Wer, wie, was ist "ich"?

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Herr K.
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Fr 29. Jun 2018, 07:54

Auch das würde ich unter "mentale Verursachung" verbuchen und ich meine, dass nach landläufiger Auffassung Einstellungen sehr wohl eine Rolle spielen, z.B.: wer nicht Weltmeister werden will, der wird es auch nicht.




Tosa Inu
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Sa 30. Jun 2018, 07:47

Herr K. hat geschrieben :
Fr 29. Jun 2018, 07:54
Auch das würde ich unter "mentale Verursachung" verbuchen und ich meine, dass nach landläufiger Auffassung Einstellungen sehr wohl eine Rolle spielen, z.B.: wer nicht Weltmeister werden will, der wird es auch nicht.
Ich nehme das anders wahr. Klar, sowas gibt es, beim Sport, Motivationstraining/Coaching und beim Managementseminar.
Allgemein habe ich jedoch das Gefühl, dass all das, was nicht dezidiert als von jemandem mit 120% gewollt angegeben wird, als ein Resultat äußerer Umstände gesehen wird und zwar nicht in einem kompatibilistischen Sinn, sondern in einem Sinne, dass einem das eben einfach so passiert ist.
Eine der ersten Aussagen war ja auch, dass es an der Einstellung nicht gelegen hätte.

Vielleicht so als Faustformel: Das was gut läuft, ist etwas, wo man oft selbst die Finger im Spiel hatte, das was nicht so gut war, da wurde man dann irgendwie reingezogen, ohne genau zu wissen, warum.
Welche Richtung oder welcher ist Deiner Meinung nach eigentlich der-/diejnige, die das Verhältnis von innerer, mentaler Verursachung und ‚äußeren‘ Ursachen am besten erklärt oder durchdrungen hat?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Sa 30. Jun 2018, 07:54

Tommy hat geschrieben :
Fr 29. Jun 2018, 21:02
Daraus folgt aber nicht, dass wer Weltmeister werden will, der dann auch Weltmeister wird.
Es kann jemand noch so fest daran glaubem ,dass die Wurzel die er jeden Tag kaut seinen Tumor zum Verschwinden bringt, damit alleine ist es nicht getan, und das heißt dann auch nicht, dass hier nicht fest genug gewollt wurde.
Ich halte das für ein schwieriges, aber ertragreiches Gebiet.
Sicher ist der Ansatz, dass, wer heftiger will, stets mehr Erfolg hat, ob beim Sport, der Forschung, Erkenntnis oder Heilung in dieser gradlinigen Weise verfehlt.
Dass dies aber gar keine Rolle spielt, ist nun auch nicht zu glauben, dann wäre die mentale Verursachung ja auch gleich wieder verschwunden.



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Sa 30. Jun 2018, 10:41

Tommy hat geschrieben :
Sa 30. Jun 2018, 10:32
Ich bin ja kein Mediziner, aber ich lese immer wieder dass Ärzte den Willen des Patienten als entscheidend ansehen insofern, dass ein Patient, der an seine Heilung glaubt auch alles tut was für seine Heilung nötig ist. Ohne die Mitarbeit des Patienten geht es nicht.
Alleerdins halte ich es aber für fatal und unmoralisch dem Patienten vorzugaukeln er müsse nur fest genug glauben und dann wird schon alles gut.
Manche Dinge werden auch nicht gut selbst wenn man noch so fest daran glaubt.
Kann man ja für fatal halten, aber wer ist denn heute noch dieser Auffassung?
Und alles dafür zu tun, was für die Heilung nötig ist, da steckt der Teufe im Detail, nämlich in der stillen Behauptung, man wisse, was für die Heilung nötig ist.

Aber ich sehe, dass es irgendwie schwer ist, meinen Standpunkt zu vermitteln. Der liegt nämlich daran, dass man nicht mit aller Gewalt etwas will und/oder tut und das nun der entscheidende Punkt ist. Das ist die Art zu denken, die wir gewohnt sind. Mach Sport, ernähr' dich besser, hör' mit dem Rauchen auf und nimm regelmäßig deine Tabletten.

Mein Punkt ist ein eher passiver: Mal lässt geschehen, vertraut, lässt andere(s) machen. Das wird dann als optimale Anregung der Selbsteheilungskräfte gerne wieder in ein Aktivitätsprogramm gebracht, aber mir geht es eher darum zu schauen, wie der Acker beschaffen sein muss, damit der Same, den man sät aufgeht.



