Corona

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
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Jörn Budesheim
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Sa 26. Jun 2021, 06:05

Stefanie hat geschrieben :
Fr 25. Jun 2021, 22:46
Daher verstehe ich den Satz "Es wäre ein Kategorienfehler, zu glauben, daß die Politik sich an naturwissenschaftlichen Tatsachen orientieren kann." nicht.
Zumal dies dann auch für das zweite große Thema, Klimaschutz, gelten würde.
WDR hat geschrieben : "Die sozialen Netzwerke können den Impfstoff diskreditieren", sagt der Philosoph Markus Gabriel. Der Austausch in solchen Netzen sei eine große Gefahr für den Erfolg der Corona-Impfungen, so der Professor der Uni Bonn. Es werde das Gerücht verbreitet, dass der Impfstoff gesundheitliche Risiken berge. Gabriel wünscht sich eine noch bessere Kommunikation der Politik und der Wissenschaft sowie eine "Informationsoffensive der seriösen Qualitätsmedien"
Gabriel wendet sich natürlich nicht gegen die Wissenschaften. (Immerhin ist die Philosophie ihrerseits eine Wissenschaft, wenn natürlich auch keine Naturwissenschaft.) Gabriel bemängelt in dem Podcast ganz im Gegenteil, dass nach seiner Einschätzung in der Krise vieles gerade eben nicht wissenschaftlich angepackt wurde. Wobei er ganz klar deutlich macht, dass der "wissenschaftlichste" Erfolg war, dass wir "erfreulicherweise Impfstoffe entwickelt haben". Aus diesen Gründen ist Gabriel auch kein Joker für Herbert.

Aber man kann politische Entscheidungen nicht einfach an die Wissenschaft delegieren, auch wenn "die Objektivität der Wissenschaften der Schlüssel" (Gabriel in dem Podcast) zur Lösung der Krise sein sollte. Die Frage, was zu tun ist, kann man nur über die Disziplinen hinweg gemeinschaftlich beantworten. Das ist eine Sichtweise, die sich aus der Sinnfeld-Ontologie zwingend ergibt: da es viele verschiedene Bereiche gibt, gibt es auch viele verschiedene Wissensbereiche mit vielen verschiedenen Arten und Weisen der Wissensgenerierung. Daher kann man ein komplexes Problem, dass viele verschiedene Teilsysteme umfasst, nicht an einen einzigen Wissensbereich delegieren.

Deswegen macht Gabriel (nach meiner Einschätzung in Übereinstimmung mit Doll) in dem Podcast "transdisziplinäre" Ansätze stark, wie sie in der Universität in Bonn, wo Gabriel lehrt, mit viel Erfolg praktiziert werden, wo viele Vertreter der verschiedenen Wissens-Bereiche (Ökonomen, Soziologen, Virologen, Mathematiker, Mediziner, Ethiker, Juristen, Philosophen, Geisteswissenschaftler...) gemeinsam an einem Tisch sitzen, auch mit dem Ziel, das Wissen aus dem Elfenbeinturm Universität in die Gesellschaft hinein zu tragen. Das ist gelebte Sinnfeld-Ontologie. Denn "die Welt ist unendlich", wie Gabriel mit Doll am Ende noch einmal deutlich macht. Das ist nur eine andere Formulierung für den bekannten Slogan Gabriels, dass es die Welt nicht gibt, für die eine einzige Disziplin zuständig sein und in welcher Form auch immer eine Deutungshoheit in Anspruch nehmen könnte. Denn als Philosoph sollte man nicht die Komplexität der Welt nicht reduzieren (alles ist x) sondern "ertragen".

Ein großes Problem zur Bewältigung der Krise sind aus Sicht von Gabriel und Doll hingegen viele der digitalen Kommunikationsstrukturen und insbesondere die sozialen Netzwerke, die in ihrer Eigenlogik oftmals nicht Wissen, sondern Desinformationen befördern. [Wir kennen das in einer gewissen Form auch hier aus dem Forum: Jede:r kann in den dunkelsten Ecken des Netzes diejenigen fake-news finden und verbreiten, die zu seiner oder ihrer Weltsicht passen. Alle Warnschilder, so offensichtlich sie auch sein mögen, werden ignoriert, sobald einem die Meldung schmeckt.] "Jeder pickt sich raus, was ihm gerade so gefällt" macht Alexander Doll in dem selben Podcast geltend: "die digitale Wissensgesellschaft hat nicht funktioniert." Aus demselben Grund fordert Gabriel eben auch bessere Kommunikation von Wissenschaft und Politik. Das ist auch ein Teil des transdisziplinären Ansatzes, würde ich meinen.




