Regierungszeit, im Wiener Politiklabor eine neue Versuchsanordnung aufzubauen.

Dem Kontinent droht eine Zerreißprobe, und Österreich als Land im Zentrum Europas könnte tatsächlich eine wichtige Rolle übernehmen: die des Brückenbauers."

(Peter Münch in der Süddeutschen Zeitung vom Wochenende direkt unter dem Kommentar von Stefan Kornelius)




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Nauplios
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Di 1. Okt 2019, 03:58

Vor wenigen Tagen neu erschienen:

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Alethos
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Di 1. Okt 2019, 12:32

Nauplios hat geschrieben :
Di 1. Okt 2019, 02:43
Ich bin gespannt, was Du zu diesem Gelände sagst und wie Deine ersten Eindrücke sind.
Danke für deine Ausführungen. Schon nur diese geben mir den Mut zurück.

Gestern wurden die 'Paradigmen' geliefert, und ich habe vorerst die Einleitung und das erste Wahrheitskapitel gelesen. Wenn man Blumenberg liest, hat man den Eindruck, man nehme an einer Geschichts-, Altphilologie- und Philosophie-Vorlesung gleichzeitig teil. Sehr spannend, sehr lehrreich. Sehr tief. Ich konnte das Buch nur langsam lesen (es ist definitiv keine Konsumliteratur). Es hat mich gepackt, so sehr, dass ich es trotz lautem Ruf der Müdigkeit nicht beiseite legen konnte.

Ich hätte viele Fragen zur 'Wandlung des Wahrheitsbegriffs' von der Antike zur Scholastik. Und freue mich auf die nächsten Kapitel.



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Friederike
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Di 1. Okt 2019, 13:03

Da wir uns hier "Kaffeestübchen" treffen, kann ich ja ohne Rücksicht auf "Intendiertes" plaudern. Kommentare zu aktuellen Geschehnissen habe ich gar nicht erst weitere gesucht, sie dürften unisono prall gefüllt mit metaphorischer Rede sein (die Alltagssprache sowieso). Bei der Durchsicht käme es darauf an, die Dachmetaphorik zu entdecken, falls vorhanden. Eine Systematisierung bei den beiden von Dir @Nauplios, kopierten Texten ist mir leider nicht gelungen. Mir scheinen die Metaphern eher dem "Kraut- und Rüben"-Feld entnommen.

Nur zum Spielen ein kurzer Abschnitt aus der KrV (Kant hatte, wie ich las, eine Neigung zur der Jurisprudenz entnommenen Metaphorik). Die Absicht ist, einen möglichst metapherarmen Text zu finden. Ich habe lediglich 2 Metaphern gefunden, die ich eindeutig als solche bezeichnen würde. Wenn ich die infrage kommenden Verben hinzunehme, dann gehören sie ebenso wie die Substantive vor allem dem Textilbereich an. Aber ich würde die Verben dennoch nicht zu den metaphorischen Ausdrücken zählen ("was kann man denn überhaupt noch sagen, was nicht metaphorisch ist". Ich bleib' bei meinem Thema, merke ich gerade). Seht Ihr mehr oder andere Metaphern als ich?
Kant hat geschrieben : Von dem Unterschiede der reinen und empirischen Erkenntnis

[45] Daß alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel; denn wodurch sollte das Erkenntnisvermögen sonst zur Ausübung erweckt werden, geschähe es nicht durch Gegenstände, die unsere Sinne rühren und teils von selbst Vorstellungen bewirken, teils unsere Verstandestätigkeit in Bewegung bringen, diese zu vergleichen, sie zu verknüpfen oder zu trennen, und so den rohen Stoff sinnlicher Eindrücke zu einer Erkenntnis der Gegenstände zu verarbeiten, die Erfahrung heißt? Der Zeit nach geht also keine Erkenntnis in uns vor der Erfahrung vorher, und mit dieser fängt alle an.

Wenn aber gleich alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anhebt, so entspringt sie darum doch nicht eben alle aus der Erfahrung. Denn es könnte wohl sein, daß selbst unsere Erfahrungserkenntnis ein Zusammengesetztes aus dem sei, was wir durch Eindrücke empfangen, und dem, was unser eigenes Erkenntnisvermögen (durch sinnliche Eindrücke bloß veranlaßt) aus sich selbst hergibt, welchen Zusatz wir von jenem Grundstoffe nicht eher unterscheiden, als bis lange Übung uns darauf aufmerksam und zur Absonderung desselben geschickt gemacht hat
.




