Gabriels Fiktionaler Realismus.

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Consul
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So 26. Mai 2024, 20:23

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 26. Mai 2024, 07:53
Der Unterschied ist erheblich.

Nicht jeder weiß, was Gotham City ist. Man könnte vielleicht glauben es sei eine Stadt irgendwo in den Vereinigten Staaten. Damit hätte man jedoch den falschen Bereich angegeben. In den Vereinigten Staaten existiert keine Stadt namens Gotham City (zumindest vermute ich das, nehmen wir das also einfach um des Argumentes Willen an). Aus diesem Grund könnte ich auch keinen Flug nach Gotham City buchen, denn dieser Bereich der Wirklichkeit ist auf diese Weise nicht erreichbar. Zu erreichen ist er nur, indem ich mich an der entsprechenden Aufführung der Fiktion unter anderem durch Aufbietung meiner Einbildungskraft beteilige.

Entscheidend ist hier die Angabe des Bereiches. Der Bereich, in dem Gotham City existiert, ist u.a.die Fiktion "Der Batman", die gestern als Video bei Netflix herausgekommen ist. Ein Bereich, in dem Gotham City nicht existiert, sind die Vereinigten Staaten. Habe ich den Bereich einmal angegeben, habe ich deutlich gemacht, wovon wir sprechen, entweder die fragliche Fiktion oder die Vereinigten Staaten.
Ja, aber im Gegensatz zu New York ist Gotham City eine Fantasiestadt; und eine Stadt, die nur in der Fantasie existiert, existiert eben nicht wirklich, also gar nicht. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber die sogenannte "Existenz in der Fantasie" oder "Existenz in der Fiktion" ist keine echte Existenz, sondern bloß eingebildete "Pseudoexistenz", also eigentlich Nonexistenz. Es gibt einen Bereich der Wirklichkeit namens New York, aber keinen namens Gotham City.
"Was im Falle einer Pseudoexistenz wirklich existiert, sind jederzeit nur inhaltlich bestimmte Vorstellungen[.]"

(Meinong, Alexius. Über Gegenstandstheorie. 1904. In: Alexius Meinong, Über Gegenstandtheorie/Selbstdarstellung, 1-51 Hrsg. v. Josef M. Werle. Hamburg: Meiner, 1988. S. 36)
Es gibt keinen plausiblen Grund, Ficta zu den Realia zu zählen—auch nicht den von Kripke angeführten:
"I took natural language as my guide, which just quantifies over these things."

(Kripke, Saul. A. Reference and Existence. New York: Oxford University Press, 2013. p. x)
Das stimmt zwar; aber daraus ergibt sich nur dann eine ernsthafte ontologische Festlegung auf fiktive Entitäten, wenn man die ontologische Nichtneutralität der natursprachlichen Quantorenverwendung voraussetzt, also das ablehnt, was Jody Azzouni "Quantorenneutralismus" nennt.

Es gibt den "Allquantor" ("Universalquantor") und den sogenannten "Existenzquantor" ("mindestens ein", "einige") der klassischen Prädikatenlogik, der als ontologisch nichtneutral gilt. Es besteht aber keine logisch-semantische Notwendigkeit oder Unausweichlichkeit, den "Partialquantor" (C. McGinn) mit einem ontologisch verbindlichen "Existenzialquantor" gleichzusetzen, also "Einige Fs sind Gs" mit "Es existieren einige Fs, die Gs sind". Diese definitorische Gleichsetzung beruht auf einer theoretischen Entscheidung, die man nicht unbedingt hinnehmen muss.

McGinn argumentiert, dass der Partialquantor als ontologisch unverbindlicher "Intentionalquantor" verwendet werden kann. Der Satz "Einige Dinge existieren nicht" bedeutet dann nicht widersprüchlicherweise "Einige existierende Dinge existieren nicht", sondern nichtwidersprüchlicherweise "Einige gedachte/vorgestellte/besprochene Dinge existieren nicht".

Wie anfangs bereits gesagt, die Tatsache, dass wir über Ficta "quantifizieren", impliziert eine ernsthafte Ontologie fiktiver Entitäten also nur unter der anfechtbaren theoretischen Voraussetzung der ontologischen Nichtneutralität der Quantoren.

Wenn ich beispielsweise sage, dass einige fiktive Superhelden keine übernatürlichen Kräfte haben (z.B. Batman), dann sage ich damit nicht per se, dass fiktive Superhelden ohne übernatürliche Kräfte existieren, oder dass es solche Superhelden realiter/de facto gibt.

Der nichtneutrale klassische Existenzquantor lässt sich übrigens mittels des neutralen Partialquantors und einem nichtneutralen Existenzprädikat ("E!") definieren:

ExFx =def Px(E!x & Fx)
("Fs existieren" =def "Einiges existiert und ist F"/"Mindestens ein Etwas existiert und ist F")

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 26. Mai 2024, 07:53
Es ergibt allerdings keinen Sinn, diese Bereichsangabe gleichsam zu "verdoppeln". In der Fiktion "Der Batman" ist der Pinguin keine Fiktion, sondern einer der Gegenspieler von Batman. Der Ausdruck Batman ist hier also doppeldeutig, einmal verweist er auf den Namen des Filmes, nämlich "der Batman", einmal auf die Figur Batman, die darin die zentrale Rolle spielt. Würde ich sagen, dass der Pinguin in der Fiktion "der Batman" eine Fiktion ist, würde ich die Fiktion "Der Batman" falsch wiedergeben. Das Gleiche gilt natürlich für Batman selbst; würde ich sagen, dass Batman in der Fiktion "der Batman" eine Fiktion ist, würde ich den Film falsch wiedergeben.

Alle Gegenstände in dieser Fiktion sind nur existent, sofern es Autorinnen gibt, die sie ersinnen und Betrachterinnen, die sie gleichsam zum Leben erwecken.

Also kurz gesagt: ist der Bereich als Fiktion markiert, ist es falsch, die Figuren darin nochmals als Fiktion zu markieren, das wäre eine "Verdopplung" und würde im Regelfall den Inhalt des Bereiches falsch wiedergeben. Batman ist also keine fiktive Figur, sondern eine Figur in der gleichnamigen Fiktion.
Kripke erwähnt als Beispiel einer "Fiktion in der Fiktion" Gonzago aus Shakespeare's Hamlet. Im fiktionalen Werk Hamlet ist von einem fiktionalen Drama namens "The Murder of Gonzago" die Rede.
Sowohl Hamlet als auch Gonzago sind aus fiktionsexterner Sicht fiktive Personen. Aus fiktionsinterner Sicht ist Hamlet dagegen eine reale Person und Gonzago eine fiktive. – Aus fiktionsexterner Sicht ist Hamlet fictionaliter real und Gonzago fictionaliter fiktional, wobei das fictionaliter Reale und das fictionaliter Fiktionale aus dieser Sicht gleichermaßen irreal sind.

Die Personen Batman und Pinguin sind beide fictionaliter real—was nichts anderes bedeutet, als dass sie laut einem bestimmten Fingens real sind.
Ihre "fiktionsinterne Realität" ist aber keine Form von Realität neben der fiktionsexternen Realität als der Wirklichkeit schlechthin. Die Realität besteht ausschließlich aus dem "realiter Realen", und dazu zählen Batman, Pinguin, Hamlet (die Person) und Gonzago nicht.

Was Autorinnen oder Filmemacherinnen realiter zum Leben erwecken, sind Fingentia (fiktionale Repräsentationen) und nicht die davon repräsentierten Ficta. Fingentia existieren (als konkrete Dinge oder Ereignisse), aber Ficta nicht!



