Wahrheit/Wahrnehmung

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
Burkart
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So 17. Sep 2023, 11:41

Quk hat geschrieben :
So 17. Sep 2023, 10:02
Der Großteil der Signale reist nicht von den Augen ins Gehirn ...
Das Zitat ist ein schönes Beispiel für klare Sprache. Da steht nicht pauschal allein "die Signale", sondern "der Großteil der Signale". Dank dieser Spezifizierung durch das Wort "Großteil" gibt es noch einen anderen Teil, nämlich derjenige, der durch die Augenhornhaut in den Empfänger gelangt. Und von dem Teil spreche ich die ganze Zeit, Jörn. Wenn Du dem widersprichst, ist das so absurd, dass das nur ein Missverständnis sein kann. Jede Voraussicht, jede Ergänzung, jede Schätzung braucht eine Initialzündung. Sie ist der Kleinteil neben dem obigen Großteil. Ich wette, Du kannst mit geschlossenen Augen die Buchstaben in diesem Kommentar nicht sehen. Das liegt daran, dass der oben erwähnte Großteil keine Auslöserdaten hereinbekommt.
Quk, mir gefallen deine klaren Aussagen sehr, u.a. zur Wahrnehmung.

Ergänzen möchte ich, dass es relativ naheliegend ist, dass der (momentane) Umfang der Signale aus der Umwelt wirklich nur ein Kleinteil sein kann ("externe Wahrnehmung"/Exterozeption), da diese nach Eintreffen auf der Augen-Netzhaut erst noch interpretiert bzw. in interne Signale umgewandelt werden müssen, während der Großteil der Signale in unserem Kopf (und ggf. erweitert Körper zu "intener Wahrnehmung"/Interozeption ) schon homogen(er) vorliegt.

Und richtig: Ohne Auslöserdaten keine entsprechenden Verarbeitungsdaten in unserem Kopf.



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Jörn Budesheim
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So 17. Sep 2023, 11:54

Quk hat geschrieben :
Fr 15. Sep 2023, 21:02
Die Wahrnehmung ist ja eine Wurst. (Lass es eine vegane sein.) Jede Wurst hat zwei Enden. Ich möchte gerne wissen, an welchem Ende Du beginnst, sie aufzuessen, wenn Du sagst, "was wir wahrnehmen", beziehungsweise, "was wir essen". Wo beginnt das Essen? An welchem Ende? Links oder rechts? Wo beginnt die Wahrnehmung? An welchem Ende? Input oder Output? Oder gibt es da keine Kausalität, sondern eine zeitachsenfreie Korrelation: Wenn die tatsächliche Hand klatscht, klatscht zugleich, ohne Verzögerung, die Wahrnehmung dieser klatschenden Hand?
Quk hat geschrieben :
Sa 16. Sep 2023, 09:39
Das ignoriert sämtliche Empirie auf diesem Gebiet, und daher kann ich hier nicht folgen.
Quk hat geschrieben :
Sa 16. Sep 2023, 09:39
Es handelt sich hier um einen klar empirisch beobachtbaren kausalen, zeitverzögerten Signalverlauf.
Quk hat geschrieben :
Sa 16. Sep 2023, 14:56
[der Lichtstrahl] ist der Startpunkt des Wahrnehmungsprozesses.
Quk hat geschrieben :
So 17. Sep 2023, 10:02
Der Großteil der Signale reist nicht von den Augen zum Gehirn ...
Dieses Zitat ist ein schönes Beispiel für klare Sprache ...
Trotzdem verstehen wir das Zitat, das ich übrigens gestern genau so gepostet habe, ganz anders. Für mich bedeutet es, dass der Lichtstrahl in den meisten Fällen nicht der Ausgangspunkt des Wahrnehmungsprozesses, wie du es nennst, ist. Schon dieser Ausdruck ist für mich problematisch. Ich hoffe, dass im Verlauf der nächsten Absätze deutlich wird, warum.

Wie auch immer: Wenn man überhaupt sinnvoll von einem Ausgangspunkt der Wahrnehmung sprechen kann, was ich in verschiedener Hinsicht bezweifle, ja sogar für abwegig halte, dann sind es die Gegenstände der Wahrnehmung. Ich habe immer das Gefühl, dass wir über völlig verschiedene Dinge sprechen. Und heute Morgen bzw. im Laufe des Vormittags hatte ich eine Idee, wie man das vielleicht formulieren könnte. (Möglicherweise hat mich Husserl drauf gebracht.) Ich spreche von Internationalität und du sprichst davon, wie sie deiner Meinung nach "kausal realisiert" wird. Oder plakativer ausgedrückt: Ich spreche über unser Leben und du sprichst über die anonymen Prozesse, die dabei vielleicht im Hintergrund ablaufen.