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Alethos
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Vielleicht 'erwecken'? Was das 'Erkenntnisvermögen erweckt'
wodurch sollte das Erkenntnisvermögen sonst zur Ausübung erweckt werden



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Friederike
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Di 1. Okt 2019, 14:04

Alethos hat geschrieben :
Di 1. Okt 2019, 13:11
Vielleicht 'erwecken'? Was das 'Erkenntnisvermögen erweckt'
wodurch sollte das Erkenntnisvermögen sonst zur Ausübung erweckt werden
Ja (mir fällt nicht ein, wie ich den "Modus" nennen soll, den mein "ja" heute hat).




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Alethos
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Di 1. Okt 2019, 14:38

Friederike hat geschrieben :
Di 1. Okt 2019, 14:04
Alethos hat geschrieben :
Di 1. Okt 2019, 13:11
Vielleicht 'erwecken'? Was das 'Erkenntnisvermögen erweckt'
wodurch sollte das Erkenntnisvermögen sonst zur Ausübung erweckt werden
Ja (mir fällt nicht ein, wie ich den "Modus" nennen soll, den mein "ja" heute hat).
unmotiviertes Schönwetter-Ja?



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Friederike
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Di 1. Okt 2019, 15:22

Alethos hat geschrieben :
Di 1. Okt 2019, 14:38
unmotiviertes Schönwetter-Ja?
Unmetaphorisch "nein", hier eindeutig nicht. Bild
Bist Du schon in der Lagunenstadt?




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Nauplios
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Di 1. Okt 2019, 17:50

Stefanie, ich würde mich freuen, wenn Du am Blumenberg-Thread, der in Kürze starten soll, teilnehmen würdest. -




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Nauplios
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Di 1. Okt 2019, 18:12

Vielleicht noch ganz kurz zu den beiden Ausschnitten aus der Süddeutschen Zeitung: Damit wollte ich u.a. illustrieren, daß wir ohne weiteres Unbegrifflichkeit verstehen (Metapher als Form der Unbegrifflichkeit), ohne im Einzelnen immer exakt zu wissen, um welches rhetorische Element es sich handelt. Eine sprachwissenschaftlich angeleitete Metapherntheorie würde hier selbstverständlich präzisere Verfahren entwickeln, um Metaphern von Metonymien, von Gleichnissen, Vergleichen u.a. zu unterscheiden. Die Metaphorologie hingegen will ja keine Metapherntheorie im sprachwissenschaftlichen Sinne sein. - Metaphorologie (im Sinne Blumenbergs) ist eine narrative Philosophie, eine erzählende Philosophie. Ihr geht es um die Geschichten, die sich in den Metaphern verbergen. Deswegen hat sie u.a. eine Vorliebe für Anekdoten entwickelt. - Bevor wir nun das Kaffeestübchen als Startrampe für die Blumenberg-Diskussion mißbrauchen, schlage ich vor, daß wir all das in Kürze im eigenen Thread besprechen.




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Alethos
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Di 1. Okt 2019, 18:58

Friederike hat geschrieben :
Di 1. Okt 2019, 15:22
Alethos hat geschrieben :
Di 1. Okt 2019, 14:38
unmotiviertes Schönwetter-Ja?
Unmetaphorisch "nein", hier eindeutig nicht. Bild
Hat dich Petrus nochmal gerettet :mrgreen:

Zuerst kommt Salzburg, aber erst in zwei Wochen, danach Venedig.



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Di 1. Okt 2019, 18:59

Nauplios hat geschrieben :
Di 1. Okt 2019, 18:12
Bevor wir nun das Kaffeestübchen als Startrampe für die Blumenberg-Diskussion mißbrauchen, schlage ich vor, daß wir all das in Kürze im eigenen Thread besprechen.
Sehr gerne.



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Stefanie
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Di 1. Okt 2019, 22:32

Nauplios hat geschrieben :
Di 1. Okt 2019, 17:50
Stefanie, ich würde mich freuen, wenn Du am Blumenberg-Thread, der in Kürze starten soll, teilnehmen würdest. -
Danke. Ich würde mich auch freuen, wenn ich hier mehr schreiben würde, leider schwirren im Moment ganz andere Dinge in meinem Kopf rum, plus gerade ein hartnäckiger Husten. Die Mittel zur Ablenkung sind im Moment mehr leichte Themen. Mehr geht nicht, gerade.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Mi 2. Okt 2019, 05:44

Gute Besserung!




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