Stefanie hat geschrieben : ↑ Do 21. Sep 2017, 21:53
O.k., oder ein halbes Aha.... dann sind Deine Ausführungen Beitrag 3865 im Grunde hauptsächlich quasi mathematisch (sprach)logisch hergeleitet? A kann nicht gleichzeitig mit der identischen "Bedeutung" (meinst Du das mit derselben bzw. anderen Hinsicht?) zwei Klassen gleichzeitig zugeordnet werden? Rein logisch gesehen. In diesem Sinne bildest Du Klassen, die eine Ordnung ergeben, ohne Berücksichtigung des "immateriellen Wertes" (mir fällt gerade keine anderen Beschreibung ein) des Sachverhaltes, um des es geht.
Meine Überlegungen sind nicht logisch hergeleitet, ich habe nur einen logischen Grund angeführt, der dagegen spricht, den Naturbegriff "an Dingen festzumachen". Vielleicht formuliere ich diesen Grund noch einmal prägnanter: Eine Rose kann rot, grün, braun, stachelig, samtig, schön, ärgerlich und vieles mehr
zugleich sein. Manche dieser Eigenschaften lassen sich eindeutig bestimmten Teilen der Rose (z.B. Blüte, Blätter, Stängel) zuordnen, darum sind auch die Aussagen: "Die Rose ist rot", "...ist braun", "...ist grün" durchaus miteinander verträglich. Aber die abgegrenzten Teile der Rose können - jeweils für sich genommen - dann nicht zugleich rot und nicht-rot, grün und nicht-grün, braun und nicht-braun sein.
Zu Problemen kann es auch kommen, wenn wir begriffliche Oppositionen bilden wie Teil/Ganzes, Materie/Form, Natur/Kultur und sie als Bezeichnungen für
distinkte Klassen von Gegenständen verstehen. Denn dann kann ein und derselbe Gegenstand nur entweder zur einen oder zur anderen Klasse gehören. Wenn wir aber - analog zur Rose, die ohne Widerspruch zugleich rot, grün und braun sein kann -, z.B. die begriffliche Opposition Natur/Kultur nur auf "Teile" oder "Hinsichten" erstrecken, kann ein und derselbe Gegenstand sowohl natürlich als auch kultürlich sein. Und offenbar ist es "realistisch", der Wirklichkeit angemessen, so zu verfahren. Unsere Fichtenwälder z.B. wurden künstlich angepflanzt, um möglichst große Erträge an Nutzholz zu erzielen; es handelt sich also um zweckbestimmte Kulturprodukte. Aber selbstverständlich bestehen diese Wälder aus Pflanzen, die ohne menschliches Zutun in der Natur vorkommen und die auch ohne menschliches Zutun wachsen usw. Ohne zweckbestimmtes menschliches Handeln gäbe es in Deutschland gar keine Fichtenwälder; denn Fichten sind hier nicht heimisch und würden nach und nach von den heimischen Gehölzen verdrängt werden, wenn man die Wälder sich selbst überließe. Kurz, unsere Fichtenwälder sind - wie das meiste andere, von dem wir umgeben sind, hinsichtlich der begrifflichen Unterscheidung Natur/Kultur "Zwischendinge".
Aber noch einmal zurück zur Rose, die zugleich rot, grün und braun sein kann. - Jede dieser Eigenschaft erstreckt sich ja nur auf einen "Teil" der Rose. Allerdings kommen diese "Teile" nicht isoliert voneinander vor - es sei denn, wir zerlegen die Rose in diese Teile, womit wir aber die Pflanze zerstören würden. An der lebenden Rose besteht zwischen diesen Teilen ein organisches Kontinuum, so dass die Rede von "Teilen" dem Sachverhalt nicht ganz gerecht wird. Denn bei "Teilen" denkt man an solche Gegenstände, die aus isolierten Komponenten zusammengesetzt sind und sich auch wieder in sie zerlegen lassen - also z.B. an Möbel, Uhren, Motoren. Von dieser Art sind die Rose und ihre "Teile" offenbar nicht. Bei ihr müssen wir gewissermaßen die Trennschärfe unserer Begriffe immer etwas abmildern.
Was meine ich mit der "begrifflichen Trennschärfe"? Indem wir einem Gegenstand ein Prädikat zusprechen, teilen wir gewissermaßen alle Dinge in zwei Klassen ein: in die Klasse derjenigen Dinge, denen dieses Prädikat zukommt, und in die Klasse derjenigen Dinge, denen es
nicht zukommt. Das liegt daran, dass Prädikate immer allgemein sind. Mit ihnen greifen wir jeweils etwas heraus, das unabsehbar vielen Dingen gemeinsam ist. Wir bilden also mit Prädikaten immer "Klassen" oder "Mengen", zu denen unabsehbar viele einzelne Gegenstände gehören. In der Logik wird die Menge von Individuen, die jeweils unter einen Begriff fallen, auch die "Extension" oder der "Umfang" dieses Begriffs genannt. - Wenn man nun der Rose die Prädikate "rot", "grün" und "braun" zuspricht, so verteilt man die Rose gewissermaßen auf drei verschiedene Klassen von Gegenständen. Aber offenbar ist das
nur eine virtuelle "Verteilung", denn die einzelne Rose bleibt ja ganz. Darum ist es sinnvoller, hier eher von verschiedenen "Hinsichten" oder "Aspekten" der Rose zu sprechen, als von ihren roten, grünen und braunen "Teilen", die jeweils einer anderen Klasse von Dingen angehören. Ein und dasselbe Ding kann nicht zugleich Teil von verschiedenen Mengen sein, wenn wir diese Mengen als
Ansammlungen von Konkreta, also von wirklichen Dingen verstehen. Die "Mengen" oder "Klassen", die wir mit unseren Begriffen bilden, können daher sinnvoll nur als
Abstrakta verstanden werden.