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Jörn Budesheim
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So 26. Mai 2024, 21:00

Consul hat geschrieben :
So 26. Mai 2024, 20:23
eine Stadt, die nur in der Fantasie existiert, existiert eben nicht wirklich, also gar nicht...
Eine Stadt, die nur in der Fantasie existiert, existiert, wenn auch nur in der Fantasie.
Consul hat geschrieben :
So 26. Mai 2024, 20:23
Die Realität
Ich glaube nicht, dass es so etwas wie die Realität gibt. Es gibt nur unendlich viele Bereiche. Unter anderem gibt es natürlich die Phantasie, Fiktionen, abstrakte und konkrete Gegenstandsbereiche also z.b. Zahlen und Steine, natürlich Werte und objektive Schönheit und so weiter und so fort. An dieser Stelle kommen wir nicht weiter, weil deine Grundüberzeugung, dass es so etwas wie die Realität gibt, und meine Grundüberzeugung, dass es viele verschiedene Bereiche gibt, sich nie treffen werden.

Du kannst mir jetzt noch einmal versichern, dass du das für Esoterik, Geister- oder Aberglauben hältst. Und ich versichere dir im Gegenzug, dass ich deine Position für unbegründete und dogmatische Metaphysik halte.

Unsere Positionen werden sich wahrscheinlich in allen Detailfragen wegen verschiedenen ontologischen Grundweichenstellungen unterscheiden. Da kommen wir einfach nicht weiter.




Timberlake
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Mo 27. Mai 2024, 00:37

Consul hat geschrieben :
So 26. Mai 2024, 20:23


Ja, aber im Gegensatz zu New York ist Gotham City eine Fantasiestadt; und eine Stadt, die nur in der Fantasie existiert, existiert eben nicht wirklich, also gar nicht. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber die sogenannte "Existenz in der Fantasie" oder "Existenz in der Fiktion" ist keine echte Existenz, sondern bloß eingebildete "Pseudoexistenz", also eigentlich Nonexistenz. Es gibt einen Bereich der Wirklichkeit namens New York, aber keinen namens Gotham City.

  • Ich verstehe unter „Existenz“ die Tatsache, das ein Gegenstand oder einige Gegenstände in einem Sinnfeld erscheinen.“
    Markus Gabriel ... Sinn und Existenz. (24)
Wenn man allerdings unter „Existenz“ die Tatsache, versteht , dass ein Gegenstand oder einige Gegenstände in einem Sinnfeld erscheinen , so existiert sowohl New York , wie auch Gotham City. Lässt sich doch beides einem Sinnfeld zuordneten. Wenn gleich diese Sinnfelder allerdings jeweils gänzlich anderer Natur sind . So erscheint die eine Stadt im Sinnfeld der Wirklichkeit und die andere im Sinnfeld der Fantasie.
  • "Das vorliegende Buch will demgegenüber ein neues Licht auf die traditionellen Fragen werfen, die unter den Oberbegriffen »Ontologie« und »Metaphysik« versammelt sind, indem es zwei Ideen aufgibt. Erstens die Assoziation von Ontologie und Metaphysik und zweitens die Idee, dass es eine vereinheitlichte Totalität dessen gibt, was existiert, ob man diese Totalität nun »die Welt«, »das Sein«, »die Realität«, »das Universum«, »den Kosmos« oder »die Wirklichkeit« nennt. Dagegen wird die positive Ontologie der Sinnfelder gesetzt, der zufolge es unzählige Sinnfelder gibt: bei einigen handelt es sich um objektiv bestehende Bereiche, in denen Gegenstände durch Regeln individuiert werden, unter denen sie stehen, sofern sie zu einem gegebenen Bereich gehören. Andere dagegen sind nicht von der Art, dass wir ihnen objektive Existenz zuschreiben, also derart, dass sie auch dann existiert hätten, wenn es niemals Begriffsverwender gegeben hätte."
    Markus Gabriel ... Sinn und Existenz. (4)
.. das will ich wohl meinen, dass damit die Idee einer vereinheitlichten Totalität dessen aufgegeben wird , was was existiert, ob man diese Totalität nun »die Welt«, »das Sein«, »die Realität«, »das Universum«, »den Kosmos« , »die Wirklichkeit« oder auch »New York« nennt. Existiert doch dadurch auch das , was man keine objektive Existenz zuschreiben würde »die Welt«, »das Sein«, »die Realität«, »das Universum«, »den Kosmos« , »die Wirklichkeit« oder auch »Gotham City« der The-Dark-Knight-Trilogie. So einfach ist das oder besser so einfach macht sich das Markus Gabriel. Das hat jedoch ( wo hier schon mal davon die Rede war ) mit Esoterik, Geister- oder Aberglauben herzlich wenig zu tun. Das ist eine "positive Ontologie" der zufolge es unzählige Sinnfelder gibt. Bei einigen handelt es sich , wie bei New York , um objektiv bestehende Bereiche. Andere dagegen , wie Gotham City , sind nicht von der Art, dass wir ihnen objektive Existenz zuschreiben. Macht aber , wie gesagt , vor dem Hintergrund , was Markus Gabriel unter Existenz versteht , für selbiges keinen Unterschied.




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Mo 27. Mai 2024, 13:48

Timberlake hat geschrieben :
Mo 27. Mai 2024, 00:37
So erscheint die eine Stadt im Sinnfeld der Wirklichkeit und die andere im Sinnfeld der Fantasie.
"Wirklichkeit" ist eher ein "Modalbegriff" so wie Kontingenz, Möglichkeit und Notwendigkeit, obwohl er natürlich auch als "Totalitätsbegriff" Verwendung findet. Wie dem auch sei: New York liegt (u.a.) im Bereich Bundesstaat New York. Nick und Greg existieren nicht nur in der Fantasie. Sie sind auch ein Teil der "Partitur" CSI Las Vegas, die jede Betrachterin aufführen muss. Da kommen sicher auch noch andere Aspekte ins Spiel.

Wichtig: Gegenstand und Bereich verhalten sich nicht einfach wie der Keks und die Schachtel. Die Schachtel ist schließlich noch da, wenn alle Kekse aufgegessen sind. Während von der "Partitur" von CSI Las Vegas nichts übrig bleibt, wenn man alle Gegenstände "in ihr" entfernt. Mit anderen Worten: Wenn man die Existenz des Bereichs (die Fiktion CSI Las Vegas) akzeptiert, hat man damit auch die Gegenstände "in" ihr als existent akzeptiert, denn sie bilden schließlich in ihrem Zusammenwirken den Bereich.




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Jörn Budesheim
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Mo 27. Mai 2024, 14:59

Markus Gabriel ... Sinn und Existenz hat geschrieben : "Das vorliegende Buch will demgegenüber ein neues Licht auf die traditionellen Fragen werfen, die unter den Oberbegriffen »Ontologie« und »Metaphysik« versammelt sind, indem es zwei Ideen aufgibt. Erstens die Assoziation von Ontologie und Metaphysik und zweitens die Idee, dass es eine vereinheitlichte Totalität dessen gibt, was existiert, ob man diese Totalität nun »die Welt«, »das Sein«, »die Realität«, »das Universum«, »den Kosmos« oder »die Wirklichkeit« nennt. Dagegen wird die positive Ontologie der Sinnfelder gesetzt, der zufolge es unzählige Sinnfelder gibt: bei einigen handelt es sich um objektiv bestehende Bereiche, in denen Gegenstände durch Regeln individuiert werden, unter denen sie stehen, sofern sie zu einem gegebenen Bereich gehören. Andere dagegen sind nicht von der Art, dass wir ihnen objektive Existenz zuschreiben, also derart, dass sie auch dann existiert hätten, wenn es niemals Begriffsverwender gegeben hätte."
Da würde ich Gabriel widersprechen. Ich denke, dass alle Bereiche objektiv sind, und zwar deshalb, weil wir uns über die Tatsachen, die in den Bereichen bestehen, irren können.

