Tiere

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Quk
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Fr 8. Sep 2023, 09:00

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 8. Sep 2023, 08:50
Der Begriff "Umwelt" von Jakob Johann von Uexküll ist gut einhundert Jahre alt, ganz so offensichtlich ist er dann vielleicht doch nicht :-)
Na gut :-)

Eigentlich wollte ich diese Sache mit dem Universum eh nicht mehr kommentieren, denn genauer kann ich meine derzeitige Ansicht nicht erläutern.




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Jörn Budesheim
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Fr 8. Sep 2023, 10:21

Ich weiß nicht genau, was von Uexküll mit "Umwelt" meint. Ich glaube aber nicht, dass er damit meint, dass das Lebewesen in seiner Umgebung (letztlich auf das ganze Universum ausdehnbar) für sich mehr oder weniger relevante "Ereignisse und Strukturen" vorfindet. Ich würde Umwelt ganz anders verstehen, auch etwas anders, als Gabriel es in dem Ausschnitt skizziert. Dazu gehört der sehr begrenzte Raum, den das Lebewesen (immer im Team mit anderen) selbst gestaltet, also nicht nur vorfindet. Zur Umwelt gehört auch die Wahrnehmung, das Erleben des Lebewesens selbst, einschließlich seiner "Reichweite", wenn es sich bewegt. Die Sinne spannen keinen Raum auf, der sich über das ganze Universum erstreckt, das weiß ich, seit ich eine Brille tragen muss, ganz sicher. Lebewesen sind in vielerlei Hinsicht endlich.

Die Dinge, die ich hier (sicherlich unvollständig) aufgezählt habe, sind ganz bestimmt in vielfältiger Weise miteinander verwoben.




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Quk
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Fr 8. Sep 2023, 10:36

Ich wollte die Sache nicht auf das Verb "vorfinden" begrenzen. Die Verben "gestalten" und so weiter gehören auch dazu. Kein Einwand.
Ich sage halt zu dem ganzen Verben-Paket kurz: Wechselwirkung.




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Jörn Budesheim
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Fr 8. Sep 2023, 10:42

Wechselwirkung passt für mich, das erfasst ja nur den kausalen Aspekt.




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Fr 8. Sep 2023, 12:00

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 8. Sep 2023, 10:21
Ich weiß nicht genau, was von Uexküll mit "Umwelt" meint. Ich glaube aber nicht, dass er damit meint, dass das Lebewesen in seiner Umgebung (letztlich auf das ganze Universum ausdehnbar) für sich mehr oder weniger relevante "Ereignisse und Strukturen" vorfindet. Ich würde Umwelt ganz anders verstehen, auch etwas anders, als Gabriel es in dem Ausschnitt skizziert. Dazu gehört der sehr begrenzte Raum, den das Lebewesen (immer im Team mit anderen) selbst gestaltet, also nicht nur vorfindet. Zur Umwelt gehört auch die Wahrnehmung, das Erleben des Lebewesens selbst, einschließlich seiner "Reichweite", wenn es sich bewegt. Die Sinne spannen keinen Raum auf, der sich über das ganze Universum erstreckt, das weiß ich, seit ich eine Brille tragen muss, ganz sicher. Lebewesen sind in vielerlei Hinsicht endlich.

Die Dinge, die ich hier (sicherlich unvollständig) aufgezählt habe, sind ganz bestimmt in vielfältiger Weise miteinander verwoben.
Vom Uexkülls Umweltbegriff ist nicht der Vorläufer "unseres" heutigen Umweltbegriffes, wie Gabriel, glaube ich, behauptete. Sondern entspricht eher der jeweiligen ("subjektiven") Perspektive eines bestimmten Lebewesens. Die "Umwelt" einer Zecke unterscheidet sich so bezeichnend von der des Menschen...

Sein Buch "Streifzüge durch die Umwelten von Tieren und Menschen" war sehr populär - und ist gerade neu aufgelegt worden im Matthes & Seitz Verlag (ausgerechnet...).