Wenn ich von den Gegenständen der Wahrnehmung spreche, dann spreche ich von einem Sinnphänomen, vom Inhalt der Wahrnehmung, von dem, wovon die Wahrnehmung handelt. Immerhin können wir in manchen Fällen angeben, was wir wahrgenommen haben. Dieser gesamte semantische Bereich bleibt außen vor, wenn man von einem Wahrnehmungsprozess spricht.

Die Gegenstände, die wir wahrnehmen (die Birke zeigt erste Anzeichen des Herbstes z.b) müssen aber in der "physikalischen" Rekonstruktion des Vorgangs keineswegs die Ursache des aktuellen Wahrnehmungsgeschehens sein. Als ich heute morgen die Birke sah, war der Gegenstand meiner Wahrnehmung die Birke. Die aktuelle "Ursache" der ein oder anderen Episode auf dem Balkon war aber vielleicht ein gespeicherter Gedächtnisinhalt, der "vergegenwärtigt" wurde. Die Ursache und das intentionale Objekt sind einfach nicht dasselbe.

Wenn ich von Intentionalität spreche, halte ich den Begriff "Ausgangspunkt" für unangemessen, um es vorsichtig auszudrücken.

Aber auch in der "physikalischen" Rekonstruktion finde ich die Rede vom Licht als Ausgangspunkt schwierig. Das zeigen meines Erachtens die beiden Zitate der Wissenschaftler:innen, die ich gestern gepostet habe, ganz deutlich. Ich bin ziemlich erstaunt, dass du das nicht auch so siehst. In diesem Bild sehe ich überhaupt keinen Ausgangspunkt, sondern ein kompliziertes Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren, das keinen Raum für eine entsprechende Ordnung mit einem Ausgangspunkt lässt.




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Quk
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So 17. Sep 2023, 12:11

Wenn ich von den Gegenständen der Wahrnehmung spreche, dann spreche ich von einem Sinnphänomen, vom Inhalt der Wahrnehmung, von dem, wovon die Wahrnehmung handelt.
Wenn ich von den Gegenständen der Wahrnehmung spreche, dann spreche ich von dem Gegenstand vor den Augen.

Ich brauche meine Augen. Wenn ich sie schließe, kann ich Deinen Kommentar weder lesen noch intentionalisieren noch vorhersehen noch ergänzen.

Mein Hirn braucht Nahrung. Es ist kein Perpeto mobile.




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Jörn Budesheim
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So 17. Sep 2023, 12:19

Das Wort "Gegenstand" bedeutet für mich etwas ganz anderes. Eine Rede z.b kann einen Gegenstand haben, das ist das, wovon sie handelt. Ein Gegenstand muss kein raumzeitliches Objekt sein, wie etwa ein Stein.




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So 17. Sep 2023, 12:21

Quk hat geschrieben :
So 17. Sep 2023, 12:11
Perpeto mobile
Schade, ich dachte der Text würde etwas zu Klärung beitragen. Scheint aber nicht gelungen zu sein 😔




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Jörn Budesheim
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So 17. Sep 2023, 12:42

Ich hatte weiter oben davon gesprochen, dass auch das Sinnliche begrifflich strukturiert sei. Ein Gedanke, der mir sehr gefällt, den ich ursprünglich bei dem Philosophen John McDowell gefunden habe. Daher ist sehen meines Erachtens Sehen entweder immer oder zumindest meistens "Sehen, dass ..." Auf diese Weise haben wir auch sehr schön einen Bezug zur Wahrheit :) denn wir sehen ja nicht in aller Regel Dinge, sondern in der Regel Dinge in Tatsachen eingebettet.