Kleiner Widerspruch gegen den Widerspruch: In den fiktionalen Bereichen haben wir jedoch einen gewissen Spielraum. Zwei Beispiele: Bei dem, was wir uns vorstellen, was zwischen zwei Szenen in einem Film passiert, haben wir sicherlich einen gewissen Spielraum. Oder bei einem Roman kann es sein, dass wir vom "Drehbuch" selbst nicht festgelegt sind, welche Haarfarbe Protagonist X hat. Wenn wir das selbst "festlegen", ist die Möglichkeit des Irrtums (also die Objektivität) natürlich "eingeschränkt".




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Consul
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Mo 27. Mai 2024, 16:06

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 27. Mai 2024, 13:48
Wichtig: Gegenstand und Bereich verhalten sich nicht einfach wie der Keks und die Schachtel. Die Schachtel ist schließlich noch da, wenn alle Kekse aufgegessen sind. Während von der "Partitur" von CSI Las Vegas nichts übrig bleibt, wenn man alle Gegenstände "in ihr" entfernt. Mit anderen Worten: Wenn man die Existenz des Bereichs (die Fiktion CSI Las Vegas) akzeptiert, hat man damit auch die Gegenstände "in" ihr als existent akzeptiert, denn sie bilden schließlich in ihrem Zusammenwirken den Bereich.
Dann haben wir es hier mit dem mereologischen Verhältnis von Teil und Ganzem zu tun, das sich vom mengentheoretischen Verhältnis von Mitglied und Menge unterscheidet: Es kann eine mitgliedslose, leere Menge geben, aber kein teilloses, leeres Ganzes. Eine Summe von nichts ist selbst nichts.

Fußnote:
In der formalen Mereologie wird zwischen echten und unechten Teilen eines Ganzen unterschieden: Ein echter Teil eines Ganzen ist mit diesem nicht identisch, wohingegen ein unechter Teil mit dem Ganzen identisch ist. Ein Ganzes kann nur einen einzigen unechten Teil haben, während es viele echte Teile haben kann.
Ein mereologischer Grundsatz besagt, dass jedes Ganze mit echten Teilen mindestens zwei echte Teile hat. Dieser Grundsatz wird von den meisten Mereologen anerkannt—er ist ja intuitiv höchst plausibel—; aber es gibt welche, die ihn aus bestimmten theoretischen Gründen ablehnen. Ihnen zufolge kann ein Ganzes nicht nur einen einzigen unechten Teil haben, sondern auch einen einzigen echten Teil.



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Mo 27. Mai 2024, 17:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 26. Mai 2024, 21:00
Ich glaube nicht, dass es so etwas wie die Realität gibt. Es gibt nur unendlich viele Bereiche. Unter anderem gibt es natürlich die Phantasie, Fiktionen, abstrakte und konkrete Gegenstandsbereiche also z.b. Zahlen und Steine, natürlich Werte und objektive Schönheit und so weiter und so fort. An dieser Stelle kommen wir nicht weiter, weil deine Grundüberzeugung, dass es so etwas wie die Realität gibt, und meine Grundüberzeugung, dass es viele verschiedene Bereiche gibt, sich nie treffen werden.
Indem du vom Dasein einer (endlichen oder unendlichen) Vielheit von Gegenstandsbereichen sprichst, setzt du ein absolutes, allumfassendes Sein voraus, welches aus jener Vielheit besteht. Denn selbst wenn es unendlich viele Welten gibt, die voneinander (räumlich, zeitlich und ursächlich) absolut isoliert sind, so bildet die Vielheit jener Welten nichtsdestoweniger die Allheit des Seienden.

Es ist eine logisch notwendige Wahrheit, dass wenn es n Dinge (der Art A) gibt, es eine entsprechende N-heit als die eine Vielheit dieser Dinge gibt, welche zugleich deren Allheit ist, da es kein Ding (der Art A) geben kann, das nicht eines der vielen Dinge (der Art A) ist.
Im plurallogischen Sinn ist eine Vielheit als Allheit allerdings nicht ein Ding, sondern viele Dinge; das heißt, sie ist keine mengentheoretische oder mereologische Einheit.
Aber selbst wenn es so etwas wie die Menge oder die Summe aller Welten (Gegenstandsbereiche/Sinnfelder) nicht gibt, so gibt es zumindest die Vielheit aller Welten als deren Allheit (Gesamtheit). Folglich ist es immer logisch möglich, über alle Welten zu "quantifizieren".



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Mo 27. Mai 2024, 17:48

Wenn es fünf Bereiche gibt, dann gibt es insgesamt fünf Bereiche, das gebe ich gerne zu. Aber daraus folgt nicht, dass es dann so etwas wie einen Masterbereich gibt, der das Maß aller Dinge ist, etwas, das die Welt im Innersten zusammenhält, einen Teppich der Tatsachen oder einen Bereich, über den man sozusagen "unterschiedslos" quantifizieren kann. An anderer Stelle sage ich, es gibt alles. Aber es gibt nicht Alles, den Bereich aller Bereiche. Es gibt dann in dieser Sichtweise zwar fünf Bereiche, aber keine Metaphysik in dem Sinne, dass man sagen könnte, alles ist Wasser, alles ist Geist, alles ist Materie, alles ist Sprache, alles ist MERZ oder was auch immer. Es gibt also für die Summe der Bereiche keine Gesamtanordnungsregel, nicht alles hängt mit allem zusammen.

Die fünf Bereiche dienen jetzt natürlich nur der Anschauung, denn genau genommen postuliert die fragliche Ontologie unendlich viele Bereiche.




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Mo 27. Mai 2024, 18:33

Consul hat geschrieben :
Mo 27. Mai 2024, 17:17
Denn selbst wenn es unendlich viele Welten gibt, die voneinander (räumlich, zeitlich und ursächlich) absolut isoliert sind, so bildet die Vielheit jener Welten nichtsdestoweniger die Allheit des Seienden.
In dieser Ontologie gibt es keine Welt. Sonst gibt es alles. Und die unendlich vielen Bereiche sind auch nicht per se voneinander isoliert, ich "stelle mir das vor"* als ein unendlich verschlungenes Konglomerat von verwirrenden Verschachtelungen, die wir nur teilweise durchschauen können. Das völlige Gegenbild dazu wäre vielleicht ein unendliches Billardspiel, ein universelles, im Prinzip berechenbares Micro-banging of subatomic particles.

* die Anführungszeichen stehen da, weil ich nicht glaube, dass man sich jetzt wirklich gut veranschaulichen kann.




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So 28. Jul 2024, 22:44

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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 27. Jul 2024, 07:58
Consul hat geschrieben :
Do 25. Jul 2024, 23:43
Einhörner, die nicht außergeistig in der raumzeitlichen Wirklichkeit vorkommen, kommen auch nicht innergeistig in der Vorstellung vor; denn die Vorstellung von Einhörnern enthält keine Einhörner, sondern nur Einhorn-Vorstellungen, die selbst keine Einhörner sind.
Damit kommen wir zu der Diskussion, die wir an anderer Stelle schon hatten und es wird sicherlich kein Weiterkommen geben.

Hier dennoch kurz meine Position: In der biologischen Welt, wenn man sich so ausdrücken darf, kommen Einhörner nicht vor neben Zebras, Pferden, Eseln oder ähnlichem. Aber in Geschichten, die es natürlich nur gibt, wenn es Lebewesen gibt, die sie sich vorstellen, kommen sie durchaus vor. Einhörner können also in Vorstellungen vorkommen.

Im Märchen kommen Einhörner vor, sie können eine handlungstragende Rolle spielen. In Blade Runner kommt - flapsig gesagt - kein Einhorn vor, sondern ein Einhorn in einem Traum, das Einhorn kommt also in dem Film nicht in Los Angeles, sondern nur in Rick Deckard Traum vor. Aber da kommt es vor.

Wenn man den Bereich angibt: Film, Geschichte, Erzählung, Schauspiel und so weiter und so fort, dann hat man bereits angegeben, dass Vorstellungen eine entscheidende Rolle spielen. Und in diesen Vorstellungen können eben Einhörner vorkommen. Ebenso natürlich in Träumen; wenn wir davon erzählen, sagen wir, dass wir von einem Einhorn geträumt haben und wir sagen nicht (außer es hat sich so zugetragen) dass wir von einem geträumten Einhorn geträumt haben. Es gibt weder einen sprachlichen noch einen ontologischen Sinn, dass der Bereich verdoppelt angegeben werden muss, im Gegenteil es verfälscht die Tatsachen.

