Realität und mögliche Verstehensweisen eines Neuen Realismus

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Fr 26. Feb 2021, 21:58

Nauplios hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 20:17


Nun gebrauchst Du allerdings Realität und Wirklichkeit synonym. Wirklichkeit ist die Übersetzung von Realität:
Das hatte lediglich einen didaktischen Hintergrund, weil es irgendwo zuvor auftauchte, und ich es nicht an der Stelle schon unnötig verkomplizieren wollte. Das Thema ist für viele offenbar schwer genug, schwerer als ich erwartet hatte.

Denn beides hängt ja auch zusammen. Aber deswegen ist es ja noch nicht das selbe. Es herrscht also keine Identität zwischen ihnen, wohl aber ein Abhängigkeit, die ich im Zitierten versucht habe zu erklären.




Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Fr 26. Feb 2021, 22:10

Alethos hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 21:19


Ich verstehe, dass Realität für dich das Physische meint, also eine Realität betrifft, die für Beinbrüche und waghalsige Stürze von Hochhäusern eine gewisse existenzielle Prädominanz hat. :)
Ich fürchte, dann hast Du leider nur das verstanden, was Du gern verstehen möchtest. :-) Wenn man irgendwann spürt, dass die Freundin einen nicht mehr liebt, dann ist auch das (das Gefühl einer Leere) real. Es sei denn natürlich, man bildet sich das nur ein, dann ist es sicherlich auch etwas, nur eben nicht real.




Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Fr 26. Feb 2021, 22:20

Nauplios hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 20:17

Mir scheint eine andere Unterscheidung viel wichtiger: Wirkliches und Wirklichkeit, beziehungsweise Reales und Realität. - Der Ausgangspunkt von einem Wirklichen führt nicht auf direkte Weise zum Wesen der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist nicht einfach nur das Gemeinsame alles Wirklichen. Der Grundcharakter der Wirklichkeit ist ihre Selbstverständlichkeit. Und in dieser Selbstverständlichkeit ist die Wirklichkeit verborgen. Das meint das Athematische. Wirklichkeit wird überhaupt dann erst ein Thema, wenn eine Störung vorliegt. - Die Wirklichkeit ist nicht die Gesamtheit alles Wirklichen. Die Wirklichkeit ist völlig unauffällig. Sie wird erst auffällig durch Unstimmigkeit.
Diese Unterscheidung ist wichtig, da stimme ich dir sofort zu. Man stoplert eben nicht über die Steine, die man im Blickfeld hat, sondern über jene die man ignoriert. Und durch dieses Stoplern rücken auch diese zuvor ignorierten in den Kreis des Selbstverständlichen auf. Es heißt nicht ohne Grund, dass man aus gemachten Fehlern am besten lernt. :-) Und so ist am Ende jedes hermeneutischen Zirkels (also einem Lernprozeß) die Wirklichkeit doch wieder nur die Summe des bis dahin Selbstverständlichen. Bis die nächste Störung unsere Paradigmen durcheinander bringt und der Zirkel von vorn beginnt.
Zuletzt geändert von iselilja am Fr 26. Feb 2021, 22:25, insgesamt 1-mal geändert.




Nauplios
Beiträge: 2876
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12
Kontaktdaten:

Fr 26. Feb 2021, 22:23

iselilja hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 20:52

ps: Ich schreibe dazu nochmal etwas ausführlicher in deinem Thread "Wie im Himmel so auf Erden". Vielleicht wird dann etwas ersichtlich, was ich hier thematisch nicht so recht einordnen kann bzw. will, weil die in Richtung Religionskritik ginge.

pps: Wenn man sich im Traum das Bein bricht, mag das vielleicht auch irgendwie (?) weh tun, aber es ist offensichtlich etwas anderes als sich in der Realität das Bein zu brechen. Das muss doch für einen Menschen begreiflich sein. Ich wundere mich schon die ganze Zeit, warum die Realität hier so vielen den Kopf zerbricht. :-)
Daß das im Traum gebrochene Bein einen anderen ontologischen Status hat als das beim "realen" Sprung vom Turm gebrochene Bein, wird kaum jemand bestreiten wollen. Nur war der Traum selbst ja auch etwas "Reales", auch wenn das darin gebrochene Bein einen anderen Status hat, nämlich den eines geträumten gebrochenen Beins. Jetzt könnte man sagen: in Wirklichkeit ist es gar nicht gebrochen. Und dann läßt sich so ein Vexierspiel aufziehen, ob nicht das Turmsprung-gebrochene Bein "realer" ist als das im Traum gebrochene ...ob es nicht "realer" ist als das nur im Traum "reale" gebrochene Bein ... oder man ordnet es unterschiedlichen Sinnfeldern zu ... usw. An die Sinnfelder koppelt man dann wiederum die Existenz von dem, was es gibt, seien es Türme, Träume, gebrochene Beine infolge eines Turmsprungs, geträumte gebrochene Beine infolge eines geträumten Turmsprungs usw. Die Minimalbedingung für Existieren ist dann: in einem Sinnfeld erscheinen. -

Es gibt dann so ein Dreieck: das Wirkliche (Dinge, Tatsachen, geträumte, phantasierte Dinge ... was auch immer ... deren Erscheinen in einem Sinnfeld ... und damit deren Existenz ... usw.

