Was heißt Natur?

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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Mi 24. Jun 2020, 14:28

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 02:10
Ein Menschen muss sich nicht selbst für einen "Bio-Roboter" halten, nur weil er überzeugt ist, dass es Hormone gibt. Das eine folgt überhaupt nicht zwingend aus dem anderen.
Nein, dass muss kein Mensch. Vieles, was den Menschen ausmacht gehört zu dem, was Naturwissenschaften (zum Beispiel die Biologie) mit viel Erfolg erforschen können. Der Grund, warum wir das tun (du hast danach gefragt), ist nicht nur Neugierde, wir verdanken dem auch große medizinische Fortschritte. Problematisch sind keineswegs die großen Errungenschaften der Naturwissenschaften, problematisch ist eigentlich nur der Naturalismus. Das ist die Idee, dass sich im Grunde alles, was es gibt, erschöpfend mit den Mitteln der Naturwissenschaften erforschen lässt. Das ist die Idee, die ich ablehne. Alethos hat das eigentlich schon sehr schön deutlich gemacht.




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NaWennDuMeinst
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Mi 24. Jun 2020, 21:19

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 14:28
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 02:10
Ein Menschen muss sich nicht selbst für einen "Bio-Roboter" halten, nur weil er überzeugt ist, dass es Hormone gibt. Das eine folgt überhaupt nicht zwingend aus dem anderen.
[...] problematisch ist eigentlich nur der Naturalismus. Das ist die Idee, dass sich im Grunde alles, was es gibt, erschöpfend mit den Mitteln der Naturwissenschaften erforschen lässt.
Diese Grundhaltung lehne ich auch ab. Auch die Naturwissenschaften haben Grenzen. Die Welt aber nicht. Die ist - so glaube ich - grenzenlos.
Allerdings ist für mich die Frage, was Du mit "erforschen" meinst. Das ist ja eigentlich ein wissenschaftlicher Begriff. Oder eher: Ich verstehe ihn so.
Und dieser Begriff beinhaltet Kriterien dafür was Forschung ist, wie sie ablaufen muss, damit ihre Ergebnisse "Erkenntnis" genannt werden können.
Mir schwant hier steht auch dieser Begriff auf dem Prüfstand.
(und na klar, man kann auch das hinterfragen. Wenn man will.)
Das ist die Idee, die ich ablehne. Alethos hat das eigentlich schon sehr schön deutlich gemacht.
Möglich. Ich habe wohl nur einfach Schwierigkeiten gewisse bewährte Mittel durch mehr oder weniger schwammige Phantasien zu ersetzen.
Da muss mehr kommen, finde ich. Das muss er aber nicht leisten. Ich weiß ja, dass das nicht einfach ist, eben gerade weil die Mittel sich bewährt haben (siehe: Errungenschaften) und gerade deshalb so überzeugen.
Der denkende Berg ist sicherlich auch eine schöne Vorstellung. Aber hilft mir das dabei meine Ernten zu steigern?
Der Wert der "denkende Berge"-Vorstellung liegt dann doch woanders, oder?
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Mi 24. Jun 2020, 21:38, insgesamt 2-mal geändert.



