Jörn P Budesheim hat geschrieben : ↑ So 12. Okt 2025, 15:35
Consul hat geschrieben : ↑ So 12. Okt 2025, 15:01
Wenn du an den Osterhasen denkst, dann sind die (nichtfregeschen) Osterhasen-Gedanken in deinem Kopf das einzige Vorkommende oder Vorhandene. Der Osterhase selbst als intentionaler Gegenstand deiner Osterhasen-Gedanken existiert hingegen nicht.
Das ist allerdings ein innerer Widerspruch, den ich nicht kaufe. Der Osterhase kann ich gleichzeitig vorhanden sein und nicht vorhanden sein. Wenn in den Gedanken ein Osterhase vorkommt, dann kommt eben in den Gedanken ein Osterhase vor. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Dann kann man nicht mehr gleichzeitig behaupten, es käme nirgendwo ein Osterhase vor. Wenn er irgendwo vorkommt, egal wo, dann kommt er vor und existiert. Das ist ein glasklarer innerer Widerspruch und daher ist es zwingend falsch. Was in meinen Gedanken vorkommt, existiert, und zwar mindestens in meinen Gedanken.
Jörn P Budesheim hat geschrieben : ↑ So 12. Okt 2025, 15:35
Consul hat geschrieben : ↑ So 12. Okt 2025, 15:01
Das ist der entscheidende, von mir bereits mehrmals vorgebrachte Punkt:
Aus dem bloßen Vorgestellt- oder Gedachtsein von etwas folgt nicht dessen Dasein.
Genau das Gegenteil ist wahr.
Schon aus dem bloßen Vorgestellt- oder Gedachtsein von etwas folgt zwingend dessen Dasein. Nämlich zumindest in den Vorstellungen und den Gedanken. Da führt einfach kein Weg dran vorbei.
Jörn P Budesheim hat geschrieben : ↑ So 12. Okt 2025, 15:35
Consul hat geschrieben : ↑ So 12. Okt 2025, 14:49
Der Existenzbegriff sollte jedoch so allgemein gefasst werden, dass er von keiner bestimmten ontologischen Theorie [...] abhängig und darauf beschränkt ist.
Auch hier widersprichst du dir selbst, siehe folgendes Zitat.
Consul hat geschrieben : Eine Entität ist etwas Existierendes; und existieren heißt schlicht da sein, vorhanden sein, nicht bloß gedacht/vorgestellt/eingebildet sein.
Du schließt hier einfach - ohne jede Begründung - die Inhalte von Gedanken und Einbildungen aus.
Aber das führt zu einem Widerspruch: Da ich Einbildungen haben kann, was du offensichtlich zugibst, und da Einbildungen aus
nichts anderem bestehen als in ihrem strukturierten Inhalt, müssen die Inhalte von Einbildungen selbst existieren, zumindest in den Einbildungen, denn ansonsten würden auch die Einbildungen nicht existieren, was wiederum zu einem Widerspruch führt, denn die Existenz der Einbildung wurde ja zugestanden. Wenn du zugibst, das Einbildungen existieren, existieren damit zugleich die Inhalte der Einbildung, das ist unvermeidlich.
Es entsteht keinerlei Widerspruch, wenn man einen wichtigen Unterschied berücksichtigt, nämlich zwischen dem
Inhalt einer Vorstellung/Denkung als demjenigen, das
in der Vorstellung/Denkung vorgestellt/gedacht wird, und dem (intentionalen)
Gegenstand einer Vorstellung/Denkung als demjenigen, das
durch die Vorstellung/Denkung vorgestellt/gedacht wird. (Darauf habe ich an anderer Stelle bereits hingewiesen. Siehe
diesen Beitrag samt Twardowski-Zitat!)
Ich habe geschrieben:
"[E]xistieren heißt…nicht bloß gedacht/vorgestellt/eingebildet sein."
Die Rede von
Gedachtem/Vorgestelltem/Eingebildetem ist insofern doppeldeutig, als damit entweder der
Inhalt oder der
Gegenstand gemeint ist.