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Sa 30. Jun 2018, 13:34

Tommy hat geschrieben :
Sa 30. Jun 2018, 13:28
Es gibt Dinge auf die haben wir keinen Einfluß. Das ist einfach so.
Wo meinst Du, endet der Einfluss des Ich?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Michael Pauen hat geschrieben : Natürlich ist mein Ich kein Gehirn, und ich bin es auch nicht. Ich kann schwimmen und Fahrrad fahren; mein Gehirn tut sich da schwer, noch nicht einmal das Lesen klappt. Doch welcher ernsthafte Philosoph hat jemals eine derart waghalsige Behauptung aufgestellt?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 18. Jun 2018, 21:21
Titel wie "Wie das Gehirn die Seele macht" (Roth), "Ich bin mein Gehirn" (H. Cruse) ...
Hier ein weiterer Autor, der so titelt: "Wir sind unser Gehirn"(Dick Swaab) Nur, weil gelegentlich (nicht nur von Pauen) behauptet wird, dass so etwas ja nie behauptet wird ... und hier nur Strohmänner im Visier stehen.




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Jörn Budesheim
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:mrgreen:




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 4. Jul 2018, 15:44
Michael Pauen hat geschrieben : Natürlich ist mein Ich kein Gehirn, und ich bin es auch nicht. Ich kann schwimmen und Fahrrad fahren; mein Gehirn tut sich da schwer, noch nicht einmal das Lesen klappt. Doch welcher ernsthafte Philosoph hat jemals eine derart waghalsige Behauptung aufgestellt?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 18. Jun 2018, 21:21
Titel wie "Wie das Gehirn die Seele macht" (Roth), "Ich bin mein Gehirn" (H. Cruse) ...
Hier ein weiterer Autor, der so titelt: "Wir sind unser Gehirn"(Dick Swaab) Nur, weil gelegentlich (nicht nur von Pauen) behauptet wird, dass so etwas ja nie behauptet wird ... und hier nur Strohmänner im Visier stehen.
Aber Roth, Cruse und Swaab sind allesamt Biologen und deren philosphische Kompetenzen gehen gerne mal gegen Null.



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Jörn Budesheim
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Mi 4. Jul 2018, 18:04

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 4. Jul 2018, 17:15
Aber Roth, Cruse und Swaab sind allesamt Biologen und deren philosphische Kompetenzen gehen gerne mal gegen Null.
Roth ist gelernter Philosoph, soweit ich weiß. Aber wie dem auch sei: der Punkt ist, dass es - meines Erachtens - andauernd behauptet wird und nicht nie.




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Mi 4. Jul 2018, 18:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 4. Jul 2018, 18:04
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 4. Jul 2018, 17:15
Aber Roth, Cruse und Swaab sind allesamt Biologen und deren philosphische Kompetenzen gehen gerne mal gegen Null.
Roth ist gelernter Philosoph, soweit ich weiß. Aber wie dem auch sei: der Punkt ist, dass es - meines Erachtens - andauernd behauptet wird und nicht nie.
Isser, kann er aber erfolgreich verbergen, nur war bei Pauen ja von ernsthaften Philosophen die Rede.
Im Feuilleton und wenn mal wieder jemand meint, einen großen Wurf gelandet zu haben, weil er feststellt, dass das Gehirn ja überall dabei ist, sieht das freilich anders aus, klar.
Aber ehrlich gesagt, würde ich bis zum Beweis des Gegenteils, schon aus ökonomischen Gründen davon ausgehen, dass jemand der Biologe ist, von Philosophie keine Ahnung hat. Auch der Neurobiologe oder 'Hirnforscher' oder Soziobiologe bildet da keine Ausnahme. Wie auch? Einem Banker oder Graphikdesigner würde man das ja auch nicht unterstellen.



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Mi 4. Jul 2018, 19:06

Das ist alles nicht mein Punkt. Immer wieder wird behauptet, dass wir unser Gehirn sind. Egal ob von Biologen Philosophen, Bankern oder Kassierern. Das wird einfach behauptet. Und das nicht selten, sondern oft.




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Mi 4. Jul 2018, 21:05

Was glaubt eigentlich der gemeine eliminative Materialist, was dass Ich sei? Wer glaubt, dass die Alltagspsychologie nur Humbug ist, und wer glaubt dass der Materialismus wahr sein, worauf hat er sich wohl bezüglich des Ich festgelegt?




