Realität und mögliche Verstehensweisen eines Neuen Realismus

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Fr 19. Feb 2021, 16:21

Nochmal kurz zu diesem beunruhigendem Erscheinen ;-) und dessen korrekter (ich würde eher sagen möglicher) Sichtweise..

Man kann gewiß sagen 6 = 6 ohne dabei irgend etwas gravierend Falsches zu behaupten. Aber kann man auch sagen 6 Birnen = 6 Äpfel? Man kann es ja.. indem beidem der Bereich "Obst" zugewiesen wird - dies ist die systematische Einheit dieser beiden Dinge, die wir aber anlegen und die nicht einfach da ist. ALLERDINGS: kann man damit dennoch etwas Falsches aussagen, nämlich , dass es keinen Unterschied zwischen Birnen und Äpfeln gäbe.. denn den gibt es doch offensichtlich.

Und hierin unterscheidet sich bspw. die aristotelische Ontologie von der SFO fundamental. Denn so wie wir zwischen Birnen und Äpfel unterscheiden können und (wollen!) können wir auch zwischen dem was existiert und dem was nicht existiert unterscheiden. Es liegt an uns selbst, diesen Unterschied zu machen.




Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Fr 19. Feb 2021, 16:30

Derjenige, der immer wieder versucht, durch eine Wand zu gehen und nicht merkt, dass er das nicht kann und obendrein nicht bemerkt, dass 2m weiter eine Tür "ist" (ich erkläre gleich warum hier die Anführungszeichen stehen), der macht offenbar nicht diesen Unterschied von Existenz und Nichtexistenz. Denn seine Begründung wird vielleicht so aussehen.. dort 2m weiter ist zwar keine Wand aber dort ist eine Tür. Nur was ist eine Tür, wenn nicht mindestens das Fehlen einer Wand an dieser Stelle?

Ist der Unterschied zwischen Ontologie und SFO somit deutlich? ;-) Bzw. wo das eine hinführt und wo das andere.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Fr 19. Feb 2021, 21:16

iselilja hat geschrieben :
Fr 19. Feb 2021, 14:55

Und genau hier zeigt sich der Unterschied zwischen jener Realität, von der ich sprechen möchte und einem mengentheoretischen Verständnis selbiger Realität. Denn dieses einander Bedingen von bspw. nat. Zahl und der Menge, in der sie vorkommt, hat ja selbst eine Entstehungsgeschichte. Die Megenlehre wurde erst sehr spät als Bereich der Mathematik entwickelt. Aus der bloßen Wahrnehmung, dass 5 Birnen mehr sind als 3 Birnen ergibt sich noch kein mengentheoretisches Verständnis. Das heißt, der Mensch als erkennendes (und auch urteilendes) Wesen, greift in dieses (laut Gabriel an sich schon bestehende) Verhältnis von Bereich und den Dingen die in ihm vorkommen ein - er definiert dieses Verhältnis an Hand seiner Erfahrung aber auch an Hand einer Nutzenabwägung.
Ich werde den Eindruck nicht los, dass du nicht die Realität im Verständnis der SFO besprechen willst, sondern über die Realität, von der du sprechen möchtest. Das können wir ja auch gerne tun, aber dann sollte in deinen Erwägungen die SFO wenigstens nicht falsch zitiert resp. wiedergegeben werden.

Mir scheint, dass du über die Realität sprechen willst, die Beständigkeit hat. Eine Realität, die sich trotz Erkenntnis nicht verändert - sich selbst gleich bleibt. So ähnlich hattest du sie einige Beiträge vorher beschrieben. Dann möchte ich deinen Ausführungen weiter zuhören, wenn du mir erlaubst, folgendes kurz richtig zu stellen: Wenn Gabriel sagt, dass der Mensch als erkennendes Wesen in die Realität eingreift, dann sicherlich ist das so zu verstehen, dass er auf die Realität Bezug nimmt und sich auf eine mögliche Gegebenheitsweise der Realität bezieht. Wenn der Mensch an der Tafel 3 Quadrate sehen will, er sich der Tafel mit dieser Absicht nähert und an ihr diese "Dinge", die Quadrate sind, auch erkennt, dann weil sie tatsächlich da sind - auch wenn er nicht nach ihnen gesucht hätte. Denn sie sind ja nicht mengentheoretisch der Klasse der Quadrate zugeordnet, sondern wegen ihrer Eigenschaften. Nicht der Mensch sagt: "Ich will jetzt nach Quadraten suchen, darum sind sie da!", sondern der Mensch kann nach Quadraten Ausschau halten, worauf er sie finden wird, wenn sie da sind. Die Quadrate geben vor, dass sie sich finden lassen dort - an der Tafel. Nicht eine Menschen gemachte Ordnung, keine durch einen menschlichen Sinn erzeugte klassifikatorische Regel bezeichnet, was wir vorfinden, sondern wir finden vor, was es da tatsächlich und an sich gibt.