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Mi 24. Jun 2020, 21:36

Alethos hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 12:59
Ob die Farbe auf dem Bild aus Lichtwellen besteht, das ist doch völlig irrelevant für bestimmte Gedanken, die sie über sich als Teil eines Kunstphänomens anregen kann.
Ja, das mag schon sein. Es kommt aber drauf an, was Du erreichen willst. Wenn Du einen Laser bauen willst, dann ist das eben nicht egal. Den baust Du nicht mit der Vorstellung von einem "denkenden Berg" oder einem "Regenbogen-Einhorn". Dafür sind bestimmte (hier so stark kritisierte) Vorstellungen nötig.
Und ob der mir gegenübersitzende Mensch es wert sei, dass ich ihm zuhöre, meine Aufmerksamkeit schenke oder ihm im Notfall helfe, das entscheidet sich doch nicht am Kriterium seiner Anzahl Atome oder seiner wie auch immer gearteten biophysischen (oder anders erklärbaren physischen) Komposition.
Natürlich nicht. Warum auch? Ich verstehe nicht einmal wie Jemand auf so einen Gedanken kommen könnte. Atome spielen in unserer alltäglichen Gedankenwelt so gut wie keine Rolle (wenn Du jetzt nicht gerade Atomphysiker bist). Und idR betrachten wir Menschen auch nicht (oder nicht nur) als Zellansammlung (falls doch, dann läuft da was ganz enorm schief).
Das Erklärungspotenzial der Naturwissenschaften ist anerkannt, aber nicht alles gehört in den Bereich der Naturwissenschaften. Und ich meine, das hat genuin ontologische Gründe, warum das so ist.
Welche ontologischen Gründe?
Weil Berge nun mal doch denken? Und wie gedenkst Du das nun zu belegen? Mit den Naturwissenschaften ja wohl nicht. Also wie?
Wenn man nun also Naturwissenschaften synonym verwendet mit "Wissenschaften der Wirklichkeit", so muss man einschränken: nur eines Teils der Wirklichkeit. Der Naturbegriff der Naturwissenschaften ist sozusagen ein limitierter, weshalb der von mir anvisierte Naturbegriff den Blick auf die Wirklichkeit zu weiten versucht.
Es reicht aber nicht einfach nur zu sagen, dass Deine veränderte Blickart die Wirklichkeit beschreibt. Sie muss das natürlich auch wirklich können.
Oder: Wir verzichten auf diesen Anspruch und überlassen das Anderen.
Was ist denn der Unterschied zwischen meinen und wissen? Weißt Du dass der Berg denkt, oder meinst Du das nur?
Und was ist mit den Naturwissenschaftlern? Was würdest Du sagen? Meinen oder wissen die?



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Mi 24. Jun 2020, 22:41

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 21:36
die Wirklichkeit
Was ist die Wirklichkeit und was verstehen wir unter dem Wirklichen - das könnte hier die entscheidende Frage sein.

Ich denke, wenn wir festhalten würden, dass >wirklich< ist, was existiert, hätten wir rasch einen Konsens, oder? Wirklich ist das, was es gibt. Es gibt Bosonen, Pferde, Monde, Mode, Morde und Apfelkuchen. Es gibt Kaffeetassen, Sonnenstrahlen, es gibt Achselhaare. Es gibt Bikinis, Gurkensalat und Strandpromenaden. Es gibt Skipisten im Winter, im Sommer und auch auf dem Prospekt. Es gibt den Morgenstern und den Abendstern und es gibt den Planeten Venus (von der Göttin ganz zu schweigen :-) ) Ich denke, die Liste des Existierenden ist lang. Halten wir fest, wir sind uns einig: Das Wirkliche ist das Existierende (oder umgekehrt). Oder welche Definition würdest du bevorzugen?

Was haben wir nun aber gewonnen, wenn wir Wirklichkeit durch Existenz definieren? Was sagen wir denn über die oben gennanten Dinge (Bosonen und Apfelkuchen) denn, wenn wir ihnen ein "Es gibt" voranstellen?Nicht viel, schätze ich. Mich jedenfalls befriedigt das nicht, es lässt mich nicht mit mehr Information zurück, wenn ich weiss: "Apfelkuchen" hier und "Bosonen" da - und über beide weiss, dass es sie gibt.
Vielleicht hast du doch einen besseren Vorschlag, wie wir die Wirklichkeit definieren können.



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Mi 24. Jun 2020, 22:58

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 21:36
Und was ist mit den Naturwissenschaftlern? Was würdest Du sagen? Meinen oder wissen die?
Wenn sie das Richtige meinen, dann wissen sie. Klar. Aber es ist doch ebenso klar, dass das "Richtige zu meinen" nicht eine Kunst ist, die nur der Naturwissenschafter beherrscht.
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Mi 24. Jun 2020, 23:22

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 21:36
Weißt Du dass der Berg denkt, oder meinst Du das nur?
Naja, ich will dich wirklich nicht für dumm verkaufen, wenn ich sage, dass ich weiss, dass Berge denken, wenn es denn wahr ist, was ich meine, nämlich, dass sie es tun.

Die Frage ist doch, was ich meine, wenn ich im Satz "Der Berg denkt" >Denken< und >Berg< sage. Was ist ein Berg? Was heisst es zu denken? Je nach dem, ob wir dieselben Annahmen über diese Begriffe treffen, je nachdem, ob wir dasselbe darunter verstehen, wenn wir sagen, dass etwas denkt oder etwas ein Berg ist, können wir uns doch über denselben Gedanken unterhalten: "Der Berg denkt."

