Das leuchtet mir trotz Frühlings-Stimmung nicht ein, warum dadurch der Begriff Wesen unnötig oder „leer“ genannt werden sollte. Denn auch, wenn wir nicht zu erfassen vermögen, was das Wesen eines Dings sei, so gibt es doch seine unbestreitbare Realität, und obwohl diese Realität nicht als Ganze erfassbar wird, so sei wenigstens das genannt sein Wesen.Friederike hat geschrieben : ↑So 9. Mai 2021, 15:44Dann kann man auf den Begriff "Wesen" und das, was mit ihm gemeint ist, doch verzichten, oder nicht? Wenn man sagt, es gäbe das Wesen eines Dinges und es sei aber unergründlich, dann werden Wort und Wesen sinn-los. Das ist nichts gegen Dich @Alethos, es ist eine fragende Feststellung. Man könnte anstelle von Wesen ebensogut irgendein anderes, ein ausgedachtes Wort nehmen, irgendeine Buchstabenfolge, von der niemand weiß, was sie bedeutet. Das heißt, es muß im Hintergrund Deiner Äußerung eine bestimmte Bedeutung von "Wesen" geben, vor dem die Äußerung Sinn ergibt. Aber welche Bedeutung ist das? Man könnte vielleicht sagen, es ist genau das, was über "etwas" nicht gesagt werden kann, nur bleibt die Bedeutung des Wortes "Wesen" dann auch "leer" (mir fällt nur "leer" ein).Alethos hat geschrieben : ↑Sa 8. Mai 2021, 14:03[...] Meine Lösung: Ich erkläre, dass wir wissen, was ein Tisch ist durch seine wesentlichen Eigenschaften als Tisch, und behaupte, dass wir dadurch nicht erfasst haben, was das Wesen des Dings dort ist, das (auch) Tisch ist. Das Wesen des Dings ist unergründlich, weil es nicht nur dieser Gegenstand ist. Seine „Ganzheit als Ding“ ist viele Gegenstände zugleich.
Würden wir unterstellen wollen, dass der Wesensbegriff „leer“ sei im Sinne von „bedeutungslos“ oder „inhaltslos“, dann würden wir damit ja gerade behaupten, das Ding habe keine Substanz. Wir verfügen aber über den Begriff (Substanz, Wesen) mit guten Gründen, weil die Dinge ja nicht leer sind, sondern volle und ganze im Lichte ihrer Einordnung in der Wirklichkeit.
Der Begriff „Wesen“ stünde so gesehen stellvertretend für die Tatsache, dass wir Dinge nicht in ihrer Ganzheit erfassen, wenn wir sie durch ihre wesentlichen Eigenschaften zu denken versuchen, weil wir ihrer Wirklichkeit damit nicht gerecht werden. Wenn wir sie beschreiben als „das“ und „genau das“, dann erfassen wir vielleicht etwas Wesentliches an ihnen, aber wir beschreiben damit nicht ihr Wesen als Wesen. Sie sind jeweils auch mehr als das, was wir mit wesentlichen Eigenschaften beschreiben, weil, indem sie sind, sich ihr volles Potenzial aktualisiert, d.h. sie sich als das oder das zugleich zeigen. Wenn ein Tisch von Holzwürmern gefressen werden soll, d.h, wenn er in dieser Tatsache potenziell vorkommen können soll, muss er notwendig aus Holz bestehen. Nicht als „Tisch“ muss er notwendig aus Holz bestehen, aber als dieser Tisch dort, der gefressen wird. Es gibt keinen Sachverhalt, in dem am Ding nichts wesentlich wäre, wenn er genau jener ist, der in diesen Tatsachen vorkommt, in denen er eben vorkommt. Er ist, anders gesagt, sofern er ist, notwendig dieser. Um sein zu können, muss er notwendig dieser sein, un wäre er möglicherweise etwas Anderes, wäre er immer noch der Möglichkeit nach dieses. Dann aber, wenn er also sein soll, der Möglichkeit nach oder in konkreter Aktualität, muss alles an ihm wesentlich sein - weil seine Realität sein Wesen impliziert. Ergibt sich also seine Realität relational, wie wir festgestellt haben, d.h. ergibt sich seine Wirklichkeit aus der tatsächlichen Einbettung in Beziehungen, so muss alles an ihm wesentlich sein, was diese Beziehungen ermöglicht.
Der Wesensbegriff füllt also nicht eine Leerstelle, sondern dient in pragmatischer Art und Weise der Handhabung dieses Umstands, dass den Dingen nichts akzidentiell zukommt, sondern alles immer notwendig ist für sie als diese Dinge, die sie sind.
Du selbst hattest vorgeschlagen, den Begriff „Wesen“ in der Funktion einer absoluten Metapher zu verwenden. Absolute Metaphern stehen ja auch für etwas und nicht für nichts. Sie sind Begriffe, die keinen Gegenstand bezeichnen resp. stehen sie für etwas, das die Gegenständlichkeit in der Form klarer Definitionen transzendiert. „Sein“, „Wahrheit“, „Gott“ wären solche absoluten Metaphern, die nicht keinen Gegenstand haben, sondern für deren Unbegrifflichkeit stehen.