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Jörn Budesheim
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Fr 8. Sep 2023, 12:36

Mit "subjektiv" und "Perspektive" habe ich fast dasselbe Problem wie mit "relativ". Einerseits ist Subjektivität ein ganz zentraler Begriff für unser Selbstverständnis und anderes. Andererseits sind die beiden Begriffe "subjektiv" und "Perspektive" in den meisten Gesprächszusammenhängen völlig entwertet, also praktisch unbrauchbar. Sie sind in der Regel Ausdruck eines handelsüblichen Nihilismus oder was auch immer. Aber im Gegensatz zu "relativ", wo ich einen besseren Ausdruck für das, was ich meine, habe, nämlich "Relation", ist es schwierig, für "subjektiv" und "Perspektive" etwas Passendes zu finden, das die relativistischen/nihilistischen Konnotationen vermeidet.




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Fr 8. Sep 2023, 12:58

Wäre der sperrige Begriff "konstruktivistischer Projektionen" - die sehr wohl wirkmächtige Faktoren darstellen können - besser?




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Fr 8. Sep 2023, 13:01

Autopoiesis/Heteropoiesis...?




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Jörn Budesheim
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Sa 9. Sep 2023, 08:10

Den Begriff "Konstruktion" verwende ich gar nicht mehr. So radikal ich früher in meinem Konstruktivismus war, so radikal bin ich jetzt in meinem Realismus :)

Autopoiesis hingegen ist natürlich ein wichtiger Begriff, aber ob er schön ist, steht auf einem anderen Blatt :)




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Jörn Budesheim
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Sa 9. Sep 2023, 08:12

Quk hat - glaube ich - weiter oben die Frage gestellt, ob Tiere denken können, ich habe darauf gar nicht geantwortet, wenn ich mich richtig entsinne, meines Erachtens ist es einfach zu offensichtlich, dass sie es tun. (Ja, möglicherweise denken Bakterien nicht.) Vielleicht kann man die Frage "umdrehen", wenn man einen Begriff von Denken hat, der Tiere ausschließt, dann muss man an dem Begriff arbeiten.




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Jörn Budesheim
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Sa 30. Sep 2023, 19:29

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Gerade habe ich in dem Buch "Was würden Tiere sagen, würden wir die richtigen Fragen stellen?" von Vinciane Despret folgende Passage über eine Forscherin (Barbara Smuts) gelesen, die ich "lustig" fand. Ich habe die Stelle zusammengefasst:

Als Barbara Smuts ihre Feldforschung im Gombe-Stream-Nationalpark in Tansania begann, wurde ihr erklärt, wie sie vorgehen solle: Um die Tiere nicht zu beeinflussen, müsse man sich so verhalten, als sei man unsichtbar. Es geht darum, wie ein Stein zu sein, so dass die Paviane am Ende ihrer Beschäftigung nachgehen, als wäre der Mensch, der neben ihnen seine Fakten sammelt, gar nicht da.

Ein guter Forscher ist also jemand, der die Natur aus nächster Nähe beobachten kann, wie durch ein Loch in der Wand, weil er lernt, unsichtbar zu sein.

Das Ganze ist seltsam, und oft scheitert diese Methode auch. Denn sie beruht auf der Annahme, dass Pavianen diese "Gleichgültigkeit" gleichgültig ist. Smuts war natürlich nicht entgangen, dass die Paviane sie oft ansahen, und je öfter sie ihren Blick nicht erwiderte, desto weniger schienen sie zufrieden damit zu sein, wie dieses Wesen sich verhielt.

Soziale Interaktion zu ignorieren ist schließlich alles andere als neutral. Die Paviane müssen jemanden wahrgenommen haben, den sie nicht einordnen konnten, jemanden, der so tat, als ob er nicht da wäre, und sie müssen sich gefragt haben, ob sie ihm beibringen könnten, wie man sich als höflicher Gast bei den Pavianen verhält.

Die Forscher gehen bestimmten Fragen nach und sind oft weit davon entfernt, sich vorstellen zu können, dass sich die Tiere ebenso viele und manchmal sogar dieselben Fragen stellen! Man fragt sich, ob Paviane soziale Wesen sind oder nicht, ohne auf die Idee zu kommen, dass sich die Paviane genau dieselbe Frage über diese seltsamen Kreaturen stellen, die sich so seltsam verhalten: "Sind Menschen soziale Wesen? Offensichtlich nicht".