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So 17. Sep 2023, 13:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 17. Sep 2023, 12:42
Ich hatte weiter oben davon gesprochen, dass auch das Sinnliche begrifflich strukturiert sei. Ein Gedanke, der mir sehr gefällt, den ich ursprünglich bei dem Philosophen John McDowell gefunden habe. Daher ist sehen meines Erachtens Sehen entweder immer oder zumindest meistens "Sehen, dass ..." Auf diese Weise haben wir auch sehr schön einen Bezug zur Wahrheit :) denn wir sehen ja nicht in aller Regel Dinge, sondern in der Regel Dinge in Tatsachen eingebettet.
Ja, Sinnliches lässt sich strukturieren und ggf. Begriffen zuordnen bzw. dafür finden. Nur "das Sinnliche begrifflich strukturiert sei" irritiert mich etwas: wir Menschen sind es doch, die "begrifflich strukturieren".

Und richtig, wir sehen Dinge (in/aus der physischen Welt), die in andere Dinge eingebettet sind, aber "Tatsachen" (solche "Aussagen") sind etwas Menschliches in unserer Gedankenwelt.
Übrigens sehen wir eigentlich nicht Dinge selbst, sondern nur deren optischen Eigenschaften wie Farben (bzw. deren Farbeindrücke) und "basteln" uns daraus gedanklich u.a. Flächen von Objekten und versuchen daraus Objekte gedanklich zu machen und letztlich oft genug (wieder) zu erkennen.



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Quk
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So 17. Sep 2023, 13:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 17. Sep 2023, 12:21
Quk hat geschrieben :
So 17. Sep 2023, 12:11
Perpeto mobile
Schade, ich dachte der Text würde etwas zu Klärung beitragen. Scheint aber nicht gelungen zu sein 😔
Dein Text betont mehrmals, dass Du keinen Ausgangspunkt zulässt. Diese Radikalität deutet auf ein geschlossenes System hin, denn wo kein Ausgang, da auch kein Eingang fürs nächste. Für mich ist meine Augenhornhaut der Lichtpistolenausgang des Dings vor mir; aus dieser Dingpistole schießt Kraftstoff durch meine Linse und via Nervenzellen ins Hirn und dort vermischt er sich kreuz und quer mit bestehenden Erfahrungen (von vergangenen Ausgangspunkten damals angestoßen) und Erwartungen, und explodiert. Das Resultat dieser Explosion erzeugt ein vorläufiges Abbild oder einen Kurzfilm, der im Gedächtnis abgespeichert wird. Ist dieser Kurzfilm emotional, kommt er ins Langzeitgedächtnis; ist er langweilig, kommt er ins Kurzzeitgedächtnis und wird nach drei Sekunden oder elf Tagen gelöscht.

Die Diskussion rollt jetzt so weiter.
Für Dich besteht alles nur aus einem ausgangslosen Y.
Für mich gibt es X und Y; beides arbeitet Hand in Hand.




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So 17. Sep 2023, 13:33

Damit hast du allerdings ausgeblendet, was ich einblenden wollte. Ich habe von Intentionalität gesprochen, von Semantik, Sinn, davon, dass unsere Wahrnehmungen Inhalte haben. Diesen Aspekt möchtest du ausblenden. Warum?

Eine "physikalische Sichtweise" lasse ich ja ausdrücklich zu, ansonsten hätte ich nicht zwei Naturwissenschaftler zitiert, aber es ist eben eine ganz andere Ebene.




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So 17. Sep 2023, 13:42

Quk hat geschrieben :
So 17. Sep 2023, 13:20
Für Dich besteht alles nur aus einem ausgangslosen Y.
Für mich gibt es X und Y; beides arbeitet Hand in Hand.
Hmm. Ich lese die vorhergehenden Texte anders.

Für dich gibt es immer als Startpunkt das Licht. Die naturwissenschaftlichen Texte, die ich zitiert habe, sprechen jedoch eine andere Sprache. Das kannst Du schlecht mir ankreiden. In beiden Texten wird deutlich gemacht, dass in den meisten Situationen die Dinge einfach aus dem Speicher genommen werden, um es simpel auszudrücken. Wenn das so ist, dann kann das Licht nicht immer der Startpunkt sein.

Bei der Betrachtung der Wahrnehmung als Intentionalität, ist jedoch die Rede von einem Startpunkt einfach unpassend, finde ich, weil es dort eben um ganz andere Dinge geht.