Dasselbe gilt auch für die natürlichen Zahlen: Es gibt nicht die "Menge der natürlichen Zahlen", weil wir ein mengentheoretisches Verständnis entwickelt hätten, nach dem sich die Zahlen so ordnen liessen. Sie lassen sich so ordnen, weil ein Wert n mit einer weiteren Einheit von n addiert den Wert n+1 gibt. Dieser Wert ist real, nicht, weil wir ein Zählsystem entwickelt hätten, sondern wir haben ein Zählsystem entwickelt, weil es in dieser Art und Weise Zählbares gibt. Auch und gerade wegen des in der SFO eingearbeiteten Verständnisses von Realität wird überhaupt beschreibbar, dass Äpfel nicht Birnen sind und dass gilt: Äpfel ≠ Birnen. Und erst, wenn wir verstehen, warum wir dennoch Äpfel = Birnen sagen können, verstehen wir, was es mit dem Sinn zu tun hat, den uns die Dinge geben. Denn Äpfel und Birnen sind gleich im Sinne, dass sie Früchte sind, dass sie an Bäumen wachsen, dass sie süss sind etc. Unter diesem Aspekt ihres Seins gehören sie in einen Bereich - aber doch sicherlich nicht, weil wir sie dorthin "bugsieren" würden, sondern weil sie doch tatsächlich an Bäumen wachsen, süss sind und Früchte sind?

Darum kann es unter einem gewissen Aspekt der Seienden auch keine Rolle spielen, ob wir mit 1 + 1 Birnen und Äpfel addieren, weil die Einheitlichkeit, in der sie sich als zusammengefasst denken lassen, durchaus begrifflich vorkommt. Nicht begrifflich im Sinn von "sprachlich-semantisch", sondern weil sich die Dinge selbst durch ihre Eigenschaften unter Begriffe bringen, unter denen sie in dieser Einheitlichkeit erscheinen, sodass sie sich addieren lassen, als ob es keine Rolle spielte, dass Äpfel mit Birnen verglichen werden :)
Darum fügt sich jede Einheit, die sich zu einer weiteren hinzutut, in die Reihe n+1 ein. Diese Ordnung der natürlichen Zahlen hat aber nichts mit menschengemachten mengentheoretischen Erwägungen zu tun, sondern letztere beziehen sich auf die Wirklichkeit der Ordnung von Begriffen, die die Einheit des Bereichs angeben, unter denen die Dinge erscheinen (an sich und durch sich selbst).

Wenn wir also über die SFO und gleichzeitig über mögliche Verstehensweisen der SFO sprechen wollen, sollten wir wenigstens das betrachten, was sie sagt :) Auch in der SFO gibt es einen Unterschied zwischen wahr und falsch, zwischen News und Fakenews. Nicht alles ist in der SFO wahr, darum ist es falsch zu behaupten, dass die SFO dies behauptet. Auch in der SFO gibt es Dinge nicht.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Fr 19. Feb 2021, 21:52

Wenn die SFO aber sagt, dass es Dinge nicht gebe, dann meint sie dies ausdrücklich nur für bestimmte Sinne - für bestimmte Formen des Gegebenseins und nie für alle möglichen Gegebenheitsweisen.

Denn, alsbald wir überhaupt etwas behaupten, z.B., dass es "dies" nicht gebe, so muss es "dies" wenigstens in der Gegebenheitsweise der Behauptung geben als Behauptetes. Diese Weise ist aber nicht weniger real als jene, über die sie etwas behauptet. Denn die "behauptete Existenz einer Fee" und die "Existenz einer Fee in Köln" betrifft dasselbe Subjekt, nämlich "Fee". Auch wenn sie in der Behauptung eine "andere Fee" ist als die "Fee in Köln", so beziehen sich beide "Fee-Gegebenheiten" auf ein Etwas, das diesen Dingen ihren Inhalt gibt als Begriff. Die Fee in der Behauptung und die Fee in Köln, müssen das Objekt sein, über das sich wahr sagen lässt: Es hat Flügel, es ist ein weibliches Wesen, es hat Menschenform, ist sehr klein im Vergleich zu Menschen etc. Diese Eigenschaften vereinigen sie zum Ding "Fee", die in der Behauptung ein behauptetes Ding ist und in Köln ein lebensweltliches: In beiden Fällen kommt aber dieser Gegenstand vor und existiert, weshalb er zur Realität gehört: der Realität der Behauptung und der Realität des Bereichs, über den die Behauptung irren kann.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Fr 19. Feb 2021, 22:19

Alethos hat geschrieben :
Fr 19. Feb 2021, 21:16
[...] wenn du mir erlaubst, folgendes kurz richtig zu stellen: Wenn Gabriel sagt, dass der Mensch als erkennendes Wesen in die Realität eingreift, dann sicherlich ist das so zu verstehen, dass er auf die Realität Bezug nimmt und sich auf eine mögliche Gegebenheitsweise der Realität bezieht. Wenn der Mensch an der Tafel 3 Quadrate sehen will, er sich der Tafel mit dieser Absicht nähert und an ihr diese "Dinge", die Quadrate sind, auch erkennt, dann weil sie tatsächlich da sind - auch wenn er nicht nach ihnen gesucht hätte. Denn sie sind ja nicht mengentheoretisch der Klasse der Quadrate zugeordnet, sondern wegen ihrer Eigenschaften. Nicht der Mensch sagt: "Ich will jetzt nach Quadraten suchen, darum sind sie da!", sondern der Mensch kann nach Quadraten Ausschau halten, worauf er sie finden wird, wenn sie da sind. Die Quadrate geben vor, dass sie sich finden lassen dort - an der Tafel. Nicht eine Menschen gemachte Ordnung, keine durch einen menschlichen Sinn erzeugte klassifikatorische Regel bezeichnet, was wir vorfinden, sondern wir finden vor, was es da tatsächlich und an sich gibt.