Barbara Smuts hat daraus jedoch ihre Konsequenzen gezogen und statt den Stein zu mimen, hat sie versucht, sich dem Verhalten der anderen Tiere anzupassen.




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Stefanie
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So 24. Dez 2023, 10:18

Haben Tiere Humor?
Haben Tiere Humor?
(...)
Inzwischen wissen wir von mindestens 65 Tierarten, die lachen. Ratten beispielsweise schmeißen sich regelrecht weg, wenn man sie kitzelt, und es gefällt ihnen so gut, dass sie der kitzelnden Hand hinterherlaufen, um einen Nachschlag zu kriegen. Dass ein Tier wirklich lacht, ist aber schwierig nachzuweisen. Je nach Art kann das ganz unterschiedlich aussehen.
(...)
Wenn zum Beispiel Delfine mit Meeresschildkröten eine Art Volleyball spielen, ist das für die Schildkröten sicher nicht besonders lustig – für die Delfine offenbar schon. Orcas greifen in den letzten Jahren vor der Küste Spaniens regelmäßig Segelboote an – vieles spricht dafür, dass sie das nur zum Spaß machen. Elefanten scheinen es dagegen komisch zu finden, Antilopen zu erschrecken, Bisons schlittern bester Laune im Winter über Eisflächen und Paviane sind dabei beobachtet worden, wie sie Kühe am Schwanz ziehen – wenn sie dabei geschützt hinter einem Zaun standen.
Nun ist Spaß haben und Lachen noch nicht unbedingt Humor. Allerdings wissen wir von Schimpansen, dass sie eine Zeichensprache lernen können, um mit Menschen zu kommunizieren – und dass sie dann manchmal absichtlich Unsinn erzählen und sich anschließend scheckig darüber lachen. Sie finden es offenbar lustig, den Menschen gefoppt zu haben. Das spricht für Humor, wenn auch nicht für besonders guten.

Andererseits lachen auch viele Leute über Mario Barth. Humor wird also von jeder Person anders empfunden. Ich fände einen Abend mit einer Bande lachender Ratten um einiges lustiger als einen Witz von Barth.

https://taz.de/die-kinderfrage/!5979145/



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So 24. Dez 2023, 12:02

"Angeregtes" Spielverhalten ist bei Tieren ja nicht selten zu beobachten. Vielleicht entspringt diesem "distanzierten Als-ob" ja auch so etwas wie Humor. Oder "Humoroides"... (Das liest sich ja wie eine Krankheit. 🫢)




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Quk
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Di 9. Jan 2024, 10:01

Meiner Ansicht nach ist Humor die unerwartete Entspannung nach der Anspannung. Humor ist eine Form der Entwarnung für alle Gruppenangehörigen. Dieses Entwarnungssystem benutzt bestimmte visuelle oder akustische Signale (beim Menschen das "Lachen" und hochgezogene Mundwinkel und so weiter). Die Signale sind ansteckend und leiten somit schnell die Entwarnung an die Nachbarn weiter. Also: Selbstverständlich haben Tiere Humor. Was ist der Mensch, dass er glaubt, er allein habe Humor? Er ist ein Tier. Und weil der Mensch ein Tier ist, hat er Humor. Deshalb hat er ihn. Den Humor.




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Stefanie
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Di 9. Jan 2024, 19:14

Ein Maus räumt auf.

https://www.ksta.de/panorama/in-koeln-w ... auf-714467
Oder falls dieser artikel hinter der abo Sperre ist, hier noch mal

https://www.mz.de/panorama/maus-ordnung ... uf-3763299

Das Video dazu




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Jörn Budesheim
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Di 9. Jan 2024, 19:32

Krass. Ich konnte den Artikeln nicht entnehmen, ob es Theorien darüber gibt, warum sie das tut?




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Stefanie
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Di 9. Jan 2024, 19:37

Nein dazu steht nichts in den Artikeln.
Ich habe gerade festgestellt, das muss schon älter sein. Denn es gibt noch ein zweites Video, vier Jahre alt, aber mit den selben Namen.

Noch beeindruckender




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Jörn Budesheim
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Di 9. Jan 2024, 19:47

Ich schätze, mit dem selben staunenden Unverständnis beobachten die uns!




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