Subjektiv

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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So 9. Jul 2023, 08:51

Was heißt subjektiv?

Nehmen wir fürs erste zwei Beispiele: Hans mag Spaghetti mit Knoblauch, Irene nicht. Ich denke viele würden hier sagen, das ist subjektiv. Aber wie sieht es mit folgendem aus? Hans hat Schmerzen im Fuß. Auch hier könnte man davon sprechen, dass das subjektiv sei. Aber es ist doch sicherlich etwas anderes gemeint als im ersten Beispiel, denn es liegen ja objektiv Schmerzen vor.




Burkart
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So 9. Jul 2023, 09:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 9. Jul 2023, 08:51
Was heißt subjektiv?

Nehmen wir fürs erste zwei Beispiele: Hans mag Spaghetti mit Knoblauch, Irene nicht. Ich denke viele würden hier sagen, das ist subjektiv.
Ich hätte gesagt, das ist erstmal einfach Geschmackssache (bei Aussagen mögen also einfach richtig sein hinsichtlich Hans und Irene). Als subjektiv hätte ich die verallgemeinerte Aussage bezeichnet "Spaghetti mit Knoblauch schmecken gut". Aber ich denke, wir meinen dasselbe.
Aber wie sieht es mit folgendem aus? Hans hat Schmerzen im Fuß. Auch hier könnte man davon sprechen, dass das subjektiv sei. Aber es ist doch sicherlich etwas anderes gemeint als im ersten Beispiel, denn es liegen ja objektiv Schmerzen vor.
Generell ist "subjektiv" kein ganz klarer Begriff, scheint mir z.B. hier.

Hier kann man z.B. zwei Aussagen (bzw. aktuelles Denken) unterscheiden:
1. "Der arme Hans hat Schmerzen im Fuß":
Das kann Hans am besten beurteilen, Irene (o.ä.) nur bedingt anhand seines Verhaltens o.ä. Es ist also Hans als Subjekt, der dies am besten beurteilen kann.
2. "Nur die Person Hans hat Schmerzen im Fuß, nicht aber auch Irene":
Wir vergleichen also zwei Subjekte, für die die Schmerzen einmal zutreffen, einmal nicht. Die Aussage "A hat Schmerzen im Fuß" ist insofern subjektiv (=auf das Subjekt bezogen) richtig oder falsch.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Jörn Budesheim
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So 9. Jul 2023, 09:58

Dasd Hans Schmerzen im Fuß hat, ist jedoch schlicht eine Tatsache. Und in der Regel glauben die Menschen ja, dass das was subjektiv ist in irgendeiner Form nicht auch objektiv sein kann.

Der Unterschied auf den ich oben hinweisen wollte, ist der Unterschied zwischen "epistemisch subjektiv" (das Spaghetti Beispiel) und "ontologisch subjektiv" (das Schmerz Beispiel).




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Quk
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Mo 24. Jul 2023, 00:13

Hmm, ich sehe keinen prinzipiellen Unterschied zwischen den Beispielen.

Nehmen wir eine Skala zwischen den Extremen "schmerzhaft" und "wohltuend"; in Zahlen ausgedrückt 1 bis 3.

Hans isst Spaghetti mit Knoblauch und fühlt 3.
Irene isst Spaghetti mit Knoblauch und fühlt 2.
Hans fühlt in seinem Fuß 1.

Für die jeweiligen Fühlenden sind die entsprechenden Zahlen objektive Wahrheiten.

Aus unserer beobachtenden Sicht sind diese mitgeteilten Zahlen subjektiv, weil wir nicht in deren Haut stecken. Wir nehmen nicht teil an einem gemeinsamen Objekt, auch wenn wir wissen, wie sich 1 bis 3 anfühlen mag. Wir stehen außerhalb des Objekts, weil dieses uns nur berichtet wird, und dieser Bericht nicht mit unserer Erfahrung abgleichbar ist. Wir können uns nur intersubjektiv in die Sache des Anderen hineinfühlen, durch Spiegelneuronen und so weiter, und vermuten, der Andere erlebt das Gleiche. Aber der direkte Zugriff auf deren Objekt bleibt uns verwehrt. Ob das tatsächlich so stimmt, kann ich nicht sicher sagen. Aber vom Prinzip her sind das meine Definitionen der Begriffe "objektiv" und "subjektiv". -- Können wir diese, meine subjektiven Definitionen objektivieren?