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Jörn Budesheim
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Sa 7. Jul 2018, 06:14

Die Beiträge von Tosa Inu, mir und Alethos zu SFO sind hier > https://www.dialogos-philosophie.de/vie ... 197#p22197




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 4. Jul 2018, 21:05
Was glaubt eigentlich der gemeine eliminative Materialist, was dass Ich sei? Wer glaubt, dass die Alltagspsychologie nur Humbug ist, und wer glaubt dass der Materialismus wahr sein, worauf hat er sich wohl bezüglich des Ich festgelegt?
Das Ich ist nach dieser Auffassung eine vom Gehirn konstruierte Selbstrepräsentation, der phänomenale Anteil, also das Ich-Bewusstsein, eine Illusion.

Dave Chalmers und sein Kollege Kelvin McQueen gehen in ihren aktuellen Paper recht detailliert darauf ein:
http://consc.net/papers/metaproblem.pdf
https://kelvinmcqueen.files.wordpress.c ... mation.pdf

McQueen schreibt hier z.B. folgendes:

"There is a philosophy of mind which tries to side-step the hard problem entirely by denying that
phenomenal consciousness exists. Recently, this position received a powerful defence by Frankish
(2016a, 2016b), who refers to the idea as illusionism. Illusionism denies that experiences have phenomenal properties. Here ‘experience’ is defined
functionally, as a mental state that is the direct output of sensory systems. The key claim of illusionism is that experiences have
quasi-phenomenal properties. A quasi-phenomenal property is a non-phenomenal, physical property of experience that introspection typically misrepresents as phenomenal. In other words, introspection represents quasi-phenomenal properties as if there is something it is like to have them, when in fact there is not."

Die leicht überarbeitete DeepL-Übersetzung dazu lautet:

"Es gibt eine Position der Philosophie des Geistes, die versucht, das hard problem völlig zu umgehen, indem sie leugnet, daß
phänomenales Bewusstsein existiert. Kürzlich erhielt diese Position eine kraftvolle Verteidigung von Frankish
(2016a, 2016b), der die Idee als Illusionismus bezeichnet. Der Illusionismus bestreitet, dass Erfahrungen phänomenale Eigenschaften haben. Hier wird 'Erfahrung' funktionell definiert, als ein mentaler Zustand, der die direkte Ausgabe von sensorischen Systemen ist. Der Hauptanspruch des Illusionismus ist, dass Erfahrungen quasi-phänomenale Eigenschaften sind. Eine quasi-phänomenale Eigenschaft ist eine nicht-phänomenale, physische Eigenschaft der Erfahrung, die durch Selbstbeobachtung typischerweise falsch als phänomenal dargestellt wird.
Mit anderen Worten, die Selbstbeobachtung stellt quasi phänomenale Eigenschaften dar, als ob es etwas gäbe, das sie haben würde, während es sie in Wirklichkeit nicht gibt."



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Mo 9. Jul 2018, 17:02

future06 hat geschrieben :
Mo 9. Jul 2018, 09:11
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 4. Jul 2018, 21:05
Was glaubt eigentlich der gemeine eliminative Materialist, was dass Ich sei? Wer glaubt, dass die Alltagspsychologie nur Humbug ist, und wer glaubt dass der Materialismus wahr sein, worauf hat er sich wohl bezüglich des Ich festgelegt?
Das Ich ist nach dieser Auffassung eine vom Gehirn konstruierte Selbstrepräsentation, der phänomenale Anteil, also das Ich-Bewusstsein, eine Illusion.

Dave Chalmers und sein Kollege Kelvin McQueen gehen in ihren aktuellen Paper recht detailliert darauf ein:
http://consc.net/papers/metaproblem.pdf
https://kelvinmcqueen.files.wordpress.c ... mation.pdf

McQueen schreibt hier z.B. folgendes:

"There is a philosophy of mind which tries to side-step the hard problem entirely by denying that
phenomenal consciousness exists. Recently, this position received a powerful defence by Frankish
(2016a, 2016b), who refers to the idea as illusionism. Illusionism denies that experiences have phenomenal properties. Here ‘experience’ is defined
functionally, as a mental state that is the direct output of sensory systems. The key claim of illusionism is that experiences have
quasi-phenomenal properties. A quasi-phenomenal property is a non-phenomenal, physical property of experience that introspection typically misrepresents as phenomenal. In other words, introspection represents quasi-phenomenal properties as if there is something it is like to have them, when in fact there is not."