Genau den Unterschied, den man stark machen will, darf man halt nicht unterschlagen, auch wenn man von Geschichten, Filmen und ähnlichen erzählt, die es nur gibt, wenn jemand sie sich vorstellt: es gibt einen Unterschied zwischen "vorgestellten Einhörnern" (um die verfehlte Sprechweise hier mal als Zitat zu verwenden) und Einhörnern; beide können (vereinfacht gesagt) nur in Vorstellungen vorkommen, sind aber verschieden, und zwar durch die Bereiche, in denen sie erscheinen. In den meisten Bereichen kommen Einhörner nicht vor, z. B. in der biologischen Wirklichkeit oder in der Reihe der natürlichen Zahlen, aber in manchen Bereichen schon, nämlich in Geschichten und ähnlichem.

Deine Position krankt meines Erachtens an mindestens zwei Dingen: Sie setzt voraus, was strittig ist, dass es Einhörner nämlich nur dann gibt, wenn sie neben Pferden, Zebras und Eseln existieren. Und zweitens zwingt sie uns, alle Märchen, Filme etc. falsch zu erzählen. Gemäß dieser verfehlten Ontologie kommen z. B. in Hänsel und Gretel nur vorgestellte Hänsel und Gretel vor, aber das ist falsch, die Geschichte lautet eben anders und nicht so: "Am Rande eines großen vorgestellten Waldes wohnte ein vorgestellter armer Holzhacker mit seiner vorgestellten Frau und seinen zwei vorgestellten Kindern, Hänsel und Gretel. Sie waren so arm, dass sie oft kein vorgestelltes Essen hatten..."
Nein, du irrst dich! Denn mein fiktionaler Antirealismus zwingt mich keineswegs zu einer solchen unrichtigen Ausdrucksweise. Ich kann jeder fiktionalen Geschichte oder Erzählung ein Vorwort oder einen Vorspann voranstellen, das/der alles Folgende seiner behauptenden Kraft beraubt, sodass dessen Unwahrheit in rein erzählerischer Hinsicht keine Rolle mehr spielt. Zum Beispiel:

"Laut der folgenden unwahren (frei erfundenen/erdichteten/ausgedachten) Geschichte hat sich Folgendes zugetragen: Am Rande eines großen Waldes wohnte ein armer Holzhacker mit seiner Frau und seinen zwei Kindern, Hänsel und Gretel. Sie waren so arm, dass sie oft kein Essen hatten.…"

ABER: Was laut einer unwahren/falschen Geschichte wahr oder der Fall ist, ist natürlich nicht wirklich wahr oder der Fall.

Wenn wir unter einer Vorstellung ganz allgemein eine sprachliche oder bildliche Repräsentation, d.i. ein Zeichen oder Zeichengebilde, verstehen, dann kommen in komplexen Zeichengebilden wie Texten oder Filmen nur andere Zeichen vor und nicht das von ihnen Bezeichnete.
In einem Satz wie "Hänsel und Gretel waren bettelarm" kommen die Namen "Hänsel" und "Gretel" vor, aber nicht Hänsel und Gretel selbst.

Dem Märchen nach kommen Hänsel und Gretel selbst in der Wirklichkeit vor; aber diese Geschichte entspricht bekanntlich nicht der Wirklichkeit, sodass Hänsel und Gretel als nonexistente Personen nirgendwo vorkommen oder "erscheinen" (im Gegensatz zu den Eigennamen "Hänsel" und "Gretel" oder fiktionalen Bildern von Hänsel und Gretel). Sie werden zwar im Märchen(text) erwähnt, aber das bedeutet kein Vorkommen oder Dasein in einem besonderen Seinsbereich.

Das Gleiche gilt für alle Phantasievorstellungen wie diejenigen von Einhörnern. In solchen Vorstellungen kommen, streng und wörtlich genommen, keine Einhörner vor, sondern nur Einhornbilder.

Wenn ich mir ein Einhorn vorstelle, dann ist der Gegenstand meiner Phantasievorstellung ein Einhorn und deren Inhalt ein geistiges Einhornbild, wobei der Vorstellungsgegenstand in diesem Fall nicht existiert—im Gegensatz zum existenten Vorstellungsinhalt. Denn Einhörner existieren ja nicht.

Es ist allgemein so, dass der Inhalt einer geistigen Vorstellung (Imagination) nicht zugleich deren Gegenstand ist. Der bildliche Inhalt ist dasjenige, das in der Vorstellung real gegenwärtig ist, wohingegen der Gegenstand dasjenige (Reale oder rein Imaginäre) ist, das durch den Vorstellungsinhalt vergegenwärtigt (repräsentiert) wird.



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So 28. Jul 2024, 22:51

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 28. Jul 2024, 06:39
…Dann müsstest du die Geschichte eben so erzählen: Am Rande eines großen Waldbildes wohnte ein armes Holzhackerbild mit seinem Frauenbild und seinen zwei Kinderbildern, den Namen Hänsel und Gretel. Sie waren so arm, dass sie oft keine Essensbilder hatten.…"
Nein, wie gesagt, das muss ich keineswegs tun—und das tun fiktionale Antirealisten auch nicht! Sie lesen fiktionale Geschichten (Sagen, Märchen) nicht anders vor als fiktionale Realisten.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 28. Jul 2024, 06:39
Consul hat geschrieben :
So 28. Jul 2024, 03:40
In solchen Vorstellungen kommen, streng und wörtlich genommen, keine Einhörner vor, sondern nur Einhornbilder.
Eine Vorstellung von einem Einhornbild ist etwas vollständig anderes als eine Vorstellung von einem Einhorn. Bei einem Einhornbild stelle ich mir z.B ein Kinderzimmer vor, bei dem ein Poster mit einem Einhorn an der Wand hängt.
Richtig, sich ein Einhorn vorzustellen, ist etwas anderes, als sich ein äußeres, materielles Einhornbild vorzustellen. Ich kann mir meine Mutter vorstellen und auch ein Foto meiner Mutter, und das sind zwei unterschiedliche Vorstellungsgegenstände. Aber in beiden Fällen besteht der Vorstellungsinhalt in geistigen Bildern: einem inneren Bild meiner Mutter einerseits und einem inneren Bild eines Fotos meiner Mutter andererseits.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 28. Jul 2024, 06:39
Consul hat geschrieben :
So 28. Jul 2024, 03:40
Denn Einhörner existieren ja nicht.
Andreas Luckner und Sebastian Ostritsch, Existenz hat geschrieben : Dass wir es hier mit einer notorischen Unklarheit, ja einem Rätsel zu tun haben, zeigt sich vor allem daran, dass wir nicht recht verstehen können, was ‚Nicht-Existenz‘ überhaupt bedeuten soll. Während wir leicht begreifen können, was es heißt, dass etwas nicht real existiert (sondern z. B. nur in meiner Fantasie oder meinem Denken), wissen wir nicht, wohin oder an was wir denken sollen, wenn wir sagen, dass etwas oder jemand schlechthin nicht existiert. Das liegt freilich daran, dass wir, insofern wir von etwas und jemandem sprechen oder denken, schon damit auch dessen Existenz gesetzt haben – freilich nicht im engen Sinne realer Existenz, sondern im weiten Sinne von ‚Existenz überhaupt‘, im Sinne von ‚das oder den gibt es‘ (ob real oder irreal, konkret oder abstrakt usw.). Was würde, ja könnte denn nicht existieren? Nichts. Was, umgekehrt, existiert überhaupt? Alles.
Luckners & Ostritschs Grundirrtum ist die falsche Annahme, dass allein das Sprechen/Schreiben, Denken über oder Vorstellen von etwas eine Art von Seinssetzung einschließt.

