Fragen zur Sinnfeld-Ontolgie

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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NaWennDuMeinst
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Fr 29. Jan 2021, 00:06

Hallo,
Ich versuche immer noch die Sache mit der "Welt die es nicht gibt" zu verstehen.
Vor allem fällt es mir noch schwer zu verstehen, worin eigentlich die "Innovation" (oder der Clou) in dieser Philosophie besteht.
Ich nehme mal ein Beispiel aus dem Leben.

Abends bringe ich meine kleine Nichte ins Bett und als ich das Licht ausmachen will sagt sie, dass sie sich im Dunkeln fürchtet.
Ich versuche herauszufinden wovor sie sich fürchtet, und stelle fest es ist nicht die Dunkelheit selbst, sondern sie hat am Tage ein Buch gelesen in dem von Vampiren erzählt wurde.
Nun hatte sie Angst, dass des Nachts ein Vampir ins Haus kommt und sie beissen könnte (Also das klassische Monster im Schrank oder unter dem Bett).
Ich versuche ihr also nun ihre Angst zu nehmen indem ich ihr sage, dass Vampire nur Phantasiegestalten sind. Es gibt sie nicht wirklich.
Jedenfalls ist nicht davon auszugehen, dass in der Nacht Jemand ihr Blut trinken will.
Das Licht musste ich trotzdem an lassen, aber ich glaube sie hat verstanden, dass sie hier Fiktion mit Wirklichkeit unzulässigerweise vermischt hat.

Was dieses Thema hier betrifft, geht es mir nun um den einen Satz, den ich zu ihr sagte:
"Es gibt sie nicht wirklich".

Damit ist ja gemeint, dass Vampire in der echten Welt nicht vorkommen, dass sie ausgedacht sind, es gibt in der echten Welt dazu kein Äquivalent.
Ich sehe da also eine klare Trennung zwischen der einen wirklichen Welt und dem Phantasierten, dem Phantastischen, also einer ausgedachten Schein-Welt.

Wie steht jetzt die SO dazu? Wie sieht es dort mit dem Satz "Es gibt sie nicht wirklich" aus?
Gibt es da einen Unterschied zur obigen Erklärung? Kommt sie zu anderen Schlüssen?



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Alethos
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Fr 29. Jan 2021, 06:27

Vielleicht müssen wir zwischen der Art und Weise, wie wir mit der Nichte sprechen, und der Art und Weise, wie wir das philosophisch behandeln, unterscheiden.

„Es gibt Vampire nicht wirklich“ ist ein legitimer Satz. Wir unterstellen hier nämlich zum Zweck des einfachen Arguments, dass wirklich sei, was in unserer Lebenswelt vorkommt. In ihr kommen Vampire nicht vor, also gibt es sie nicht. Zwar gibt es sie schon in Büchern und Horrorgeschichten, aber „es gibt sie nicht wirklich.“

Etwas anderes ist es, wenn wir über die Wirklichkeit in philosophischer Weise sprechen wollen. Hier müssen wir begründen, was es heisst, wirklich zu sein. Wir können zwar auch als Philosophen sagen, dass Vampire nicht wirklich seien, aber wir müssen begründen, wie wir zu einer solchen Existenzaussage kommen. Hier stellen sich Probleme ein, z.B. die Frage, wie wir Existierendes (wirklich Seiendes) von nicht Existierendem unterscheiden. Die Frage, was es heisst zu existieren, stellt sich uns als allgemeines Existenzproblem.

Nun kann man verschiedene Existenzkriterien angeben, also angeben, warum man von etwas sagt, es gebe es nicht und von anderen, es gebe sie schon: Bald wird man sich in Widersprüche verstricken (Hast du das Video, das Jörn gepostet hatte, angeschaut?), weil man bspw., indem man sagt, etwas existiere nicht, über dieses Etwas ja etwas Wahres sagt. Wie kann man aber über Etwas etwas Wahres sagen, wenn es dieses nicht geben soll? Vampire haben doch spitze Zähne? Sie haben Eigenschaften, aber das, was nicht existiert, kann keine spitzen Zähne haben.