Die leicht überarbeitete DeepL-Übersetzung dazu lautet:

"Es gibt eine Position der Philosophie des Geistes, die versucht, das hard problem völlig zu umgehen, indem sie leugnet, daß
phänomenales Bewusstsein existiert. Kürzlich erhielt diese Position eine kraftvolle Verteidigung von Frankish
(2016a, 2016b), der die Idee als Illusionismus bezeichnet. Der Illusionismus bestreitet, dass Erfahrungen phänomenale Eigenschaften haben. Hier wird 'Erfahrung' funktionell definiert, als ein mentaler Zustand, der die direkte Ausgabe von sensorischen Systemen ist. Der Hauptanspruch des Illusionismus ist, dass Erfahrungen quasi-phänomenale Eigenschaften sind. Eine quasi-phänomenale Eigenschaft ist eine nicht-phänomenale, physische Eigenschaft der Erfahrung, die durch Selbstbeobachtung typischerweise falsch als phänomenal dargestellt wird.
Mit anderen Worten, die Selbstbeobachtung stellt quasi phänomenale Eigenschaften dar, als ob es etwas gäbe, das sie haben würde, während es sie in Wirklichkeit nicht gibt."
Was soll das denn heißen?
Keine phänomenalen Eigenschaften zu haben hieße für mich soviel wie nichts zu erleben und das ist ja nicht der Fall.
Dem Gehirn (oder neuronalen System) nun Ich-Zustände zuzuschreiben ist ja nur ein Bypass.
Man kann das Ich m.E. nur dann erfolgreich zerstören, wenn man nachweist, dass es keinen Sinn macht sich ein Ich-Bewusstsein zuzuschreiben, aber ich kann aus einer Vielzahl von Gründen nicht sehen, dass das Sinn macht.



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future06
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Mo 9. Jul 2018, 21:11

Ich verstehe es momentan auch nicht ganz, aber man muss davon ausgehen, dass ein tieferer Sinn hinter dieser Auffassung steckt. Ansonsten würden sich die Fachleute nicht damit beschäftigen.

Vor allem denke ich, dass das illussion problem nicht einfacher zu lösen ist als das hard problem, so wie das McQueen im weiteren Verlauf behauptet. Denn das hard problem wäre gelöst, wenn das illussion problem gelöst wird. Denn es geht um die Frage, wie Erlebnisse mit „wie es ist“-Charakter aus physikalischen Zuständen entstehen und nicht darum, ob Erlebnisse phänomenenale oder nur quasi-phänomenale Eigenschaften haben.



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Di 10. Jul 2018, 08:43

@ 'future06'

Das ist ja in der Tat nahezu parallel. Reizungen kann man irgendwie messen, zumindest darstellen, über Innerlichkeit oder Phänomene stets nur berichten. Diese Bereichte sind aber keineswegs zweitklassig, sondern sogar die Basis auf der Messungen arbeiten.

Ich würde nach wir vor vom fertigen Ich selbst ausgehen und dessen Schwächungen und Zerfall nach unten (Ich-Schwäche, Desorganisation) betrachten. Was hier überzeugt, ist, dass diese unspezifische Ich-Schwäche mit einer Vielzahl von typsichen Einschränkungen und Problemen auf vielen anderen Wirklichkeitsbereichen wie Beziehungen aller Art, Weltbildern, bis zu politischen Einstellungen geht und ebenfalls mit immer typsichen Vorstellungen von sich und anderen; Moral bis zur Ästhetik usw. korreliert.

Dass das Ich sich stufenweise entwickelt scheitnt mit gut gesichtert zu sein, auf den Stufen, die sich vom durchschnittlichen Ich nach oben entwickeln ist die Datenlage dünner, aber auch vorhanden.
Gegen die Lesart, dass das Ich eine 'Illusion' oder virtuelle Benutzeroberfläche des Gehirns darstellt, hätte ich erst mal nichts einzuwenden, aber am Ende glaube ich nicht, dass sich diese Lesart durchziehen lassen wird.

Aber was ich noch fragen möchte: Was wäre denn ein praktisches Beispiel für so eine Fehldeutung durch Selbstbeobachtung im Rahmen des illusion problem?
Also welches typische Phänomen wäre dann gar keines?

Und war McQueen nicht der, der über den EInfluss des Bewusstseins auf Quantenzustände geforscht hat? Falls ja, gibt es da schon Ergebnisse?