Wenn ich weiter oben von einer mengentheoretischen Fundierung gesprochen habe, dann war damit nicht gemeint, dass dort an der Tafel 3 Quadrate sind und diese Zahl drei hier das Quantitative in Gabriels Denken zum Ausdruck bringe. Das wäre eine recht oberflächliche Sicht. ;-) Lies Dir bitte den betreffenden Beitrag bei Bedarf nochmals durch, dass wirst Du erkennen, dass es mir nicht um die Anzahl der Quadrate geht.. sondern um das Übertragen von mathematischen Ansätzen in philosophsiche Begriffe. Das kannst Du dir auch etwa so vereinfacht vorstellen, als wenn ein Informatiker unter 1 = ist der Fall und unter 0 = ist nicht der Fall versteht. Sowohl Frege als auch Cantor waren Mathematiker, Frege auch Philosoph und Cantor hat ebenfalls philosophische Ansätze hervorgebracht. Diese Genealogie setzt Gabriel fort. Auch wenn er betont, dass es nicht so ist bzw. nicht darum ginge. Es ist so und es geht darum.


Denn genau genommen sind dort keine 3 Quadrate an der Tafel.. Gabriel erwähnt es auch kurz, geht aber nicht weiter darauf ein, weil dieser Aspekt der Qualität für ihn nicht die Bedeutung hat, die sie m.E. haben sollte, wenn man von Realität sprechen möchte. Passiert ist nämlich folgendes: er hat freihand (!) etwas an die Tafel gezaichnet, was den Zuschauer sofort an das erinnert, was ihm idealerweise als Quadrat erscheint. Worauf er sich hingegen konzetriert und womit er im weiteren argumentiert ist die Abzählbarkeit der Dinge, obwohl er zuvor gesagt hatte, dass es genau nicht um Abzählbarkeit ginge. Aber das ist falsch, denn seine Argumentation baut genau darauf auf.


Das sind nicht einmal 5 Minuten eines Videomitschnitts und dennoch sagen sie mehr aus, als ein ganzes Buch. Denn dort passiert etwas Faktisches. Und noch realistischer wäre es, wenn ich mit im Saal gesessen hätte, denn dann wäre ich vielleicht in die Gelegenheit (oder auch Verlegenheit ;-) ) gekommen, ihn direkt zu fragen, wie er dies oder jenes versteht.

ps: Worauf ich mit der kurzen Erläuterung eigentlich hinweisen will ist die vermeintliche Sicherheit, mit der Du Gabriels Auffassung zu verstehen meinst. :-) Sieh es einfach mal so.. wenn Du mit Gabriel diskutieren würdest, würde sich etwas ganz anderes ergeben als wenn ich oder jemand anderes mit ihm diskutieren würde. Der Grund dafür ist auch ganz einfach.. wir stellen unterschiedliche Fragen. Und insofern hat Gabriel nämlich recht: wir nähern uns den Dingen aus einer Erwartungshaltung heraus, was allerdings keine neuartige Erkenntnis ist.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Fr 19. Feb 2021, 23:00

iselilja hat geschrieben :
Fr 19. Feb 2021, 22:19
Wenn ich weiter oben von einer mengentheoretischen Fundierung gesprochen habe, dann war damit nicht gemeint, dass dort an der Tafel 3 Quadrate sind und diese Zahl drei hier das Quantitative in Gabriels Denken zum Ausdruck bringe. Das wäre eine recht oberflächliche Sicht. ;-) Lies Dir bitte den betreffenden Beitrag bei Bedarf nochmals durch, dass wirst Du erkennen, dass es mir nicht um die Anzahl der Quadrate geht.. sondern um das Übertragen von mathematischen Ansätzen in philosophsiche Begriffe. Das kannst Du dir auch etwa so vereinfacht vorstellen, als wenn ein Informatiker unter 1 = ist der Fall und unter 0 = ist nicht der Fall versteht. Sowohl Frege als auch Cantor waren Mathematiker, Frege auch Philosoph und Cantor hat ebenfalls philosophische Ansätze hervorgebracht. Diese Genealogie setzt Gabriel fort. Auch wenn er betont, dass es nicht so ist bzw. nicht darum ginge. Es ist so und es geht darum.


Denn genau genommen sind dort keine 3 Quadrate an der Tafel.. Gabriel erwähnt es auch kurz, geht aber nicht weiter darauf ein, weil dieser Aspekt der Qualität für ihn nicht die Bedeutung hat, die sie m.E. haben sollte, wenn man von Realität sprechen möchte. Passiert ist nämlich folgendes: er hat freihand (!) etwas an die Tafel gezaichnet, was den Zuschauer sofort an das erinnert, was ihm idealerweise als Quadrat erscheint. Worauf er sich hingegen konzetriert und womit er im weiteren argumentiert ist die Abzählbarkeit der Dinge, obwohl er zuvor gesagt hatte, dass es genau nicht um Abzählbarkeit ginge. Aber das ist falsch, denn seine Argumentation baut genau darauf auf.
Nun gut, mir istvöllig bewusst, dass du nicht die Anzahl der Quadrate gemeint hast. Es geht nicht um die Menge von etwas, sondern um dieses Etwas als Etwas. Es spielt meines Erachtens auch keine Rolle, ob dieses Etwas hier nur "schematisch", d.h. der Idee nach, ein Quadrat hätte sein sollen oder ob es sich tatsächlich um perfekte, ideale Objekte handelt. Das, was wir dort finden, ist nicht das, was wir dort finden, weil wir danach suchen.