Mit
"nicht bloß gedacht/vorgestellt/eingebildet sein" meine ich
"nicht bloß (gemeinter) Gegenstand eines Denkens/Vorstellens/Einbildens sein". Die geistigen (sprachlichen oder bildlichen)
Inhalte eines Denkens/Vorstellens/Einbildens sind
selbst nicht bloß (gemeinte) Gegenstände eines Denkens/Vorstellens/Einbildens, was bedeutet, dass sie existieren.
Bewusstseinsinhalte—seien es "Impressionen" (Empfindungen, Gefühle) oder "Ideen" (geistige Bilder sprachlicher oder nichtsprachlicher Art)—existieren, weil es
nicht der Fall ist, dass
sie selbst nichts weiter sind als bloße, nur gemeinte Gegenstände eines Denkens/Vorstellens/Einbildens.
Geistige Inhalte (innere Wörter/Sätze oder Bilder) sind stets in jedem Akt des Denkens/Vorstellens/Einbildens vorhanden,
weil es ohne sie gar keine solchen Akte gäbe; aber der
durch den Inhalt gedachte/vorgestellte/eingebildete Gegenstand muss nicht existieren—weder innerhalb noch außerhalb des Geistes. Der
immer vorhandene Vorstellungsinhalt ist das geistige
Mittel (
Medium), durch das der
nicht immer vorhandene intentionale Vorstellungsgegenstand (
Intentum) vorgestellt wird.
Osterhasen-Vorstellungen haben
existente geistige Osterhasen-Bilder
als Inhalt und ein
nichtexistentes Fabeltier
als Gegenstand.
Es ist ein schwerwiegender Irrtum zu glauben, dass alle Vorstellungsgegenstände, die nicht
außergeistig vorhanden sind,
innergeistig vorhanden sind, im Geist vorkommen.
Doch der Osterhase und alle anderen nichtexistenten Wesen existieren weder außerhalb noch innerhalb geistiger Vorstellungen, weil sie schlichtweg nirgendwo existieren. Sie sind
absolut nichtexistent.
Der Osterhase als Gegenstand von Osterhasen-Vorstellungen ist niemals Teil der bildlichen Inhalte derselben. Kein Osterhasen-Bild in deinem Kopf ist der Osterhase!
"Der Gegenstand der Vorstellung, der "Intention", das ist und besagt der gemeinte Gegenstand. Stelle ich Gott oder einen Engel, oder ein intelligibles Sein an sich oder ein physisches Ding, oder ein rundes Viereck u.s.w. vor, so ist dieses hier Genannte und Transzendente eben gemeint, also (nur mit anderem Worte) intentionales Objekt; dabei ist es gleichgültig, ob dieses Objekt existiert, ob es fingiert oder absurd ist. Der Gegenstand ist ein "bloß intentionaler", heißt natürlich nicht: er existiert, jedoch nur in der intentio (somit als ihr reelles Bestandstück), oder es existiert darin irgendein Schatten von ihm; sondern es heißt: die Intention, das einen so beschaffenen Gegenstand Meinen existiert, aber nicht der Gegenstand. Existiert andererseits der intentionale Gegenstand, so existiert nicht bloß die Intention, das Meinen, sondern auch das Gemeinte. – Doch genug über diese noch heutigentags und von nicht wenigen Forschern so sehr missdeuteten Truismen."
(Husserl, Edmund. Logische Untersuchungen. Zweiter Teil: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. Halle: Niemeyer, 1901. S. 398-9)
"Natürlich wird man nicht übersehen dürfen, daß wirklich nicht soviel besagt wie außerbewußtseiend, sondern soviel wie nicht bloß vermeintlich."
