Tatsachen behaupten

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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Mi 4. Okt 2023, 18:06

Eine Tatsache ist etwas Wahres. Z.B. ist es wahr, also eine Tatsache, dass ich in diesem Moment ein Tablet vor mir habe, mit dem ich gerade diesen Beitrag ins Forum stelle. Eine Tatsache ist etwas Wahres über etwas. Es ist wahr über (oder von) Hamburg, dass es nördlich von Kassel liegt. Es ist über die Sieben wahr, dass sie eine Primzahl ist.

Ich habe also das Tablet vor mir.

Nun kann sich natürlich jeder leicht Dutzende von Szenarien ausdenken, in denen ich falsch liege. Ich bin auf Drogen. Descartes' böser Dämon hat mich verwirrt. Was vor mir liegt, ist nur eine Attrappe, weil meine Mitbewohnerin sich einen Scherz mit mir erlaubt hat und so weiter und so fort. Fast alles, was wir glauben, kann sich als falsch erweisen.

Was folgt daraus für mein "Recht" zu behaupten, dass vor mir eine Tafel steht, in die ich gerade diesen Text eintippe? Meiner Meinung nach nichts!

Allein aus der Tatsache, dass ich mich mit jeder Ansicht irren kann, folgt meines Erachtens eine ganze Reihe von Dingen nicht:
  • Es folgt nicht, dass ich jede Aussage mit einem Caveat versehen muss.
  • Es folgt meines Erachtens natürlich kein genereller Skeptizismus.
  • Es folgt natürlich auch nicht, dass ich z.B. meinen Wahrnehmungen nicht mehr glaube.
  • Es folgt nicht, dass ich die Tatsache nicht einfach behaupten darf.
  • usw.
Damit etwas von dem folgt, was ich gerade (unvollständig) aufgezählt habe, muss es einen guten Grund geben. Auch Skepsis muss begründet sein. Die Tatsache, dass ich mich irren könnte, reicht für sich allein genommen keinesfalls aus, finde ich. Daraus dass ich mich irren könnte, folgt trivialerweise nicht, dass ich mich irre. Unbegründeter Skeptizismus ist eine Form von make believe, wie man manchmal sagt.




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Quk
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Mi 4. Okt 2023, 19:08

Einen guten Grund gibt es in der modernen, wissenschaftlichen Methode: Die Wissenschaft sollte meiner Ansicht nach die Begriffe "Beobachtung" und "Tatsache" nicht synonym verwenden. Es würde das Prinzip der Falsifikation über den Haufen werfen und wir wären wieder im Positivismus des Wiener Kreises vor 100 Jahren, wonach nur ausreichend viele Meinungen übereinstimmen müssen, um aus Beobachtungen vermeintliche Tatsachen zu machen.

In der Alltagssprache sagt man freilich gerne mal, dies und jenes sei eine "Tatsache". Aber in der Wissenschaft halte ich so eine Sprache für unseriös.

Dieser Faden hier scheint inspiriert zu sein von einem anderen Faden, in dem es explizit um Wissenschaft geht. Dort beziehe ich mich auch immer nur auf Wissenschaftssprache, nicht auf Alltagssprache.




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Jörn Budesheim
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Mi 4. Okt 2023, 19:14

Es geht mir nicht um den Unterschied zwischen Wissenschaftssprachen und Alltagssprachen, das kommt in den Text von mir doch gar nicht vor und ist für das, was ich sagen will, auch nicht von Bedeutung.

In meinem Text steht auch nicht, dass die Begriffe Beobachtung und Tatsache synonym sind. Das behaupte ich nicht und es folgt auch nicht, aus dem, was ich sage.




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Quk
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Mi 4. Okt 2023, 19:41

Mir geht es um den Unterschied zwischen Wissenschaftssprache und Alltagssprache :-)
Du hast um einen guten Grund gebeten. Ich denke, ich habe erläutert, wo und warum ich eine Differenzierung für wichtig halte. Das ist alles.




