Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Mi 4. Okt 2023, 19:43
Quk hat geschrieben : ↑ Mi 4. Okt 2023, 19:41
Du hast um einen guten Grund gebeten.
Wie meinst du das denn?
Ein Missverständnis, glaube ich. Ich habe dich an der fraglichen Stelle nicht gebeten, deine Position zu begründen. Es ging um etwas anderes. Ich versuche nochmal zu erklären, was ich meine.
Ich nehme wieder das Beispiel mit dem Tablet. Ich sitze auf meinem Stuhl und sehe das Tablet vor mir. Das gibt mir das
Recht zu glauben, dass es auch vor mir ist. Die Tatsache, dass ich es sehe, ist ein
guter Grund zu glauben, dass es sich auch so verhält. In dieser Situation gibt es de facto noch viele andere Gründe, die mich dazu berechtigen: Ich habe es selbst dorthin gelegt, es ist eigentlich immer dort usw. usf.
Jetzt zum Zweifel: Zweifel am Vorhandensein des Tablets (genauer: an der Korrektheit meines Wahrnehmungsurteils) müssen ihrerseits
gut begründet sein. Wer zweifelt, muss Gründe haben/angeben, die es zweifelhaft erscheinen lassen, dass mein "Wahrnehmungsurteil" richtig ist. Gründe sind Tatsachen, die für oder gegen etwas sprechen. Wer Zweifel äußert, muss sich also selbst auf
Tatsachen beziehen! Er würde sich selbst und seinen Zweifel in Zweifel ziehen, wenn er meinte, Tatsachen lägen generell außerhalb unserer Reichweite! In der vorliegenden Situation könnte man mein Wahrnehmungsurteil vielleicht mit folgenden Gründen anzweifeln:
"Es ist dunkel und du hast deine Brille nicht an, du hast aus Versehen mein Tablet genommen, schau doch auf die Markierung." Zweifeln gehört zum Spiel des Gebens und Nehmens von Gründen!
Meines Erachtens geht es hier also wesentlich um Normativität und Rationalität. Die Tatsache, dass ich das Tablet sehe,
berechtigt mich zu der Annahme, dass es dort ist. Der generelle Einwand, dass ich mich doch irren könnte, rechtfertigt meines Erachtens keinen Zweifel, weil er nicht sagt, warum ich mich im vorliegenden Fall irren könnte. Aus der schieren Möglichkeit folgt noch nichts für die konkrete Situation.
Das ist mein Punkt: Zweifel müssen genauso gut begründet sein wie Wahrheitsansprüche. Dass jeder Wahrheitsanspruch falsch sein kann, heißt aber nicht, dass dieser augenblickliche Wahrheitsanspruch falsch ist. Es braucht also jeweils einen konkreten Grund, finde ich.
Wer gesehen hat, dass etwas sich so und so verhält, ist berechtigt zu behaupten, dass es sich so und so verhält, wenn er keine konkreten Gründe kennt, es zu bezweifeln.