Also muss man sich fragen, was es denn genau heisst, wenn wir sagen: „Vampire gibt es nicht wirklich.“ Jedenfalls kann aus obigem Grund „nicht wirklich“ nicht heissen, dass es sie gar nicht gibt, sondern im Sinn von „wirklich geben“ nicht gibt.

So fährt man fort und hat die Frage zu beantworten, was die „nicht wirkliche“ Existenz von der „wirklichen“ Existenz unterschiedet - jedenfalls muss man angeben, was man unter Wirklichkeit versteht. Wirklichkeit - verstanden als Summe all dessen, was es gibt - muss sich demnach unterteilen in Bereiche: Einen Bereich, wo es Vampire nicht gibt und einen Bereich, in dem es sie, weil ja über sie wahre Aussagen. möglich sind und wahre Aussagen nur über Existierendes möglich ist, geben muss. Sofern Existierendes zur Wirklichkeit gehört, muss es Vampire wirklich geben in einem Bereich von Wirklichkeit. Nur in einem Bereich von Wirklichhkeit, weil es sie ja offenbar in einem anderen Bereich von Wirklichkeit (z.B. dem Zimmer deiner Nichte) nicht gibt.

Wenn es also verschiedene Wirklichkeitsbereiche gibt, fragen wir weiter, wodurch sie sich voneinander unterscheiden: Und sie unterscheiden sich durch begriffliche Strukturen, wenn man so will, durch Eigenschaftsstrukturen der darin vorkommenden Dinge, d.h. durch verschiedene Existenzbedingungen der darin vorkommenden Gegenstände.

Es gibt Vampire also nicht einfach überhaupt nicht, sodass es sie in keinem Bereich überhaupt gibt, sondern es gibt sie bspw. auf Kostümbällen oder in Filmen, aber nicht in Zimmern von verängstigten Kindern. Es gibt sie in Angstgedanken vielleicht, aber diese Ängste und Gedanken sind ja selbst nicht einfach scheinbar wirklich, sondern durch und durch real.



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Jörn Budesheim
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Fr 29. Jan 2021, 06:40

Man kann die Nichte ja auch mal fragen, ob in dem Buch wirklich Vampire vorkommen oder nicht vielleicht Raben (oder was auch immer) und ob sie sich nicht einfach geirrt hat. Man kann sie auch fragen, wie viele Vampire in dem Buch vorkommen. Am Ende kommt wohl heraus: Vampire gibt es nicht und davon 5 Stück. Das entspricht der Struktur des in der Philosophie rauf und runter diskutierten Beispiels: "der gegenwärtige König von Frankreich ist kahl", welches Markus Gabriel auch in dem verlinkten Video anspricht.

Und es stellt sich philosophisch die Frage - Alethos hat es bereits gesagt - wie es sein kann, dass wir etwas wahres über Dinge sagen können, die gar nicht existieren.




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Fr 29. Jan 2021, 09:26

Ich hab schon vielen Kindern aus Büchern vorgelesen. Die sind da sogar eher streng! Wenn ich die Geschichte "etwas variiert" habe, einfach aus Spaß oder zur Abwechslung, dann gab es regelmäßig Protestrufe: "Is ja gar nicht wahr! Stimmt gar nicht!" Die Kinder verstehen durchaus, dass innerhalb des Bezugsrahmens einer Geschichte etwas so und so, aber nicht anders ist.




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Fr 29. Jan 2021, 09:36

Das Ganze ist nicht nur ein Glasperlenspiel. Es hat eine ganz existenzielle Dimension. Für unser Selbstverständnis ist nämlich ziemlich wichtig, "wo" wir existieren. Wenn man glaubt, dass die Welt in Wahrheit nur aus Atomen und Leere besteht und für unsere Sinnanstrengungen keinen wirklichen Ort hat - sodass das, was uns wichtig ist, letztlich nur Einbildung (Schein) ist, wird man ein anderes Selbstverständnis haben als, wenn man überzeugt ist, dass die Welt bunt ist und die Dinge, die einem wichtig sind, möglicherweise real sind ...