Nimm ein anderes Beispiel, wenn dich die Quadrate verwirren :) Nimm eine Früchteschale auf meinem Tisch. Wenn ich behaupte, dort gibt es Äpfel, dann gibt es Äpfel mindestens in zweierlei Hinsicht: In meiner Aussage "Äpfel" und in der Schale "Äpfel". Wenn es in der Schale keine Äpfel gibt, dann gibt es dennoch Äpfel, nämlich in meiner Aussage. Das sind dieselben Äpfel - nämlich als Begriff repräsentiert im Wort Apfel. Das, was es dort in der Schale gibt, sind nicht wirklichere Äpfel als jene in der Aussage: Sie beziehen sich beide nur dem Begriff nach auf etwas, das diese Eigenschaften hat, die sie identifizierbar machen als diese. Äpfel zum Anbeissen sind Äpfel zum über sie sprechen, könnten wir sagen.
Nun identifizieren wir ja etwas, wenn wir sagen, es ist mit sich selbst identisch. Wir erkennen etwas als etwas, weil es ja dieses ist. Dieses aber ist nicht jenes, weshalb Identität zugleich Differenz bedeutet. Wenn es sich aber unterscheidet, dann scheidet es sich aus. Und wenn es sich ausscheidet, lässt es sich zählen - in der Einheit des Begriffs, unter den dieses fällt, was das andere nicht ist. Wenn ich also frage, wie viele Äpfel es dort gibt, dann habe ich 1. identifiziert, was ein Apfel ist und erkannt, dass sie 2. keine Bananen sind. Aber sie sind ja keine Äpfel, weil ich sie so nennen würde, sondern weil sie dieses Benannte sind.

Ich denke, du überbewertest diese Geschichte mit der Zählbarkeit, es geht um Identität und die Realität dieser Identität als originales Sein des Seienden als dieses Seiende, das nicht das andere ist. Es geht um Differenzierung und um alles andere als um abstrakte Theorien über Teilmengen. Es geht nicht um die Anzahl von Dingen, sondern darum zu erkennen, wodurch sie sich von anderen unterscheiden. Sehr aristotelisch, aber eben modern :) resp. neorealistisch...



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Fr 19. Feb 2021, 23:04

iselilja hat geschrieben :
Fr 19. Feb 2021, 22:19
Wir nähern uns den Dingen aus einer Erwartungshaltung heraus, was allerdings keine neuartige Erkenntnis ist.
Da hat er auch recht.. aber diese Erwartungshaltungen kreiieren keine Realität, wie du zu behaupten scheinst. Die Erwartungshaltungen können wir haben, weil die Realität "in Richtungen" abstrahlt. Wir nähern uns den Dingen sozusagen aus der Existenzrichtung, aus der sie abstrahlen...
Du kannst dich nicht an meine Früchteschale nähern und dort Dinge erkennen, die nicht real sind. Du wirst dich einfach getäuscht haben, weil es die Realität dieses Bereichs nicht hergibt. Das ist gemeint mit "Erwartungshaltung". Nicht wir erwarten, dass da etwas sei, sondern die Dinge "warten" auf uns, auf dass wir erkennen, was da sei.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Fr 19. Feb 2021, 23:20

@Alethos.. gut dass Du das Beispiel mit den Äpfeln bringst. Weil wir a) dadurch wieder auch etwas Abstand zu einer Theorie bekommen und sozusagen die Dinge b) selbst durchgehen. Wir sind somit näher an dem was wir womöglich unter Realität verstehen. So hoffe ich jedenfalls.

Du sagst nun, dass sie identisch seien (ich vermute, du meinst damit, dass sie ein und das selbe seien? Oder verstehst Du darunter eine weitgehende Gleichheit?) - sind sie auch dann identisch, wenn Du bemerkst, dass Du nur den einen Typus tatsächlich essen kannst - also davon vielleicht auch satt wirst, während Du den anderen nur in Gedanken essen kannst, davon aber nicht satt wirst, sondern vielleicht nur noch hungriger?




Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Fr 19. Feb 2021, 23:34

Alethos hat geschrieben :
Fr 19. Feb 2021, 23:04
[...] aber diese Erwartungshaltungen kreiieren keine Realität, wie du zu behaupten scheinst.
Nein nein, das behaupte ich nicht, wenn das so ankam, dann müssen wir das nochmal irgendwie erläutern. Was ich sagte und meinte, war, dass wir die Bereiche, in denen Dinge uns erscheinen selbst definieren als Einheit von Dingen, die unserem Verständnis nach zusammengehören. Sozusagen eine Menge ausmachen. Aber das muss ja so nicht der Fall sein, denn für jedes Ding ist eine x-beliebige Menge angebbar, was ich glaube ich auch schon gezeigt hatte.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Sa 20. Feb 2021, 00:16

iselilja hat geschrieben :
Fr 19. Feb 2021, 23:34
Was ich sagte und meinte, war, dass wir die Bereiche, in denen Dinge uns erscheinen selbst definieren als Einheit von Dingen, die unserem Verständnis nach zusammengehören. Sozusagen eine Menge ausmachen.
Jetzt verstehe ich auch, was du meinst mit Mengentheorie: Wie erstellen Mengen und zählen dann sozugen, ob es dort etwas gibt oder nicht.