Aber fangen wir an, uns zu fragen, was denn ein Berg ist, dann stellen wir doch fest, dass >Berg< ganz viele verschiedene "Bedeutungen" haben kann. Das Lexikon sagt über den >Berg< bspw:

Ein Berg ist eine Landform, die sich über die Umgebung erhebt. Er ist meist höher und steiler als ein Hügel, wobei es keine Definition zur genauen Unterscheidung und Abgrenzung beider Geländeformen gibt. Ein Berg sollte sich durch eine gewisse Eigenständigkeit auszeichnen, also genügend Abstand von anderen Bergen und eine Mindesthöhe über einem Pass aufweisen. Gegenstück ist das Tal.

Ist das der >Berg<, den Aldo Leopold vor Augen hat, wenn er schreibt:

»Nur der Berg hat lang genug gelebt, um dem Heulen eines Wolfs auf objektive Weise zu lauschen«? Ich denke, nein.
Zum Berg in diesem Bild gehört die Nacht (vielleicht das Morgengrauen oder der Tag?), der Mond, der einsame Wolf. Die Wiese, auf der er herumstreift. Vielleicht der Felsvorsprung, auf dem er sitzt. Sein Blick in den Himmel. Sein Geheul. Die Sehnsucht.

Ich denke, dass wir beide, du und ich, hier nicht dasselbe meinen, wenn wir von >Berg< sprechen.
Zuletzt geändert von Alethos am Mi 24. Jun 2020, 23:42, insgesamt 1-mal geändert.



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Mi 24. Jun 2020, 23:41

Alethos hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 23:22
»Nur der Berg hat lang genug gelebt, um dem Heulen eines Wolfs auf objektive Weise zu lauschen«
Verstehst Du die Aussage dieses Satzes? Ich nicht.
Wenn ich ihn wörtlich nehme kommt dabei nur Unsinn raus. "Lauschen" ist ein anderes Wort für "hören".
Hören aber setzt ein "Hörorgan" voraus. Womit "hört" denn der Berg?
Und was hat das "objektiv" in dem Satz verloren? Da ich davon ausgehe, dass das nicht ohne Grund da seht, sondern es auf jedes Wort ankommt: Was soll das in dem Zusammenhang mit dem "Wolfgeheul" bedeuten?
Der Berg "hört" nicht nur, sondern er hört auch noch "objektiv". Also anders als Jemand anderes die Wölfe hört? Anders als wer?
Und was bedeutet es denn, dass der Berg "lebt"? Wie ist das gemeint? Doch wohl sicher nicht im biologischen Sinn, oder?

Wenn ich versuche den Satz "beim Wort" zu nehmen kommt da nur Unsinn bei raus.
Und wenn ich es nicht wörtlich nehme? Ist das alles vielleicht metaphorisch gemeint? Wenn ja, wie genau? Wofür steht da "leben", "lauschen", "objektiv"?

(Offenbar scheinst Du ja genau zu wissen, was da gemeint sein soll. Also was genau ist gemeint?)



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Mi 24. Jun 2020, 23:49

Offenbar meinst du, dass ich ganz genau weiss, was gemeint ist, aber das ist nicht der Fall. Ich taste mich an diesen Satz heran, wie der einsame Wolf an die Zweisamkeit :)

"Lauschen" steht für "hören", das sehe ich gleich. "Objektiv" verwendet er, weil das Wolfsgeheul zum Berg gehört. Es ist eine Eigenschaft des Berges, dass auf ihm ein Heulen vorkommt. Lauschen tut hier niemand, der Berg ist aber niemand. Das ist aber kontradiktorisch zugegeben: Niemand kann nicht etwas tun, also auch nicht lauschen. Dem "Geheul zu lauschen" bedeutet also nicht zwingend, dass da jemand ist, der lauscht, sondern das Heulen klingt in den Berg hinein. Das Heulen dehnt sich aus, es hallt am Berg wider, es klingt für sich selbst. Es ist ein für sich Klingen, eines, das ein Lauschen gar nicht braucht, damit es ist, sondern ganz im Gegenteil, indem es nicht gelauscht wird, ist es ein ganz objektives Heulen, wie es nur vorkommen kann, wenn niemand lauscht. Oder eben nur der Berg, der lange genug gelebt hat, um es nicht zu hören. Und indem er, der Berg, es nicht hört, ist das Heulen ganz gelauscht und ganz vollkommen.