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NaWennDuMeinst
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Fr 29. Jan 2021, 09:45

Ja ok. Alles klar. Niemand leugnet ja, dass es in der Geschichte um Vampire geht.
Aber es leugnet doch wohl auch Niemand, dass es sie nicht wirklich gibt.
Ich finde diese Unterscheidung wichtig. Du nicht?
Denn Fakt (wahr) ist doch auch, dass es für meine Nichte keinen Grund gibt sich vor ihnen des nachts zu fürchten.



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Fr 29. Jan 2021, 10:13

Alethos hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 06:27
Etwas anderes ist es, wenn wir über die Wirklichkeit in philosophischer Weise sprechen wollen. Hier müssen wir begründen, was es heisst, wirklich zu sein. Wir können zwar auch als Philosophen sagen, dass Vampire nicht wirklich seien, aber wir müssen begründen, wie wir zu einer solchen Existenzaussage kommen. Hier stellen sich Probleme ein, z.B. die Frage, wie wir Existierendes (wirklich Seiendes) von nicht Existierendem unterscheiden. Die Frage, was es heisst zu existieren, stellt sich uns als allgemeines Existenzproblem.

Nun kann man verschiedene Existenzkriterien angeben, also angeben, warum man von etwas sagt, es gebe es nicht und von anderen, es gebe sie schon: Bald wird man sich in Widersprüche verstricken (Hast du das Video, das Jörn gepostet hatte, angeschaut?), weil man bspw., indem man sagt, etwas existiere nicht, über dieses Etwas ja etwas Wahres sagt. Wie kann man aber über Etwas etwas Wahres sagen, wenn es dieses nicht geben soll? Vampire haben doch spitze Zähne? Sie haben Eigenschaften, aber das, was nicht existiert, kann keine spitzen Zähne haben.

Also muss man sich fragen, was es denn genau heisst, wenn wir sagen: „Vampire gibt es nicht wirklich.“ Jedenfalls kann aus obigem Grund „nicht wirklich“ nicht heissen, dass es sie gar nicht gibt, sondern im Sinn von „wirklich geben“ nicht gibt.
Das verstehe ich soweit auch.
Vor der Sinnfeld Ontologie hätte ich einfach gesagt als was es Vampire gibt.
Ich finde nach wie vor, dass sie nicht existieren. Was existiert sind Phantasien von Vampiren, aber keine Vampire. Und diese Phantasien haben eine bestimmte Gestalt (Eigenschaften).
Das läuft am Ende für mich auf das selbe raus wie wenn ihr sagt sie (die Vampire oder Vampir-Phantasien) existieren nur in bestimmten Sinnfeldern.
Ich verstehe deshalb nicht wieso, also wo da nun die große Innovation in der Einführung der Sinnfelder bestehen soll.
Ich sehe hier, dass diese Ontologie bei Euch wahre Begeisterungsstürme auslöst. Ich verstehe aber nicht warum.
Für mich hat Gabriel da einfach etwas, was wir sowieso schon wussten, in ein neues Kleid gesteckt.
Ob ich nun sage Vampire existieren nur als Phantasiegestalten, oder ich sage sie existieren nur im Sinnfeld der Phantasie ist doch das Selbe.
Das ist doch die gleiche Soße, oder?



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Alethos
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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 10:13

Ich finde nach wie vor, dass sie nicht existieren. Was existiert sind Phantasien von Vampiren, aber keine Vampire. Und diese Phantasien haben eine bestimmte Gestalt (Eigenschaften).
Ja, genau.

Der Vampirgegenstand in der Phantasie hat eine gewisse Gestalt (Eigenschaftlichkeit), durch die er sich als Vampir auszeichnet und von anderen Gegenständen in der Phantasie unterscheidet. Er hat spitze Zähne z.B. und ist deshalb kein Rosenstrauch, der keine spitzen Zähne hat.
D.h. diese Gegenstände unterscheiden sich wegen ihrer begrifflich verfassten Eigenschaften voneinander und sie sind diese Gegenstände durch diese Eigenschaften, die sie haben. Das sind reale Eigenschaften und nicht phantasieartige.. "Spitze Zähne" sind "spitze Zähne", egal, ob in der Phantasie oder am skelettierten Gebiss eines prähistorischen Raubtiers - die begriffliche Struktur ist real .. auch in der Phantasie.