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Jörn Budesheim
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Mi 4. Okt 2023, 19:42

Ich bin der Ansicht, dass das, was ich oben sage, unabhängig davon gilt.




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Jörn Budesheim
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Mi 4. Okt 2023, 19:43

Quk hat geschrieben :
Mi 4. Okt 2023, 19:41
Du hast um einen guten Grund gebeten.
Wie meinst du das denn?




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Quk
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Mi 4. Okt 2023, 19:55

Ich verstehe Deine Frage nicht. Kannst Du sie präzisieren?




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Jörn Budesheim
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Mi 4. Okt 2023, 19:57

:)

Du schreibst, ich hätte nach einem Grund gebeten, aber das stimmt eigentlich gar nicht. Deswegen vermute ich, dass hier irgendwo ein Missverständnis vorliegt, oder du die Frage anders meinst.




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Quk
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Mi 4. Okt 2023, 20:42

Ich ging davon aus, dass dieser Faden ein Nebenfluss dieses Stroms ist:

viewtopic.php?p=68717#p68717




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Jörn Budesheim
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Mi 4. Okt 2023, 20:51

Ja, er ist auf jeden Fall davon inspiriert.




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Jörn Budesheim
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Do 5. Okt 2023, 08:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 4. Okt 2023, 19:43
Quk hat geschrieben :
Mi 4. Okt 2023, 19:41
Du hast um einen guten Grund gebeten.
Wie meinst du das denn?
Ein Missverständnis, glaube ich. Ich habe dich an der fraglichen Stelle nicht gebeten, deine Position zu begründen. Es ging um etwas anderes. Ich versuche nochmal zu erklären, was ich meine.

Ich nehme wieder das Beispiel mit dem Tablet. Ich sitze auf meinem Stuhl und sehe das Tablet vor mir. Das gibt mir das Recht zu glauben, dass es auch vor mir ist. Die Tatsache, dass ich es sehe, ist ein guter Grund zu glauben, dass es sich auch so verhält. In dieser Situation gibt es de facto noch viele andere Gründe, die mich dazu berechtigen: Ich habe es selbst dorthin gelegt, es ist eigentlich immer dort usw. usf.

Jetzt zum Zweifel: Zweifel am Vorhandensein des Tablets (genauer: an der Korrektheit meines Wahrnehmungsurteils) müssen ihrerseits gut begründet sein. Wer zweifelt, muss Gründe haben/angeben, die es zweifelhaft erscheinen lassen, dass mein "Wahrnehmungsurteil" richtig ist. Gründe sind Tatsachen, die für oder gegen etwas sprechen. Wer Zweifel äußert, muss sich also selbst auf Tatsachen beziehen! Er würde sich selbst und seinen Zweifel in Zweifel ziehen, wenn er meinte, Tatsachen lägen generell außerhalb unserer Reichweite! In der vorliegenden Situation könnte man mein Wahrnehmungsurteil vielleicht mit folgenden Gründen anzweifeln: "Es ist dunkel und du hast deine Brille nicht an, du hast aus Versehen mein Tablet genommen, schau doch auf die Markierung." Zweifeln gehört zum Spiel des Gebens und Nehmens von Gründen!

Meines Erachtens geht es hier also wesentlich um Normativität und Rationalität. Die Tatsache, dass ich das Tablet sehe, berechtigt mich zu der Annahme, dass es dort ist. Der generelle Einwand, dass ich mich doch irren könnte, rechtfertigt meines Erachtens keinen Zweifel, weil er nicht sagt, warum ich mich im vorliegenden Fall irren könnte. Aus der schieren Möglichkeit folgt noch nichts für die konkrete Situation.

Das ist mein Punkt: Zweifel müssen genauso gut begründet sein wie Wahrheitsansprüche. Dass jeder Wahrheitsanspruch falsch sein kann, heißt aber nicht, dass dieser augenblickliche Wahrheitsanspruch falsch ist. Es braucht also jeweils einen konkreten Grund, finde ich.