Es ist jedoch falsch, dass alles existiert, d.h. dass all unsere Gedanken- oder Vorstellungsgegenstände existieren. Freilich, wenn man "alles" als "alles Existierende" liest, dann macht man damit "Alles existiert" zu der notwendigen analytischen Wahrheit, dass alles Existierende existiert. So muss man "alles" aber nicht logisch interpretieren. Wenn ich sage, dass nicht alles existiert, dann meine ich damit, dass nicht alle intentionalen Objekte oder Objektive (1 existieren. So gelesen, ist es wahr, dass nicht alles existiert.

(1: Unter einem "Objektiv" versteht Alexius Meinong einen intentionalen Sachverhalt.)



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So 28. Jul 2024, 23:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 28. Jul 2024, 07:19
Consul hat geschrieben :
So 28. Jul 2024, 03:40
ABER: Was laut einer unwahren/falschen Geschichte wahr oder der Fall ist, ist natürlich nicht wirklich wahr oder der Fall.
Das war für mich der erstaunlichste Teil in deinem Text. Willst du wirklich sagen, dass Geschichten, also Märchen, Romane, Science-Fiction etc. unwahr sind?
Rein fiktionale Geschichten oder Erzählungen sind unwahr/falsch, weil sie nicht der Wirklichkeit entsprechen. Allerdings besteht aufseiten der Autoren solcher Texte ja gar nicht die ernsthafte Absicht, die Wahrheit zu sagen; und die ästhetische und emotionale Wirkung fiktionaler Kunstwerke wird durch deren fehlende Wahrheits- oder Wirklichkeitstreue nicht geschmälert.
"Gedanken haben wir auch in der Dichtung; aber nur Scheinbehauptungen. Daher kann man auch einen Dichter nicht der Lüge zeihen, wenn er in seiner Dichtung wissentlich etwas Falsches sagt."

(Frege, Gottlob. "Brief an Bertrand Russell vom 28. Dezember 1902." In Gottlob Freges Briefwechsel mit D. Hilbert, E. Husserl, B. Russell, sowie ausgewählte Einzelbriefe Freges, hrsg. v. Gottfried Gabriel, Friedrich Kambartel u. Christian Thiel, 82-85. Hamburg: Meiner, 1980. S. 83)
Interessanterweise betrachtet Frege Gedanken (Aussagen) oder Behauptungen in rein fiktionalen Kontexten als "Scheingedanken" oder "Scheinbehauptungen", die weder wahr noch falsch sind. Aus seiner Sicht ist das logische Grundgesetz des ausgeschlossenen Dritten (p v ~p) in fiktionalen Kontexten außer Kraft gesetzt.

ABER: Wenn Sätze der Dichtung mit ernsthaft behauptender Kraft ausgesprochen werden würden und nicht in spielerischem Unernst, dann wären sie nicht länger wahrheitswertlos, sondern falsch.
(Ein Schauspieler oder Vorleser kann seinen fiktionalen Text natürlich mit todernster Miene vortragen, was aber nicht bedeutet, dass er ernsthaft behauptet, was er ausspricht. Gespielte Ernsthaftigkeit ist nicht echte Ernsthaftigkeit!)

Man beachte: Wenn Frege Sätze der Dichtung als sinnvoll, aber bedeutungslos bezeichnet, dann meint er, dass sie eine Bedeutung im heutigen Sinn von "Bedeutung" haben, aber keinen Bezugsgegenstand, der aus Freges Sicht entweder das Wahre oder das Falsche wäre.
"Können wir uns nicht mit dem Sinne des Satzes begnügen und auf eine Bedeutung verzichten? Es kommt ja auch sonst vor, dass ein Zeichen wohl einen Sinn, aber keine Bedeutung hat, und zwar in Sage und Dichtung. Der Sinn ist also unabhängig davon, ob eine Bedeutung vorhanden ist. Wenn es uns demnach nur auf den Sinn des Satzes, auf den Gedanken ankommt, brauchen wir uns auch nur um den Sinn der den Satz bildenden Zeichen zu kümmern; ob sie auch eine Bedeutung haben oder nicht, ist ohne Einfluss auf den Gedanken. Und dies ist in der Tat der Fall in Sage und Dichtung."

(Frege, Gottlob. "Brief an Bertrand Russell vom 13. November 1904." In Gottlob Freges Briefwechsel mit D. Hilbert, E. Husserl, B. Russell, sowie ausgewählte Einzelbriefe Freges, hrsg. v. Gottfried Gabriel, Friedrich Kambartel u. Christian Thiel, 91-96. Hamburg: Meiner, 1980. S. 95)
——————
"In der Dichtung haben die Wörter freilich nur einen Sinn, aber in der Wissenschaft und überall, wo uns die Frage nach der Wahrheit beschäftigt, wollen wir uns nicht mit dem Sinn begnügen, sondern auch eine Bedeutung mit den Eigennamen und Begriffswörtern verbinden; und wenn wir es etwa aus Versehen doch nicht tun, so ist das ein Fehler, der leicht unser Nachdenken zuschanden machen kann."
(S. 25)

"[D]er Dichtung genügt der Sinn, der Gedanke auch ohne Bedeutung, ohne Wahrheitswert, aber nicht der Wissenschaft."
(S. 32)

(Frege, Gottlob. "Ausführungen über Sinn und Bedeutung." 1892-95. In Gottlob Frege: Schriften zur Logik und Sprachphilosophie – Aus dem Nachlaß, hrsg. v. Gottfried Gabriel, 25-34. 4. Aufl. Hamburg: Meiner, 2001.)
——————
"Statt 'Dichtung' können wir auch 'Scheingedanke' sagen. Wenn der Sinn eines Behauptungssatzes also nicht wahr ist, so ist er entweder falsch oder Dichtung, und dies letzte ist er im Allgemeinen, wenn ein Scheineigenname darin vorkommt. Die Dichtkunst hat es, wie z.B. auch die Malerei, auf den Schein abgesehen. Die Behauptungen sind in der Dichtung nicht ernst zu nehmen: es sind nur Scheinbehauptungen. Auch die Gedanken sind nicht ernst zu nehmen wie in der Wissenschaft: es sind nur Scheingedanken. Wenn Schillers Don Carlos als Geschichte aufzufassen wäre, so wäre dies Drama zu einem großen Teile falsch. Aber ein Werk der Dichtkunst will gar nicht in dieser Weise ernst genommen werden; es ist ein Spiel. Auch die Eigennamen sind hier Scheineigennamen, obwohl sie mit Namen von geschichtlichen Personen übereinstimmen; sie sollen hier nicht ernst genommen werden. Ähnliches haben wir bei einem geschichtlichen Gemälde. Als Kunstwerk macht es gar nicht den Anspruch, den wirklichen Hergang vor Augen zu führen. Ein Bild, das mit photographischer Treue einen geschichtlich bedeutsamen Moment darstellen sollte, wäre kein Kunstwerk im höheren Sinne des Wortes, sondern eher einer anatomischen Abbildung in einem wissenschaftlichen Werke zu vergleichen.
Um die Scheingedanken braucht sich die Logik nicht zu kümmern, wie auch der Physiker, der das Gewitter erforschen will, das Bühnengewitter unbeachtet lassen wird."

(Frege, Gottlob. "Logik." 1897. In Gottlob Frege: Schriften zur Logik und Sprachphilosophie – Aus dem Nachlaß, hrsg. v. Gottfried Gabriel, 35-73. 4. Aufl. Hamburg: Meiner, 2001. S. 41-42)
——————
"Die Gedanken in Sage und Dichtung brauchen keinen Wahrheitswert zu haben. Ein Satz, der einen bedeutungslosen Eigennamen enthält, ist weder wahr noch falsch; der Gedanke, den er etwa ausdrückt, gehört der Dichtung an. Der Satz hat dann keine Bedeutung."