Darum sind die Gegenstände, die durch diese Eigenschaften jene Gegenstände sind ja nicht - einfach so - Phantasieprodukte: Der Vampir und seine Gestalt sind nicht Phantasiegegenstände, sondern eigenständige, individuierte Gegenstände in der Phantasie. Das ist ein Unterschied, finde ich.

Wenn wir nun sagen, als Philosophen, es gebe sie nicht wirklich, dann müssen wir sagen, was denn die wirkliche Wirklichkeit auszeichnet. Was unterscheidet die wirkliche Wirklichkeit von der nur scheinbaren Wirklichkeit?
An diesem Punkt müssen wir einen Bereich "nominieren", den wir in den Rang der allein gültigen Wirklichkeit heben.



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Jörn Budesheim
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Fr 29. Jan 2021, 11:41

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 09:45
Ich finde diese Unterscheidung wichtig. Du nicht?
Der Sinn der SFO ist, diese Unterscheidung zu machen, nicht sie zu unterschlagen.

Der Punkt, den du vielleicht falsch einordnest, ist folgender: Klar sind uns die Bereiche, in denen wir selbst vorkommen und die wir erleben, besonders wichtig. Deswegen spricht Gabriel auch von der Unhintergehbarkeit der Lebenswelt. Aber daraus folgt beispielsweise nicht, dass der Bereich der subatomaren Partikel nicht wirklich existiert oder irgendwie irreal wäre. Die Theorie macht geltend, dass es eben beide Bereiche tatsächlich gibt, auch wenn es ganz verschiedene Ordnungen sind. Auch, wenn uns die Dinge des Alltags am nächsten und am wichtigsten sind und wir uns daher entsprechend ausdrücken, heißt das nicht, dass ihnen in Bezug auf den Begriff Existieren ein Vorrang vorkommt. Existieren heißt nicht, in einem bestimmten Bereich (zum Beispiel in der Alltagswelt) vorkommen, sondern in einem der unendliche vielen Bereich vorkommen. Dass die Bereiche unterschiedlich sind, wird von der SO nicht unterschlagen - im Gegenteil: Das ist im Prinzip einer der wichtigsten Punkte.




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Alethos
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Fr 29. Jan 2021, 11:48

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 09:45
es leugnet doch wohl auch Niemand, dass es sie nicht wirklich gibt
Angenommen, ein Atom in der Atomwelt würde zu einem anderen Atom sagen: „Die Nichte von NWDM gibt es nicht wirklich, da es eigentlich nur Atome gibt und so etwas wie Nichten gibt es nicht wirklich.“. Ich denke, du würdest auch sagen, dass das Atom ihre Wirklichkeit „als deine Nichte“ zu Unrecht leugnet.

Denn obwohl sie auch aus Atomen bestehen mag, Nichte ist sie nicht wegen Atomen. Ihr Nichtesein lässt sich mit Atomen und aus der Warte von Atomen gar nicht beschreiben, und doch ist sie wirklich.



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Fr 29. Jan 2021, 12:43

Witzig, ich wollte fast dasselbe Beispiel auch schreiben von Miniwesen im subatomaren Bereich. Möglich wären auch intergalaktische Aliens :-)




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Alethos
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Fr 29. Jan 2021, 15:29

Ja, oder natürlich auch sprechende Berge. :)



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Fr 29. Jan 2021, 16:02

Alethos hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 11:09
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 10:13

Ich finde nach wie vor, dass sie nicht existieren. Was existiert sind Phantasien von Vampiren, aber keine Vampire. Und diese Phantasien haben eine bestimmte Gestalt (Eigenschaften).
Ja, genau.