Wer gesehen hat, dass etwas sich so und so verhält, ist berechtigt zu behaupten, dass es sich so und so verhält, wenn er keine konkreten Gründe kennt, es zu bezweifeln.




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Quk
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Do 5. Okt 2023, 11:35

Können wir uns auf folgendes einigen?

Ottilie sagt, sie sehe ein Tablet.

Das ist zunächst Ottilies Beobachtung, einverstanden?

Für Jörn und Quk ist es nicht sicher, ob Ottilies Satz wahr ist, -- beziehungsweise, ob ihr Satz mit der Tatsache übereinstimmt. Einverstanden?

Angenommen, es gibt einen objektiven, allwissenden Erzähler, der jetzt aussagt:
"Ottilies Wahrnehmung enthält ein Ding, das wie ein Tablet aussieht."

Hier würde ich sagen, diese Aussage ist wahr; ihr Inhalt entspricht also der Tatsache, dass Ottilies Wahrnehmung ein Ding enthält, das wie ein Tablet aussieht.
Einverstanden?

Oder ganz einfach:
"Jörn sieht blau."

Für Jörn ist diese Blausichtung eine Tatsache. Einverstanden?

Ottilie und Quk können nicht sicher wissen, ob das eine Tatsache ist. Einverstanden?

Daher können Ottilie und Quk in der Öffentlichkeit nicht kundgeben, es sei eine Tatsache, dass Jörn blau sieht. Einverstanden?

Also: Nur für Jörn ist diese Blausichtung eine Tatsache. Einverstanden?




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Jörn Budesheim
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Do 5. Okt 2023, 12:00

Ich bin eigentlich mit fast nichts davon einverstanden :-) Insbesondere nicht damit: "Für Jörn [...] ist es nicht sicher, ob Ottilies Satz wahr ist, -- beziehungsweise, ob ihr Satz mit der Tatsache übereinstimmt. Einverstanden?" Es bräuchte gute Gründe, die mir nahe legen, Ottilies Satz anzuzweifeln. Denn: Zweifel muss begründet sein.




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Quk
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Do 5. Okt 2023, 12:27

Mein Satz fragt nicht nach Zweifelsbegründung, sondern nach Wissenssicherheit.

Ich denke, Zweifelsbegründung hat einen sozialen Kontext, und Wissenssicherheit einen epistemologischen Kontext.

Ist es Dir möglich, den sozialen Kontext kurz nebenan zu lassen, und nur die epistemologische Frage zu fokussieren?

Natürlich habe ich keinen Zweifel, dass meine Geliebte die Wahrheit sagt. Ich habe keinen Grund, bei ihr skeptisch zu sein.

Das ist ein sozialer Kontext, nicht wahr?

Aber in einem epistemologischen Kontext kannst Du doch nicht ernsthaft behaupten, die Unlust am Zweifeln mache eine zur Kenntnis genommenen Aussage automatisch wahr.

Ich meine, der Zweifel ist überhaupt die Grundlage der Wissenschaft (ja, ich rede über Wissenschaft). Wenn ich den Zweifelswillen selbst bezweifle, beginne ich zu dogmatisieren. Das ist dann Religion.

Ich glaube, wir reden aneinander vorbei, weil Du auf der zwischenmenschlichen Schiene fährst und ich auf der nackten Epistemologie.

Insofern kann ich Dich schon verstehen.

Warum verwendest Du bloß das Wort "Tatsache" für Sachen, die man auch "Beobachtung" heißen kann?
Es würde die gröbsten Missverständnisse vermeiden, denke ich.


P.S.:
Mir scheint fast, Du schlitterst vom Realismus wieder zurück in den Konstruktivismus: Die radikale Skepsisunterdrückung konstruiert aus jeder Kenntnisnahme eine Tatsache :-) Im Nebeneffekt erhält es aber auch den Realismus, weil alles Konstruierte zwingend real sein muss.