(Frege, Gottlob. "Einleitung in die Logik." 1906. In Gottlob Frege: Schriften zur Logik und Sprachphilosophie – Aus dem Nachlaß, hrsg. v. Gottfried Gabriel, 74-91. 4. Aufl. Hamburg: Meiner, 2001. S. 88)
——————
"Nicht immer, wenn wir einen Behauptungssatz aussprechen, tun wir das mit behauptender Kraft. Der Schauspieler auf der Bühne, der Dichter, der aus seinen Werken vorliest, beide werden oftmals Behauptungssätze aussprechen; aber man entnimmt aus den Umständen, dass es nicht mit behauptender Kraft geschieht. Sie tun nur so, als behaupteten sie."

(Frege, Gottlob. "Logik in der Mathematik." 1914. In Gottlob Frege: Schriften zur Logik und Sprachphilosophie – Aus dem Nachlaß, hrsg. v. Gottfried Gabriel, 92-165. 4. Aufl. Hamburg: Meiner, 2001. S. 139)



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Timberlake
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Mo 29. Jul 2024, 00:06

Consul hat geschrieben :
So 28. Jul 2024, 23:09

Rein fiktionale Geschichten oder Erzählungen sind unwahr/falsch, weil sie nicht der Wirklichkeit entsprechen.
Um dazu auf Gabriels Fiktionalen Realismus zurück zu kommen, das , was in den rein fiktionale Geschichten oder Erzählungen erwähnt wird existiert nach seiner Ansicht in einem Bereich
technik-umwelt-ethik.de hat geschrieben :
‘Sinnfelder’ sind die Voraussetzung für Existenz

“Existieren heißt: In einem von unendlich vielen Bereichen vorzukommen”, sagt Gabriel. Um zu existieren, müsse die Welt in einem Bereich vorkommen – sie kann also nicht das allumfassende Ganze sein. Stattdessen existieren unzählige sich überlappende Bereiche, die Gabriel’Sinnfelder’ nennt. Diese vergleicht der Philosoph mit einem Fliegenauge. Je nachdem durch welches Einzelauge der Betrachter blickt, sieht er ein anderes Sinnfeld. In einem existieren Zahlen, in einem anderen Staaten oder Figuren aus Stephen Kings Büchern. Zwar erscheinen manche Dinge nicht wirklich, wie die Romanfiguren, hinsichtlich der Existenz sind sie aber alle gleichwertig. “Je nach dem, wonach Sie suchen, sehen Sie unterschiedliche Dinge.” Gabriel erklärte dies am Beispiel dreier Würfel: In einem Sinnfeld nehme der Betrachter die Würfel wahr, in einem anderen sind dort keine Würfel zu sehen, sondern eine unbestimmt große Anzahl von Elementarteilchen.
.. heißt doch Existieren in einem von unendlich vielen Bereichen vorzukommen und weil die Figuren aus Stephen Kings Büchern im Bereich "Rein fiktionale Geschichten oder Erzählungen" vorkommen existieren diese Figuren genauso , wie die BRD , die im Bereich "Staat" vorkommt . Er geht damit m.E. mit Gottlob Frege insofern konform , dass er dabei .. Man beachte .. nicht etwa von Bedeutungs - , sondern von Sinnfeldern spricht ...
Consul hat geschrieben :
So 28. Jul 2024, 23:09


Man beachte: Wenn Frege Sätze der Dichtung als sinnvoll, aber bedeutungslos bezeichnet, dann meint er, dass sie eine Bedeutung im heutigen Sinn von "Bedeutung" haben, aber keinen Bezugsgegenstand, der aus Freges Sicht entweder das Wahre oder das Falsche wäre.
"Können wir uns nicht mit dem Sinne des Satzes begnügen und auf eine Bedeutung verzichten? Es kommt ja auch sonst vor, dass ein Zeichen wohl einen Sinn, aber keine Bedeutung hat, und zwar in Sage und Dichtung. Der Sinn ist also unabhängig davon, ob eine Bedeutung vorhanden ist. Wenn es uns demnach nur auf den Sinn des Satzes, auf den Gedanken ankommt, brauchen wir uns auch nur um den Sinn der den Satz bildenden Zeichen zu kümmern; ob sie auch eine Bedeutung haben oder nicht, ist ohne Einfluss auf den Gedanken. Und dies ist in der Tat der Fall in Sage und Dichtung."

(Frege, Gottlob. "Brief an Bertrand Russell vom 13. November 1904." In Gottlob Freges Briefwechsel mit D. Hilbert, E. Husserl, B. Russell, sowie ausgewählte Einzelbriefe Freges, hrsg. v. Gottfried Gabriel, Friedrich Kambartel u. Christian Thiel, 91-96. Hamburg: Meiner, 1980. S. 95)
Wenn es hier von Frege heißt "Können wir uns nicht mit dem Sinne des Satzes begnügen und auf eine Bedeutung verzichten?" so kommt man deshalb wohl nicht umhin , eben das bei Gabriels Fiktionalen Realismus an zu nehmen.




Körper
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Mo 29. Jul 2024, 15:44

Timberlake hat geschrieben :
Mo 29. Jul 2024, 00:06
Um dazu auf Gabriels Fiktionalen Realismus zurück zu kommen...
technik-umwelt-ethik.de hat geschrieben : “Existieren heißt: In einem von unendlich vielen Bereichen vorzukommen”, sagt Gabriel.
Tja, da gibt es nur ein kleines Problemchen: die Perspektive.

"In einem von unendlich vielen Bereichen vorzukommen" ist die Ich-Perspektive des Existierenden.

Wenn ich mir vorstelle, dass "Tarzan" etwas zu mir sagt - oder nein, nehmen wir lieber "Jane" - also, ich stelle mir vor, dass "Jane" etwas zu mir sagt - darf ich dann die Perspektive wechseln und behaupten "Jane sagt etwas zu mir"?
=> Nein, das sollte ich besser nicht machen - schon gar nicht in der Öffentlichkeit.

Warum sollte dann die Behauptung "Jane existiert im Sinnfeld XYZ" einen Rang oberhalb der gerade angesprochenen Peinlichkeit einnehmen?

Der Witz bei "ich stelle mir vor" ist doch, dass ich aktiv bin und es meine Handlung ist, um die es geht.
Das "Vorkommen von Jane" und "Jane sagt etwas zu mir" ist Teil meiner Handlung.

Teilen meiner Handlung ein "Eigenleben" anzudichten, so dass ich am Ende gar nicht mehr beteiligt bin, ist schon reichlich gaga.
Warum machen Philosophen so ein Zeugs?




Philmix
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Mo 29. Jul 2024, 19:50

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 1. Mär 2021, 01:38
Der fiktionale Realismus behauptet, dass Autoren dadurch, dass sie einen Eigennamen (wie „Faust“) in einem literarischen Text
verwenden, um eine fiktive Geschichte zu erzählen, einer fiktionalen Gestalt zu Existenz verhelfen, über die man dann wahre Aussagen machen kann.

Gabriel scheint der Meinung zu sein, dass schon die Wahrheit eines Satzes wie „Faust liebt Gretchen“
(oder die Falschheit von „Faust liebt Wagner“)
im Rahmen eines Gesprächs über Goethes Faust hinreicht, um einen solchen fiktionalen Realismus zu rechtfertigen.

Das sehen die meisten Vertreter dieser Position anders:


Hmmmmmmm. Komplizierte Sache!
Fiktive Wahrheiten im Rahmen fiktiver Geschichten haben ihre Daseinsberechtigung.
Der Grund ist, dass eine "geschlossene Menge von Aussagen" eine inhärente Wahrheit zum Ausdruck bringen.
Diese Wahrheit ergibt sich aus den "Wahrheiten" dieser Menge.