Der Vampirgegenstand in der Phantasie hat eine gewisse Gestalt (Eigenschaftlichkeit), durch die er sich als Vampir auszeichnet und von anderen Gegenständen in der Phantasie unterscheidet. Er hat spitze Zähne z.B. und ist deshalb kein Rosenstrauch, der keine spitzen Zähne hat.
Klar soweit.
D.h. diese Gegenstände unterscheiden sich wegen ihrer begrifflich verfassten Eigenschaften voneinander und sie sind diese Gegenstände durch diese Eigenschaften, die sie haben.
Phantasie A ist anders als Phantasie B.
Auch das leuchtet mir ein.
Das sind reale Eigenschaften und nicht phantasieartige.
Was meinst Du jetzt damit?
Dass die Phantasie wirkliche Eigenschaften hat (das denke ich auch), oder dass die Phantasiegestalt in der Phantasie Eigenschaften hat, die wir auch von echten (nicht phantasierten) Dingen her kennen (das ist finde ich nur teilweise so)?
Das wäre ja dann einfach nur die Feststellung, dass Phantasie immer auf Erfahrung (aus dem wirklichen Leben) zurückgreift.
Wir kombinieren, wenn wir phantasieren, bereits bekannte Dinge zu einer neuen Phantasie.
Mensch, spitze Zähne, blass, Blutdurst. Fertig ist der Vampir.
Aber hey, da fehlt ja noch was: Welches Pendant in der wirklichen Welt hat die phantasierte Eigenschaft "untot"?
Darum sind die Gegenstände, die durch diese Eigenschaften jene Gegenstände sind ja nicht - einfach so - Phantasieprodukte:
Erstens glaube ich das Phantasiegestalten auch Eigenschaften haben, die in der wirklichen Welt nicht vorkommen ("untot"), zweitens finde ich das eigentlich irrelevant.
Denn entscheidend ist ja die Kombination. Es gibt halt in der realen Welt einfach kein Ding, dass die Eigenschaftenkombination aufweist, die die Phantasiegestalt "Vampir" hat.
Es gibt übrigens auch kein "Mana" aus dem Zauberer ihre Astralkraft beziehen. Und es gibt tausend andere Beispiel für rein erfundene Eigenschaften, die in der realen Welt nicht vorkommen.
Der Vampir und seine Gestalt sind nicht Phantasiegegenstände, sondern eigenständige, individuierte Gegenstände in der Phantasie. Das ist ein Unterschied, finde ich.Wenn wir nun sagen, als Philosophen, es gebe sie nicht wirklich, dann müssen wir sagen, was denn die wirkliche Wirklichkeit auszeichnet. Was unterscheidet die wirkliche Wirklichkeit von der nur scheinbaren Wirklichkeit?
An diesem Punkt müssen wir einen Bereich "nominieren", den wir in den Rang der allein gültigen Wirklichkeit heben.
Und weil das schwierig ist sagen wir einfach es gibt (irgendwie) alles?
Das ist der Clou?



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Fr 29. Jan 2021, 17:18

Alethos hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 11:48
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 09:45
es leugnet doch wohl auch Niemand, dass es sie nicht wirklich gibt
Angenommen, ein Atom in der Atomwelt würde zu einem anderen Atom sagen: „Die Nichte von NWDM gibt es nicht wirklich, da es eigentlich nur Atome gibt und so etwas wie Nichten gibt es nicht wirklich.“. Ich denke, du würdest auch sagen, dass das Atom ihre Wirklichkeit „als deine Nichte“ zu Unrecht leugnet.
Denn obwohl sie auch aus Atomen bestehen mag, Nichte ist sie nicht wegen Atomen. Ihr Nichtesein lässt sich mit Atomen und aus der Warte von Atomen gar nicht beschreiben, und doch ist sie wirklich.
Natürlich ist sie auch Nichte wegen ihrer Atome. Das gehört ja zu den Eigenschaften meiner Nichte dazu.
Ein purer Gedanke (ohne Atome) ist schlliesllich nicht meine Nichte. Das merke ich spätestens dann, wenn ich den Gedanken umarmen oder mit ihm eine Schneeballschlacht machen will.