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Stefanie
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Sa 26. Jun 2021, 07:39

Ich bin immer noch schwer irritiert, um es mal so zu formulieren.
Unbestreitbar haben die Maßnahmen, die ergriffen wurden, drastische Nebenwirkungen. Ich glaube, dass sieht auch jeder.
Meine Meinung war und ist, man hätte im November dicht machen müssen, vier Wochen, und das mit den Impfstoffen, also der Menge, hat man auch vergeigt. Bei den Entscheidungen im Herbst ist die Politik den naturwissenschaftlichen Empfehlungen nicht gefolgt.
Also was kritisiert Gabriel jetzt genau? Dass die Politik den Naturwissenschaftllern nicht gefolgt ist, oder dass sie ihnen gefolgt ist?
Oder, dass man mit den Geisteswissenschaften nicht geredet hat?



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Jörn Budesheim
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Sa 26. Jun 2021, 08:13

Stefanie hat geschrieben :
Sa 26. Jun 2021, 07:39
Ich bin immer noch schwer irritiert ...
Ich habe nur versucht, Gabriels Ansichten zu den Wissenschaften, wie er sie in dem Podcast und ansonsten auch vertritt, ein wenig zu beleuchten, was ist also mit der Rede von dem "Kategorienfehler" auf sich hat. Die Naturwissenschaften können uns nichts über das Sollen sagen, weil das nicht zu ihrem Gegenstandsbereich gehört. Und politische Entscheidungen müssen natürlich (natur)wissenschaftlich informiert sein, können jedoch nicht darin aufgehen.




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Stefanie
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Sa 26. Jun 2021, 08:39

Mich irritiert Gabriel und zwar warum er es so schreibt bzw. sagt, wie er es schreibt bzw. sagt. Das was du geschrieben hast, irritiert mich nicht.

Nehmen wir mal den Satz von 22. April:
"Die Errungenschaften der Hochkultur – die Gastronomie, das Reisen, die Kulturszene, die Schulen, die Bibliotheken und die Universitäten – bleiben bis auf Weiteres geschlossen, ohne jegliche Aussicht auf Verbesserung. Gleichzeitig wird Menschen großes Leid zugefügt mit dem Hinweis, man wolle sie und andere beschützen – ohne dass jemals mit wissenschaftlicher Hilfe Mittel gesucht oder gar gefunden wurden, um Kindern, Jugendlichen, Studierenden, Genesenen und Geimpften nach Monaten eines nicht nachvollziehbaren Lavierens und Zögerns endlich wieder ein Leben in Würde und Freiheit zu ermöglichen. Das ist ein Anschlag auf die Vernunft, der sich längst nicht mehr sinnvoll durch den Hinweis auf die weiterhin allzu reale Bedrohung durch das Virus rechtfertigen lässt."

Den von mir markierte Teil. Das stimmt doch so nicht.
Sämtliche Wissenschaften tun nichts anderes, als Mittel zu suchen. Gefunden hat man so einiges. Nur das Virus ist so schnell nicht beizukommen.



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Jörn Budesheim
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Sa 26. Jun 2021, 08:49

Stefanie hat geschrieben :
Sa 26. Jun 2021, 08:39
Das was du geschrieben hast, irritiert mich nicht.
Sehr schön.

Ich kann Gabriel in vielen Aspekten seiner Kritik an den Corona Maßnahmen nicht folgen und werde auch nicht versuchen, ihn deswegen zu verteidigen. Dass Gabriel etliches teilweise sehr stark kritisiert, heißt aber im Übrigen nicht, dass er auf der Seite von Herbert steht. Man kann nicht einfach alle Kritiker in einen Topf werfen.