Edit: Kann es nicht sein, dass das Ontologische immer nur objektiv und das Epistemische fast immer nur subjektiv ist?




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Jörn Budesheim
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Mo 24. Jul 2023, 07:54

Quk hat geschrieben :
Mo 24. Jul 2023, 00:13
Hans isst Spaghetti mit Knoblauch und fühlt 3.
Irene isst Spaghetti mit Knoblauch und fühlt 2.
Hans fühlt in seinem Fuß 1.

Für die jeweiligen Fühlenden sind die entsprechenden Zahlen objektive Wahrheiten.
Dass Hans und Irene die Spaghetti irgendwie schmecken, dass es für sie also "irgendwie ist" sie zu essen, ist ontologisch subjektiv. Das Subjektive (qualitative Empfindungen) existiert objektiv.

Dass dem einen Knoblauch schmeckt, der anderen aber nicht, ist epistemisch subjektiv. (Dass beide Geschmackserlebnisse haben, ist wie gesagt ontologisch objektiv.)

Das Schöne an dieser Unterscheidung ist, dass sie deutlich macht, dass Subjektives und Objektives sich nicht grundsätzlich ausschließen. Das Subjektive - in dem Sinne, dass wir Erfahrungen haben - ist etwas Objektives. Manches ist einfach Geschmackssache und in diesem Sinne subjektiv. Das wird oft in einen Topf geworfen und man geht davon aus, dass alles, was in irgendeiner Weise subjektiv ist, schon deshalb nicht objektiv sein kann. Die Unterscheidung - ich hoffe, ich habe sie einigermaßen richtig wiedergegeben - stammt ursprünglich von John Searle.




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Quk
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Mo 24. Jul 2023, 14:28

Danke für Deine Präzisierung. Ich glaube, ich verstehe. Sehe ich das richtig? Mit "das Subjektive" meinst Du (und Searle) in diesem Kontext die persönliche Beurteilung, welche von Person zu Person variiert; es ist das Variierende, was das Subjektive ausmacht. Das Objektive variiert während der Beurteilung nicht. Der Stein hat eine Temperatur von 5°C; das ist ein objektiver, nicht-variabler Wert 5. Hans empfindet den Stein als eiskalt, Irene empfindet den Stein als kühl. Diese Variation zwischen eiskalt und kühl, diese Variation an sich, das ist die Subjektivität. Korrekt? Und "kühl", "eiskalt" sind die subjektiven Beurteilungen. Ja, dieser Definition kann ich zustimmen. Meine vorige Definition war hingegen so: Die Subjektivität entstünde durch die Abwesenheit der Vergleichsmöglichkeit (nicht durch die Variation persönlicher Beurteilungen). Etwas verwirrt hat mich das Beispiel mit dem Schmerz, weil ich denke, dass auch der Schmerz eine Geschmackssache ist; die eine Person mag wehleidiger sein als die andere.

Nur um sicher zu gehen, dass das kein Tippfehler ist:
Jörn schrieb: "(Dass beide Geschmackserlebnisse haben, ist wie gesagt ontologisch objektiv.)"
Du schriebst "wie gesagt", ich finde aber in Deinem vorausgehenden Kommentar die Phrase "ontologisch objektiv" nicht. Meintest Du "ontologisch subjektiv"?




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Jörn Budesheim
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Quk hat geschrieben :
Mo 24. Jul 2023, 14:28
Meintest Du "ontologisch subjektiv"?
Yepp :-)




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Jörn Budesheim
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Quk hat geschrieben :
Mo 24. Jul 2023, 14:28
Etwas verwirrt hat mich das Beispiel mit dem Schmerz, weil ich denke, dass auch der Schmerz eine Geschmackssache ist; die eine Person mag wehleidiger sein als die andere
Die Intensität des Schmerzes kann (bis zu einem gewissen Grad) epistemisch subjektiv sein. Gleichzeitig ist das Vorhandensein (das Sein) von Schmerz, wie stark oder schwach er auch empfunden wird, objektiv und das "obwohl" Schmerz "subjektiv" ist, es braucht schließlich ein Subjekt, welches ihn empfindet.




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Quk
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Mo 24. Jul 2023, 16:09

OK, dass Schmerz in der Welt vorhanden ist, das ist objektiv. Ich kann Dir folgen.




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Jörn Budesheim
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Ja, daher ontologisch objektiv. Die Unterscheidung mag vielleicht etwas zu simpel klingen, aber meine Foren-Karriere sagt mir, dass sie Gold wert ist :-)




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