Der Bezugsrahmen dieses Dreiecks, das sich vielleicht auch zu einem Viereck oder Fünfeck ausweiten läßt (unter Einbeziehung von Realität ... oder Wahrheit ...) ist dann ein ontologischer. Es heißt ja auch Sinnfeldontologie.

Wenn man jetzt noch "phänomenologische Fragezeichen" anbringt, die den theoretischen Referenzrahmen verlassen, dann ist dabei das Potential an Verwirrung vermutlich größer als das Potential an Erklärung. ;)

Vielleicht mache ich am Wochenende mal einen eigenen Faden zu Realität und Realismus.

Worum es Gabriel ja vor allem auch geht, ist die theoretische Entkopplung subjektiver "Vermögen" und deren Mitwirkung am Aufbau von Sinnfeldern und Existenz. Das ist ja das intendierte Neue am Neuen Realismus und die involvierte Frontstellung gegen Konstruktionsleistungen des Subjekts, eine Art ontologisch belastbares Wirklichkeitsverständnis und damit einhergehend der Nachweis einer unverstellten erkenntnistheoretischen Begegnung mit der Wirklichkeit - eine kopernikanische Wende der kopernikanischen Wende.




Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Fr 26. Feb 2021, 22:37

Nauplios hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 22:23


Daß das im Traum gebrochene Bein einen anderen ontologischen Status hat als das beim "realen" Sprung vom Turm gebrochene Bein, wird kaum jemand bestreiten wollen.
Dann gehe ich mal davon aus, dass Du (aus sicherlich nachvollziehbaren Gründen) nicht dazu kamst, die letzten 17 Seiten dieses Threads zu lesen. Was glaubst Du, was hier alles bestritten wird. Gefühlte 90% der Diskussion drehen sich nur darum. :lol:




Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Fr 26. Feb 2021, 22:56

Nauplios hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 22:23


Worum es Gabriel ja vor allem auch geht, ist die theoretische Entkopplung subjektiver "Vermögen" und deren Mitwirkung am Aufbau von Sinnfeldern und Existenz. Das ist ja das intendierte Neue am Neuen Realismus und die involvierte Frontstellung gegen Konstruktionsleistungen des Subjekts, eine Art ontologisch belastbares Wirklichkeitsverständnis und damit einhergehend der Nachweis einer unverstellten erkenntnistheoretischen Begegnung mit der Wirklichkeit - eine kopernikanische Wende der kopernikanischen Wende.
Was am Ende soviel wie eine Welt ohne Mensch bedeutet. Die es obendrein nicht einmal gibt. :-)
Ich denke vielleicht in der Hinsicht ganz ähnlich wie Gabriel oder andere Protagonisten eines solchen neuen Realismus, dass es überhaupt an der Zeit sei, der Realität wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken, indem man dem immer mehr mit sich selbst beschäftigten Konstruktivismus etwas entgegensetzt. Das hat insofern meine uneingeschränkte Unterstützung.. nur sollte dabei der Mensch als Subjekt nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden.
Nauplios hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 22:23

Vielleicht mache ich am Wochenende mal einen eigenen Faden zu Realität und Realismus.
Das wäre sicherlich schön, auch eine andere Perspektive zu dem Thema anzugehen. Ich bin gespannt.




Nauplios
Beiträge: 2876
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12
Kontaktdaten:

Sa 27. Feb 2021, 07:00

iselilja hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 22:56
Nauplios hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 22:23

Worum es Gabriel ja vor allem auch geht, ist die theoretische Entkopplung subjektiver "Vermögen" und deren Mitwirkung am Aufbau von Sinnfeldern und Existenz. Das ist ja das intendierte Neue am Neuen Realismus und die involvierte Frontstellung gegen Konstruktionsleistungen des Subjekts, eine Art ontologisch belastbares Wirklichkeitsverständnis und damit einhergehend der Nachweis einer unverstellten erkenntnistheoretischen Begegnung mit der Wirklichkeit - eine kopernikanische Wende der kopernikanischen Wende.
Was am Ende soviel wie eine Welt ohne Mensch bedeutet. Die es obendrein nicht einmal gibt. :-)
Ich denke vielleicht in der Hinsicht ganz ähnlich wie Gabriel oder andere Protagonisten eines solchen neuen Realismus, dass es überhaupt an der Zeit sei, der Realität wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken, indem man dem immer mehr mit sich selbst beschäftigten Konstruktivismus etwas entgegensetzt. Das hat insofern meine uneingeschränkte Unterstützung.. nur sollte dabei der Mensch als Subjekt nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden.
Eine Welt ohne Mensch? :o