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So 17. Sep 2023, 13:47

Lisa Feldman Barrett Siebeneinhalb Lektionen über das Gehirn hat geschrieben :
Ihr Gehirn sagt (fast) alles vorher, was Sie tun

Vor einigen Jahren erhielt ich eine E-Mail von einem Mann, der in den 1970er-Jahren im Süden Afrikas in der rhodesischen Armee gedient hatte, bevor die Apartheid abgeschafft wurde. Er war gegen seinen Willen eingezogen worden. Man hatte ihn in eine Uniform gesteckt, ihm ein Gewehr gegeben und befohlen, Guerillakämpfer zu jagen. Was das Ganze noch verschlimmerte, war die Tatsache, dass er sich vorher für ebendiese Guerilla starkgemacht hatte, die er nun als Feinde betrachten sollte.

Eines Morgens, er exerzierte gerade mit seinem kleinen Trupp in einem Waldstück, bemerkte er, wie sich vor ihm etwas bewegte. Zu seinem Entsetzen erkannte er mehrere Guerillas im Kampfanzug mit Maschinengewehren. Instinktiv nahm er das Gewehr hoch, entsicherte und zielte auf den Anführer, der eine Kalaschnikow trug.

Plötzlich legte sich eine Hand auf seine Schulter. «Nicht schießen», flüsterte einer seiner Kameraden. «Das ist doch noch ein Kind.» Also senkte er das Gewehr und sah noch mal hin. Was er jetzt sah, überraschte ihn zutiefst: Ein Junge von vielleicht zehn Jahren führte ein paar Kühe durch den Wald. Und die gefürchtete Kalaschnikow? Ein Hirtenstab.

Noch Jahrzehnte später konnte der Mann dieses Erlebnis nicht begreifen. Wie hatte er das, was er unmittelbar vor der Nase hatte, so falsch sehen können? Beinahe hätte er ein Kind getötet. Was stimmte nicht mit seinem Gehirn? Wie sich herausstellte, war mit seinem Gehirn alles in Ordnung. Es arbeitete exakt so, wie es sollte ...
Das ist die Einleitung des Kapitels, aus dem ich zitiert habe. Die "Guerillas im Kampfanzug" wurden dem Gedächtnis entnommen. Startpunkt war offenbar nicht das Licht.

Außerdem enthält diese kleine Episode etwas, was ich weiter oben auch schon thematisieren wollte, Wahrnehmungen können richtig und falsch sein. Das ist ein Aspekt, den man nicht ausblenden kann, finde ich.




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Quk
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So 17. Sep 2023, 13:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 17. Sep 2023, 13:33
Damit hast du allerdings ausgeblendet, was ich einblenden wollte. Ich habe von Intentionalität gesprochen, von Semantik, Sinn, davon, dass unsere Wahrnehmungen Inhalte haben. Diesen Aspekt möchtest du ausblenden. Warum?

Eine "physikalische Sichtweise" lasse ich ja ausdrücklich zu, ansonsten hätte ich nicht zwei Naturwissenschaftler zitiert, aber es ist eben eine ganz andere Ebene.
Du schreibst: "... aber es ist eben eine ganz andere Ebene."
Daraus lese ich eine von Dir getätigte Ausblendung, nicht eine von mir. Ich möchte einblenden. Du hingegen möchtest meine Einblendung zwar lesen, aber sie auf eine "ganz andere Ebene" schieben, die in Deiner Systembeschreibung anscheinend keinen interaktiven Anteil hat.

Es ging mir noch nie darum, Deiner Systembeschreibung zu widersprechen. Das tue ich nicht. Ich ergänze bloß. Da Du diese Ergänzung stets ablehnst, geht es meinerseits stets um die Verteidigung meiner Ergänzung, nicht um einen Angriff gegen Deine Systembeschreibung. Meine Ergänzung widerspricht Deiner Systembeschreibung nicht.

Ich muss in diesem Faden mal eine Pause machen :-)
Zuletzt geändert von Quk am So 17. Sep 2023, 13:58, insgesamt 1-mal geändert.




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So 17. Sep 2023, 13:58

Ja, da kommen wir nicht weiter, das stimmt.

Ich habe einen anderen Begriff von Wahrnehmung, die semantische Ebene, die Intentionalität gehört für mich zwingend dazu.

Aber ich habe die naturwissenschaftliche Sicht nicht ausgeblendet, ich habe ja eine Reihe von Zitaten dazu gebracht.




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Jörn Budesheim
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Quk hat geschrieben :
So 17. Sep 2023, 13:53
Ich ergänze bloß.
Für dich ist wichtig, dass das Licht der Ausgangspunkt jeder Wahrnehmung sein muss, jedenfalls, wenn es ums Sehen geht. Das akzeptiere ich jedoch nicht. Und das habe ich meines Erachtens ausführlich mit Hilfe der beiden Zitate begründet. Ich blende das nicht aus. Ich bin nur anderer Ansicht.