Wie würdest du es denn bei ganz üblichen biologischen Klassen und Arten sehen, um es an einem einfachen Beispiel zu erläutern: Glaubst du, dass die Schimpansen zu den Säugetieren gehören und zu der Gattung der Menschenaffen, weil wir es so systematisiert haben?



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Sa 20. Feb 2021, 09:40

Alethos hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 00:16


Wie würdest du es denn bei ganz üblichen biologischen Klassen und Arten sehen, um es an einem einfachen Beispiel zu erläutern: Glaubst du, dass die Schimpansen zu den Säugetieren gehören und zu der Gattung der Menschenaffen, weil wir es so systematisiert haben?
Was ich meinte, bezog sich natürlich nicht nur auf Klassifikationen des Allgemeinen, dass die Einheiten, wovon ich denke, das Gabriel im Grunde nichts anderes meinen kann, wenn er von Bereichen (dort jedoch unter einem mengentehoretischen Aspekt) spricht - sondern es bezog auf jedwede Form unseres systemischen (nicht etwa epistemischen !) Welterschließens. Wir bilden Zusammenhänge dort, wo sie uns sinnvoll erscheinen. Man merkt an der Stelle, dass ich mich begrifflich garnicht so weit von Gabreiel entfernen muss, um das zu sagen, worum es mir geht.

Zu deiner Frage.. ja, genau das meine ich. Und das hat jetzt nichts mit Idealismus zu tun. Denn ich könnte Schimpansen ja auch der Gruppe der Pelzträger zuordnen. Auch hier liegen die objektiven Gründe, warum ich das berechtigterweise machen kann, nicht anders als bei der Zuordnung zu einer Menge, die ich als Primaten bezeichnen kann. Der Sinn des Feldes erschließt sich eben nicht durch das Feld, aus dem wir erwartungsgemäß die Sache betrachten, sondern er erschließt sich aus dem was wir vorfinden - nur wir finden es ja nicht bereits in dem Feld Primaten vor, ebenso nicht im Feld Pelzträger, sondern es ist einfach für sich da/erkennbar. Die Benennung als Primaten, als Menschenaffen, als Säugetiere waren ja nicht schon da, als wir anfingen zu untersuchen (bspw. via Wissenschaft), wo hier Unterschiede und Gemeinsamkeiten liegen. Die Untersuchung der Dinge führt streng genommen zu dem Feld, welches wir dann um die Dinge gleichsam eines zuordenbaren Bereichs umschließen. Kant hat das an anderen Dingen erklärt, wie es bspw. zu unserem Verständnis von Kausalität kommt (also einem Ursache-Wirkungs-Verständnis). Auch hier wird mit Kausaliät ein Bereich um etwas gelegt, was wir so in der Welt erkennen können - die Kausaliät jedoch selbst nicht.


ps: Bereich und die Dinge, die im Bereich vorkommen, konstituieren sich eben nicht, wie Gabriel meint, gegenseitig. Sie sind kein fest bestehendes Vorkommnis in der Welt. Und das hat bereist Kant gezeigt.. die Wissenschaft gibt Kant hier recht, denn es ist nachweisbar, dass es so ist. In diesem Punkt also weiche ich von Gabriels Auffassung strikt ab - einfach weil es falsch ist.

ps: Was ich damit im großen und ganzen sagen will, ist, dass es diese Sinnfelder als solche ("an sich" - als bereits bestehendes Feld, was uns erscheint) nicht gibt, sondern wir sind es selbst, die diese Zusammenhänge - wie Gabriel es nennt: Verhältnis zwischen Ding und dessen Bereich - konstruieren. Die Relation (Verhältnis) erzeugen wir dadurch, dass wir uns der Sache sukzessive nähern, einen Bezug zu ihr nehmen. Die Dinge selbst (an sich) sind das, was eine Näherung ermöglicht, denn sie sind offenbar da. Die Sinnfelder hingegen entstehen entlang unseres Lernprozesses.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Sa 20. Feb 2021, 10:39

iselilja hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 09:40
Alethos hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 00:16


Wie würdest du es denn bei ganz üblichen biologischen Klassen und Arten sehen, um es an einem einfachen Beispiel zu erläutern: Glaubst du, dass die Schimpansen zu den Säugetieren gehören und zu der Gattung der Menschenaffen, weil wir es so systematisiert haben?
Was ich meinte, bezog sich natürlich nicht nur auf Klassifikationen des Allgemeinen, dass die Einheiten, wovon ich denke, das Gabriel im Grunde nichts anderes meinen kann, wenn er von Bereichen (dort jedoch unter einem mengentehoretischen Aspekt) spricht - sondern es bezog auf jedwede Form unseres systemischen Welterschließens. Wir bilden Zusammenhänge dort, wo sie uns sinnvoll erscheinen. Man merkt an der Stelle, dass ich mich begrifflich garnicht so weit von Gabreiel entfernen muss, um das zu sagen, worum es mir geht.