Der "immer mehr mit sich selbst beschäftigte Konstruktivismus"? :o

Ich denke darüber so, Iselilja: Jede Philosophie hat Anspruch auf Verstehen. Dieses Verstehen kann nur gelingen, wenn man sozusagen "von innen heraus" die Denkwege der Philosophie abschreitet. Dazu muß man die Philosophie kartographieren, wenigstens in Skizzenform, d.h. es ist bereits etwas vorauszusetzen, was doch erst erkundet werden sollte. Ein Vorverständnis leitet das Verständnis an. Der berühmte hermeneutische Zirkel. (Ein "guter" Zirkel) -

Als Leser von Sinn und Existenz ist es ja nicht so, daß man überhaupt kein (Vor)Verständnis davon hätte von "Sinn" und "Existenz", "Feld" oder "Erscheinen" u.ä. - Lesen heißt dann: kontinuierliches Korrigieren dieses Vorverständnisses. Umwandlung von Vorverständnis in Verständnis. Altertümlich: Einübung einer Denkbewegung, einer pendelnden Denkbewegung. Bricht man diese Übung zu früh ab, läßt man Verständnischancen ungenutzt passieren. - Diesen Anspruch auf Verstanden-werden erhebt Gabriels Sinnfeldontologie nach meiner Überzeugung zurecht. (Wie man dann unter Bedingungen eines Forums solchem Anspruch gerecht werden kann, ist eine Frage, deren Beantwortung mir erneut den Vorwurf der "Supervision" einbringen würde.) -

Nun hast Du diesen Thread ja angelegt, um eigene Überlegungen zu einem "neuen Realismus" (klein geschrieben) vorzulegen, was u.a. dadurch geschieht, daß Du Dich vom "Neuen Realismus" (groß geschrieben) absetzt. Auch das stellt legitimerweise Anspruch auf Verstehen; allerdings auch Anspruch ans Darstellen Deinerseits. Damit sind nun mehrere Verständnisebenen ineinander verschachtelt. Das hält die Kommunikation in Gang, sorgt aber auch zur Verhedderung der Pendel(bewegungen). -

Anstöße zu diesen Pendelbewegungen können unsere Beiträge sein, doch können Beiträge nie eine philosophische Theorie oder eine philosophische Erzählung im Format 1 : 1 abbilden. Ich will damit unser Vermögen nicht schmälern, nur von Erwartungen entlasten. Den spielerischen Umgang mit Versatzstücken von Großtheorien halte ich auch für legitim. Das Denken braucht solche Spielräume, in denen es sich Flügel anlegen darf. Es ist dann durch Lektüre gleichsam geerdet, unternimmt aber Flugversuche. Das Denken wird übermütig. Für solchen Übermut habe ich sehr viel Sympathie. Man will ja schließlich nicht immer im Nest philosophischer Traditionen hocken. Junge Adler zieht es in die Lüfte philosophischer Spekulationen. (Die Männchen drängeln sich naturgemäß vor; also, liebe Andrea, nicht nur lesen, auch schreiben.) ;)

Beide Möglichkeiten des Philosophierens, das Einübende und das Übermütige, haben ihre Zeit. Sie schließen sich auch gar nicht aus. Vielleicht kann man es so sagen: Flugbewegungen des Übermuts gelingen eher, wenn ihnen Einübungen im Flugsimulator vorausgehen. -




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23267
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 27. Feb 2021, 07:45

iselilja hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 22:37
Nauplios hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 22:23


Daß das im Traum gebrochene Bein einen anderen ontologischen Status hat als das beim "realen" Sprung vom Turm gebrochene Bein, wird kaum jemand bestreiten wollen.
Dann gehe ich mal davon aus, dass Du (aus sicherlich nachvollziehbaren Gründen) nicht dazu kamst, die letzten 17 Seiten dieses Threads zu lesen. Was glaubst Du, was hier alles bestritten wird. Gefühlte 90% der Diskussion drehen sich nur darum. :lol:
Die Möglichkeit des Bestreitens hängt hier an dem Begriff "ontologischer Status". Dass Träumen und Wachen ganz verschiedenen Dinge sind, das wird natürlich nicht bestritten, ganz im Gegenteil, die Verschiedenheit der Bereiche ist ja einer der zentralen Gedanken.

Zu existieren "vererbt" keine Eigenschaft an die Dinge im Bereich. Wenn im Traum Menschen, Türme und Turmstürze zuvorkommen, folgt daraus, dass all das vorkommt, nicht, dass man am nächsten Tag im Krankenhaus in Gütersloh oder irgendwo liegt. Denn "Existieren" ist keine "eigentliche Eigenschaft". Das dürfte ungefähr dem entsprechen, was Kant in seiner Widerlegung des ontologischen Gottesbeweises schrieb: "Sein ist kein reales Prädikat" (hoffentlich einigermaßen korrekt sinngemäß zitiert.)