Die Heimat des Wolfsgeheuls ist im obigen
Satz der Berg. Er muss gelebt haben, damit der Wolf auf ihm gehen kann, herumstreifen kann, einsam sein kann. Leben aber heisst hier nichts anderes als "sterben können". Ein Berg kann sterben, weil er vergehen kann. Wie die Bergblume, nur langsamer.
Zuletzt geändert von Alethos am Do 25. Jun 2020, 00:02, insgesamt 1-mal geändert.



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Mi 24. Jun 2020, 23:59

Alethos hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 22:58
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 21:36
Und was ist mit den Naturwissenschaftlern? Was würdest Du sagen? Meinen oder wissen die?
Wenn sie das Richtige meinen, dann wissen sie.
Wann meinen Sie denn deiner Meinung nach das Richtige?
Wenn Du einen Kranken heilen willst, ist dann jede Erklärung und die darauf aufbauende Therapie gleich gut oder spielt es eine Rolle was da gemeint wird?
Klar. Aber es ist doch ebenso klar, dass das "Richtige zu meinen" nicht eine Kunst ist, die nur der Naturwissenschafter beherrscht.
Ist Mathematik eigentlich eine Naturwissenschaft?
Nein, ist sie nicht. Und kommen in ihr "denkende Berge" vor? Wenn nein, warum nicht?



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Do 25. Jun 2020, 00:04

Alethos hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 23:49
Offenbar meinst du, dass ich ganz genau weiss, was gemeint ist, aber das ist nicht der Fall. Ich taste mich an diesen Satz heran, wie der einsame Wolf an die Zweisamkeit :)

"Lauschen" steht für "hören", das sehe ich gleich. "Objektiv" verwendet er, weil das Wolfsgeheul zum Berg gehört. Es ist eine Eigenschaft des Berges, dass auf ihm ein Heulen vorkommt. Lauschen tut hier niemand, der Berg ist aber niemand. Das ist aber kontradiktorisch zugegeben: Niemand kann nicht etwas tun, also auch nicht lauschen. Dem "Geheul zu lauschen" bedeutet also nicht zwingend, dass da jemand ist, der lauscht, sondern das Heulen klingt in den Berg hinein. Das Heulen dehnt sich aus, es hallt am Berg wider, es klingt für sich selbst. Es ist ein für sich Klingen, eines, das ein Lauschen gar nicht braucht, damit es ist, sondern ganz im Gegenteil, indem es nicht gelauscht wird, ist es ein ganz objektives Heulen, wie es nur vorkommen kann, wenn niemand lauscht. Oder eben nur der Berg, der lange genug gelebt hat, um es nicht zu hören. Und indem er, der Berg, es nicht hört, ist das Heulen ganz gelauscht und ganz vollkommen.

Die Heimat des Wolfsgeheuls ist im obigen
Satz der Berg. Er muss gelebt haben, damit der Wolf auf ihm gehen kann, herumstreifen kann, einsam sein kann. Leben aber heisst hier nichts anderes als "sterben können". Ein Berg kann sterben, weil er vergehen kann. Wie die Bergblume, nur langsamer.
Und was bedeutet das nun? Dass ich mir das Wolfgeheul vorstellen soll wie es klingt wenn niemand es hört (ausser dem Berg natürlich)?
Es tut mir wirklich leid, aber ich komme an der Stelle nicht mehr mit.



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Do 25. Jun 2020, 00:13

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 23:59
Alethos hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 22:58
Ist Mathematik eigentlich eine Naturwissenschaft?
Nein, ist sie nicht. Und kommen in ihr "denkende Berge" vor? Wenn nein, warum nicht?
Weil es die Mathematik nichts angeht, vermute ich, obwohl ich das nun wirklich nicht weiss.

