Das Wesen der Dinge

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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Sa 29. Jan 2022, 07:33

Den Aufwinden sind
Die Krähen nur
Dunkle Flecke

Das identifizierende
Denken der Lüfte ist
Der Krähen Glück




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Jovis
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Sa 29. Jan 2022, 09:32

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 29. Jan 2022, 06:20
  • Welche Eigenschaften sind notwendig und zusammen hinreichend, damit "das da" ein Markknochen ist.
  • Welche Eigenschaften hat "das da"? Was ist es, was es zu diesem Individuum macht, das von allen anderen unterschieden ist.
Diese beiden Fragestellungen schließen sich weder aus, noch stehen sie sich gegenseitig im Wege, finde ich.
Ja, da stimme ich dir zu. Ich hatte allerdings beim Nachdenken über das Wesen der Dinge bisher automatisch vor allem in die erste Richtung gedacht, hatte dabei aber ein diffuses Gefühl, dass da noch was fehlt. Jetzt hat sich das gelichtet. :-)




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Jovis
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Sa 29. Jan 2022, 10:09

Noch ein Zitat zum Begriff von Adorno (ja, er ist reichlich aus der Mode gekommen, ich weiß, und vieles, was er schreibt, ist stark zeitgeschichtlich gefärbt - er wäre der Erste, der das zugestehen müsste; trotzdem ist er für mein Denken sehr bereichernd):

"Darin [ein Bezug zu Husserl] meldet sich [...] die Erinnerung an, daß der Begriff nichts der Sache Äußerliches und Zufälliges sei, das willkürlich durch Abstraktion hergestellt wird, sondern daß der Begriff, Hegelisch gesprochen, das Leben der Sache selber ausdrückt [...]"
(Zur Metakritik der Erkenntnistheorie, S. 121)

Zu dem anderen Adorno-Zitat über die Konstellation: Meine Assoziation dazu war, dass ein Begriff selbst schon eine Konstellation von anderen Begriffen ist, also kein "atomares" Ding. Tisch, um bei diesem Beispiel zu bleiben, ist ja mehr als dieses Wort - sonst wäre es nicht viel mehr als ein Name -, sondern beinhaltet all das, was wir unter diesem Begriff nur zusammenfassen: eine Platte, um etwas drauflegen zu können, Beine, worauf er stehen kann, eine bestimmte Höhe etc. Dies wiederum sind auch lauter Begriffe, die sich erst in einer Konstellation definieren, und immer so weiter ... (Adorno spricht gelegentlich auch vom begrifflichen Netz, von überspinnen, von Gewebe).

Da im Begriff immer abstrahiert werden muss, wird man der sprachlichen Darstellung der Sache, die man mit dem Begriff meint, nur gerecht, wenn man das, von dem man abstrahiert hat, durch eine Konstellation verschiedener Begriffe wieder zusammenfügt. Dieses Problem haben wir hier beim Philosophieren ja immer wieder. Jemand beginnt ein Thema, z.B. "Erfolg", und dann kommen wir ganz schnell an den Punkt, wo erst einmal geklärt werden muss, was man unter dem Begriff eigentlich verstehen will. Das heißt, er allein reicht nicht aus zum Verständnis eines Sachverhalts. Oder in diesem Faden: Was verstehen wir denn unter dem Begriff "Wesen"? Im Begriff ist etwas zusammengefasst, was bei seiner Verwendung erst wieder entfaltet werden muss. Nicht immer im alltäglichen Gebrauch (obwohl auch da oft genug, bzw. wenn es nicht geschieht, kann es schnell zu Missverständnissen führen), aber allemal, wenn man genauer über einen Sachverhalt nachdenkt.

(Ich bin dann mal weg für eine Woche, also nicht wundern, wenn ich hier schweige. Aber das kennt ihr ja ohnehin von mir, dass ich immer wieder abtauche.)