(Husserl, Edmund. Logische Untersuchungen. Zweiter Teil: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. Halle: Niemeyer, 1901. S. 715)
Jörn P Budesheim hat geschrieben : ↑ So 12. Okt 2025, 15:35
Außerdem vertrittst du ja selbst eine ziemlich starke ontologische Theorie (Konkretismus, wie du es nennst) die ohne Begründung abstrakte Entitäten aus der Wirklichkeit ausschließt z.b Zahlen. Aber wie sollte etwas, über das wir wahre Gedanken haben können, nicht existieren, das halte ich für unmöglich. Einen wahren Gedanken haben bedeutet, einem Gegenstand eine Eigenschaft zurecht zuzuschreiben. Aber ein Gegenstand, der nicht existiert, kann keine Eigenschaften haben, denn Eigenschaften haben, setzt logischerweise Existenz voraus. Wenn die Zahl 12 die Eigenschaft hat, das Ergebnis der Addition von 7 + 5 zu sein, dann folgt daraus zwingend, dass es die Zahl 12 gibt. Und offensichtlich ist die Zahl 12 nichts konkretes, sie ist kein Gegenstand in Raum und Zeit.
Es ist wahr, dass der Osterhase nicht existiert; und diese Wahrheit hängt nicht widersprüchlicherweise von der Existenz des Osterhasen ab.
Was mathematische Sätze wie "7 + 5 = 12" betrifft, so kann man
die platonistische Semantik infrage stellen, der nach die
Ziffern (Zahlzeichen) "7", "5" und "12"
Zahlen als abstrakte Objekte repräsentieren. Mathematische
Formalisten tun genau dies—siehe unteres Zitat!
Und selbst wenn man, wie mathematische
Fiktionalisten es tun, die platonistische Semantik akzeptiert, muss man nicht auch
die platonistische Ontologie akzeptieren: Der mathematische Satz "7 + 5 = 12" handelt zwar von abstrakten Zahlen (bzw. gibt vor, davon zu handeln); aber weil es keine abstrakten Zahlen gibt, ist er
falsch.
Ich habe bereits in einem
anderen Beitrag meine Unterscheidung von
Wahrheit/Unwahrheit und
Gültigkeit/Ungültigkeit vorgestellt, welche es ermöglicht zu sagen: Der Satz "7 + 5 = 12" ist zwar
falsch, aber
gültig (im Kontext der Mathematik).
"Der Termformalismus ist die Ansicht, dass es in der Mathematik um Zeichen oder Symbole geht – Ziffernsysteme und andere sprachliche Formen. Das heißt, der Termformalist identifiziert die Entitäten der Mathematik mit ihren Namen. Die komplexe Zahl 8 + 2i ist einfach das Symbol ‚8 + 2i‘. Ein gründlicher Termformalist würde auch die natürliche Zahl 2 mit der Ziffer ‚2‘ identifizieren, …. Dem Termformalismus zufolge hat die Mathematik also einen Gegenstand, und mathematische Aussagen sind wahr oder falsch.
…
Die andere grundlegende Version des Formalismus vergleicht die Ausübung der Mathematik mit einem Spiel mit sprachlichen Zeichen. So wie man beim Schach mit einem Bauern ein Feld weiter diagonal schlagen kann, so kann man in der Arithmetik ‚x = 10‘ schreiben, wenn man zuvor ‚x = 8 + 2‘ erreicht hat. Nennen wir dieses Spielformalismus. Radikale Versionen dieser Ansicht behaupten rundheraus, die Symbole der Mathematik seien bedeutungslos. Mathematische Formeln und Sätze drücken keine wahren oder falschen Aussagen über irgendeinen Gegenstand aus. Die Ansicht ist, dass mathematische Zeichen nicht mehr Bedeutung haben als die Figuren auf einem Schachbrett. Der „Inhalt“ der Mathematik erschöpft sich in den Regeln für den Umgang mit ihrer Sprache. Gemäßigtere Versionen des Spielformalismus räumen zwar ein, dass die Sprachen der Mathematik eine gewisse Bedeutung haben können, diese Bedeutung ist in diesem Fall jedoch für die mathematische Praxis irrelevant. Für den praktizierenden Mathematiker könnten die Symbole der mathematischen Sprache ebenso gut bedeutungslos sein." [Google Translate]
(Shapiro, Stewart. Thinking about Mathematics: The Philosophy of Mathematics. Oxford: Oxford University Press, 2000. pp. 142+144-5)