Wann gibt es Deiner Ansicht nach einen guten Grund, skeptisch zu sein? Beispiel?




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Jörn Budesheim
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Do 5. Okt 2023, 12:47

Quk hat geschrieben :
Do 5. Okt 2023, 12:27
Warum verwendest Du bloß das Wort "Tatsache" für Sachen, die man auch "Beobachtung" heißen kann?
Das tue ich nicht. Was eine Tatsache meines Erachtens ist, schreibe ich gleich zu Beginn. Zum Beispiel: Eine Tatsache ist etwas Wahres, bzw. eine Tatsache ist etwas Wahres über etwas. Es ist wahr über (oder von) Hamburg, dass es nördlich von Kassel liegt. Es ist über die Sieben wahr, dass sie eine Primzahl ist. Tatsachen bestehen oder bestehen nicht, viele davon ganz unabhängig von unseren Wahrnehmungen.

Wahrnehmungen sind in der Regel "Wahrnehmungen, dass etwas der Fall ist." Damit sind die beiden Dinge ja nicht gleichgesetzt.
Quk hat geschrieben :
Do 5. Okt 2023, 12:27
Ich glaube, wir reden aneinander vorbei, weil Du auf der zwischenmenschlichen Schiene fährst ...
Eigentlich nicht. Ich spreche über Normativität und Vernunft. Alles, was ich sage, gilt natürlich auch für den Einzelnen. Wenn ich an meinen eigenen Wahrnehmungen zweifle, die mir die Wirklichkeit in der Regel unproblematisch präsentieren - das ist der erkenntnistheoretische Teil -, dann brauche ich auch dafür gute Gründe. (Es kann natürlich sein, dass ich Gründe für Zweifel habe, sie aber nicht kenne.)




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Jörn Budesheim
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Quk hat geschrieben :
Do 5. Okt 2023, 12:27
Die radikale Skepsisunterdrückung ...
Skepsis wird bei mir nicht unterdrückt, sondern sie muss begründet daherkommen. Unbegründete Skepsis ist für mich irrational.




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Jörn Budesheim
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Quk hat geschrieben :
Do 5. Okt 2023, 12:27
Wann gibt es Deiner Ansicht nach einen guten Grund, skeptisch zu sein? Beispiel?
Weiter oben habe ich schon ein Beispiel gegeben.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 5. Okt 2023, 08:04
Jetzt zum Zweifel: Zweifel am Vorhandensein des Tablets (genauer: an der Korrektheit meines Wahrnehmungsurteils) müssen ihrerseits gut begründet sein. Wer zweifelt, muss Gründe haben/angeben, die es zweifelhaft erscheinen lassen, dass mein "Wahrnehmungsurteil" richtig ist. Gründe sind Tatsachen, die für oder gegen etwas sprechen. Wer Zweifel äußert, muss sich also selbst auf Tatsachen beziehen! Er würde sich selbst und seinen Zweifel in Zweifel ziehen, wenn er meinte, Tatsachen lägen generell außerhalb unserer Reichweite! In der vorliegenden Situation könnte man mein Wahrnehmungsurteil vielleicht mit folgenden Gründen anzweifeln: "Es ist dunkel und du hast deine Brille nicht an, du hast aus Versehen mein Tablet genommen, schau doch auf die Markierung." Zweifeln gehört zum Spiel des Gebens und Nehmens von Gründen!




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Quk
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Do 5. Okt 2023, 19:27

Gut, das ist gut, mit der Brille.

Zum restlichen Text. Den finde ich inkonsistent.

Zitat: "Wer zweifelt, muss Gründe angeben."
Zitat: "Gründe sind Tatsachen."