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23267
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 27. Feb 2021, 07:53

Nauplios hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 22:23
Worum es Gabriel ja vor allem auch geht, ist die theoretische Entkopplung subjektiver "Vermögen" und deren Mitwirkung am Aufbau von Sinnfeldern und Existenz.
Ich bin mir nicht ganz sicher, wie das gemeint ist, vielleicht folgendermaßen: die sogenannte bewusstseinsunabhängige Wirklichkeit ist bei Gabriel nicht mehr der Goldstandard dessen, was existiert. Deswegen werden Bereichen nicht mehr grundsätzlich danach sortiert, ob ein subjektives Vermögen an deren Aufbau mitgewirkt hat. Die Frage, inwiefern ein Bereich auch existiert hätte, wenn es uns nicht gegeben hätte, ist natürlich nach wie vor von Belang, aber nicht für den "ontologischen Status" des Bereichs, also für die Frage, ob er ganz im Ernst existiert.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Sa 27. Feb 2021, 08:23

iselilja hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 22:37
Nauplios hat geschrieben :
Fr 26. Feb 2021, 22:23


Daß das im Traum gebrochene Bein einen anderen ontologischen Status hat als das beim "realen" Sprung vom Turm gebrochene Bein, wird kaum jemand bestreiten wollen.
Dann gehe ich mal davon aus, dass Du (aus sicherlich nachvollziehbaren Gründen) nicht dazu kamst, die letzten 17 Seiten dieses Threads zu lesen. Was glaubst Du, was hier alles bestritten wird. Gefühlte 90% der Diskussion drehen sich nur darum. :lol:
Nun heisst aber gerade, einen anderen ontologischen Status zu haben, real zu sein. Immer noch bestreitest du, dass wir uns im Traum wirklich das Bein brechen, wenn wir davon träumen, dass wir uns das Bein brechen. Wir landen deswegen nicht im Spital landen, weil das real gebrochene Beim im Traum einen anderen ontologischen Status hat als das physische Bein.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23267
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 27. Feb 2021, 08:49

Der Unterschied, auf den iselilja zu Recht pocht, wird in der SFO natürlich gemacht, nämlich durch die Angabe des Bereichs: Wachen unterscheidet sich schließlich sehr stark von Träumen. Iselilja möchte aber, dass der Unterschied in den Existenz-Begriff selbst eingebaut ist. Das kann man ja wünschen, aber es berechtigt einen nicht dazu, der "Konkurrenztheorie" vorzuwerfen, sie würde den fraglichen Unterschied gar nicht machen. Der Unterschied wird es sehr wohl gemacht, nur eben auf eine andere Art und Weise.




Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Sa 27. Feb 2021, 08:49

Nauplios hat geschrieben :
Sa 27. Feb 2021, 07:00

Anstöße zu diesen Pendelbewegungen können unsere Beiträge sein, doch können Beiträge nie eine philosophische Theorie oder eine philosophische Erzählung im Format 1 : 1 abbilden. Ich will damit unser Vermögen nicht schmälern, nur von Erwartungen entlasten. Den spielerischen Umgang mit Versatzstücken von Großtheorien halte ich auch für legitim. Das Denken braucht solche Spielräume, in denen es sich Flügel anlegen darf. Es ist dann durch Lektüre gleichsam geerdet, unternimmt aber Flugversuche. Das Denken wird übermütig. Für solchen Übermut habe ich sehr viel Sympathie. Man will ja schließlich nicht immer im Nest philosophischer Traditionen hocken. Junge Adler zieht es in die Lüfte philosophischer Spekulationen. (Die Männchen drängeln sich naturgemäß vor; also, liebe Andrea, nicht nur lesen, auch schreiben.) ;)

Beide Möglichkeiten des Philosophierens, das Einübende und das Übermütige, haben ihre Zeit. Sie schließen sich auch gar nicht aus. Vielleicht kann man es so sagen: Flugbewegungen des Übermuts gelingen eher, wenn ihnen Einübungen im Flugsimulator vorausgehen. -
Diese Position ist eine Position, die die Welt aus Bücher zu verstehen sucht. Sie ist etwa so wie Du sie beschreibst. Eine mit Gelassenheit sowohl Credit gebende als auch kritische hermeneutische Umkreisung des zu Lesenden. Ich akzeptiere Deine Position.. sie ist mir vertarut, und ich weiß auch dass sie in vielerlei Hinsicht gut und nützlich ist.

