Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ So 16. Mai 2021, 06:29
Die Definition von Tisch (weiter oben) ist "weiter" als jeder einzelne Tisch, denn sie erfasst in abstrakter Manier nur die wesentlichen Eigenschaften, die etwas haben muss, um ein Tisch zu sein und lässt daher viel Raum
für alle in dieser Hinsicht unwesentlichenEigenschaften.
Hervorhebung von mir.
Ich denke, dass Begriffe sehr wohl auch zum
Verstehen eines wesentlichen Kerns beitragen. Gerade durch die Begriffsweite (Extension) wird es dem Begriff möglich, viele einzelne Exemplare ungeachtet gewisser Merkmale in sich aufzunehmen. Tische sind Tische und unter diesem Aspekt betrachtet eben nicht Blaue oder Metallene: Diese Gegenstände sind unter dem Begriff „Tisch“ gefasst eben Tische.
Wenn wir nun aber vom Wesen eines Dings sprechen, sprechen wir ja zunächst nicht vom Wesen eines Tischs, sondern eines (noch nicht weiter bestimmten) allgemeinen Gegenstands: dieses Ding dort, dieser Materiehaufen, dieses Geformte, dieses blau oder grün oder gelb Strahelnde. Der Gegenstand ist zunächst - wenn wir so über ihn reden - lediglich ein Objekt, das uns eine Vielzahl von Zugängen auf ihn über Begriffe möglich macht. Er ist also nicht in jeder Hinsicht Tisch, sondern nur unter dem Vorbehalt seines Tischseins wesentlich so verfasst wie einer. Da schlage ich nun die Brücke zur Hervorhebung von mir und frage: In welcher Hinsicht müssen wir den Gegenstand, nicht den Tisch, beschreiben, damit wir ihn wesentlich erfassen? Daher kommt mein Unwohlsein bei der begriffsorientierten Wesensbestimmung, weil ich den Gegenstand nicht apriori ein Tischdasein unterstellen möchte, wo er doch vielleicht auch primär ein Blaudasein hat? Nur im Lichte dessen, dass er ein Tisch ist, erscheinen seine Tischeigenschaften als wesentliche für dieses Tischdasein und alle anderen nicht, also nur insofern ich auf das Tischdasein eingrenze, werden einige Eigenschaften wesentlicher als andere, weil sie in Bezug auf dieses spezifische Dasein des Dings als Tisch wesentliche sind. Aber dürfen wir denn sagen, dass dieser Gegenstand dort vorwiegend Tisch ist und nicht etwas Blaues? Oder vielleicht ist dieser Gegenstand zugleich in der Hinsicht seiner ästhetischen Ausdruckskraft etwas Kunstvolles und in diesem Aspekt sind wiederum andere Eigenschaften wesentlich?
Das meinte ich mit engen Begriffsgrenzen, da Begriffe eben Definitionen möglich machen müssen, sie also ein Ding wesentlich bestimmen als diesen Gegenstand x, der er wegen seiner für dieses x-Sein wesentlichen X-Eigenschaften ist. Definitionen sind aber Abgrenzungen, Begrenzungen, Eingrenzungen und sollen sie auch sein, nur ist das wirklich das Wesen des unbehelligten Dings, wenn wir es in diese Grenzen einhegen? Ich sage ja nicht, dass wir die Grenzen auferlegen, also dass wir es sind, die die Begriffe konstruieren und auf die Dinge anwenden, weil ich überzeugt bin, dass die begrifflichen Ausprägungen der Dinge real und an sich sind. Ein Tisch liefert seinen Begriff durch sein Tischsein, er ist Tisch durch sich selbst und durch ihn ist der Begriff. Wirklichkeit ist begrifflich strukturiert.
Mein Gefühl sagt mir aber, dass wir beim Bestimmen eines Gegenstands als diesen Gegenstand (z.B. Tisch) ihn auf ein bestimmtes Sein einschränken, das nicht sein volles Sein ist. Wie gesagt, kann ein Tisch auch Brennholz sein und die Grenze zwischen Tischsein und Brennholzsein ist fliessend.
Begriffe sind weit, das gebe ich zu, sie sind auch offen, weil sie unter sich sehr viele Individuelle vereinigen können in Absehung der unwesentlichen Differenzen dieser Einzelnen miteinander. Der Tischbegriff ist offen für verschiedene Ausprägungen der Gleichen: für verschiedene Formen, Farben, Anwendungsmöglichkeiten von Tischen, aber immer nur von Tischen. Der Tischbegriff ist nicht offen hin zum als Brennholz-Sein des Gegenstands.
Wenn ich mir Gegenstände denke, und zwar sie mir ganz in Allgemeinheit vorstelle, ohne sie zu konkretisieren als solche, sondern sie mir denke als Potenziale, sozusagen als Etwas, das zu etwas werden kann - wie Teig zu so und so geformten Keksen oder zu einem Kuchenboden oder zu Brot - wenn ich sie mir also so vorstelle, als wären sie noch unter keinen Begriff gefallen, und ich mich frage, unter welchen Begriff ich sie denn nun bringen könnte, da zeigt sich ihre Unterbestimmtheit als Möglichkeit und Offenheit, ganz vieles und ganz unterschiedliches zu sein. Das meine ich mit „oszillierend“, dass sich Dinge in ihrer unbegrifflichen Form (und das meine ich, sei ihr eigentlichstes Wesen) unter ganz viele Begriffe bringen lassen zugleich: Sie transzendieren die Begriffsgrenzen und wandern hinüber zu anderer begrifflicher Gegebenheit, weil sie ja gerade nicht nur das und das sind, sondern diese und jene.
Ich behaupte ja nicht, dass ich damit recht hätte, sondern gebe nur meinem Gefühl Ausdruck, das den Dingen ihre Möglichkeit zur Verwesentlichung lassen will. Sie sollen Tische und Tanzflächen, Brennholz und Futter, Wichtiges und Unwichtiges zugleich sein können, ohne die Einschränkung auf eine bestimmte begriffliche Form. Diese ist real, ja, und sie bestimmt sich durch wesentliche Eigenschaften und nicht durch unwesentliche, aber eben ist doch der Gegenstand nicht nur dieses Tischwesen, sondern hat ein Wesen überhaupt?