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Friederike
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Sa 29. Jan 2022, 10:52

Jovis hat geschrieben :
Fr 28. Jan 2022, 18:38
Zu Sprache und Begriff schrieb der Theodor u.a. folgendes:

"[Sprache] bietet kein bloßes Zeichensystem für Erkenntnisfunktionen. Wo sie wesentlich als Sprache auftritt, Darstellung wird, definiert sie nicht ihre Begriffe. Ihre Objektivität verschafft sie ihnen durch das Verhältnis, in das sie die Begriffe, zentriert um eine Sache, setzt. Damit dient sie der Intention des Begriffs, das Gemeinte ganz auszudrücken. Konstellationen allein repräsentieren, von außen, was der Begriff im Innern weggeschnitten hat, das Mehr, das er sein will so sehr, wie er es nicht sein kann. Indem die Begriffe um die zu erkennende Sache sich versammeln, bestimmen sie potentiell deren Inneres, erreichen denkend, was Denken notwendig aus sich ausmerzte."
(Negative Dialektik, S. 164)
Jörn hat geschrieben : Ich stelle mir vor, wie ein gewisser Theodor am Wiesengrund sitzt. Gerade will er denken: "Dieses wunderbar volle Grün der Wiese." Doch er bremst sich. Denn er will die Wiese und ihre Farbe natürlich vor dem zurichtenden Zugriff des Subjekts und des Begriffs bewahren. So viel Romantik muss sein. Doch plötzlich fällt ihm etwas auf: Wenn er von diesem wunderbar vollen Grün spricht, färbt dann nicht die wirkliche Farbe der Wiese auf den Begriff ab? Ist es nicht die Wiese selbst in ihren vielfältigen Grüntönen, die in diesem Moment die Bedeutung des Begriffes bestimmt? Wie sollte er das Max erklären?
Der zurichtende Zugriff des Begriffs meint, was der "Begriff im Innern wegschneidet" -




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Friederike
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Sa 29. Jan 2022, 12:56

Jörn hat geschrieben : Ich stelle mir vor, wie ein gewisser Theodor am Wiesengrund sitzt. Gerade will er denken: "Dieses wunderbar volle Grün der Wiese." Doch er bremst sich. Denn er will die Wiese und ihre Farbe natürlich vor dem zurichtenden Zugriff des Subjekts und des Begriffs bewahren. So viel Romantik muss sein. Doch plötzlich fällt ihm etwas auf: Wenn er von diesem wunderbar vollen Grün spricht, färbt dann nicht die wirkliche Farbe der Wiese auf den Begriff ab? Ist es nicht die Wiese selbst in ihren vielfältigen Grüntönen, die in diesem Moment die Bedeutung des Begriffes bestimmt? Wie sollte er das Max erklären?
Die Wiese selbst ist hier Teil der Bedeutung. Und diese Liaison ist nur möglich, weil der Begriff (dank Abstraktion) dafür offen ist.
Das habe ich noch nicht begriffen.

Und nochmals das Zitat aus der ND:
Adorno hat geschrieben : [Sprache] bietet kein bloßes Zeichensystem für Erkenntnisfunktionen. Wo sie wesentlich als Sprache auftritt, Darstellung wird, definiert sie nicht ihre Begriffe. Ihre Objektivität verschafft sie ihnen durch das Verhältnis, in das sie die Begriffe, zentriert um eine Sache, setzt. Damit dient sie der Intention des Begriffs, das Gemeinte ganz auszudrücken. Konstellationen allein repräsentieren, von außen, was der Begriff im Innern weggeschnitten hat, das Mehr, das er sein will so sehr, wie er es nicht sein kann. Indem die Begriffe um die zu erkennende Sache sich versammeln, bestimmen sie potentiell deren Inneres, erreichen denkend, was Denken notwendig aus sich ausmerzte."
Meint Adorno hier nicht, Begriffe würden das Gemeinte festlegen; mein Bild dazu sind Fossilien in einem Stein. Das Gemeinte wird im Begriff wie ein Fossil verewigt. In Bewegung geraten kann dieser statische Zustand nur, indem wir mit weiteren Begriff Konstellationen bilden, d.h. mit weiteren Begriffen das Gemeinte umkreisen.

Und ich weiß nun nicht, ob die "Geschlossenheit", die ich meine bei A. herauszulesen, im Widerspruch zu Deiner "Offenheit" steht @Jörn, oder ob es nur die Kehrseite der Offenheit des Begriffes ist. Oder ob Du etwas völlig Anderes meinst.

Ich schicke den Beitrag ab, obwohl ich eher nur laut gedacht habe (und @Jovis, Deine Überlegungen habe ich vorläufig! gar nicht berücksichtigt).