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Mi 11. Jul 2018, 08:48

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Jul 2018, 08:43
Aber was ich noch fragen möchte: Was wäre denn ein praktisches Beispiel für so eine Fehldeutung durch Selbstbeobachtung im Rahmen des illusion problem?
Also welches typische Phänomen wäre dann gar keines?
Chalmers nennt zB. folgende Analogie (nach Dennet, dem Begründer des Illusionismus):
"The centerpiece of Daniel Dennett’s illusionism in recent years has been
the claim that consciousness is a “user illusion”, analogous to illusions generated when the user
of a computer interacts with icons on a computer screen. The rough idea is that the icons provides a convenient way of representing the computer screen that greatly oversimplifies or falsifies the underlying reality: for example, there is not literally a folder anywhere in the computer."

http://consc.net/papers/metaproblem.pdf

Ich verstehe es also so: Wenn wir durch Introspektion unsere Erlebniszustände erkennen, ergibt sich ein Fehlkonzept. Wir denken, wir hätten phänomenale Zustände, tatsächlich liegen aber lediglich quasi-phänomenale und rein funktionale Zustände vor. Das erinnert auch etwas an die sog. Phenomenal Concept Strategy, siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Phenomena ... t_strategy

Trotz allem gilt m.E. nach wie vor das hard-problem. Die Auffassung, es gäbe einen relevanten Unterschied zwischen dem illusion-problem und dem hard-problem halte ich selbst für ein Fehlkonzept und eine Illusion.
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Jul 2018, 08:43
Und war McQueen nicht der, der über den EInfluss des Bewusstseins auf Quantenzustände geforscht hat? Falls ja, gibt es da schon Ergebnisse?
Ja, es sind dazu Papers in Vorbereitung, zusammen mit Chalmers:

‘Zeno goes to Copenhagen: a Dilemma for Measurement-Collapse Interpretations’ (with David Chalmers)
‘Consciousness and the Collapse of the Wave Function’ (with David Chalmers)


https://kelvinmcqueen.com/papers/



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@ 'future06'

Besten Dank, für die Informationen.

Ich halte ja nicht so viel von Dennett und die Idee des Glaubens daran, dass man phänomenale Zustände hat, ist ja ein etwas merkwürdiger Dualismus.
Wer ist dann der, der glaubt, dass ... ? Soweit ich das verstehe, eine vom Gehirn erzeugte Instanz, die eigenständig genug ist, um etwas zu glauben und zu erleben, die aber doch nicht wirklich existiert?
In dem Moment wo ich glaube zu existieren, ist jedes weitere ‚aber du existierst nur weil‘ schon uninteressant, weil an der Sache vorbei. Sich als existierend wahrzunehmen ist ohnehin sie Keimzelle aller Philosophie und Wissenschaft, nur dann will sich ja jemand verorten und wissen, wie das, was um ihn ist, funktioniert. Der m.E. kardinale Fehler aller Naturwissenschaften, die beim Urknall anfangen, was historisch so sein mag, aber das ist schon eine Erzählung in Klammern, nämlich eine eines Ichs, das sich, andere und die Welt erforscht und befragt.

Letztlich ist das ein Ping Pong Spiel, das auf die Frage hinausläuft, ob das Gehirn ein Ich hat, also das Ich eine Funktion des Hirns ist, oder umgekehrt, das Ich ein Gehirn hat.
Hängt wesentlich von den Prämissen ab, mit denen man spielt. Klar macht das Hirn irgendwie das Ich, aber die soziale Funktion ist nicht aufs Hirn zu reduzieren, wie Außen- und Mitwelt verarbeitet werden, d.h. was von all dem vom Hirn als für das Ich relevant eingeschätzt wird, ist zu einem Teil unbewusst in dem Sinne, dass man davon nichts mitbekommt.

Allerdings kann man sich ja in gewisse Randbereiche hineinarbeiten, Unbewusstes auch bewusst machen, und letztlich ist es eine Geschmacksfrage, ob man nur zu systemischen Irritationen fähig ist und dem anderen eigentlich nie begegnet, wie Luhmann meint oder ob der kooperative Austausch höher gewichtet, der damit schon echt wird, wie etwa Habermas es sagt.
Etwas echteres, unverstellteres als die Phänomene, die wir erleben, gibt es nicht und es hat sich m.E. nie als überzeugend erwiesen, ein Dahinter anzunehmen, das irgendwie ganz anders ist, weil die Frage, wie dieses ganz andere denn sein soll und woher man überhaupt weiß, dass es das gibt, nie befriedigend beantwortet wird. Ob Gottesperspektive oder Blick von nirgendwo, das alles trägt philosophisch nicht und auch Dennett kann die vermeintliche ‚Wahrheit‘ hinter der Illusion nicht angeben.