Ich wollte oben allein deutlich machen, dass es nicht angemessen ist, so zu tun, als würde sich Gabriel gegen die Naturwissenschaften wenden. Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe selten einen Philosophen gelesen, der so intensiv im Gespräch mit Naturwissenschaftlern ist wie Markus Gabriel. Die Naturwissenschaften allein können uns aber die Frage, wie wir leben wollen, nicht beantworten. Deswegen macht Gabriel sich eben (gemäß SFO) auch für transdisziplinäre Ansätze stark. Und das gilt nicht nur für den wissenschaftlich/universitären Bereich. Ein Beispiel vom Ende des Podcasts: mit derselben Selbstverständlichkeit wie Unternehmen Steuerberater haben, müsste es nach der Forderung von Gabriel "Ethikabteilungen" geben. Doll schließt sich dem an und macht im übrigen deutlich, dass hier auch schon einiges in Bewegung ist.




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Nauplios
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Sa 26. Jun 2021, 09:33

Stefanie hat geschrieben :
Sa 26. Jun 2021, 08:39

Mich irritiert Gabriel und zwar warum er es so schreibt bzw. sagt, wie er es schreibt bzw. sagt.
Wenn Du Dir 12 Minuten Zeit nehmen magst, Stefanie, dann schau Dir bei Gelegenheit das erste Statement dieses Videos an. Ich glaube, ich hatte es hier schon mal verlinkt, aber sei's drum. Da spricht Gabriel über das "Abnehmen der Vernunft" und eine "kranke Einstellung", die er "Hygienismus" nennt. "Hygienismus soll man so hören wie Rassismus". - "Berechtigt sind nur die AHA-L-Maßnahmen ... seit dem Lockdown II sehe ich keine Rechtfertigung mehr ... absurde Statistiken ... mir scheint das immer absurder zu werden ... das Wertegefüge ist endgültig in sich kollabiert, so daß das Rechtfertigungsmaß derzeit meines Erachtens ungefähr bei Null liegt."

An diesem Gespräch nimmt auch die von mir geschätzte Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot teil.





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Stefanie
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Sa 26. Jun 2021, 09:57

Man könnte den Eindruck bekommen, er argumentiert der jeweiligen Zielgruppe entsprechend.
Herr Gabriel ist nicht irgendwer. Er hat eine hohe mediale Präsenz und er ist wortgewaltig. Dadurch hat er auch Verantwortung für das was er sagt und wie er es sagt.
Ihm muss klar sein, was es für eine Wirkung erzeugt, wenn er sowas von sich gibt. Wenn er sein Anliegen, also die interdisziplinären Zusammenarbeit bewerben will, tut er dem keinen Gefallen. Solche Feinheiten, wie philosophische Rechtfertigung, gehen dabei völlig unter.
Nee, so wie er es macht, ist nicht in gut.

Apropos Vernunft und Hochkultur:
https://de.euronews.com/2021/06/26/mall ... -infiziert

Neben den vorhersehbaren Folgen des durchaus verständlichen Nachholbedarf auch noch das:
Mallorca setzt weiter auf Gäste aus Großbritannien
Gleichzeitig bereitet sich Mallorca auf mehr britische Touristinnen und Touristen vor. Die Regierung in London hat die Balearen auf die Liste der Regionen gesetzt, von denen Einreisende ohne Quarantäne nach Großbritannien heimkehren oder kommen können.
Der britische Verkehrsminister Grant Shapps bestätigte, dass Malta, Madeira, die Balearen, mehrere britische Überseegebiete und die karibischen Inseln, einschließlich Barbados, ab Mittwoch, den 30. Juni 4 Uhr morgens Ortszeit, auf der "grüne" Liste stehen.
Der Rest Spaniens bleibt auf der gelben Liste. Die britische Regierung rät von Reisen in gelbe Gebiete ab. Reisende, die von dort einreisen, müssen für 10 Tage in Quarantäne und zusätzlich am oder vor dem zweiten Tag und nach dem achten Tag einen PCR-Test machen.
Obwohl die britische Regierung erwogen hatte, vollständig Geimpfte von der Quarantäne-Regelung auszunehmen, wurde diese Regelung bisher nicht umgesetzt.
Kanzlerin Angela Merkel hatte, unterstützt vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron, versucht, die EU-Länder dazu zu bringen, wegen der Delta-Variante Quarantäne für britische Reisende bei der Ankunft einzuführen, wie es bereits für britische Passagiere bei der Ankunft in Deutschland der Fall ist.
Doch Länder wie Spanien, Portugal, Griechenland und Italien, die auf den britischen Tourismus angewiesen sind, unterstützen diese Initiarive nicht. Spanien war eines der ersten europäischen Länder, dass von Passagieren, die aus Großbritannien ankommen, keinen PCR-Test mehr verlangt hat.