Nur ist weder die Philosophie noch die Welt noch der Mensch etwas, was aus Lektüre besteht. Sonst würden wir ja unsere Kinder mit Büchern und nicht mit Babybrei füttern. :-)

Der Mensch ist in der Welt - und in dieser Welt kommen auch Philosophen vor. Es kommen auch Dichter vor, Musiker, Sportler, Politiker, Arbeiter, Unternehmer, Privatiere, Lehrer, Kinder die von all dem noch nichts wissen, da gibt es Fischer und Seen, da gibt es Massentierhaltung und bemitleidenswerte Kreaturen, da gibt es Kriege, die sich jeder Sinnhaftigkeit entziehen, da gibt es Revolutionen und ganze Epochen menschlichen Versagens, da gibt es Leid und Glück, Religion und Wissenschaft, Wahrheiten und Lügen, Diskussionen und Korrelate, Gefühl und Verstand, Sprache und resignierendes Schweigen, da gibt es das konzentrierte Lesen in einer Bibliothek und das genüssliche Liegen am Strand, da gibt es Hedonismus, Materialismus, Objektivismus, da gibt es Phantasie, Kunst und leckeres Essen, Romane in denen man sich zuhause fühlt und Bücher, die man nach 3 Seiten weglegt, da gibt es Bildung und Ignoranz. Die Welt ist bunter, als dass man sie durch den Gebrauch eines bestimmten Wortes hinreichend erfassen kann. So ein Wort kann weder Gott noch Sinnfeld sein. Es gibt kein solches einzelnes Wort das alles in seinem So-und nicht-anders-Sein umfasst.. nur eines vielleicht: die Welt in der man lebt. Und diese ist u.a. von einer Realität gekennzeichnet, der man sich nicht entziehen kann, solange man lebt.


Das ist die Welt, in der sich @iselilja anschickt, einen text auf die Reise zu schicken, einen Text, der auch den Vergleich nicht scheut. Ein Text der nicht belehren will, sondern zeigen will. Und ja: auch dieser Text will verstanden sein.




Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Sa 27. Feb 2021, 09:01

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 27. Feb 2021, 08:49
Der Unterschied, auf den iselilja zu Recht pocht, wird in der SFO natürlich gemacht, nämlich durch die Angabe des Bereichs: Wachen unterscheidet sich schließlich sehr stark von Träumen. Iselilja möchte aber, dass der Unterschied in den Existenz-Begriff selbst eingebaut ist. Das kann man ja wünschen, aber es berechtigt einen nicht dazu, der "Konkurrenztheorie" vorzuwerfen, sie würde den fraglichen Unterschied gar nicht machen. Der Unterschied wird es sehr wohl gemacht, nur eben auf eine andere Art und Weise.
Ja. :-) Und nun lies bitte nochmal den Titel dieses Threads. Denn ich schätze Dich auch bei Deiner offensichtlichen Vorliebe für diesen Neuen Realismus nicht so ein, dass Du alles andere deshalb ignorieren würdest.

ps: Das mit dem Existenzbegriff stimmt nich so ganz. Ich möchte, dass der Realitätsbegriff diesen Umstand widerspiegelt, so wie er es schon immer getan hat. Deswegen ist ein Jonglieren mit all diesen Begriffen in gewisser Weise auch eine Kunst, die Gefallen oder Missfallen auslösen kann.




Nauplios
Beiträge: 2876
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12
Kontaktdaten:

Sa 27. Feb 2021, 17:52

Ich verstehe das Anliegen von Markus Gabriel so, daß eines seiner Motive für die Sinnfeldontologie gegen die Verschränkung von Metaphysik und Ontologie gerichtet ist. Metaphysisch ist eine Ontologie dann, wenn sie mit Totalitäten für das eine Ganze arbeitet. Eine solche Vorstellung liegt zum Beispiel der Idee der "Welt" als umfassendes Ganzes zugrunde (Kant spricht von einem "regulativen Prinzip"). Eine solche vereinheitlichende Totalität ist auch die Idee des "Seins", des "Kosmos", der "Realität", des "Universums" oder der "Wirklichkeit". Von dieser metaphysischen Tradition des Einen setzt sich Gabriel ab, weil in ihrem Windschatten "Weltbilder" mitfahren, "Weltanschauungen", die einen Zug ins Totalitäre in sich tragen.