Natürlich akzeptiere ich, das Licht in der kausalen Beschreibung irgendwo eine Rolle spielen kann, aber nicht als Ausgangspunkt. Hier noch mal ein Zitat, was das meines Erachtens ganz deutlich macht: "Ihr Gehirn kombiniert Informationen von außerhalb und innerhalb Ihres Kopfes und schafft daraus alles, was Sie sehen, hören, riechen, schmecken und durch Berührung erfahren."




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Quk
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So 17. Sep 2023, 14:48

Ich wollte doch eine Pause machen.

Der Ausgangspunkt muss nicht immer jetzt im Moment der aktuellen Sichtung da sein. Der Ausgangspunkt kann auch vor vielen Jahren dagewesen sein, damals, als ich zum ersten Mal ein Känguruh sah. Heute kann ich die Augen schließen und ganz ohne einen aktuellen Ausgangspunkt ein Känguruh im Kopfkino sehen, im Zusammenspiel mit anderen gespeicherten Erfahrungen. Aber irgendwann einmal gab es einen Ausgangspunkt, der meinen Kopf anstieß, ein Känguruh-Bild zu komponieren. Ohne diesen damaligen Ausgangspunkt hätte ich bis heute noch nie ein Känguruh gesehen.




Timberlake
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So 17. Sep 2023, 15:04

Quk hat geschrieben :
Sa 16. Sep 2023, 14:33
Timberlake hat geschrieben :
Sa 16. Sep 2023, 13:04
Wenngleich ich bezweifeln würde , dass sich die Wissenschaft mittlerweile ziemlich sicher, dass Ihr Gehirn die momentanen Veränderungen in Ihrer Umwelt schon wahrnimmt, bevor die Lichtwellen, Botenstoffe und anderen Sinnesdaten im Gehirn ankommen. Dergleichen würde jede Kausalität auf den Kopf stellen.
Das riecht auch wieder nach Kommunikationsproblem wegen Adjektiv-Mangel.

Lisa Feldman Barrett wollte sicherlich nicht sagen, dass die Vorhersagen schon vor dem ersten Anreiz erscheinen, sondern dass der Vorhersagen-Aufbau mit dem ersten Anreiz beginnt und meist schon fertig ist, bevor die eigentliche Sinnesdatenaufnahme vollendet ist.
Dazu nur mal zur Erinnerung , was Jörn dazu aus dem Buch von Lisa Feldman Barrett zitiert hat ..
Lisa Feldman Barrett, Siebeneinhalb Lektionen über das Gehirn hat geschrieben : Die Wissenschaft ist sich mittlerweile ziemlich sicher, dass Ihr Gehirn die momentanen Veränderungen in Ihrer Umwelt schon wahrnimmt, bevor die Lichtwellen, Botenstoffe und anderen Sinnesdaten im Gehirn ankommen.
.. und zum Vergleich , was dazu unter unter Bezugnahme auf das Libet-Experiment , ein Experiment von John-Dylan Haynes sagt ...
deutschlandfunkkultur.de hat geschrieben :
Schon sieben Sekunden vorher steht die Entscheidung fest
„Dann haben wir ein Experiment gemacht, wo Probanden in einem Kernspintomographen liegen. Die Probanden konnten sich immer wieder in neuen Durchgängen aussuchen, ob sie sich für eine linke oder eine rechte Taste entscheiden. Und dann mussten sie die drücken. ..
Die Entscheidung fiel üblicherweise eine halbe Sekunde bis eine Sekunde vor der eigentlichen Bewegung. Aber wir fanden Hirnaktivität, die schon sehr früh angezeigt hat, wie sich jemand gleich entscheiden würde. Und zwar bis zu sieben Sekunden. Das heißt, das Gehirn hat Informationen über eine Entscheidung, die jemand erst sieben Sekunden später glaubt zu fällen.
Das klingt natürlich paradox. Wir haben dann alle möglichen Tests noch gemacht, ob wir dem Ergebnis trauen konnten. Aber es schien solide zu sein. Man muss allerdings ganz klar sagen: Diese Vorhersage ist nicht perfekt. Das an sich ist schon interessant. Wir konnten statistisch sauber überzufällig die Entscheidung vorhersagen, aber wir konnten sie nur mit 60-70% vorhersagen.“

