Mundwinkel

[Jörn Budesheim]

Stracks Probanden fanden vorgelegte Texte dann besonders amüsant, wenn sie dabei einen Stift zwischen den Zähnen hielten, ohne ihn mit den Lippen zu berühren. Dazu mussten sie die gleichen Muskeln aktivieren wie beim Lächeln. Hielten sie den Stift dagegen zwischen den Lippen, wobei sie diese unweigerlich herunterzogen, erschien ihnen das Gelesene weit weniger witzig. Der Forscher schloss daraus, dass die Gesichtsmuskeln Rückmeldungen ans Gehirn senden, die auch unsere Bewertung der Welt prägen können.

Ziehen wir die Mundwinkel nach oben, weil wir etwas lustig finden oder finden wir etwas lustig, weil wir die Mundwinkel nach oben ziehen?

[Stefanie]

Die Probanden können doch auch die Situation lustig gefunden haben. Mit einem Stift im Mund, also wie bei dem Versuch, einen Text zu lesen sieht lustig aus.

[Jörn Budesheim]

Hmmm: Wie kommt dein Erklärungsversuch mit dem folgenden zurecht? Hielten die Probanden den Stift dagegen zwischen den Lippen, wobei sie diese unweigerlich herunterzogen, erschien ihnen das Gelesene weit weniger witzig.

[Jörn Budesheim]

„... übrigens fasse ich Zorn und Drohung nicht als hinter den Gesten verborgene psychische Fakten, ich sehe viel mehr den Zorn der Gebärde an: sie läßt nicht lediglich denken an Zorn, sie ist der Zorn.“

Das finde ich bedenkenswert. Der Gesichtsausdruck ist eigentlich nicht bloß Ausdruck des Gefühls, sondern ist das Gefühl - zumindest ein Teil davon. Ich erinnere mich, irgendwo gelesen zu haben, dass man vermutet, dass Säuglinge am eigenen Lächel"Ausdruck" "lernen", was lächeln ist. Der "Ausdruck" ist nach dieser Idee sogar zuerst da.

Die Idee, dass irgendwo in unserem Inneren das Gefühl ist, welches wir irgendwie ausdrücken, scheint fragwürdig zu sein - das, was wir den Ausdruck nennen, ist Teil des Gefühls oder gar das Gefühl selbst. Wir sind also keine Matroschkas mit vielfältigen Innenleben, sondern das, was angeblich innen ist, ist immer auch außen. Beim Blick in ein Antlitz sehen wir in der Regel die Person selbst und nicht bloß irgendeinen Oberflächeneffekt.

[Stefanie]

Hmmm: Wie kommt dein Erklärungsversuch mit dem folgenden zurecht? Hielten die Probanden den Stift dagegen zwischen den Lippen, wobei sie diese unweigerlich herunterzogen, erschien ihnen das Gelesene weit weniger witzig.

Zuerst habe ich überlegt, ob jemand für sich alleine den Test macht, oder ob der Test in einer Gruppe stattfand. In einer Gruppe muss es doch wirklich witzig aussehen.
Ich habe es ausprobiert. Natürlich, die Kenntnis von dem Test mögen das beeinflussen. Wird der Stift zwischen den Lippen gehalten, ist das ziemlich entspannte Angelegenheit, auf jeden Fall entspannter als mit den Stift zwischen den Zähnen. Es muss darauf geachtet werden, dass die Lippen nicht den Stift berühren. Konzentration ist gefragt, und man muss sich zudem auf den Text konzentrieren. Zumal der Reflex da ist, wieder entspannen zu wollen. Vor dem Spiegel sieht es zudem naja unvorteilhaft aus.
Ein Text mit dem Stift zwischen den Zähnen zu lesen, ist verkrampfter und anstregender. Amüsant ist das nicht. Außer man sieht andere dabei, die das selbe machen.
So der Selbstversuch.

[Stefanie]

Bei dem berühmten Pokerfach, also bei Menschen, denen man am Gesicht und an der Minmik nicht wirklich erkennen kann, wie es "drinnen" aussieht, ist so gut wie kein Ausdruck vorhanden. Diese Menschen, haben doch in dem Moment auch ein Gefühl, dass sie verbergen zu versuchen, bzw. einige können das ja.

Jörn:
Beim Blick in ein Antlitz sehen wir in der Regel die Person selbst und nicht bloß irgendeinen Oberflächeneffekt.

Ich finde ja, dass hätte Levinas nicht viel besser ausdrücken können.

[Jörn Budesheim]

Ich glaube ja nicht, dass Pokerspieler, während Sie Ihr Pokerface aufsetzen, in Wahrheit herzhaft lachen :)