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Jörn Budesheim
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Sa 26. Jun 2021, 10:25

herbert clemens hat geschrieben :
Mo 19. Apr 2021, 10:18
Es bleibt unklar, wie gefährlich Covid ist und was wirksam ist.

Mir erscheint der Unterschied zu gering, um mich den unerforschten langfristigen Wirkungen der Impfstoffe auszusetzen.

Ist die Hoffnung und fehlende Angstlosigkeit in beiden Gruppen die eigentlich gesundende Kraft?

...

Deshalb möchte ich weiterhin zur Kontrollgruppe ohne Impfung mit einem gesundenden Lebensstil gehören.
dpa, Gabriel zitierend hat geschrieben : ...

"Die sozialen Netzwerke halte ich neben der Pandemie für das Hauptproblem unserer Tage. Denn die nächste Wolke, die von dort kommt, ist die Impfskepsis."
...

"Das heißt, die sozialen Netzwerke gefährden nicht nur die Demokratie, indem sie zu Aufständen motivieren wie Querdenker-Demonstrationen oder der Stürmung des Kapitols, sondern auch, indem sie Zweifel am Impfstoff verbreiten. Das ist wahnsinnig gefährlich im Moment."
...

"Man sollte Tag ein, Tag aus kommunizieren, dass wir jetzt mit dem Impfstoff eine Wunderwaffe in der Hand haben. Denn es ist ja geradezu ein Wunder, eine Menschheitsleistung, so schnell ein so gutes Mittel zu entwickeln. Das hier ist vielleicht der beste und sicherste Impfstoff, den es jemals gegeben hat und auf jeden Fall der beste Ausweg aus unserer derzeitigen Misere."
Ich will das noch mal ganz deutlich machen: Herbert Clemens ist, wie das Zitat zeigt, ein glasklarer Coronaleugner und ebenso ein Leugner der Wirksamkeit der Impfungen. Auch wenn Gabriel ein Kritiker ist, ist es nachgerade absurd, zu versuchen, ihn als Zeugen für Herbert Sichtweise zu mobilisieren.

[Gabriels kritische Sichtweise der sozialen Medien teile ich nur bedingt. Dass man mithilfe der sozialen Medien Menschen dazu bringen kann, das Capitol zu stürmen, ist zwar dramatisch, aber ich würde die Ursache dann doch eher bei denjenigen suchen, die dazu aufgerufen haben und denjenigen, die das Kapitol letztlich gestürmt haben.]




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Stefanie
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Sa 26. Jun 2021, 10:34

Kleines off-topic.

Gerade öffnete ich YouTube und was wird mir angeboten...Markus Gabriel und Ulrike Guérot, weil ich auf das heute und gestern von Nauplios verlinken Video geklickt hatte. Beeindruckende Geschwindigkeit bei YouTube.



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NaWennDuMeinst
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Sa 26. Jun 2021, 12:07

@Nauplios
Du möchtest wissen wie ein Diskurs möglich wäre?
Na, ganz einfach: Er müsste fair geführt werden. Der Regierung Totalversagen und massive Menschenrechtsverletzungen vorzuwerfen hat mit Fairness nichts zu tun und ist ganz gewiss kein guter Gesprächsbeginn.
Vor allem nicht von Jemanden, der am Rande steht und von aussen, aus sicherer Distanz seine Kommentare reinwirft.. Nochmal: Es ist leicht alles besser zu wissen wenn man nichts verantworten muss.
Hat sich die Gaby denn eine Sekunde überlegt wie schwer diese Entscheidungen für die politisch verantwortlichen sind? Wie schwer das ist wenn von den Entscheidungen Menschenleben abhängen?
Deshalb auch meine drastischen Worte. Ich würde nämlich gerne wissen wie Gabriel sich geben würde wenn er nicht Philosoph und Zuschauer, sondern Verantwortlicher wäre. Ob er dann wohl auch so harsch urteilen würde?
Und wie würde er dann mit den Urteilen in Bezug auf seine Entscheidungen umgehen? Würde er sie als fair empfinden?