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Alethos
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Fr 29. Jan 2021, 18:55

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 16:02
Alethos hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 11:09
Darum sind die Gegenstände, die durch diese Eigenschaften jene Gegenstände sind, ja nicht - einfach so - Phantasieprodukte:
Erstens glaube ich das Phantasiegestalten auch Eigenschaften haben, die in der wirklichen Welt nicht vorkommen ("untot"), zweitens finde ich das eigentlich irrelevant. Denn entscheidend ist ja die Kombination. Es gibt halt in der realen Welt einfach kein Ding, dass die Eigenschaftenkombination aufweist, die die Phantasiegestalt "Vampir" hat. Es gibt übrigens auch kein "Mana" aus dem Zauberer ihre Astralkraft beziehen. Und es gibt tausend andere Beispiel für rein erfundene Eigenschaften, die in der realen Welt nicht vorkommen.
Mir leuchtet ein, was du schreibst. Ich verstehe , dass du die "rein erfundenen Gestalten" z.B. nicht zum Bereich der empirisch erforschbaren Gegenstände hinzuzählen willst. Was ich aber nicht verstehe, ist, dass du in "reale Welt" und "erfundene Welt" unterteilst: Auch die erfundene Welt ist real. Was sollte sie denn sonst sein? :)

Auch Begriffe sind real, meine ich, was bedeutet - meiner Einschätzung nach - dass es in der Welt Gegenstände gibt, die sich begrifflich ausgestalten. Ich glaube sogar, dass diese Gegenstände diese Gegenstände überhaupt erst sein können, weil sie sich in der Welt begrifflich verorten. Eine Uhr bspw. ist eine Uhr, weil sie dieser Gegenstand u ist, der die Zeit anzeigt: "u zeigt die Zeit an", ist das Kriterium, durch welche alle Gegenstände, die begrifflich so verfasst sind, Uhren sind. Sie sind Uhren, weil sie die Eigenschaft haben, die Zeit anzuzeigen. Ein Planet ist ein Planet, weil er der Gegenstand p ist, der um eine Sonne kreist und mit ihr einen gemeinsamen Schwerpunkt bildet . Alle p, die diese Eigenschaften haben, sind Planeten, weil sie unter den Begriff der Planeten fallen. Planeten sind natürlich auch Gasmassen und Steinhaufen - Gasmassen und Steinhaufen können aber überall vorkommen - Planeten nur im Bereich einer Sonne, d.h. zu Planeten werden sie nur, wenn sie die obengenannte Eigenschaften haben.
Dasselbe gilt für das Untotsein: Untot ist ein Gegenstand z, welcher trotz seines Totseins lebendig ist. Alle Gegenstände z, die sich lebendig verhalten, obwohl sie tot sind, sind Untote (Gegenstand z).

Alles diese Begriffe sind real, weil sie einem Etwas, einem Gegensand, die Eigenschaft geben, durch die er dieser Gegenstand ist. Einige Eigenschaften platzieren Gegenstände automatisch in einen Bereich, so können wir z.B. von Untoten sagen: Sie können nur in Geschichten, Büchern, TV-Spielfilmen, auf Leinwänden und in Zeichnungen etc. vorkommen. Sie können aber nicht vorkommen im Bereich, wo Menschen aus Fleisch und Blut vorkommen. Das liegt an den begrifflichen Strukturen dieser Bereiche, weshalb "Menschen aus Fleisch und Blut" und "Untote" nicht im selben Bereich vorkommen können.

Ein Begriff ist für mich also, wenn du so willst, die Richtung, aus der die Wirklichkeit zu uns spricht durch Gegenstände aus diesen Bereichen. Einen Untoten erkennen wir sofort als fiktiven Gegenstand - nie aber als unwirklichen. Wie sollte das möglich sein?



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Fr 29. Jan 2021, 19:09

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 17:18
Natürlich ist sie auch Nichte wegen ihrer Atome. Das gehört ja zu den Eigenschaften meiner Nichte dazu.
Ein purer Gedanke (ohne Atome) ist schlliesllich nicht meine Nichte. Das merke ich spätestens dann, wenn ich den Gedanken umarmen oder mit ihm eine Schneeballschlacht machen will.
Mir ist nicht klar, wofür oder wogegen du an dieser Stelle argumentierst.