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Jovis
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Sa 29. Jan 2022, 14:02

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 28. Jan 2022, 13:43
Dass wir sprechen können, ist so eine erstaunliche Fähigkeit, über die kein anderes Tier in dieser Weise verfügt. Doch woher kommt die weit verbreitete Skepsis gegenüber der Sprache?
Ich würde es nicht als Skepsis bezeichnen, sondern als Bewusstsein dessen, dass Sprache und Sache nun einmal nicht identisch sind. Diese Nichtidentität ist aber nicht eine des unvermittelten Gegensatzes, sondern der aufeinander Bezogenheit. Und dem nachzugehen und sich dessen überhaupt immer bewusst zu sein finde ich philosophisch ergiebiger als ein lapidares „Das ist so“.

(Och nö, mit dem Handy hier zu schreiben macht keinen Spaß. :-()




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Jörn Budesheim
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So 30. Jan 2022, 07:54

Friederike hat geschrieben :
Sa 29. Jan 2022, 12:56
Jörn hat geschrieben : "[...] Dieses wunderbar volle Grün der Wiese. [...]"
[...] Das habe ich noch nicht begriffen. [...]
Jovis hat geschrieben :
Sa 29. Jan 2022, 14:02
[...] Ich würde es nicht als Skepsis bezeichnen, sondern als Bewusstsein dessen, dass Sprache und Sache nun einmal nicht identisch sind. Diese Nichtidentität ist aber nicht eine des unvermittelten Gegensatzes, sondern der aufeinander Bezogenheit. [...]
Es gibt immer wieder Situationen, in denen das, was wir denken und sagen nicht verständlich gemacht werden könnte, wenn wir den jeweiligen Kontext nicht mit im Blick haben. Der Ausdruck "Grün" in dem vorliegenden Beispiel handelt eben genau von den Grüntönen, die jeweils sinnlich präsent sind. Mit anderen Worten, das Grün selbst ist Teil der Bedeutung des Gedankens, der Aussage. Das Grün selbst färbt die Begriffe ein, wenn man so will. Denn man kann den Gedanken bzw die Aussage nur verstehen, wenn man diese bestimmten Grüntöne wirklich sieht. Der Philosoph John McDowell spricht in solchen Fällen von "Gehalten de re". Solche Gehalte sind an die Präsenz der Wirklichkeit gebunden. Das kartesische Bild des Geistes, bei dem immer fraglich ist, wie wir zur Welt kommen, soll damit ad acta gelegt werden.

David Lauer drückt das in einem Text über John McDowell so aus: "Dass sich in begrifflichen Einstellungen die Welt als solche unmittelbar zur Geltung bringt, scheint nur dann eine Unmöglichkeit zu sein, wenn man den Geist als ein „inneres“, nicht als solches Welt involvierendes Vermögen begreift und begrifflichen Gehalt somit als weltfremd – indem man beispielsweise Begriffe als abstrakte Kennzeichnungen bzw. Beschreibungen begreift, deren Sinn sich unabhängig von jeder konkreten, situationsgebundenen Instantiierung angeben lassen muss. So scheint die skeptische Frage aufgeworfen, ob unsere Begriffe überhaupt auf die Welt 'passen'."

Nach meiner Vorstellung ist das ein anderes Bild als das der "Bezogenheit", welches (du) Jovis gezeichnet ha(s)t. Denn hier wird geltend gemacht, dass Begriffe in sich selbst welthaltig, bzw. um den Ausdruck Welt zu vermeiden, wirklichkeitsgesättigt sein können.

Wenn man sich nun ausmalt, dass Sprechenlernen grundlegend solcher Situationen bedarf, wo die Gegenstände, von denen die Rede ist, in die Rede "eingebaut" sind, dann kann man sich vorstellen, wie grundlegend diese Konstellation für uns ist.




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Jörn Budesheim
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So 30. Jan 2022, 09:27