Ich teile seine und Diene Ansichten nicht. Es gab kein Totalversagen. Es gab partielles Versagen. Aber man hat mMn alles in allem das Bestmögliche aus der Situation gemacht, immer im Hinblick darauf die Menschen zu beschützen und was man zum jeweiligen Zeitpunkt wusste und für am Wichtigsten hielt (was mehr könnte man auch tun?).
Und es stimmt ja auch nicht. Es waren ja auch Experten aus anderen wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Disziplinen beteiligt. Nur die Abwägung ist wohl nicht immer so ausgegangen wie die Gaby sich das gewünscht hat.
Und am meisten ärgert sie sich wohl darüber dass sie nicht gefragt wurde. Vielleicht kann da Jemand auch mal sein Ego runterfahren.



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NaWennDuMeinst
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Sa 26. Jun 2021, 12:51

Stefanie hat geschrieben :
Sa 26. Jun 2021, 08:39
Mich irritiert Gabriel und zwar warum er es so schreibt bzw. sagt, wie er es schreibt bzw. sagt. Das was du geschrieben hast, irritiert mich nicht.

Nehmen wir mal den Satz von 22. April:
"Die Errungenschaften der Hochkultur – die Gastronomie, das Reisen, die Kulturszene, die Schulen, die Bibliotheken und die Universitäten – bleiben bis auf Weiteres geschlossen, ohne jegliche Aussicht auf Verbesserung. Gleichzeitig wird Menschen großes Leid zugefügt mit dem Hinweis, man wolle sie und andere beschützen – ohne dass jemals mit wissenschaftlicher Hilfe Mittel gesucht oder gar gefunden wurden, um Kindern, Jugendlichen, Studierenden, Genesenen und Geimpften nach Monaten eines nicht nachvollziehbaren Lavierens und Zögerns endlich wieder ein Leben in Würde und Freiheit zu ermöglichen. Das ist ein Anschlag auf die Vernunft, der sich längst nicht mehr sinnvoll durch den Hinweis auf die weiterhin allzu reale Bedrohung durch das Virus rechtfertigen lässt."

Den von mir markierte Teil. Das stimmt doch so nicht.
Sämtliche Wissenschaften tun nichts anderes, als Mittel zu suchen. Gefunden hat man so einiges. Nur das Virus ist so schnell nicht beizukommen.
Naja, genau das ist es eben. Das sind Vorwürfe von Jemandem der am Rande steht, dem die Perspektive fehlt aus der heraus die kritisierten Entscheidungen getroffen wurden.
Ganz offensichtlich meint Gabriel diese Maßnahmen seien zu hart und überzogen gewesen, würden sich nicht rechtfertigen lassen. Man hat da, sich einer Glaskugel bedienend, ohne nennenswerten Grund den Menschen Leid angetan.
Ich frage mich aber welche Glaskugel nun wiederum Gabriel erzählt hat, dass diese Maßnahmen nicht nötig waren?
Nehmen wir an wir hätten nun also auf den Lockdown verzichtet und das wäre schief gegangen. Würde die Gaby dann im trendy Podcast auf die Regierung einhacken und dafür beschimpfen, dass sie in ihrer fahrlässigen Art und Weise tausende Menschenleben auf dem Gewissen hat?
Oder würde er dann tatsächlich die Ansicht vertreten dass zum Wohle der "Errungenschaften der Hochkultur" diese Opfer einfach zu bringen sind?
Und wie würden dann die Hinterbliebenen eine solche Äußerung bewerten?

Ich werde die Gaby erst ernst nehmen, wenn sie diese Entscheidungen selbst treffen und dann auch die Verantwortung dafür tragen muss.
Bis dahin ist das für mich alles Gerede von Jemanden der gar nicht weiß was das bedeutet in einer solchen Position zu sein.