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Fr 29. Jan 2021, 20:48

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 17:18
Alethos hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 11:48
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 09:45
es leugnet doch wohl auch Niemand, dass es sie nicht wirklich gibt
Angenommen, ein Atom in der Atomwelt würde zu einem anderen Atom sagen: „Die Nichte von NWDM gibt es nicht wirklich, da es eigentlich nur Atome gibt und so etwas wie Nichten gibt es nicht wirklich.“. Ich denke, du würdest auch sagen, dass das Atom ihre Wirklichkeit „als deine Nichte“ zu Unrecht leugnet.
Denn obwohl sie auch aus Atomen bestehen mag, Nichte ist sie nicht wegen Atomen. Ihr Nichtesein lässt sich mit Atomen und aus der Warte von Atomen gar nicht beschreiben, und doch ist sie wirklich.
Natürlich ist sie auch Nichte wegen ihrer Atome.
Das, meine ich, trennt unsere Auffasungen: Ich glaube gerade nicht, dass das Nichtesein mit Atomen zusammenhängt. Ja, der Mensch muss eine Physis haben, um diese Nichte zu sein, die du knuddeln kannst, aber der Gegenstand „Nichte“ wird nicht durch Atome bewirkt als vielmehr durch familiäre, soziale, geschichtliche, rechtliche etc. Strukturen.

Das Phänomen Atomhaufen könnte durchaus auch einfach dein Grossvater, ein Stein oder ein bisschen Sternenstaub sein. Was sie zur Nichte macht, sind keineswegs Atome, denke ich.



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Fr 29. Jan 2021, 21:03

Alethos hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 20:48
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 17:18
Alethos hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 11:48


Angenommen, ein Atom in der Atomwelt würde zu einem anderen Atom sagen: „Die Nichte von NWDM gibt es nicht wirklich, da es eigentlich nur Atome gibt und so etwas wie Nichten gibt es nicht wirklich.“. Ich denke, du würdest auch sagen, dass das Atom ihre Wirklichkeit „als deine Nichte“ zu Unrecht leugnet.
Denn obwohl sie auch aus Atomen bestehen mag, Nichte ist sie nicht wegen Atomen. Ihr Nichtesein lässt sich mit Atomen und aus der Warte von Atomen gar nicht beschreiben, und doch ist sie wirklich.
Natürlich ist sie auch Nichte wegen ihrer Atome.
Das, meine ich, trennt unsere Auffasungen: Ich glaube gerade nicht, dass das Nichtesein mit Atomen zusammenhängt. Ja, der Mensch muss eine Physis haben, um diese Nichte zu sein, die du knuddeln kannst, aber der Gegenstand „Nichte“ wird nicht durch Atome bewirkt als vielmehr durch familiäre, soziale, geschichtliche, rechtliche etc. Strukturen.

Das Phänomen Atomhaufen könnte durchaus auch einfach dein Grossvater, ein Stein oder ein bisschen Sternenstaub sein. Was sie zur Nichte macht, sind keineswegs Atome, denke ich.
Jein. Erstens ist ja entscheidend wie diese Atome miteinander verbunden sind. Bei einem Stein sind sie das eben in anderer Weise als bei einem Menschen.
Zweitens bleibe ich dabei: Das was meine Nichte ausmacht ist auch ihr atomarer Aufbau (der bestimmt ja ihre Physis. Blonde Haare, braune Augen etc). Das sie aus Atomen besteht ist ganz klar Teil ihrer Eigenschaften. Nicht der einzige Teil, aber es ist ein Teil den man nicht einfach weglassen kann.
Denn lässt man diesen Teil weg hat man keine Nichte mehr.