Mit dem , was in dem Experiment von John-Dylan Haynes paradox erscheint , damit könnte man leben. Verstößt es doch nicht gegen die Kausalität. Das trifft auch auf das zu , was deiner Meinung nach Lisa Feldman Barrett sagen wollte. Nur leider sagt das Zitat dergleichen .. wohlgemerkt! .. in wortwörtlicher Rede eben nicht aus .. heißt es doch danach , dass ein Gehirn die momentanen Veränderungen in seiner Umwelt schon wahrnimm!, bevor die Lichtwellen, Botenstoffe und anderen Sinnesdaten im Gehirn ankommen. Das von mir hier farblich hervorgehobene "Adjektiv" ist diesbezüglich , also dem Verstoß gegen die Kausalität , unmissvertändlich. So zumindest meine Meinung.

Dazu unter Bezugnahme von Schopenhauers "Wille und Vorstellung nur mal zum Vergleich ..
  • "Die Wissenschaft ist sich mittlerweile ziemlich sicher, dass Ihr Gehirn die momentanen Veränderungen in Ihrer Umwelt schon .. vorstellt! ..., bevor die Lichtwellen, Botenstoffe und anderen Sinnesdaten im Gehirn ankommen."
Das würde übrigens , genau deiner Interpretation entsprechen , als da wäre , dass der Vorhersagen-Aufbau mit dem ersten Anreiz beginnt und meist schon fertig ist, bevor die eigentliche Sinnesdatenaufnahme vollendet ist.
Zuletzt geändert von Timberlake am So 17. Sep 2023, 15:54, insgesamt 4-mal geändert.




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So 17. Sep 2023, 15:13

Quk hat geschrieben :
So 17. Sep 2023, 14:48
Der Ausgangspunkt muss nicht immer jetzt im Moment der aktuellen Sichtung da sein. Der Ausgangspunkt kann auch vor vielen Jahren dagewesen sein, damals, als ich zum ersten Mal ein Känguruh sah.
Ich sehe nicht ein, warum man dann von einem Ausgangspunkt sprechen muss. Damit das Känguru ins "Gedächtnis" kommt, muss man es irgendwann einmal gesehen haben, keine Frage. Vielleicht in einem Kinderbuch, vielleicht im Zoo. Und irgendwie hat das Licht dabei eine Rolle gespielt. Kein Problem. Aber bei Ausgangspunkt mache ich nicht mit, dafür sehe ich keinen Grund.

Vielleicht warst du im Zoo und dein Vater hat auf das Känguru gezeigt und gesagt, schau mal, ein Känguru, dann wäre ein möglicher Ausgangspunkt der Hinweis deines Vaters auf das Känguru. Aber auch das würde ich nicht akzeptieren, weil gleichzeitig viele andere Bedingungen erfüllt sein müssen. Du musst den Hinweis des Vaters verstehen, du musst deine Aufmerksamkeit auf das Känguru richten, denn du hast vorher in die andere Richtung geschaut, nämlich zu den Affen und so weiter und so fort, und ich sehe nicht, dass einer dieser vielen Aspekte der Ausgangspunkt sein sollte. Ehrlich gesagt sehe ich nicht mal, worum dieses "Postulat" für dich überhaupt wichtig ist.

Beim Sehen spielt Licht einer große Rolle, das gebe ich sofort zu. Damit könnten wir die Sache abhaken.

Bei "Ausgangspunkt" mache ich jedoch nicht mit. Denn offensichtlich spielen viele Informationen von "außen und innen" eine Rolle, die erst im Zusammenspiel die entsprechende Wahrnehmung ergeben.




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So 17. Sep 2023, 15:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 17. Sep 2023, 15:13
Beim Sehen spielt Licht einer große Rolle, das gebe ich sofort zu. Damit könnten wir die Sache abhaken.

Bei "Ausgangspunkt" mache ich jedoch nicht mit. Denn offensichtlich spielen viele Informationen von "außen und innen" eine Rolle, die erst im Zusammenspiel die entsprechende Wahrnehmung ergeben.
.. offentsichlich wäre demnach , dass das , was als Licht von "außen" als Information eintrifft , erst im Zusammenspiel mit den Information von "innen" eine entsprechende Wahrnehmung ergibt . Beim Sehen würden dem nach auch die inneren Informationen eine große Rolle spielen. Zumindest wenn man das Sehen , wie das Fühlen, Schmecken, Hören und Riechen unter jenen Wahrnehmungen zählt , zu denen der Mensch fähig ist. Als solches beispielweise Radiowellen , zu deren Wahrnehmung wir nicht fähig sind, in äußere Informationen übersetzt werden müssen , die wir wahrnehmen können. Sei es nun "sehend" als Kurven , auf dem Bildschirm eines Oszilloskop oder "hörend" , als Ton über einen Lautsprecher.