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NaWennDuMeinst
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Sa 26. Jun 2021, 13:51

Nauplios hat geschrieben :
Sa 26. Jun 2021, 04:19
"Man kann doch hier alles schreiben. Man muß halt nur damit rechnen, daß man dann auch Gegenwind bekommt." - So ähnlich höre ich es schon. - Und Gegenwind heißt: "Das Maul gestopft" bekommen?
Nein, Gegenwind heißt in dem Fall einfach "so wie es in den Wald schallt schallt es heraus".
Die Gaby tut meines Erachtens so als wäre das vollkommen klar, dass die Maßnahmen überzogen waren. Aber woher will sie das wissen?
Sie wirft der Wissenschaft vor "Wahrsagerrei" zu betreiben. Nehmen wir an das wäre so. Woher nimmt die Gaby denn dann die Gewisseheit, dass die Maßnahmen unnötig waren?
Ich sag's dir: Gar nicht. Das behauptet sie einfach. Und das kann sie weil es ja kein zurück mehr gibt. Wir hatten nun den Lockdown und heute ist es leicht zu behaupten den hätte es nicht gebraucht.
Das kann ja keiner widerlegen, ausser vielleicht mit dem Verweis auf Länder die die Situation nicht ganz so ernst genommen haben und dafür dann auch prompt bezahlen mussten.
Die Gaby macht das also sehr clever. Sie bedient sich bei ihrer Kritik einer Hypothese die man eigentlich nur so widerlegen kann indem man auf die Maßnahmen verzichtet und dann schaut was passiert.
Aber genau das mag vielleicht ein zulässiges Gedankenexperiment sein, aber es ist in der Realität nicht zulässig. In der Realität geht das dann nämlich eventuell brutal schief und Menschen sterben.
Aber weil das nicht passieren wird, kann die Gaby eben auch den Mund so weit aufreissen. Das würde sie nicht tun, wenn für sie das Risiko bestehen würde, dass der Mob sie hinterher zur Verantwortung zieht.
Dann wäre sie mit ihren Urteilen und Leistungsbeurteilungen wahrscheinlich deutlich zurückhaltender.



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Sa 26. Jun 2021, 15:11

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Jun 2021, 08:49

Man kann nicht einfach alle Kritiker in einen Topf werfen.
Ich melde meine lautstarke Unterstützung für diesen Satz an. ;)




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Sa 26. Jun 2021, 15:23

Was die sozialen Netzwerke betrifft, so hatte ich lange vor Gabriels Forderung "Twitter gehört eindeutig verboten" (zu hören am Ende des zweiten Küchengesprächs mit Ulrike Guérot und den beiden anderen) mal das Thema angeschnitten und mich "kritisch" geäußert ... ist schon ein Weilchen her. Ich habe das Thema dann nicht weiterverfolgt. ;)




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Sa 26. Jun 2021, 15:32

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 26. Jun 2021, 12:07

@Nauplios
Du möchtest wissen wie ein Diskurs möglich wäre?
Na, ganz einfach: Er müsste fair geführt werden.
Du meinst, es müßte eine Atmosphäre geben, in der jede(r) so ganz freiweg seine Ansichten vertreten könnte, auch kritische, ohne daß die Kritiker dabei alle in einen Topf geworfen werden? - Ja, auch das ist ein Gedanke, der meine Unterstützung findet. Heute scheint ja eh ein Tag des Konsenses zu sein. Ein fair geführter Diskurs - ja, da wäre ich sofort dabei. ;)




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Sa 26. Jun 2021, 15:37

Stefanie hat geschrieben :
Sa 26. Jun 2021, 10:34
Kleines off-topic.

