Ja, aber im Gegensatz zu New York ist Gotham City eine Fantasiestadt; und eine Stadt, die nur in der Fantasie existiert, existiert eben nicht wirklich, also gar nicht. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber die sogenannte "Existenz in der Fantasie" oder "Existenz in der Fiktion" ist keine echte Existenz, sondern bloß eingebildete "Pseudoexistenz", also eigentlich Nonexistenz. Es gibt einen Bereich der Wirklichkeit namens New York, aber keinen namens Gotham City.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 26. Mai 2024, 07:53Der Unterschied ist erheblich.
Nicht jeder weiß, was Gotham City ist. Man könnte vielleicht glauben es sei eine Stadt irgendwo in den Vereinigten Staaten. Damit hätte man jedoch den falschen Bereich angegeben. In den Vereinigten Staaten existiert keine Stadt namens Gotham City (zumindest vermute ich das, nehmen wir das also einfach um des Argumentes Willen an). Aus diesem Grund könnte ich auch keinen Flug nach Gotham City buchen, denn dieser Bereich der Wirklichkeit ist auf diese Weise nicht erreichbar. Zu erreichen ist er nur, indem ich mich an der entsprechenden Aufführung der Fiktion unter anderem durch Aufbietung meiner Einbildungskraft beteilige.
Entscheidend ist hier die Angabe des Bereiches. Der Bereich, in dem Gotham City existiert, ist u.a.die Fiktion "Der Batman", die gestern als Video bei Netflix herausgekommen ist. Ein Bereich, in dem Gotham City nicht existiert, sind die Vereinigten Staaten. Habe ich den Bereich einmal angegeben, habe ich deutlich gemacht, wovon wir sprechen, entweder die fragliche Fiktion oder die Vereinigten Staaten.
Es gibt keinen plausiblen Grund, Ficta zu den Realia zu zählen—auch nicht den von Kripke angeführten:"Was im Falle einer Pseudoexistenz wirklich existiert, sind jederzeit nur inhaltlich bestimmte Vorstellungen[.]"
(Meinong, Alexius. Über Gegenstandstheorie. 1904. In: Alexius Meinong, Über Gegenstandtheorie/Selbstdarstellung, 1-51 Hrsg. v. Josef M. Werle. Hamburg: Meiner, 1988. S. 36)
Das stimmt zwar; aber daraus ergibt sich nur dann eine ernsthafte ontologische Festlegung auf fiktive Entitäten, wenn man die ontologische Nichtneutralität der natursprachlichen Quantorenverwendung voraussetzt, also das ablehnt, was Jody Azzouni "Quantorenneutralismus" nennt."I took natural language as my guide, which just quantifies over these things."
(Kripke, Saul. A. Reference and Existence. New York: Oxford University Press, 2013. p. x)
Es gibt den "Allquantor" ("Universalquantor") und den sogenannten "Existenzquantor" ("mindestens ein", "einige") der klassischen Prädikatenlogik, der als ontologisch nichtneutral gilt. Es besteht aber keine logisch-semantische Notwendigkeit oder Unausweichlichkeit, den "Partialquantor" (C. McGinn) mit einem ontologisch verbindlichen "Existenzialquantor" gleichzusetzen, also "Einige Fs sind Gs" mit "Es existieren einige Fs, die Gs sind". Diese definitorische Gleichsetzung beruht auf einer theoretischen Entscheidung, die man nicht unbedingt hinnehmen muss.
McGinn argumentiert, dass der Partialquantor als ontologisch unverbindlicher "Intentionalquantor" verwendet werden kann. Der Satz "Einige Dinge existieren nicht" bedeutet dann nicht widersprüchlicherweise "Einige existierende Dinge existieren nicht", sondern nichtwidersprüchlicherweise "Einige gedachte/vorgestellte/besprochene Dinge existieren nicht".
Wie anfangs bereits gesagt, die Tatsache, dass wir über Ficta "quantifizieren", impliziert eine ernsthafte Ontologie fiktiver Entitäten also nur unter der anfechtbaren theoretischen Voraussetzung der ontologischen Nichtneutralität der Quantoren.
Wenn ich beispielsweise sage, dass einige fiktive Superhelden keine übernatürlichen Kräfte haben (z.B. Batman), dann sage ich damit nicht per se, dass fiktive Superhelden ohne übernatürliche Kräfte existieren, oder dass es solche Superhelden realiter/de facto gibt.
Der nichtneutrale klassische Existenzquantor lässt sich übrigens mittels des neutralen Partialquantors und einem nichtneutralen Existenzprädikat ("E!") definieren:
ExFx =def Px(E!x & Fx)
("Fs existieren" =def "Einiges existiert und ist F"/"Mindestens ein Etwas existiert und ist F")
Kripke erwähnt als Beispiel einer "Fiktion in der Fiktion" Gonzago aus Shakespeare's Hamlet. Im fiktionalen Werk Hamlet ist von einem fiktionalen Drama namens "The Murder of Gonzago" die Rede.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 26. Mai 2024, 07:53Es ergibt allerdings keinen Sinn, diese Bereichsangabe gleichsam zu "verdoppeln". In der Fiktion "Der Batman" ist der Pinguin keine Fiktion, sondern einer der Gegenspieler von Batman. Der Ausdruck Batman ist hier also doppeldeutig, einmal verweist er auf den Namen des Filmes, nämlich "der Batman", einmal auf die Figur Batman, die darin die zentrale Rolle spielt. Würde ich sagen, dass der Pinguin in der Fiktion "der Batman" eine Fiktion ist, würde ich die Fiktion "Der Batman" falsch wiedergeben. Das Gleiche gilt natürlich für Batman selbst; würde ich sagen, dass Batman in der Fiktion "der Batman" eine Fiktion ist, würde ich den Film falsch wiedergeben.
Alle Gegenstände in dieser Fiktion sind nur existent, sofern es Autorinnen gibt, die sie ersinnen und Betrachterinnen, die sie gleichsam zum Leben erwecken.
Also kurz gesagt: ist der Bereich als Fiktion markiert, ist es falsch, die Figuren darin nochmals als Fiktion zu markieren, das wäre eine "Verdopplung" und würde im Regelfall den Inhalt des Bereiches falsch wiedergeben. Batman ist also keine fiktive Figur, sondern eine Figur in der gleichnamigen Fiktion.
Sowohl Hamlet als auch Gonzago sind aus fiktionsexterner Sicht fiktive Personen. Aus fiktionsinterner Sicht ist Hamlet dagegen eine reale Person und Gonzago eine fiktive. – Aus fiktionsexterner Sicht ist Hamlet fictionaliter real und Gonzago fictionaliter fiktional, wobei das fictionaliter Reale und das fictionaliter Fiktionale aus dieser Sicht gleichermaßen irreal sind.
Die Personen Batman und Pinguin sind beide fictionaliter real—was nichts anderes bedeutet, als dass sie laut einem bestimmten Fingens real sind.
Ihre "fiktionsinterne Realität" ist aber keine Form von Realität neben der fiktionsexternen Realität als der Wirklichkeit schlechthin. Die Realität besteht ausschließlich aus dem "realiter Realen", und dazu zählen Batman, Pinguin, Hamlet (die Person) und Gonzago nicht.
Was Autorinnen oder Filmemacherinnen realiter zum Leben erwecken, sind Fingentia (fiktionale Repräsentationen) und nicht die davon repräsentierten Ficta. Fingentia existieren (als konkrete Dinge oder Ereignisse), aber Ficta nicht!