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So 17. Sep 2023, 17:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 17. Sep 2023, 15:13
Quk hat geschrieben :
So 17. Sep 2023, 14:48
Der Ausgangspunkt muss nicht immer jetzt im Moment der aktuellen Sichtung da sein. Der Ausgangspunkt kann auch vor vielen Jahren dagewesen sein, damals, als ich zum ersten Mal ein Känguruh sah.
Ich sehe nicht ein, warum man dann von einem Ausgangspunkt sprechen muss. Damit das Känguru ins "Gedächtnis" kommt, muss man es irgendwann einmal gesehen haben, keine Frage. Vielleicht in einem Kinderbuch, vielleicht im Zoo. Und irgendwie hat das Licht dabei eine Rolle gespielt. Kein Problem. Aber bei Ausgangspunkt mache ich nicht mit, dafür sehe ich keinen Grund.

Vielleicht warst du im Zoo und dein Vater hat auf das Känguru gezeigt und gesagt, schau mal, ein Känguru, dann wäre ein möglicher Ausgangspunkt der Hinweis deines Vaters auf das Känguru. Aber auch das würde ich nicht akzeptieren, weil gleichzeitig viele andere Bedingungen erfüllt sein müssen. Du musst den Hinweis des Vaters verstehen, du musst deine Aufmerksamkeit auf das Känguru richten, denn du hast vorher in die andere Richtung geschaut, nämlich zu den Affen und so weiter und so fort, und ich sehe nicht, dass einer dieser vielen Aspekte der Ausgangspunkt sein sollte. Ehrlich gesagt sehe ich nicht mal, worum dieses "Postulat" für dich überhaupt wichtig ist.

Beim Sehen spielt Licht einer große Rolle, das gebe ich sofort zu. Damit könnten wir die Sache abhaken.

Bei "Ausgangspunkt" mache ich jedoch nicht mit. Denn offensichtlich spielen viele Informationen von "außen und innen" eine Rolle, die erst im Zusammenspiel die entsprechende Wahrnehmung ergeben.
Ich wollte doch eine Pause machen.

Wie gesagt, ich ergänze nur.
Zu den drei Millionen Ausgangspunkten, die Du richtigerweise erwähnst (Hinweis vom Vater etc.), füge ich noch den einen weiteren hinzu: Das Licht.

Schön, dass Du das jetzt anerkennst :-)

Die ganze Debatte hat ja nur angefangen, weil Du meine Ergänzung ablehntest, und Deine Ablehnung wurde getriggert, weil Du irgendeinen Pfeil gesehen hattest in einer meiner Illustrationen, und befürchtetest, dieser Pfeil solle die drei Millionen anderen Pfeile ersetzen. Der Pfeil war nur eine schematische Vereinfachung. -- Mir ist das nicht so wichtig. Ich will ja schon seit einer Weile eine Pause machen. Aber, höflich wie ich bin, möchte ich auf Dein Nachhaken antworten :-)

Ja, damit könnten wir die Sache abhaken.




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So 17. Sep 2023, 17:20

Barrett hat geschrieben : ... bevor die Lichtwellen, Botenstoffe und anderen Sinnesdaten im Gehirn ankommen.
Timberlake, ich denke, der nebulöse Ausdruck "im Gehirn ankommen" ist hier das Problem.

Barrett schreibt grob und in schönen Metaphern für ein Laienpublikum.

Was heißt denn, "in der Stadt ankommen"?
Ist dies das Übertreten der Stadtgrenze?
Die Einfahrt des Zuges in den Bahnhof?
Das Anhalten der Lok?
Das Öffnen der Türen?
Mein Aussteigen aus dem Zug?
Mein Austritt aus dem Bahnhof?
Mein Ankommen in der Oper?
Der Applaus für die Arie, die ich dort singe?

"Im Gehirn ankommen" -- was soll das sein? Das Gehirn ist ein großer Begriff. Und Ankommen ebenfalls.




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