Gerade öffnete ich YouTube und was wird mir angeboten...Markus Gabriel und Ulrike Guérot, weil ich auf das heute und gestern von Nauplios verlinken Video geklickt hatte. Beeindruckende Geschwindigkeit bei YouTube.
Das ist bei Google ähnlich. Vielleicht liegt das an den Algorithmen, die dort am Werk sind. Das wäre mal ein Thema, ausgeweitet auf Facebook, Twitter, Instagram u.ä., das sich für den "fairen Diskurs" anbieten würde. ;)




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Friederike
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Sa 26. Jun 2021, 19:06

Nauplios hat geschrieben :
Sa 26. Jun 2021, 03:20
Wenn Markus Gabriel behauptet,
"keine der Kurven, die wir gesehen haben, war eine Exponentialfunktion. Es ist ja ein grober Unsinn, daß wir ein Jahr gehört haben irgendwas über Exponential, was damit gar nichts zu tun hatte."  ist das dann eine Falschmeldung?
Wie sieht denn die Lösung des für mich rätselhaften Dissenses aus? @NWDM, ich hatte gedacht, Du seiest kompetent und würdest dazu was sagen. Es muß eine Lösung geben, die jenseits der Alternative "grober Unsinn" oder "es waren Exponentialkurven" liegt. Mich faszinieren solche (Wissenschafts)-Fakten, bei denen man denkt, darüber könne es unmöglich 2 Meinungen geben.




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Sa 26. Jun 2021, 22:42

Friederike hat geschrieben :
Sa 26. Jun 2021, 19:06
Nauplios hat geschrieben :
Sa 26. Jun 2021, 03:20
Wenn Markus Gabriel behauptet,
"keine der Kurven, die wir gesehen haben, war eine Exponentialfunktion. Es ist ja ein grober Unsinn, daß wir ein Jahr gehört haben irgendwas über Exponential, was damit gar nichts zu tun hatte."  ist das dann eine Falschmeldung?
Wie sieht denn die Lösung des für mich rätselhaften Dissenses aus? @NWDM, ich hatte gedacht, Du seiest kompetent und würdest dazu was sagen. Es muß eine Lösung geben, die jenseits der Alternative "grober Unsinn" oder "es waren Exponentialkurven" liegt. Mich faszinieren solche (Wissenschafts)-Fakten, bei denen man denkt, darüber könne es unmöglich 2 Meinungen geben.
Ganz ehrlich: Ich habe keine Ahnung wie Gabriel darauf kommt. Wir sehen in den Kurven der Infektionszahlen durchaus exponentielle Anstiege in Teilabschnitten.
Die Exponentialfunktion wird auch für die Beschreibung vieler biologischer Prozesse (z.B. die Zellvermehrung) herangezogen, bzw durch die Exponentialfunktion lassen sich diese mathematisch beschreiben.
Ich könnte mir vorstellen, dass Gabriel darauf anspielt, dass die reale Kurve keine ideale Exponentialkurve darstellt. Eine solche wird immer steiler (das drückt die Funktion durch den Exponenten aus).
Beispiel:
1594469365655.png
1594469365655.png (7.26 KiB) 4205 mal betrachtet
Die reale Kurve der infektionszahlen steigt aber nur in Teilabschnitten exponentiell (schwarzer Bereich), über den gesamten Zeitraum ist die Entwicklung der Infektionszahlen aber eher linear (blau). Das stimmt so weit.
Unbenannt.png
Unbenannt.png (23.04 KiB) 4212 mal betrachtet
Das bedeutet ja aber nicht, dass die Aussage, das Virus verbreite sich exponentiell (wenn wir es lassen, also bei ungebremsten Wachstum) falsch ist. Es bedeutet einfach nur, dass die reale Entwicklung der infektionszahlen über einen längeren Zeitraum auch von weiteren Faktoren abhängt. Zum Beispiel Maßnahmen die wir zwischenzeitlich ergriffen haben, Klimafaktoren (also zum Beispiel der Jahrezeitenwechsel), der Immunstatus der Bevölkerung und so weiter. Das ist ja aber auch gut so, dass wir das sehen, denn es zeigt ja, dass wir mit unseren Maßnahmen auch Einfluß auf die Infektionszahlen haben. Wir WOLLEN ja eigentlich kein exponentielles Wachstum der Infektionszahlen in der Realität sehen. Das ist ja das Ziel der Maßnahmen eben genau das zu verhindern.
insofern weiß ich nicht, was Gabriel da will. Erreger verbreiten sich (unter gewissen Vorrausetzungen) exponentiell. Und natürlich haben wir in bestimmten Zeiträumen der Pandemie auch genau dieses exponentielle Wachstum beobachten können.
Und genau das gilt es bei Corona zu verhindern. Das ist ja das was mit "Eindämmung" gemeint ist und erreicht werden soll,.
Warum sich Gabriel also darüber beschwert, dass wir bei der Betrachtung der Entwicklung der realen Infektionszahlen keine ideale Exponentialkurve, sondern eine Kurve die unsere Maßnahmen widerspiegelt sehen kann ich nicht nachvollziehen.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Sa 26. Jun 2021, 23:12, insgesamt 2-mal geändert.