Jovis hat geschrieben :
Sa 29. Jan 2022, 14:02
[...] Ich würde es nicht als Skepsis bezeichnen [...]
Jan Thumann hat geschrieben : Mit Hegel gesprochen ist die Philosophie wesentlich die Arbeit am Begriff; Adorno teilt diese Bestimmung, reflektiert das Medium begrifflicher Erkenntnis jedoch kritisch. Zum einen verwirft er alle Identitätsphilosophie, welche wähnt durch den Begriff der Sache voll habhaft werden zu können, weil sie der Qualität des Objekts durchaus nicht gerecht wird. Das identifizierende Denken zeigt nämlich nur auf „worunter etwas fällt, wovon es Repräsentant ist, was es also nicht selbst ist“. Begriffe sind dabei immer ein Medium des Allgemeinen und schneiden somit Besonderheiten des Gegenstandes ab. So kann etwa die Aussage, dass A B ist, nur als Tautologie völlig wahr sein. Bei Aussagen wie, dass das Pferd ein Tier ist, wird außer Acht gelassen, dass der Begriff Pferd auch noch viele weitere Bestimmungen besitzt. Gleichzeitig bezeichnet auch der Begriff Tier einiges mehr, was der Begriff Pferd nicht bezeichnet. Die Begriffsbildung ist also immer „eins mit Abstraktion“ (Tiedemann:72) und in solchen Allgemeinbegriffen bleibt die Eigenheit der Sache stets unerkannt. Adorno schreibt daher der Begriff habe einen „immanent antinomischen“ Charakter: je rücksichtsloser und vollständiger die Sache als erkannt behauptet wird, desto weiter entfernt sich die begriffliche Bestimmung letztlich von dem ihr zugrunde liegenden Gegenstand. Ihren Ursprung hat diese identifizierende Reflexionsform für Adorno dabei in einer Gesellschaft, in welcher der Tausch, durch dessen abstrahierendes Prinzip de facto ungleiche Gegenstände einander zum Zweck des Warenaustausch als äquivalent gesetzt werden, die maßgebliche Struktur der Wirklichkeit darstellt ...
Die Textstelle ist "nur" aus einem studentischen Referat, es stimmt jedoch mit meinen Vorurteilen gegenüber Adorno recht gut überein. Mag sein, dass das alles falsch ist, aber in meiner Vorstellung ist diese Position ziemlich skeptisch.
Walter Ziegler hat geschrieben : Auf diese Art stülpen wir in brutaler Weise Begriffe über die Welt, ob sie nun passen oder nicht. Da Begriffe und Worte dem bezeichneten Gegenstand aber immer Gewalt antun, ist auch unsere Sprache nichts anderes, als ein Organon von Herrschaft, eine Ansammlung von Machtinteressen.
Adorno hat geschrieben : das Identitätsdenken sagt worunter etwas fällt, wovon es Exemplar ist oder Repräsentant, was es also nicht selbst ist.
Das führt Adorno zu solchen paradox anmutenden Bestimmungen: "die Philosophie ist die permanente und wie auch immer verzweifelte Anstrengung, zu sagen, was sich nicht sagen lässt." "Die Utopie der Erkenntnis wäre es, das Begriffslose mit Begriffen aufzutun, ohne es ihnen gleich zu machen."




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Jörn Budesheim
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So 30. Jan 2022, 15:33

Da Begriffe und Worte dem bezeichneten Gegenstand aber immer Gewalt antun, ist auch unsere Sprache nichts anderes, als ein Organon von Herrschaft, eine Ansammlung von Machtinteressen.
Ich will nicht bezweifeln, dass das von Fall zu Fall so sein kann. Aber ich halte es für komplett abwegig, zu glauben, dass es grundsätzlich so ist.




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Friederike
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So 30. Jan 2022, 15:50

Ich bin an einer anderen Stelle noch hängengeblieben und zwar an diesem Teilsatz (aus der von Jovis zitierten Passage aus der ND) -
[... ]der Intention des Begriffs, das Gemeinte ganz auszudrücken

weil ich meinerseits "skeptisch" bin, ob diese Annahme zutrifft. Ich denke mir, daß Begriffsbildung in der Absicht geschieht, Eindeutigkeit herzustellen, d.h. eindeutiges Sprechen zu ermöglichen, um der leichteren und besseren Verständigung willen. Das muß, glaube ich, nicht mit der Absicht einhergehen, die Dinge "voll" zu erfassen.




Burkart
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So 30. Jan 2022, 17:09

Friederike hat geschrieben :
So 30. Jan 2022, 15:50
Ich bin an einer anderen Stelle noch hängengeblieben und zwar an diesem Teilsatz (aus der von Jovis zitierten Passage aus der ND) -
[... ]der Intention des Begriffs, das Gemeinte ganz auszudrücken

weil ich meinerseits "skeptisch" bin, ob diese Annahme zutrifft. Ich denke mir, daß Begriffsbildung in der Absicht geschieht, Eindeutigkeit herzustellen, d.h. eindeutiges Sprechen zu ermöglichen, um der leichteren und besseren Verständigung willen. Das muß, glaube ich, nicht mit der Absicht einhergehen, die Dinge "voll" zu erfassen.
Die Idee der Eindeutigkeit ist schön und ist ein nettes Ziel, was leider aber nur teilweise gelingt.
Es gelingt dann, wenn man etwas/einem Subjekt oder Objekt einem eindeutigen Namen oder andere Identifikation ("der blaue Stuhl da drüben") zuordnen kann, also am besten etwas klar Begrenztes aus der realen, z.B anfassbaren Welt.
Es gelingt z.B. dann nicht gut, wenn man abstrakter wird, wie z.B. "der gute Mensch", "die Politik (von X)" usw.