Zu deiner Frage.. ja, genau das meine ich. Und das hat jetzt nichts mit Idealismus zu tun. Denn ich könnte Schimpansen ja auch der Gruppe der Pelzträger zuordnen. Auch liegen die objektiven Gründe, warum ich das berechtigterweise machen kann, nicht anders als bei der Zuordnung zu einer Menge, die ich als Primaten bezeichnen kann. Der Sinn des Feldes erschließt sich eben nicht durch das Feld, aus dem wir erwartungsgemäß die Sache betrachten, sondern er erschließt sich aus dem was wir vorfinden - nur wir finden es ja nicht bereits in dem Feld Primaten vor. Die Benennung als Primaten, als Menschenaffen, als Säugetiere waren ja nicht schon da, als wir anfingen zu untersuchen (bspw. via Wissenschaft), wo hier Unterschiede und Gemeinsamkeiten liegen.


ps: Bereich und die Dinge, die im Bereich vorkommen, konstituieren sich eben nicht, wie Gabriel meint, gegenseitig. Sie sind kein fest bestehendes Vorkommnis in der Welt. Und das hat bereist Kant gezeigt.. die Wissenschaft gibt Kant hier recht, denn es ist nachweisbar, dass es so ist. In diesem Punkt also weiche ich von Gabriels Auffassung strikt ab - einfach weil es falsch ist.

ps: Was ich damit im großen und ganzen sagenwill, ist, dass es diese Sinnfelder als solche nicht gibt, sondern wir sind es selbst, die diese Zusammenhänge - wie Gabriel es nennt: Verhältnis zwischen Ding und dessen Bereich - konstruieren. Die Relation (Verhältnis) erzeugen wir dadurch, dass wir uns der Sache nähern, einen Bezug zu ihr nehmen. Die DInge selbst (ansich) sind das, was eine Näherung ermöglicht, denn sie sind offenbar da.
Danke für deine Ausführungen. Nun wird mir klar, was du die ganze Zeit über schon zu zeigen versucht hast. Es war für mich wichtig, es in dieser im Zitat dargebotenen Deutlichkeit zu lesen.

Wir unterscheiden uns im Verstehen der SFO darin, dass ich Sinnfelder nicht als Mengen begreife, die wir durch "Zusammendenken der Attribute von Dingen in ihrer Vereinigung" als Menge denken. Für mich sind Gegenstände dasjenige, was es gibt. Sie gibt es aber nicht isoliert im Nichts, sondern sie gibt es nur vor Hintergründen. Eine Blume ist gar nichts, wenn sie nicht vorkommt auf einer Wiese oder wenn sie nicht vorkommt als Gedankending in einem Gedanken oder wenn sie nicht vorkommt in einem Buch über die Flora des Berner Mittellands. Die Gegenstände kommen nicht nirgends vor, sondern sie kommen immer irgendwo vor. Dieses "Wo" ist aber keine Menge, jedenfalls erachte ich sie nicht als Menge, sondern dieses Wo ist der Ort, in welchem die Dinge jeweils erscheinen.

Aber auch der Ort kann ja nicht einfach ein leerer Behälter sein. Es gibt doch nirgends in der Realität einen Ort, der aus nichts bestünde. Es wäre sozusagen ein Unort - ein Nichts. Das "Wo" besteht also wiederum aus Dingen, die darin vorkommen, weshalb er dieser Ort überhaupt ist. (Belassen wir es einmal bei der Rede vom "Ort", obwohl es verleitet zu glauben, dass Bereiche immer eine Räumlichkeit haben). Diese Orte sind aber die Hintergründe für die Gegenstände und diese Gegenstände bilden zugleich den Ort. Sie bedingen sich doch gleichzeitig, weil sie sich relativ zu einander verhalten und - in relationaler Ordnung - auseinander ergeben?

Die Wiese, um beim Beispiel zu bleiben, besteht nun aus ganz vielen verschiedenen "Orten" - aus ganz vielen verschiedenen Ordnungen, die die in ihr vorkommenden Dinge bilden. Diese Ordnungen sind begriffliche Ordnungen, die nicht wir erschaffen, sondern die ganz durch die Dinge selbst da sind. Es gibt Böden, es gibt Humus, es gibt Gräser und Vogelgezwitscher. Vielleicht gibt es auch Regen oder Wind, es gibt Gase und Mikroben etc. Das Grün der Wiese gibt es da auch als ein spektrales Element des Lichts. Das Gründempfinden von Menschen existiert da auch, wenn sie sie wahrnehmen, weil sie tatsächlich grün ist. Ja, sogar das Grundbuchamt ist da, weil dieser Wiesenboden in der Regel jemandem gehört. Das heisst, die Sinnfelder überlagern sich, die rechtliche Sphäre, die Biosphäre, die Farbensphäre, die phänomenologische Sphäre etc. - das alles bildet sich doch in der Realität der Wiese ab.

Wenn wir nun in einem gedankenexperimentellen Verfahren diese Ebenen analysieren und auftrennen, dann doch, weil sie dort vorkommen - weil sie existieren. Sie existieren ja nicht, weil wir diese "Mengengrenzen um die Gegenstände herum" ziehen würden. Zwar ziehen wir in diesen Experimenten eine Grenze und stecken die Bereiche ab, aber doch, weil sie da vorkommen real durch die Struktur der Wirklichkeit selbst.

