Burkart hat geschrieben : ↑ So 31. Jan 2021, 12:49
Alethos hat geschrieben : ↑ So 31. Jan 2021, 12:16
Wäre es so, dass diese mathematische Wirklichkeit nur im Kopf vorkäme, dann würden die Mathematiker, die den richtigen Landungszeitpunkt unseres Flugzeugs berechnen wollen, denselben Gedanken haben müssen durch was? Durch Gedankenverbindung?
Durch gemeinsames Lernen der Mathematik, durch gemeinsame Erfahrung, letztlich durch irgendwie ähnlich geprägten neuronalen Strukturen in den Gehirnen.
Okay, das ist eine steile These, die nicht grundsätzlich falsch ist, weil ich sie für falsch halte.
Nur, ich halte sie für falsch aus folgenden Gründen:
Wenn Mathematik ein Gedankenprodukt wäre, das wir über gemeinsame Erfahrungen abgleichen, dann was sind das für Erfahrungen: Nicht Erfahrungen von Gedankendingen, sondern von intersubjektiv gegebenen Dingen der aussengedanklichen Wirklichkeit, oder?
Wir prüfen, ob der Satellit dort wieder in die Atmosphäre eintritt, wie wir es berechnet haben, und, falls wir es korrekt berechnet haben, tritt er genau dort ein.
Entweder nun also ist es so, dass der Satellit an dieser Stelle in die Atmosphäre eintritt, weil wir das denken, oder wir denken das, weil er gegeben seine Flugbahn, Geschwindigkeit, Gewicht und einer Reihe weiterer Variabeln dort eintreten wird. Wir konnen diese Variabeln in die Berechnungen aufnehmen, aber sie kommen deshalb ja nicht im Kopf vor, sondern dort draussen am Satelliten und seiner Umlaufbahn um den Planeten Erde. Diese Variabeln in einer Formel sind also aussergedankliche „Werte“. Das beweist natürlich nicht, dass Mathematik nicht erfunden ist, sondern nur, dass sie teilweise von etwas handelt, das nicht-gedankliche Tatsache ist.
Denken wir aber weiter, dass sie eine menschengemachte Sprache sei, die auf die Welt referenziert, wie soll es denn möglich sein, dass sie die Entfernungen von Planeten relativ genau berechenbar macht? Distanzen berechenbar macht, die wir unmöglich „über Erfahrungen“ haben als existierend feststellen können? Oder wie soll es möglich sein, Relativität der Zeit durch Raumzeitkrümmung mathematisch zu erfassen, wenn wir von dieser Relativität zuvor überhaupt keinen Begriff hatten? Es kann nicht sein, dass wir solche mathematischen Wahrheiten zuerst erfinden und sie dann an der Erfahrung testen, wenn es Wahrheiten sind, die schon vorher da waren, bevor wir überhaupt einen solchen zu untersuchenden Gegenstand hatten, über den dies und das wahr war (Zeitrelativität, Elektromagnetismus im Quantenbereich, extragalaktische Distanzen etc...).
Die Mathematik lässt diese Phänomene mit sehr genauer Präzision berechnen, was sie doch unmöglich könnte, wenn sie unsere Erfindung wäre, die wir dann eigentlich nur noch praktikabel machen müssten durch die Erfahrung. Denn sie baut auf Axiomen auf und lässt Dinge berechnen, von denen wir überhaupt keine Ahnung hatten, dass es sie gibt, als wir diese Axiome angeblich erfunden hatten. Das wäre ein riesiger, ein gigantischer Zufall, wenn wir also mathematische Prinzipien erfunden hätten, die sogar Wahrheiten verifizieren können, sich also auf Tatsachen beziehen, die jenseits unserer Vorstellungskraft lagen, und somit jenseits unserer Erfindungskraft lagen, als wir diese Axiome erfanden.
Es muss, so der einzig plausible Schluss, die Realität der Mathematik an und für sich bestanden haben, bevor Menschen sie auf Formeln haben zu bringen versucht.