Körper
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Mo 29. Jul 2024, 22:03

Philmix hat geschrieben :
Mo 29. Jul 2024, 19:50
Fiktive Wahrheiten im Rahmen fiktiver Geschichten haben ihre Daseinsberechtigung.
Der Rahmen "fiktive Geschichte" gehört aber zum Fundament dieser Wahrheiten und darf nicht weggelassen werden.

Die Wahrheit lautet nicht "Faust liebt Gretchen", sondern "in der fiktiven Geschichte 'Goethes Faust' entwirft der Autor die Figurenkonstellation 'Faust liebt Gretchen'".

Die "Wahrheit" besteht aus einer Zusammenhangskombination die in einer bestimmten Reihenfolge durchlaufen werden muss.

Lässt man hier das Fundament ganz oder in Teilen weg, und behauptet (insbesondere ohne Durchlaufen der Reihenfolge) das "eigenständige Vorliegen der selektierten Wahrheit", dann ist das ein unsinniger Sprung auf ein schwebendes Kartenhaus.
Die durch Weglassen entworfene "neue Wahrheit" ist eigentlich gar keine Wahrheit, sondern eine Behauptung, deren Wahrheitsstatuts mangels Fundament nicht nachvollzogen werden kann - es ist kein Durchlaufen möglich, sondern man muss springen.
Durch Springen erreicht man aber keine Wahrheit, denn es fehlen wichtige Verbindungen.




Timberlake
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Di 30. Jul 2024, 21:19

Körper hat geschrieben :
Mo 29. Jul 2024, 15:44
Timberlake hat geschrieben :
Mo 29. Jul 2024, 00:06
Um dazu auf Gabriels Fiktionalen Realismus zurück zu kommen...
technik-umwelt-ethik.de hat geschrieben : “Existieren heißt: In einem von unendlich vielen Bereichen vorzukommen”, sagt Gabriel.
Tja, da gibt es nur ein kleines Problemchen: die Perspektive.

"In einem von unendlich vielen Bereichen vorzukommen" ist die Ich-Perspektive des Existierenden.

Wenn ich mir vorstelle, dass "Tarzan" etwas zu mir sagt - oder nein, nehmen wir lieber "Jane" - also, ich stelle mir vor, dass "Jane" etwas zu mir sagt - darf ich dann die Perspektive wechseln und behaupten "Jane sagt etwas zu mir"?
Dazu und zwar zu den Perspektivwechsel nur mal zum Vergleich ...
  • "Um zu verstehen, inwiefern der Neue Realismus eine neue Einstellung zur Welt mit sich bringt, wählen wir in einfaches Beispiel: Nehmen wir an, Astrid befinde sich gerade in Sorrent und sehe den Vesuv, während wir (also Sie, lieber Leser, und ich) gerade in Neapel sind und ebenfalls den Vesuv betrachten. Es gibt also in diesem Szenario den Vesuv, den Vesuv von Astrid aus (also aus Sorrent) gesehen und den Vesuv von uns aus (also aus Neapel) gesehen .Die Metaphysik behauptet, dass es in diesem Szenario einen einzigen wirklichen Gegenstand gibt, nämlich den Vesuv. Dieser wird gerade zufällig einmal aus Sorrent und ein andermal aus Neapel betrachtet, was ihn aber hoffentlich ziemlich kaltlässt. Es geht den Vesuv nichts an, wer sich für ihn interessiert. Das ist Metaphysik."
    Markus Gabriel ... Der neue Realismus
.. wenn es um den Vesuv geht , so darf man nicht nur bloß die Perspektive wechseln , man kommt darum gar nicht umhin.. Zumindest wenn man davon ausgeht , dass es verschiedene , um nicht sogar zu sagen , gleichsam dem o.g. Bereichen , unendliche Perspektiven auf den Vesuv gibt. Gleichwohl es gemäß der Metaphysik nur einen Vesuv , nur einen Tarzan , nur eine Jane oder nur einen , mit einer Ich -Perspektive gibt. Ob man von daher die Perspektive wechseln darf , wäre sicherlich zu hinterfragen.
Körper hat geschrieben :
Mo 29. Jul 2024, 15:44

Wenn ich mir vorstelle, dass "Tarzan" etwas zu mir sagt - oder nein, nehmen wir lieber "Jane" - also, ich stelle mir vor, dass "Jane" etwas zu mir sagt - darf ich dann die Perspektive wechseln und behaupten "Jane sagt etwas zu mir"?
.. wie dem auch sei , wenn du dir vorstellst , dass "Jane" etwas zu dir sagt, so existiert Jane im Bereich einer Vorstellung. Wenn du hingegen behauptest, dass Jane etwas zu dir sagt , dann existiert Jane im Bereich einer Behauptung. Weil sich diese Bereiche "existenziell" unterscheiden , so würde sich , im Gegensatz zu dem Vesuv , meiner Meinung nach ein Perspektivwechsel verbieten. Denn sowohl Astrid , wir , die lieben Leser , wie auch Gabriel behaupten den Vesuv zu sehen. Drei Behauptungen , die übrigens im Bereich einer Annahme existieren.
Körper hat geschrieben :
Mo 29. Jul 2024, 15:44

Der Witz bei "ich stelle mir vor" ist doch, dass ich aktiv bin und es meine Handlung ist, um die es geht.
Das "Vorkommen von Jane" und "Jane sagt etwas zu mir" ist Teil meiner Handlung.

Teilen meiner Handlung ein "Eigenleben" anzudichten, so dass ich am Ende gar nicht mehr beteiligt bin, ist schon reichlich gaga.
Warum machen Philosophen so ein Zeugs?
Damit weiß ich allerdings, in dem Kontext “Existieren heißt: In einem von unendlich vielen Bereichen vorzukommen” nichts an zu fangen.




Körper
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Di 30. Jul 2024, 22:45

Timberlake hat geschrieben :
Di 30. Jul 2024, 21:19
.. wie dem auch sei , wenn du dir vorstellst , dass "Jane" etwas zu dir sagt, so existiert Jane im Bereich einer Vorstellung.
Nein, "dass ich mir 'etwas' vorstelle" bedeutet : ich reagiere so, als würde 'etwas' existieren.
Es geht also nicht um "die existierende Jane", sondern um "das So-Tun-Als-Ob" - es ist ein reiner Reaktionsentwurf.

Es ist vollkommen gaga, dass von meinem So-Tun-Als-Ob in die Perspektive von "Jane", "zu existieren", gewechselt wird.
Es gibt nirgendwo eine Berechtigung, das So-Tun-Als-Ob aus der Rechung herauszunehmen.
Timberlake hat geschrieben :
Di 30. Jul 2024, 21:19
Wenn du hingegen behauptest, dass Jane etwas zu dir sagt , dann existiert Jane im Bereich einer Behauptung. Weil sich diese Bereiche unterscheiden , so würde sich meiner Meinung nach ein Perspektivwechsel verbieten.
Nö, du hast es lediglich nicht verstanden.
Dein Wechsel von "Ich behaupte dass Jane...", zu "Jane existiert jetzt im Bereich einer Behauptung" ist ein Perspektivwechsel im selben "Bereich".
Wenn ich die Analogie eines Perspektivwechsels ins Spiel bringe, dann bestehst du plötzlich darauf, dass dies zwei Bereiche seien, wechselst aber jeweils im einzelnen Bereich die Perspektive.

Wenn du aber für einen Perspektivwechsel einen Bereichswechsel benötigst, dann musst du den Bereichswechsel auch für deinen Wechsel von So-Tun-Als-Ob zu "Jane existiert" durchführen.
Nur lässt du das sang und klanglos unter den Tisch fallen.

Das ist typisch Philosophie: man steckt vorne rein, was hinten rauskommen soll.
Das ist letztlich eine zeitverschwendende Selbstdarstellung des Philosophen.