Begriffe sind üblicherweise mit Kernattributen z.B. eines Objektes verknüpft, ergänzt um weitere optionale Attribute.
So wird ein Tisch wohl das Kernattribut "hat (Ablage-)Fläche" und i.a. "hat Beine", aber "hat 4 Beine" ist nur eine Option, bei dem Waagerechten der Tischfläche scheint es mir nicht ganz eindeutig zu sein. Wobei man gekippte Tische oder denen man ein Bein entfernt hat wohl am ehesten am Originalzustand beurteilt.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Friederike
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So 30. Jan 2022, 17:39

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 30. Jan 2022, 07:54
Es gibt immer wieder Situationen, in denen das, was wir denken und sagen nicht verständlich gemacht werden könnte, wenn wir den jeweiligen Kontext nicht mit im Blick haben. Der Ausdruck "Grün" in dem vorliegenden Beispiel handelt eben genau von den Grüntönen, die jeweils sinnlich präsent sind. Mit anderen Worten, das Grün selbst ist Teil der Bedeutung des Gedankens, der Aussage. Das Grün selbst färbt die Begriffe ein, wenn man so will. Denn man kann den Gedanken bzw die Aussage nur verstehen, wenn man diese bestimmten Grüntöne wirklich sieht. Der Philosoph John McDowell spricht in solchen Fällen von "Gehalten de re". Solche Gehalte sind an die Präsenz der Wirklichkeit gebunden. Das kartesische Bild des Geistes, bei dem immer fraglich ist, wie wir zur Welt kommen, soll damit ad acta gelegt werden. [...]

Wenn man sich nun ausmalt, dass Sprechenlernen grundlegend solcher Situationen bedarf, wo die Gegenstände, von denen die Rede ist, in die Rede "eingebaut" sind, dann kann man sich vorstellen, wie grundlegend diese Konstellation für uns ist.
Die sinnliche Präsenz ist aber nur einmal nötig? In allen Situationen, die darauf folgen, genügt es von den verschiedenen Grüntönen einer Wiese zu hören oder zu lesen und man "sieht" die Farbtöne der Wiese mit dem "inneren Auge"? "Grundlegend" hieße dann, daß die sinnliche Präsenz der Dinge das Fundament bildet, auf dem unsere sich anschließenden Vorstellungen (die Bilder, die wir "speichern") beruhen.




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So 30. Jan 2022, 17:48

Burkart hat geschrieben :
So 30. Jan 2022, 17:09
Die Idee der Eindeutigkeit ist schön und ist ein nettes Ziel, was leider aber nur teilweise gelingt. [...]
Ich hatte die Eindeutigkeit unwertend, sachlich beschreibend gemeint - an Deiner Formulierung merke ich, daß ich es hätte dazusagen müssen.




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So 30. Jan 2022, 18:01

Burkart hat geschrieben :
So 30. Jan 2022, 17:09
Es gelingt dann, wenn man etwas/einem Subjekt oder Objekt einem eindeutigen Namen oder andere Identifikation ("der blaue Stuhl da drüben") zuordnen kann, also am besten etwas klar Begrenztes aus der realen, z.B anfassbaren Welt. [...]
Eigennamen und Definitionen sind eindeutig und lassen deswegen, im Unterschied zu Begriffen, keine Spielräume.




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Jörn Budesheim
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So 30. Jan 2022, 19:55

Friederike hat geschrieben :
So 30. Jan 2022, 17:39
Die sinnliche Präsenz ist aber nur einmal nötig?
Nein, es geht um jegliche Situation in dieser Art. Wenn ich von diesem Grün spreche, in diesem Moment, an diesem Ort.