Mit dieser Kombination ist der Inhalt des Zweifels bereits eine Tatsache. Durch diesen Tatsachen-Bestand wird der Prozess des Zweifelns direkt überbrückt, somit besteht a priori keine Bedingung, die einen Zweifelprozess überhaupt ermöglicht: Wer zweifelt -- vermeintlich zweifelt --, steht mit seinem "Zweifel" bereits vor vollendeten Tatsachen. Mit dieser Logik gibt es kein Zweifeln mehr. Der Begriff kann aus dem Vokabular gestrichen werden. Diese harte Voraussetzung für den "Zweifel" ist meiner Ansicht nach inkonsistent, weil auch die Erfüllung dieser Voraussetzung keinen Zweifel ermöglicht, sondern ihn überbrückt. Hier wird verlangt, den Nagel vollständig in die Wand zu hauen, bevor man mit dem Hämmern überhaupt anfangen darf.

---

Nun zu meiner Masche und meiner Begründung. Die übernimmt Deine Logik sogar zum Teil :-) Sie erlaubt aber dem Zweifelprozess mehr Atemfreiheit. Zweifeln ist ja ein Vorgang und kein Hammerschlag. Also ...

Ich kenne auch eine Tatsache. Nämlich die Tatsache, dass ich viele meiner Kenntnisnahmen im Leben hinterher korrigieren musste. Anderen Menschen kann ich diese Tatsache schwerlich beweisen, aber für mich ist es eine Tatsache, dass ich fehlbar bin. Das ist der Grund -- der gute Grund -- warum ich zweifle bei neuen Kenntnisnahmen.

Was heißt denn überhaupt "Zweifel"? Das ist in meinen Augen eine Denk-Aktion. Beim Zweifeln denke ich an alternative Einzelheiten gegenüber den Einzelheiten der Kenntnisnahme. Ich vergleiche sie miteinander und mit früheren Erfahrungen und Korrekturen; daraus entsteht eine Wahrscheinlichkeits-Abschätzung. Zweifeln heißt Abschätzen, Abwägen.

Zweifel muss ja nicht notwendig eine radikale Verneinung sein.

Zweifel kann winzig sein, abwesend sein, oder ganz groß sein.

Wenn man keine Brille aufhat, ist der Zweifel groß, mit Brille ist er winzig.
Im anderen Faden bezweifelt Stefanie sehr den Minimalismus; ich bezweifle ihn fast gar nicht. Ich sage "fast", weil ich weiß, dass ich mich irren kann. Ein Restrisiko besteht immer, vermute ich.

Zweifel ist das Resultat jener Erkenntnis, dass ich in der Vergangenheit Neuigkeiten manchmal falsch einschätzte. Meine Vernunft extrapoliert diese Einsicht in die Zukunft.

Deshalb gehe ich einen anderen Weg: Ich erlaube mir, alles zu bezweifeln, was ich noch nicht kenne. Obacht: Das ist keine Verneinung! Es ist ein Nachdenken. Der Grund meines Zweifels ist meine Erkenntnis, dass manche Kenntnisnahmen in der Vergangenheit sich als Täuschungen entpuppten.

Ist das Grund genug?

Und darf der Zweifel in variabler Dosis daherkommen? Oder stellt er für Dich immer eine Verneinung dar?




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Jörn Budesheim
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Do 5. Okt 2023, 19:29

Quk hat geschrieben :
Do 5. Okt 2023, 19:27
Zitat: "Gründe sind Tatsachen."
Zitat muss ich monieren :) ich schreibe: Gründe sind Tatsachen, die für oder gegen etwas sprechen.




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Quk
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Do 5. Okt 2023, 19:38

Karotten sind Möhren.
Karotten sind Möhren, die faulig oder nicht faulig sind.

In beiden Sätzen sind Karotten Möhren, oder?

Sogar halbfaule Möhren sind Karotten.

Gut, Tatsachen, die gar nicht sprechen, sind womöglich keine Tatsachen. Die sind dann ohnehin gar nix.




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