Aber es ist doch auch so, dass auf der Linse des Teleskops, das auf einen Planeten gerichtet ist, auch keine Hoffnung vorkommt, dass da Leben auf ihm ist. In gewisser Weise ist das falsch - denn natürlich kann das Teleskop an sich ein Ausdruck einer Hoffnung sein - einer Hoffnung, etwas zu entdecken, vielleicht fernes Leben. Aber auf dem Glas der Linse, da kommen nur Wellen an. Schwingt in diesen Lichtwellen denn Hoffnung mit? Wer weiss das schon so genau, ob der ferne Stern nicht auch hofft, dass da ein fernes Teleskop ihn erfasse.
Aus der Optik der Astrophysik ist da nirgends eine Hoffnung - nur Wellen, Spektren und Messgeräte. Aus der Optik des Menschen - und Wissenschafter sind doch Menschen - kommt da Hoffnung auf der Linse an.

Was ich sagen will: Jeder Gegenstand, als das was er ist, kommt in einem bestimmten Sinn vor, der Berg im lexikalen Sinn oder im ökologischen bspw. Den ökologischen Sinn von Berg erfassen wir nicht mathematisch oder physikalisch, sondern aus der emohatischeb Perspektive von in diesen ökologischen Systemen Vorkommenden.
Zuletzt geändert von Alethos am Do 25. Jun 2020, 00:22, insgesamt 1-mal geändert.



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Do 25. Jun 2020, 00:16

Es ist so: Es wird der Wissenschaft (inkls. der Naturwissenschaft) in einem endlosen Universum niemals an Erklärungsnot mangeln.
Und an der Stelle bleibt dann immer Raum für allerlei Kurioses.
Das ist wohl nicht zu ändern.

Daneben ist für mich Derjenige glaubwürdig, dessen Erklärungen zur ganz konkreten Lösung von Problemen beitragen.
Und das fehlt mir hier so ein bißchen. Die Antwort auf die Frage: Was haben wir davon, wenn wir uns den Berg "lauschend" vorstellen?
Wenn die Erklärungen von Meteorologen und Biologen dazu führen, dass am Ende meine Ernte reichlich ausfällt und das wiederholbar ist, tja dann haben diese Menschen für mich ein Wissen.
Und natürlich gibt es Bereiche des Lebens bei denen mir Meteorologen nicht weiterhelfen können, sondern vielleicht ein Priester oder wer auch immer.
Das kann ich mir alles wunderbar nebeneinander vorstellen.
Was ich mir aber nicht vorstellen kann ist, dass ich mir Vorstellungen zu eigen mache die Niemanden voranbringen.
Dazu ist das Leben auch zu kurz.

:-)



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Do 25. Jun 2020, 00:22

Alethos hat geschrieben :
Do 25. Jun 2020, 00:13
Aber es ist doch auch so, dass auf der Linse des Teleskops, das auf einen Planeten gerichtet ist, auch keine Hoffnung vorkommt, dass da Leben auf ihm ist. In gewisser Weise ist das falsch - denn natürlich kann das Teleskop an sich ein Ausdruck einer Hoffnung sein - einer Hoffnung, etwas zu entdecken, vielleicht fernes Leben. Aber auf dem Glas der Linse, da kommen nur Wellen an. Schwingt in diesen Lichtwellen denn Hoffnung mit? Wer weiss das schon so genau, ob der ferne Stern nicht auch hofft, dass da ein fernes Teleskop ihn erfasse.
Aus der Optik der Astrophysik ist da nirgends eine Hoffnung - nur Wellen, Spektren und Messgeräte. Aus der Optik des Menschen - und Wissenschafter sind doch Menschen a ist da Hoffnung.
Da kann Hoffnung sein, wenn der Mensch der da betrachtet diese Hoffnung in sich trägt. Die Hoffnung kann aber nicht Teil der Optik sein. Sonst wäre sie ja stets vorhanden, egal wer gerade durch das Okular schaut.
Das ist ja aber nicht so.



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Do 25. Jun 2020, 00:27

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 25. Jun 2020, 00:16
Daneben ist für mich Derjenige glaubwürdig, dessen Erklärungen zur ganz konkreten Lösung von Problemen beitragen.
Und das fehlt mir hier so ein bißchen. Die Antwort auf die Frage: Was haben wir davon, wenn wir uns den Berg "lauschend" vorstellen?
Wenn die Erklärungen von Meteorologen und Biologen dazu führen, dass am Ende meine Ernte reichlich ausfällt und das wiederholbar ist, tja dann haben diese Menschen für mich ein Wissen.
Du sprichst hier vom Wert des Wissens und misst es am "Wissen, wie" - dem Knowhow, dem technischen Wissen sozusagen: dem Wissen als Handwerk. Ganz legitim.