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Fr 29. Jan 2021, 21:17

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 16:02
Alethos hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 11:09
Das sind reale Eigenschaften und nicht phantasieartige.
Was meinst Du jetzt damit?
Dass die Phantasie wirkliche Eigenschaften hat (das denke ich auch), oder dass die Phantasiegestalt in der Phantasie Eigenschaften hat, die wir auch von echten (nicht phantasierten) Dingen her kennen (das ist finde ich nur teilweise so)?
Ich meine es vielmehr so, dass die Wirklichkeit auch phantastische Wesen möglich macht, solche, die wir uns nur ausdenken.
Phantasiewesen können zwar bspw. rein erfunden sein, d.h. sie kommen lediglich in der Phantasiewelt vor, aber was sie zu diesen Wesen macht, ist nicht der Umstand, dass sie erfunden wurden, sondern, dass vieles über sie wahr ist. Es ist Tatsache, dass die dreiköpfige Giraffe „drei“ und „Köpfe“ hat und „Giraffengestalt“ besitzt. Sie ist vielleicht „braun“ und „hellbraun“ „gefleckt“. Sie hat vielleicht „Hörner“, „aus denen“ „Blumen“ „wachsen“ usw. Sie „kann reden“ und „fliegen“, weil sie „Flügel“ „aus Feenhaaren“ hat.

Ich meine also, die Gestalt dieses Fabelwesens besteht aus lauter Attributen, die real sind (auch Feen haben reale Attribute), weshalb es insgesamt ein reales Fabelwesen ist, d.h. ein Wesen in der Phantasie. Denn auch, wenn diese Kombination von Attributen in keinem Zoo zu finden ist, so aber doch nicht nirgends, z.B. in der Geschichte der dreiköpfigen Giraffe Lilly. Diese Geschichte kann nicht von etwas nicht Realem handeln, sonst handelte sie von nichts, wäre dann aber gar keine Geschichte, was sie ja ist. Es kann unmöglich diese Geschichte geben, und gleichzeitig das, wovon sie handelt, nicht-real sein.

Du siehst also, dass mein Realitätsbegriff keinen Unterschied macht zwischen im Sinne von Physik real, im Sinne von lebensweltlich real oder phantastisch real: Real ist jeder Gegenstand in seiner eigenen Weise.
Zuletzt geändert von Alethos am Fr 29. Jan 2021, 21:27, insgesamt 1-mal geändert.



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Fr 29. Jan 2021, 21:25

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 21:03
Alethos hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 20:48
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 29. Jan 2021, 17:18

Natürlich ist sie auch Nichte wegen ihrer Atome.
Das, meine ich, trennt unsere Auffasungen: Ich glaube gerade nicht, dass das Nichtesein mit Atomen zusammenhängt. Ja, der Mensch muss eine Physis haben, um diese Nichte zu sein, die du knuddeln kannst, aber der Gegenstand „Nichte“ wird nicht durch Atome bewirkt als vielmehr durch familiäre, soziale, geschichtliche, rechtliche etc. Strukturen.

Das Phänomen Atomhaufen könnte durchaus auch einfach dein Grossvater, ein Stein oder ein bisschen Sternenstaub sein. Was sie zur Nichte macht, sind keineswegs Atome, denke ich.
Jein. Erstens ist ja entscheidend wie diese Atome miteinander verbunden sind. Bei einem Stein sind sie das eben in anderer Weise als bei einem Menschen.
Zweitens bleibe ich dabei: Das was meine Nichte ausmacht ist auch ihr atomarer Aufbau (der bestimmt ja ihre Physis. Blonde Haare, braune Augen etc). Das sie aus Atomen besteht ist ganz klar Teil ihrer Eigenschaften. Nicht der einzige Teil, aber es ist ein Teil den man nicht einfach weglassen kann.
Denn lässt man diesen Teil weg hat man keine Nichte mehr.
Aber ihr Blondsein hat doch mit ihrem Nichtesein nichts zu tun. Würde sie ihre Haare färben, wäre sie noch immer deine Nichte.

Die Anordnung der Atome lassen einen individuellen menschlichen Körper entstehen, aber keine Nichte. Die Atome ordnen diesen Körper nicht zur Nichte an. Aus den Atomen emergiert keine Nichte.

Du kannst z.B. auch über deine Nichte sprechen, die es nirgends gibt ausser in deinen Gedanken. Auch da ist sie die Tochter deiner Schwester oder deines Bruders, aber kein Atomding.



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Alle lächeln in derselben Sprache.

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