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Sa 26. Jun 2021, 23:05

Nauplios hat geschrieben :
Sa 26. Jun 2021, 15:32
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 26. Jun 2021, 12:07

@Nauplios
Du möchtest wissen wie ein Diskurs möglich wäre?
Na, ganz einfach: Er müsste fair geführt werden.
Du meinst, es müßte eine Atmosphäre geben, in der jede(r) so ganz freiweg seine Ansichten vertreten könnte, auch kritische, ohne daß die Kritiker dabei alle in einen Topf geworfen werden?
Ich werfe Gabriel nicht in einen Topf mit anderen Idioten. Er ist ein Idiot für sich ganz allein.
:-)
- Ja, auch das ist ein Gedanke, der meine Unterstützung findet. Heute scheint ja eh ein Tag des Konsenses zu sein. Ein fair geführter Diskurs - ja, da wäre ich sofort dabei. ;)
Ich auch. Aber auf billige Polemik gibts auch nur Polemik zur Antwort. Ich bin nicht bereit mir hier das Gerede vom "Totalversagen" anzuhören, und wenn man dann mit gleicher Münze zurückzahlt wird rumgeheult.
So wird es nicht laufen.



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NaWennDuMeinst
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So 27. Jun 2021, 00:00

Vielleicht sieht man es hier nochmal besser.

Unbenannt.PNG
Unbenannt.PNG (15.89 KiB) 4195 mal betrachtet

Die Grafik zeigt die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland.
(Quelle: https://interaktiv.morgenpost.de/corona ... -weltweit/)

Zwischen August und November zeigt die Kurve einen deutlichen exponentiellen Anstieg, also fast schon wie aus dem Lehrbuch..
Ich kann also nicht verstehen wie die Gaby zu so einer Aussage kommt:
"keine der Kurven, die wir gesehen haben, war eine Exponentialfunktion. Es ist ja ein grober Unsinn, daß wir ein Jahr gehört haben irgendwas über Exponential, was damit gar nichts zu tun hatte."

Vielleicht braucht die Gaby eine Brille?
Ich kann mir Gabys geistigen Ausfall nur so erklären, dass sie vielleicht von der Kurve in ihrer Gesamtentwicklung (also über den gesamten Zeitraum) spricht.
Aber
1. ist ja bei der Betrachtung des gesamten Zeitraum ja auch zu berücksichtigen, dass ergriffene Maßnahmen (und andere auch nicht menschliche Faktoren) den Verlauf beeinflussen und
2. hat ja auch niemals Jemand behauptet die reale Gesamtentwicklung über den gesamten Zeitraum sei exponentiell. Wenn Frau Merkel sich zu einem bestimmten Zeitraum oder Zeitpunkt Sorgen über die akute, aktuelle exponentielle Entwicklung der Neuinfektionen macht, sagt sie damit ja nicht, dass über alle Zeiträume der Pandemie eine solche exponentielle Entwicklung stattgefunden hat.

Als Fazit kann ich nur sagen: ich habe keine Ahnung wovon die Gaby da spricht. Ich kann nur raten was sie gemeint haben könnte.
Ich gebe aber zu bedenken, dass die Gaby zwar ein Philosoph, aber kein Biologe, kein Mathematiker oder Epidemiologe ist.
Vielleicht mutet sich die Gaby auch ein wenig zu viel zu? Vielleicht ist ihr der Erfolg zu Kopf gestiegen und sie meint nun zu Allem und Jedem was Gescheites sagen zu können (oder zu müssen)?
Aber das wäre nur eine Vermutung.

Tut mir leid, Friederike. Mehr kann ich dazu nicht sagen.



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