Ein gutes Leben führt man auf viele verschiedene Arten, dazu gehört auch, finde ich, auf dem Berggipfel zu sitzen, über den anderen Gipfel das Blau zu sehen und sich nicht zu fragen "wie", sondern zu fühlen, "dass".



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Do 25. Jun 2020, 00:31

Alethos hat geschrieben :
Do 25. Jun 2020, 00:13
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 23:59
Alethos hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 22:58
Ist Mathematik eigentlich eine Naturwissenschaft?
Nein, ist sie nicht. Und kommen in ihr "denkende Berge" vor? Wenn nein, warum nicht?
Weil es die Mathematik nichts angeht, vermute ich, obwohl ich das nun wirklich nicht weiss.
Weil es absolut nichts zur Problemlösung beiträgt. Deshalb.
Natürlich kann der Mathematiker abends in seinem Sessel sitzen und sich "denkende Berge" vorstellen. Warum auch nicht?
Aber ich bezweifle ernsthaft, dass er sich, wenn er sich Formeln zur Berechnung der Planetenbahnen ausdenkt, sich dabei "denkende Berge" vorstellt.
Wozu auch? Er wird sich genau das vorstellen, was für die Lösung seines Problems zielführend ist.
Was aber ist denn nun das Ziel dieser Denkübung hier? Wo lande ich mit den "denkenden Bergen"?
Das wüsste ich so gerne.



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Alethos hat geschrieben :
Do 25. Jun 2020, 00:27
Ein gutes Leben führt man auf viele verschiedene Arten, dazu gehört auch, finde ich, auf dem Berggipfel zu sitzen, über den anderen Gipfel das Blau zu sehen und sich nicht zu fragen "wie", sondern zu fühlen, "dass".
Man kann auch einfach nur da sitzen ohne was zu wissen oder Fragen zu haben. Ich für meinen Teil kann den Berg und den Himmel auch geniessen ohne sie mir "denkend" vorzustellen.
:-)



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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 25. Jun 2020, 00:31
Alethos hat geschrieben :
Do 25. Jun 2020, 00:13
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 23:59

Nein, ist sie nicht. Und kommen in ihr "denkende Berge" vor? Wenn nein, warum nicht?
Weil es die Mathematik nichts angeht, vermute ich, obwohl ich das nun wirklich nicht weiss.
Weil es absolut nichts zur Problemlösung beiträgt. Deshalb.
Natürlich kann der Mathematiker abends in seinem Sessel sitzen und sich "denkende Berge" vorstellen. Warum auch nicht?
Aber ich bezweifle ernsthaft, dass er sich, wenn er sich Formeln zur Berechnung der Planetenbahnen ausdenkt, sich dabei "denkende Berge" vorstellt.
Wozu auch? Er wird sich genau das vorstellen, was für die Lösung seines Problems zielführend ist.
Was aber ist denn nun das Ziel dieser Denkübung hier? Wo lande ich mit den "denkenden Bergen"?
Das wüsste ich so gerne.
Du bist gut mit deiner Frage: "Quo vadis?" :) Ich weiss es nicht. Ich weiss nicht, wo du landest oder was es dir bringen kann, dir denkende Berge vorzustellen.
Vielleicht könntest du ein hervorrangender Poet werden, wenn es dir nützt.

Und man sage nun nicht, dass Poesie nichts bringt. Sie taugt, wenn sonst zu nichts, dem Mathematiker wenigstens dazu, sich zu schmeicheln, indem er die Mathematik als eine Art von Poesie beschreibt. Wohlklingend und irgendwie wohltuend. Denn wenn diese Gleichungen über den Anfang des Universums oder über Gravitationsphänomene an denselben doch gar nichts ändern, so waren sie doch immerhin poetisch in ihrer ganz unnützlichen Art, sie zu beschreiben. :)



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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 25. Jun 2020, 00:37
Alethos hat geschrieben :
Do 25. Jun 2020, 00:27
Ein gutes Leben führt man auf viele verschiedene Arten, dazu gehört auch, finde ich, auf dem Berggipfel zu sitzen, über den anderen Gipfel das Blau zu sehen und sich nicht zu fragen "wie", sondern zu fühlen, "dass".
Man kann auch einfach nur da sitzen ohne was zu wissen oder Fragen zu haben. Ich für meinen Teil kann den Berg und den Himmel auch geniessen ohne sie mir "denkend" vorzustellen.
:-)
Ich denke auch, dass man es sich ganz gut gehen lassen kann ohne eine solche Vorstellung. :)