Ist nun Ontologie ohne Metaphysik möglich? - Ja, denn: "Die Ontologie ist keine metaphysische Erkenntnis der Wirklichkeit im Ganzen aus Prinzipien a priori". (Sinn und Existenz; S. 359) - Um aber Ontologie ohne Metaphysik zu betreiben, ist eine Neufassung von Existenz nötig. Dies geschieht im Rahmen der Sinnfeldontologie. -

"Ich verstehe unter 'Existenz' die Tatsache, daß ein Gegenstand oder einige Gegenstände in einem Sinnfeld erscheinen." (S. 184). Solche Sinnfelder, die sich auch überlappen können, gibt es unendlich viele. Es handelt sich dabei um Gegenstandsbereiche mit eigener Struktur. Felder stellen diese Strukturen zur Verfügung, "die Gegenstände zur Erscheinung bringen, ganz unabhängig davon, unter welchen Bedingungen wir epistemische Identitätskriterien projizieren oder in Anschlag bringen. Die Art, wie Felder Gegenstände zur Erscheinung bringen (die Regeln, die festlegen, um welches Sinnfeld es sich handelt, bezeichne ich als Sinn." (S. 38)

Es sind also nicht mehr wie etwa bei Kant transzendentale Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung, welche den Dingen "vorschreiben" wie sie erscheinen, ohne daß wir das "Ding an sich" überhaupt erkennen können, sondern Sinn (Plural: Sinne) gehört für die Gabriel'sche Sinnfeldontologie auf die Seite des Gegenstands. Sinne sind "Eigenschaften der Dinge" (S. 465) Das meinte ich oben mit "Entkopplung subjektiver 'Vermögen' und deren Mitwirkung am Aufbau von Sinnfeldern und Existenz". Bei Kant sind es ja Vermögen wie etwa die Verstandesbegriffe (Kategorien), welche Urheber der Erfahrung sind, d.h. daß uns überhaupt Gegenstände als Gegenstände der Erfahrung gegeben sind, ist u.a. das Ergebnis von Verstandesleistungen. Dazu kommt dann die Anschauung. - Bei Gabriel hingegen wechseln die Sinne (Plural von Sinn) gleichsam die Seiten und damit wird das Kant'sche "Ding an sich" zu einem Gegenstand der Erfahrung. Sinn wird in der Regel gefunden und nicht durch subjektive Leistungen des Verstandes oder Formen der Anschauung (Raum und Zeit) erst "konstituiert". -

Entscheidend an der Sinnfeldontologie ist nun, daß den einzelnen Sinnfeldern keine einheitliche Struktur zugrunde liegt. Es ist unmöglich, "daß alle Sinnfelder dieselbe allgemeine Struktur oder logische Form haben." (S. 274) - Das heißt, es gibt eine Vielzahl von Formen des Wissens, was Markus Gabriel einen "epistemologischen Pluralismus" nennt. Durch diese Pluralität an Wissensformen wird die friedliche Koexistenz von naturwissenschaftlichem, philosophischem, ästhetischem, künstlerischem u.a. Wissrnsansprüchen möglich und die Hegemonie einer dominanten Form des Wissens (bei Gabriel das sich "naturalistisch" gebärdende Wissen der Naturwissenschaften) unterbunden. -

"Einige Sinne, die Sinnfelder konstituieren, werden durch uns hervorgebracht, andere nicht. Doch wie und ob etwas hervorgebracht wird, spielt für die Frage, ob es existiert, zunächst nur eine untergeordnete Rolle." (S. 466) - Wenn man das so sagen darf, geht Gabriel recht spendabel mit der Existenz um. Es reicht, daß ein Gegenstand in einem Sinnfeld erscheint. Die "Tatsache", daß er dort erscheint, macht bereits seine Existenz aus. Wirklichkeit wird definiert als der "Umstand, daß ein Gegenstand in einem Sinnfeld erscheint. Möglichkeit ist der Leitsinn eines Sinnfeldes" ( S. 369)

Eine der Hauptintentionen der Sinnfeldontologie liegt darin, der Weltanschauungsfalle, welche in den metaphysisch imprägnierten Vorstellungen von einem Ganzen liegt, zu entgehen. Realistische Ontologie ist metaphysikfreie Ontologie, die sich gegen ideologische Ablagerungen wie Weltbilder und Weltanschauungen immunisiert hat:

"Der Realismus macht sich kein Bild von der Welt mehr." (S. 486f) -




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23267
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 27. Feb 2021, 18:29

Nauplios hat geschrieben :
Sa 27. Feb 2021, 17:52
Eine solche vereinheitlichende Totalität ist auch die Idee des "Seins", des "Kosmos", der "Realität", des "Universums" oder der "Wirklichkeit"
Nicht zwingend. Schließlich ist das Universum bei Gabriel selbst der Bereich, der von den Naturwissenschaften untersucht wird. Das Universum ist nur dann eine "vereinheitlichende Totalität", wenn damit ineins ein Naturalismus vertreten wird. Ebenso steht es um den Begriff der Wirklichkeit, auch hier kommt es einfach darauf an, wie er verwendet wird. Bei Gabriel ist es eine Modalkategorie, ich kann allerdings nicht sagen, ob er diesen Gedanken bereits in Sinn und Existenz ganz ausformuliert hat. Es gibt dazu aber ein kleines Buch gemeinsam mit einem anderen Autoren, soweit ich mich entsinne: "was ist Wirklichkeit?"