Timberlake
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Di 30. Jul 2024, 23:09

Körper hat geschrieben :
Di 30. Jul 2024, 22:45


Es ist vollkommen gaga, dass von meinem So-Tun-Als-Ob in die Perspektive von "Jane", "zu existieren", gewechselt wird.
Ganz meiner Meinung , kreide ich doch genau das an Gabriells “Existieren heißt: In einem von unendlich vielen Bereichen vorzukommen”, an . Das alles , auch das , was in deinem Bereich "So-Tun-Als-Ob " vorkommt existiert bzw. von daher in die Perspektive "zu existieren" wechselt . Dazu nur mal zur Erinnerung ..
Timberlake hat geschrieben :
Mo 29. Jul 2024, 00:06
technik-umwelt-ethik.de hat geschrieben :
‘Sinnfelder’ sind die Voraussetzung für Existenz

“Existieren heißt: In einem von unendlich vielen Bereichen vorzukommen”, sagt Gabriel. Um zu existieren, müsse die Welt in einem Bereich vorkommen – sie kann also nicht das allumfassende Ganze sein. Stattdessen existieren unzählige sich überlappende Bereiche, die Gabriel’Sinnfelder’ nennt. Diese vergleicht der Philosoph mit einem Fliegenauge. Je nachdem durch welches Einzelauge der Betrachter blickt, sieht er ein anderes Sinnfeld. In einem existieren Zahlen, in einem anderen Staaten oder Figuren aus Stephen Kings Büchern. Zwar erscheinen manche Dinge nicht wirklich, wie die Romanfiguren, hinsichtlich der Existenz sind sie aber alle gleichwertig. “Je nach dem, wonach Sie suchen, sehen Sie unterschiedliche Dinge.” Gabriel erklärte dies am Beispiel dreier Würfel: In einem Sinnfeld nehme der Betrachter die Würfel wahr, in einem anderen sind dort keine Würfel zu sehen, sondern eine unbestimmt große Anzahl von Elementarteilchen.
.. heißt doch Existieren in einem von unendlich vielen Bereichen vorzukommen und weil die Figuren aus Stephen Kings Büchern im Bereich "Rein fiktionale Geschichten oder Erzählungen" vorkommen existieren diese Figuren genauso , wie die BRD , die im Bereich "Staat" vorkommt .
Ich ergänze ..

Das die Figuren aus Stephen Kings Büchern ( So-Tun-Als-Ob) genau so existieren , wie die BRD ist vollkommen gaga.
Körper hat geschrieben :
Di 30. Jul 2024, 22:45

Das ist typisch Philosophie: man steckt vorne rein, was hinten rauskommen soll.
Das ist letztlich eine zeitverschwendende Selbstdarstellung des Philosophen.
Natürlich nur , wenn das , was von dir von vorne herein gesteckt wurde , so hinten raus kommen soll. Was ich allerdings mittelerweile bezweifle. Gehe ich doch einmal davon aus , dass du auch hier , wieder einmal das unter zu bringen versuchst , was dir ein besonderes Anliegen ist , deinen Standpunkt zum das Leib Seele Problem. ..
Körper hat geschrieben :
Do 25. Jul 2024, 18:21


"Körper" und "Nervensystem" betrachte ich als "Wechselwirkungswolken" und ich gehe von einer Grenze in der Analysierbarkeit aus.
D.h. wenn man die Wechselwirkungswolken immer feiner betrachtet, dann stösst man irgendwann an den Umstand, dass man keine weitere Wechselwirkung zur Wahrnehmung durchführen kann, weil dies dann entweder die einzige Wechselwirkung wäre oder die zu untersuchende Wechselwirkung dominierend überlagert und sich damit keine weiteren Erkenntnisse ergeben.

Über Wechselwirkungen dürfte man an Existenz (als vermutete Grundlage von Wechselwirkung) nur in Bezug auf "wie verhält sich Existenz" herankommen und das ist kein 1:1-Herankommen.
Aus meiner Sicht kann man sich also maximal erschliessen, WIE sich Existenz verhält, aber nie, WAS Existenz ist.

Ich mache somit keine ontologische Aussage.
Was ist Materie? -> keine Ahnung - etwas das wechselwirkt?
Welche Existenzarten gibt es? -> keine Ahnung
Wenn es Existenz gibt, sind dann der Tisch vor mir und ich, unterschiedliche Existenzen? -> keine Ahnung

Ich sehe es als komplett falsch an, vom Menschen ausgehend, die Existenz-Varianten in der Welt einschätzen zu wollen.
Ansätze wie "das Geistige ist die Grundlage der Welt" wirken auf mich sehr komisch und oftmals wird mit "der Mensch ist ein geistiges Wesen" gestartet, wodurch ich sofort einen religiös/philosophischen Glaubenssprung-Charakter erreicht sehe.

Ich kann dir allerdings versichern , dass das , was du hier zur Existenz ausgeführt hast , so ganz und gar nichts mit Gabriels “Existieren heißt: In einem von unendlich vielen Bereichen vorkommen” und demzufolge mit dessen fiktionalen Realismus zu tun hat.




Körper
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Mi 31. Jul 2024, 09:17

Timberlake hat geschrieben :
Di 30. Jul 2024, 23:09
Ich ergänze ..

Das die Figuren aus Stephen Kings Büchern ( So-Tun-Als-Ob) genau so existieren , wie die BRD ist vollkommen gaga.
Falls du mit "BRD" die Staatsidee meinst, dann geht es in beiden Fällen nur um die Reaktion desjenigen, der sich darum kümmert.
Die Reaktionen unterscheiden sich, weil es ja andere Zusammenhänge sind, aber es ist gleichermassen poetisch, wenn man in die "Existenz-Perspektive" der Figuren und der BRD springt.

Solltest du mit "BRD" den physikalischen Erdball-Ausschnitt meinen, dann sieht es natürlich anders aus, denn die "Erde" wechselwirkt.
Timberlake hat geschrieben :
Di 30. Jul 2024, 23:09
Ich kann dir allerdings versichern , dass das , was du hier zur Existenz ausgeführt hast , so ganz und gar nichts mit Gabriels “Existieren heißt: In einem von unendlich vielen Bereichen vorkommen” und demzufolge mit dessen fiktionalen Realismus zu tun hat.
Naja, das ist ja sofort erfüllt, wenn ich mich sauber aus ontologischen Behauptungen fernhalte.
Das ich das machen muss, kann ich begründen (du hast es zitiert).
Timberlake hat geschrieben :
Di 30. Jul 2024, 23:09
Natürlich nur , wenn das , was von dir von vorne herein gesteckt wurde , so hinten raus kommen soll. Was ich allerdings mittelerweile bezweifle.
Das ist jetzt schade, denn du hast nicht angegeben wie, wo, was du bezweifeln können möchtest.
Du hast noch nicht einmal angegeben, was ich vorne reinstecken soll, damit es hinten herauskommt.
Da musst du nachbessern.
Timberlake hat geschrieben :
Di 30. Jul 2024, 23:09
Gehe ich doch einmal davon aus , dass du auch hier , wieder einmal das unter zu bringen versuchst , was dir ein besonderes Anliegen ist , deinen Standpunkt zum das Leib Seele Problem.
1.
Es ist ja grundsätzlich nicht verkehrt, dass ich einen konsistenten Ansatz anstrebe.
2.
Ich habe das, was du von mir zitierst, nicht in diesem Thread geschrieben und meine Kritik an „Gabriels“-Behauptungen haben selbstverständlich meinen Ansatz als Motivation, aber du scheinst ja seine Behauptungen auch nicht teilen zu wollen und bestätigst meine Kritik (deine Motivation ist mit unbekannt)
3.
"Gabriel" versucht durch seine Ontologie-Erfindung Vorgänge der (menschlichen) Wahrnehmung zu "erklären" (naja, es ist eher ein phantasievolles Ausweichen).
Das betrifft natürlich die Frage, wie der Mensch funktioniert.
Abgeleitet von seinen "Sinnfeldern" (was auch immer das sein soll) will er "das Denken" als "Sinn" (analog zu Sehen. Hören, usw.) einordnen können.
Damit ist mir ja vorgegeben, worum es geht.




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