Aber ich denke auch, dass, wenn wir uns fragen, was die Natur ist, uns nicht einfach mit den erstbesten oder bekannten Antworten begnügen müssen. Es kann doch auch Vergnügen bereiten, sich einen Berg als denkend vorzustellen, wo es andere nicht
können. Mir war es jedenfalls ein Vergnügen, mit dir darüber uneinig zu sein. :mrgreen:



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Do 25. Jun 2020, 00:58

Alethos hat geschrieben :
Do 25. Jun 2020, 00:47
Aber ich denke auch, dass, wenn wir uns fragen, was die Natur ist, uns nicht einfach mit den erstbesten oder bekannten Antworten begnügen müssen. Es kann doch auch Vergnügen bereiten, sich einen Berg als denkend vorzustellen, wo es andere nicht
können. Mir war es jedenfalls ein Vergnügen, mit dir darüber nicht einig zu sein. :mrgreen:
Oh, ein Fazit. Sehr gut.
Meines lautet so: Wenn die Aussage (oder Forderung) hier ist, dass der Mensch um seiner Selbst willen die Antworten der Naturwissenschaft nicht für die ganze Welt halten soll, dann möchte ich hier ganz klar meine Zustimmung ausdrücken.
Wenn die Forderung jedoch lautet die Naturwissenschaft solle sich doch mehr dem "denkenden Berg" zuwenden, dann fehlt mir die Antwort auf die Frage in wie fern uns das in der Naturwissenschaft weiterhelfen soll. Weswegen ich da dann eher geneigt wäre den Priester in der Kirche und die Kirche mitsamt Priester im Dorf zu lassen.
;)



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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 25. Jun 2020, 00:04
Alethos hat geschrieben :
Mi 24. Jun 2020, 23:49
Offenbar meinst du, dass ich ganz genau weiss, was gemeint ist, aber das ist nicht der Fall. Ich taste mich an diesen Satz heran, wie der einsame Wolf an die Zweisamkeit :)

"Lauschen" steht für "hören", das sehe ich gleich. "Objektiv" verwendet er, weil das Wolfsgeheul zum Berg gehört. Es ist eine Eigenschaft des Berges, dass auf ihm ein Heulen vorkommt. Lauschen tut hier niemand, der Berg ist aber niemand. Das ist aber kontradiktorisch zugegeben: Niemand kann nicht etwas tun, also auch nicht lauschen. Dem "Geheul zu lauschen" bedeutet also nicht zwingend, dass da jemand ist, der lauscht, sondern das Heulen klingt in den Berg hinein. Das Heulen dehnt sich aus, es hallt am Berg wider, es klingt für sich selbst. Es ist ein für sich Klingen, eines, das ein Lauschen gar nicht braucht, damit es ist, sondern ganz im Gegenteil, indem es nicht gelauscht wird, ist es ein ganz objektives Heulen, wie es nur vorkommen kann, wenn niemand lauscht. Oder eben nur der Berg, der lange genug gelebt hat, um es nicht zu hören. Und indem er, der Berg, es nicht hört, ist das Heulen ganz gelauscht und ganz vollkommen.

Die Heimat des Wolfsgeheuls ist im obigen
Satz der Berg. Er muss gelebt haben, damit der Wolf auf ihm gehen kann, herumstreifen kann, einsam sein kann. Leben aber heisst hier nichts anderes als "sterben können". Ein Berg kann sterben, weil er vergehen kann. Wie die Bergblume, nur langsamer.
Und was bedeutet das nun? Dass ich mir das Wolfgeheul vorstellen soll wie es klingt wenn niemand es hört (ausser dem Berg natürlich)?
Ja, genau. Das Wolfsgeheul klingt am objektivsten für den Berg. Er lauscht dem Wolfsgeheul, indem er ihm (dem Heulen) Raum bietet, sich ungehört und ungelauscht in ihm (dem Berg) auszudehnen. Der Berg lauscht nicht mit den Ohren (welchen auch?), sondern mit seinem ganzen Bergsein. Und dieses ist die Heimat des Wolfsgeheuls.
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