Das ist m.E. ein deutlicher Unterschied in der Herangehensweise an die Realität: Einerseits die Feststellung, dass wir die Realität "so und so" in den Blick nehmen können, wodurch wir "Sinn durch Vereinheitlichung" stiften und somit sozusagen Sinnfelder erzeugen (wo sie in der Wirklichkeit nicht vorkämen). Und andererseits die Ansicht, dass wir die Realität sinnstrukturiert vorfinden, weil es darin ganz viele verschiedene Dinge gibt. Letzteres ist ein realistisch-pluralistischer Ansatz: Weil er davon ausgeht, dass die Dinge in der Welt wirklich vielfältig sind und sie sich voneinander unterscheiden. Die Bereiche sind durch ihre wesentlichen Gemeinsamkeiten zu Begriffs-Ordnungen zugeordnete Dinge, aber nicht durch uns zugeordnet, sondern durch ihre Eigenschaften selbst.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23562
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 20. Feb 2021, 10:56

Mir gefällt für diesen Zusammenhang nach wie vor besonders gut die Metapher des Naturwissenschaftlers Carlo Rovelli: "Die Raumzeit ist das Gravitationsfeld (und umgekehrt). Wie Newton intuitiv erkannte, existiert sie auch ohne Materie an sich. Aber sie ist keine von den übrigen Dingen der Welt geschiedene Entität – wie Newton annahm –, sondern ein Feld wie die anderen. Eher als ein Gemälde auf einer einzelnen Leinwand ist die Welt eine Überlagerung vieler Leinwände, vieler Schichten, von denen das Gravitationsfeld nur ein Feld unter anderen ist. Wie die anderen ist es weder absolut noch gleichförmig oder fest. Vielmehr krümmt, streckt, kontrahiert und ballt es sich zusammen mit den anderen. Gleichungen beschreiben die wechselseitige Beeinflussung sämtlicher Felder. Und die Raumzeit ist ein solches Feld." in irgendeiner Stelle macht Markus Gabriel auch deutlich, dass der Ausdruck Feld von daher inspiriert ist. Dass die Welt kein Gemälde auf einer einzelnen Leinwand ist, ist ein anderer Ausdruck für Gabriels Ansicht, dass es die Welt nicht gibt. Stattdessen ist Wirklichkeit genau wie es der Physiker sagt, eine überlagerung verschiedener Felder. Das dürfte auch der Grund sein, warum die Quantenphysiker vor denen Gabriel einen Vortrag zu Einführung in die SFO gehalten hat mit dieser Idee keine Probleme hatten.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Sa 20. Feb 2021, 16:31

Es gibt jedoch wesentliche Probleme, um deren Beantwortung die SFO nicht herumkommt, warum es doch gut ist, dass wir sie hier miteinander befragen und beleuchten.

Wenn es Gegenstände nur gibt in jeweiligem Sinn, dann gibt es auch die Welt nur in jeweiligem Sinn. Die „Welt“ in der Behauptung „Es gibt die Welt nicht“ muss auch einen bestimmten Seinssinn von Welt meinen. Die Wahrheit zu sagen, wenn wir sagen, dass es die Welt nicht gebe, kann also nur bedeuten, dass wir damit auf sie referenzieren als etwas, das sie nicht ist: ein allumfassender Existenzbereich. Aber dennoch gibt es „die Welt“ in unseren Gedanken als eine Vorstellung von der Gesamtheit der Dinge. Es gibt sozusagen die Ganzheit der Welt, nur eben nicht in jenen bestimmten Sinn von Ganzheit, von der die SFO begriffslogisch aussagt, es könne sie nicht geben. Also, es gibt „die Welt“, die wir meinen, wenn wir sagen, „alles“. Das muss so sein, wenn die SFO sich selbst nicht aushebeln will, wenn sie behauptet, dass es alles gibt. Somit muss auch die Welt in mindestens einem Sinn existieren, vermutlich aber in indefinit vielen Sinnen.

Ein weiteres Problem ist der Begriff „Gegenstand“, wenn wir damit meinen „dieses Eine“. Es gibt nichts, das mir bekannt wäre, das sich isolieren liesse als „abgeschlossene oder abschliessende Ganzheit seiner Wesentlichkeit“. Was ist „ein Haus“? Wo fängt es an? Was ist eine Blume? Wo fängt sie an? Bei zwei Blüttenblättern oder keinem? Wenn sie sich verwelkend auflöst oder gar ganz zu Humus geworden ist? Wo fängt ein Einzelding an Einzelding zu sein? Denn das ist doch Voraussetzung, um sagen zu können, dass dieses (Ding) dort erscheine?
D.h. der Gegenstand selbst muss wiederum unter Gesetzen stehen, die ihn als diesen Gegenstand auszeichnen. Er muss unter den Begriff fallen können, der ein reiner ist, obwohl der konkrete Gegenstand ein werdender und vergehender ist. Es gibt also nicht nur ontologische Relativität, es gibt auch begriffliche Unschärerelationen.

Hier meine ich braucht es komplementäre Draufsichten auf die Welt, auch eine gewisse Grosszügigkeit der Vernunft für die Wahrheit, die sich wandelt. Man muss auch diese Realität abbilden können, die sich in Übergängen und mit Brüchen zeigt und immer schon zeigte. Wir müssen auch einmal pragmatisch einen Durchschnitt gelten lassen, wenn wir von den Dingen sagen wollen, dass sie „das“ da seien!



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Sa 20. Feb 2021, 19:19

Alethos hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 10:39
Dieses "Wo" ist aber keine Menge, jedenfalls erachte ich sie nicht als Menge, sondern dieses Wo ist der Ort, in welchem die Dinge jeweils erscheinen.