Nachtrag:
Markus Gabriel Malte Dominik Krüger Was ist Wirklichkeit? Neuer Realismus und Hermeneutische Theologie

(Kann ich allerdings noch nicht viel zu sagen, weil ich es praktisch noch nicht gelesen habe.)




Nauplios
Beiträge: 2876
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12
Kontaktdaten:

Sa 27. Feb 2021, 18:35

iselilja hat geschrieben :
Sa 27. Feb 2021, 08:49

Diese Position ist eine Position, die die Welt aus Bücher zu verstehen sucht. Sie ist etwa so wie Du sie beschreibst. Eine mit Gelassenheit sowohl Credit gebende als auch kritische hermeneutische Umkreisung des zu Lesenden. Ich akzeptiere Deine Position.. sie ist mir vertarut, und ich weiß auch dass sie in vielerlei Hinsicht gut und nützlich ist.

Nur ist weder die Philosophie noch die Welt noch der Mensch etwas, was aus Lektüre besteht.
Insbesondere aus der Antike sind Zeugnisse (Text!-Zeugnisse) überliefert, die uns die Philosophie in ihrer Bedeutung als Denk- und Lebensform zeigen: Sokrates, der nichts schreibt und auf dem Marktplatz oder beim Trink :o gelage philosophiert, Epikur im Garten, Diogenes in der Selbstgenügsamkeit seiner Tonne ... Philosophie als Lebenskunst ... Insofern stimme ich Dir zu, daß die Frage, wie es sich mit einer bestimmten Philosophie leben läßt ein gewisses Interesse verdient.

In der Moderne und ihrer Akademisierung und Institutionalisierung der Philosophie ist dieser Aspekt weitgehend in den Hintergrund getreten, von "praktischen" Ratgebern zur Lebenskunst mal abgesehen. Doch auch diese "Ratgeber" haben die Form von Büchern angenommen. Selbst mündlichen Vorlesungen in Universitäten liegen Manu-Skripte zugrunde oder sie werden zu solchen. Der Text ist der natürliche Lebensraum der Philosophie. Ob Vorlesung, Radiofeature, Zeitungsessay, Internetpräsenz, Forenbeiträge ... Philosophie ist primär text- und buchlastig. Selbst das Gespräch am Küchentisch oder im Kaffeehaus bleibt in der Regel textorientiert.

Daß es anderes als Philosophie gibt, ist davon unberührt.




Nauplios
Beiträge: 2876
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12
Kontaktdaten:

Sa 27. Feb 2021, 18:54

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 27. Feb 2021, 18:29
Nauplios hat geschrieben :
Sa 27. Feb 2021, 17:52
Eine solche vereinheitlichende Totalität ist auch die Idee des "Seins", des "Kosmos", der "Realität", des "Universums" oder der "Wirklichkeit"
Nicht zwingend. Schließlich ist das Universum bei Gabriel selbst der Bereich, der von den Naturwissenschaften untersucht wird. Das Universum ist nur dann eine "vereinheitlichende Totalität", wenn damit ineins ein Naturalismus vertreten wird. Ebenso steht es um den Begriff der Wirklichkeit, auch hier kommt es einfach darauf an, wie er verwendet wird.
"Das vorliegende Buch will demgegenüber ein neues Licht auf die traditionellen Fragen werfen, die unter den Oberbegriffen »Ontologie« und »Metaphysik« versammelt sind, indem es zwei Ideen aufgibt. Erstens die Assoziation von Ontologie und Metaphysik und zweitens die Idee, dass es eine vereinheitlichte Totalität dessen gibt, was existiert, ob man diese Totalität nun »die Welt«, »das Sein«, »die Realität«, »das Universum«, »den Kosmos« oder »die Wirklichkeit« nennt." (Sinn und Existenz; S. 29)




Nauplios
Beiträge: 2876
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12
Kontaktdaten:

Sa 27. Feb 2021, 19:07

Die landläufige Verwendungsweise all dieser Termini zeichnet sich ja gerade durch diese Tendenz zur "vereinheitlichenden Totalität" aus. Es sind potentielle Kandidaten für das Eine, für das Ganze. Die Formatierung und Spezifizierung von "Wirklichkeit" als Modalität liegt gleichwohl auch im Begriffshaushalt der Sinnfeldontologie vor:

"Wirklichkeit ist der Umstand, dass ein Gegenstand in einem Sinnfeld erscheint." (Paragraph 9)




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23267
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 27. Feb 2021, 19:20