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Mo 31. Jan 2022, 09:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 30. Jan 2022, 19:55
Friederike hat geschrieben :
So 30. Jan 2022, 17:39
Die sinnliche Präsenz ist aber nur einmal nötig?
Nein, es geht um jegliche Situation in dieser Art. Wenn ich von diesem Grün spreche, in diesem Moment, an diesem Ort.
Das hieße, daß die Form der Bezogenheit von menschlichem Geist und Welt, von der McDowell spricht, auf mindestens 50% aller Situationen nicht zutrifft. Sofern die Gegenstände, Dinge, über die wir sprechen, abwesend sind, funktioniert dieses Modell nicht. Man liest oder hört über "Wiesen", "Himmel", "Tiere" usw. und die Frage, welcher Art der "Bezogenheit" von diesen Fällen anzunehmen ist, stellt sich wieder.




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Di 22. Feb 2022, 09:49

Jovis hat geschrieben :
Mi 26. Jan 2022, 19:20
(Und was es mit dem spekulativen Satz auf sich hat, wüsste ich gelegentlich auch gern ...)
Meine Antwort auf Deine Frage, daß ich Dir ein "andermal" antworten werde, habe ich nicht vergessen.




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Jörn Budesheim
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Mo 4. Apr 2022, 20:34

Vielleicht lernen wir, wenn wir fühlen, mehr über die Natur der Natur als wir jemals bei einen Blick durch ein Mikroskop lernen könnten?!




Tishk
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So 8. Jan 2023, 19:28

Wow hier wurde aber aktiv philosophiert! Weil ich keine Motiviation habe hier alles durchzulesen, werde ich mich kurz auf das Zitat beziehen:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Apr 2021, 07:31
Alethos hat geschrieben :
Do 22. Apr 2021, 09:20
(...) Diese Rose fällt ja nicht nur unter die Begriffe "das Rote" und "das Grüne" und "das Biologische", sondern auch unter ganz viele andere Begriffe, die ihn wesentlich auszeichnen als diesen konkreten Gegenstand, z.B. "das Schöne", "das sich in meiner Vase Befindliche", "Geschenke einer lieben Person an mich" etc. Das sind alles extrem komplexe begriffliche Strukturen, in denen sich diese Dinge "aufhalten". so dass wir sie in ihrer Wesentlichkeit - als Individuelle und Einzigartige - doch gar nie nur unter den Grenzen eines einzelnen Begriffs g denken können, weil sie sich in der hyperkomplexen Gemengelage von Begriffsgrenzen, die sich überlagern können, als Individuierte zeigen.
Als ich das las, kam mir sofort eine Sache in den Sinn: Damals im Matheunterricht mussten wir irgendwann anhand einiger Infos die dazugehörige Funktion ermitteln. Und hier mussten wir dann am Ende der Funktion den Zusatz "+C" (C=Parameter, also irgendeine feste Zahl)....vielleicht kann man das auch darauf beziehen: Die Rose erfüllt die Wesentlichkeiten g+C. In C wären dann diese Individualitäten wie "das sich in meiner Vase befindliche" etc...


Allgemein glaube ich nicht, dass man die Wesentlichkeiten eines "Objektes" anhand der Erfüllung von bestimmten "Begriffen" wie g (und vielleicht noch ein paar andere), gänzlich beschreiben kann. Denn ich glaube, dass jedes Objekt unendlich viele Wesentlichkeiten hat. Ähnlich wie es bei Zahlen der Fall ist...und wenn ich das jetzt weiter denke, heißt es somit, dass wir niemals ein Objekt gänzlich in ihrer vollkommenen Wesentlichkeit erfassen können...immer nur präziser und präziser. Wie die ewige Jagt nach der nächsthöheren Zahl.




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Jörn Budesheim
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So 8. Jan 2023, 20:08

Nehmen wir ein Beispiel. In einer Vase stehen zwei Rosen. Die eine Rose, die wir jetzt vielleicht in die Hand nehmen, hat alle Eigenschaften die sie nun mal hat um diese eine spezielle Rose zu sein, egal wie viele Eigenschaften wir am Ende zählen werden. Für die andere Hose gilt selbstverständlich das gleiche. Sicher ist auch, dass beide Rosen nicht alle Eigenschaften teilen. Jetzt entsteht ein Problem: da beide Rosen verschiedene Eigenschaften haben, können nicht alle Eigenschaften, die die verschiedenen Rosen jeweils haben, dazu führen, dass sie Rosen sind. Einige der Eigenschaften, die sie haben, müssen für die Frage, ob es sich bei ihnen um Rosen handelt oder nicht kontingent sein.




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