Aber auch der Ort kann ja nicht einfach ein leerer Behälter sein. Es gibt doch nirgends in der Realität einen Ort, der aus nichts bestünde. Es wäre sozusagen ein Unort - ein Nichts. Das "Wo" besteht also wiederum aus Dingen, die darin vorkommen, weshalb er dieser Ort überhaupt ist. (Belassen wir es einmal bei der Rede vom "Ort", obwohl es verleitet zu glauben, dass Bereiche immer eine Räumlichkeit haben). Diese Orte sind aber die Hintergründe für die Gegenstände und diese Gegenstände bilden zugleich den Ort. Sie bedingen sich doch gleichzeitig, weil sie sich relativ zu einander verhalten und - in relationaler Ordnung - auseinander ergeben?

Die Wiese, um beim Beispiel zu bleiben, besteht nun aus ganz vielen verschiedenen "Orten" - aus ganz vielen verschiedenen Ordnungen, die die in ihr vorkommenden Dinge bilden.
Jetzt hast Du praktisch schon vorgegriffen auf etwas, was ich später anvisieren wollte - auch in Bezug auf Dein Beispiel mit den Äpfeln weiter oben. Dort ging es mir darum, zu sehen, dass der reale Apfel, also den den man auch essen kann, ja in einem In-der-Welt-sein verankert ist - er ist sozusagen behandelbar nach den Maßstäben der Umgebeung. Und diese Umgebung ist in der Gedankenwelt im Grunde nur stellvertretend symbolisch vorhanden und frei variierbar. Das nennt man dann zumeist Phantasie oder Fiktion oder so etwas in der Art. Die Gedanken sind eben frei. Du hast jetzt das bessere Wort gefunden: Sinnstruktur. Wir stimmen auch darin völlig überein. Die Blumenwiese ist ein sehr gutes Beispiel dafür.

Nur was machen wir mit selbiger Blume im Strauss der zuhause irgendwann im Zimmer herumsteht. Hier welchesln sozusagen die Felder, obwohl die kognitiven Bedingungen die gleichen sind. Die Blume hat also im Grunde nur bedingt mit dem konkreten Umfeld zu tun. Aber sie hat damit zu tun - richtig.




Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Sa 20. Feb 2021, 19:26

@Alethos

können wir uns bis hierhin darauf verständigen, dass wir Dinge u.a. deshalb als real bezeichnen, weil wir sie nicht aus der Welt herauslösen (einfacher: verschwinden lassen) können?




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Sa 20. Feb 2021, 19:36

Bezeichnen, ja. Reale Dinge bezeichnen wir als zur Welt gehörend. Aber ich wehre mich gegen die Auffassung, dass wir etwas als real und etwas irreal bezeichnen dürfen. Das ist nicht korrekt, egal in welcher wahren Theorie.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Sa 20. Feb 2021, 19:54

Alethos hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 19:36
Bezeichnen, ja. Reale Dinge bezeichnen wir als zur Welt gehörend. Aber ich wehre mich gegen die Auffassung, dass wir etwas als real und etwas irreal bezeichnen dürfen. Das ist nicht korrekt, egal in welcher wahren Theorie.
Da muss ich mal jetzt nachfragen.. kannst Du mit dem irreal generell nichts anfangen (also im Sinne von es ist falsch es so zu nennen) oder erst seitdem dir die SFO bekannt ist? Ich versuche das nur ein wenig einzuordnen, wo hier etwaige Verständnismöglichkeiten liegen.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Sa 20. Feb 2021, 20:26

iselilja hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 19:54
Alethos hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 19:36
Bezeichnen, ja. Reale Dinge bezeichnen wir als zur Welt gehörend. Aber ich wehre mich gegen die Auffassung, dass wir etwas als real und etwas irreal bezeichnen dürfen. Das ist nicht korrekt, egal in welcher wahren Theorie.
Da muss ich mal jetzt nachfragen.. kannst Du mit dem irreal generell nichts anfangen (also im Sinne von es ist falsch es so zu nennen) oder erst seitdem dir die SFO bekannt ist? Ich versuche das nur ein wenig einzuordnen, wo hier etwaige Verständnismöglichkeiten liegen.
Es ist falsch es so zu nennen, weil es nicht sein kann. Realsein heisst für mich Existentsein. Insofern wir nichts benennen können, das es nicht gibt, können wir es einfach von gar nichts wahr behaupten, dass es überhaupt nicht sei. Und wenn es ist, existiert es und ist real.

Wenn jemand sagt, dass etwas nicht real sei, halte ich das nicht nur für falsch, sondern für ungerecht. Ungerecht, weil man nur den Dingen Existenz zugestehen will, für die man es selber für gerechtfertigt hält. Die Dinge kümmert zwar nicht, ob wir sie für real halten, mich aber schon, dass wir uns nicht bemühen, ihnen gerecht zu werden.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Sa 20. Feb 2021, 21:10

Alethos hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 20:26
Und wenn es ist, existiert es und ist real.

Ok, danke. Jetzt verstehe ich auch, warum wir da an einigen Punkten nie so recht zusammen kommen. Hm.. bei mir ist das so, dass ich auch den ganzen philosophiegeschichtlichen Hintergrund versuche mitzudenken - gerade bei diesen Begriffen. Deshalb ist hier wohl unser "grundsätzliches" Verständnis ein wenig anders geprägt. Aber das ist ok. Ich verstehe das jetzt besser.




Gesperrt