Nauplios hat geschrieben :
Sa 27. Feb 2021, 18:54
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 27. Feb 2021, 18:29
Nauplios hat geschrieben :
Sa 27. Feb 2021, 17:52
Eine solche vereinheitlichende Totalität ist auch die Idee des "Seins", des "Kosmos", der "Realität", des "Universums" oder der "Wirklichkeit"
Nicht zwingend. Schließlich ist das Universum bei Gabriel selbst der Bereich, der von den Naturwissenschaften untersucht wird. Das Universum ist nur dann eine "vereinheitlichende Totalität", wenn damit ineins ein Naturalismus vertreten wird. Ebenso steht es um den Begriff der Wirklichkeit, auch hier kommt es einfach darauf an, wie er verwendet wird.
"Das vorliegende Buch will demgegenüber ein neues Licht auf die traditionellen Fragen werfen, die unter den Oberbegriffen »Ontologie« und »Metaphysik« versammelt sind, indem es zwei Ideen aufgibt. Erstens die Assoziation von Ontologie und Metaphysik und zweitens die Idee, dass es eine vereinheitlichte Totalität dessen gibt, was existiert, ob man diese Totalität nun »die Welt«, »das Sein«, »die Realität«, »das Universum«, »den Kosmos« oder »die Wirklichkeit« nennt." (Sinn und Existenz; S. 29)
Der Unterschied, zu dem was du geschrieben hast, ist unscheinbar, aber entscheidend. Gabriel schreibt: »die Welt«, »das Sein«, »die Realität«, »das Universum«, »den Kosmos« oder »die Wirklichkeit« und macht klar dass diese Begriffe jeweils als Name für die "Totalität" gelten sollen. Wobei es hier auch angesagt ist, beim Lesen "die" und "das" so zu betonen, dass sich die Bedeutung gleich zeigt.

Deine Formulierung hingegen ist so, dass man auch die Möglichkeit hat, es so zu verstehen, als seien diese Begriffe schlechthin problematisch. Aber die Begriffe Universum und Wirklichkeit z.b. (ohne betontes "das" oder "die") braucht Gabriel in seiner Theorie selbst. Das sieht man auch daran, wie die Anführungszeichen gesetzt sind: bei Gabriel ist die Betonung mithilfe des "das" eingeschlossen, bei dir nicht.




Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Sa 27. Feb 2021, 19:44

Nauplios hat geschrieben :
Sa 27. Feb 2021, 17:52

"Einige Sinne, die Sinnfelder konstituieren, werden durch uns hervorgebracht, andere nicht. Doch wie und ob etwas hervorgebracht wird, spielt für die Frage, ob es existiert, zunächst nur eine untergeordnete Rolle." (S. 466) - Wenn man das so sagen darf, geht Gabriel recht spendabel mit der Existenz um. Es reicht, daß ein Gegenstand in einem Sinnfeld erscheint. Die "Tatsache", daß er dort erscheint, macht bereits seine Existenz aus. Wirklichkeit wird definiert als der "Umstand, daß ein Gegenstand in einem Sinnfeld erscheint. Möglichkeit ist der Leitsinn eines Sinnfeldes" ( S. 369)

Das war einer meiner ersten Kritikpunkte, als ich anfing mich überhaupt mit Gabriel zu beschäftigten. Der Schein wird zum Sein (ja sogar zur Existenz) des Gegenstandes selbst. Nicht etwa, wie es richtig wäre, zum Fakt des phänomenalen Erscheinens. Damit geht jegliche Falsifikationsmöglichkeit einer Sache verloren.

Zwar will Gabriel unter Erscheinen etwas leicht anderes vertanden wissen.. nur ändert das überhaupt nichts daran. Im Gegenteil nicht nur die Existenz des Gegenstandes wird damit behauptet, nein, es wird damit sogar gesagt, dass der Mensch daran unbeteiligt sei. Die Sinnfelder bringen ihre Struktur mit.

Die Frage ist hier nun: woher weiß Gabriel, dass seine Behauptung wahr sei, wenn das Gegenteil dieser Behauptung genau so erscheinen kann? :-) Welchen privilegierten Zugang zu den Dingen und Sinnstrukturen hat Gabriel denn, damit er zu solchen EInsichten gelangen kann? Ich vermute mal keine anderen als jeder andere Mensch auch.


Jede Fata Morgana beweist, dass Gabriel sich hierin irrt. Denn sonst würde ja dort in der fernen Wüste tatsächlich eine Oase existieren wo eigentlich nur Sand ist. Also Bullshit.


ps: Es ist auch leicht nachvollziehbar, warum Gabriel zu dieser Fehleinschätzung kommen muss. Denn er geht davon aus, dass unser Gehirn ebenfalls ein Sinnesorgan ist (das hat er mal in einem Interview erläutert). Die Sinnstruktur eines Sinnfeldes wird also auf "magische Weise" vom Feld in unser Gehirn projiziert. :-) Die eigentlichen Sinne haben für ihn vermutlich nur eine beiläufige (oder gar epiphänomenale?) Bedeutung.
Zuletzt geändert von iselilja am Sa 27. Feb 2021, 19:58, insgesamt 2-mal geändert.




Gesperrt