Wir müssen eher klar kriegen, dass unsere Projektionen nicht weniger real sind, als unsere Türen und Autos, wir machen uns selten klar, wie marginal unsere Außenwelt eigentlich ist und wie wenig die uns im Grunde kümmert. Wir nehmen da ein weng auf, wie ein Vogel der fliegend aus dem See nippt, aber dann verarbeiten wir das alles innerlich. Das Ich ist schon sehr robust und spiegelt sein Bild von sich, anderen und Welt anfdauernd, auf eine Weise die möglichst stabil ist.

Das dann sehr unterschiedlich und bei aller Unterschiedlichkeit aber doch zu Clustern verdichtet, die typische Bilder von sich und anderen produzieren und was diese so antreibt. Ich denke mal, das Qualia zu befeuern mit das wesentlichste ist, was das Ich so tut und ich bin sehr im Zweifel ob man auch mit allem Rekursionsschleifen usw. das Ich auf das Hirn reduzieren kann.
Dass das Hirn eine, quasistabile Einheit entlässt, die dann mit anderen quasistabilen Einheiten diverse virtuelle soziale Spiele spielt, die ihrerseits das Hirn verändern, kriege ich sogar noch als Anpassungsprozess gedacht (so wie aus einem zufälligen Hell/Dunkel Empfinden schrittweise ein Auge entsteht), aber dabei geht im Grunde die Idee der Evolution baden oder wird abgelöst, durch eine soziale Anpassung (im Grunde hat Freud das ja bereits abgefrühstückt), aber mit den diversen Entkoppelungen wie Sexualität von Fortpflanzung, dem aufploppen virtueller Welten (via Computer, Internet usw.) und noch immer der Spiritualität büßt doch die These von der Nützlichkeit immer mehr ein. Da müsste dann eine andere Großerzählung her, inwieweit diese uns nötigt dem Sozialen einen eigenen ontologischen Status zuzusprechen, wird hier gerade heiß diskutiert, aber die Realität der Benutzeroberfläche Ich würde ich schon behaupten, umso mehr, als unklar ist, ob das Gehirn über ein umfangreicheres Metaprogramm als das Ich verfügt, was immer die stille Behauptung hinter diesen Thesen vom Hirn, dass das Ich macht und eigentlicher ist, steht. Kurz gesagt, das Hirn weiß nicht mehr, als das Ich, es macht nur anderes.



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future06 hat geschrieben :
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Mi 4. Jul 2018, 21:05
Was glaubt eigentlich der gemeine eliminative Materialist, was dass Ich sei? Wer glaubt, dass die Alltagspsychologie nur Humbug ist, und wer glaubt dass der Materialismus wahr sein, worauf hat er sich wohl bezüglich des Ich festgelegt?
Das Ich ist nach dieser Auffassung eine vom Gehirn konstruierte Selbstrepräsentation, der phänomenale Anteil, also das Ich-Bewusstsein, eine Illusion.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 4. Jul 2018, 15:44
Michael Pauen hat geschrieben : Natürlich ist mein Ich kein Gehirn, und ich bin es auch nicht. Ich kann schwimmen und Fahrrad fahren; mein Gehirn tut sich da schwer, noch nicht einmal das Lesen klappt. Doch welcher ernsthafte Philosoph hat jemals eine derart waghalsige Behauptung aufgestellt?
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Mo 18. Jun 2018, 21:21
Titel wie "Wie das Gehirn die Seele macht" (Roth), "Ich bin mein Gehirn" (H. Cruse) ...
Hier ein weiterer Autor, der so titelt: "Wir sind unser Gehirn"(Dick Swaab) Nur, weil gelegentlich (nicht nur von Pauen) behauptet wird, dass so etwas ja nie behauptet wird ... und hier nur Strohmänner im Visier stehen.
Die Frage, was der eliminative Materialist denn so glaubt, was das "ich" sei, war natürlich rein rethorisch. Es sollte einfach nur zeigen, welchen Stuss Pauen da behauptet. Die Behauptung, von der Pauen behauptet, sie sei nichts, was ein ernsthafter Philosoph sagen würde, ist in Wahrheit in der Philosophie absolut gängig.




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