Ontologie der Sachverhalte und Tatsachen
- Jörn P Budesheim
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Schematisch werden Tatsachen (oder Sachverhalte) oft so dargestellt: „xF“ bzw. „F(x)“. Wobei X den Gegenstand meint und F eine "Eigenschaft". Da ich bei solchen Notationen in der Regel lange Fingernägel bekomme, will ich darauf verzichten und lieber mit zwei Beispielen anfangen:
„Gestern habe ich gesehen, wie der Byron mit der Cabot auf einem Coldplay-Konzert mit der Kiss-Cam gefilmt wurde, während sie knuschten!“
„Tatsache?“
„Ja, das ist wahr, Mann!!“
„Krass!“
Im Alltag gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Wahrheit und Tatsachen: Etwas, das wirklich wahr ist, gilt uns als Tatsache – und nicht (zum Beispiel) als bloßes Gerücht. Ein weiteres Beispiel: Donald Trump behauptete, bei seiner Amtseinführung seien mehr Menschen anwesend gewesen als bei der von Barack Obama. Als sich zeigte, dass dies nicht den Tatsachen entsprach, prägte seine Beraterin Kellyanne Conway den Ausdruck „alternative Fakten“. Doch weil Tatsachen per definitionem wahre Sachverhalte sind, ist das begrifflicher Unsinn. Philipp Hübl schreibt: „Die Wörter ‚Fakt‘ oder ‚Tatsache‘ bedeuten ‚wahrer Sachverhalt‘, daher gibt es ‚alternative Fakten‘ so wenig wie eckige Kreise. Es handelt sich um einen begrifflichen Widerspruch.“ Mebenbei: auch Hübl macht den Zusammenhang zwischen Tatsache und Wahrheit deutlich.
Auch in der Philosophie ist der Ausdruck Tatsache von zentraler Bedeutung.
Ernst Tugendhat notiert allerdings in seiner *Logisch-semantischen Propädeutik* beiläufig (und ohne Begründung) in einer Fußnote: Es gebe keine Tatsachen, sondern nur Dinge. Tatsache? Ist Wittgenstein anderer Ansicht? Im Tractatus schreibt er immerhin:
1. Die Welt ist alles, was der Fall ist.
1.1 Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.
Der ontologische Status von Tatsachen scheint also umstritten zu sein.
Ich selbst verstehe unter einer Tatsache im philosophischen Sinn (mit Markus Gabriel) „etwas, was über etwas wahr ist“: Es ist über die Rose wahr, dass sie rot ist – also ist es eine Tatsache, dass sie rot ist. Gegenstände hingegen sind keine Tatsachen. Ein Stein ist einfach ein Stein. Aber, dass er grau ist, ist eine Tatsache, wenn er denn grau ist. Gabriel erläutert den Begriff auf verschiedene Weisen, etwa:
1. Eine Tatsache ist etwas, was über etwas wahr ist.
2. Eine Tatsache ist eine wahre Antwort auf eine sinnvoll gestellte Frage.
Was also ist der ontologische Status von Tatsachen? Und wie ist ihre Struktur? Mit anderen Worten: Was genau ist eine Tatsache?
„Gestern habe ich gesehen, wie der Byron mit der Cabot auf einem Coldplay-Konzert mit der Kiss-Cam gefilmt wurde, während sie knuschten!“
„Tatsache?“
„Ja, das ist wahr, Mann!!“
„Krass!“
Im Alltag gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Wahrheit und Tatsachen: Etwas, das wirklich wahr ist, gilt uns als Tatsache – und nicht (zum Beispiel) als bloßes Gerücht. Ein weiteres Beispiel: Donald Trump behauptete, bei seiner Amtseinführung seien mehr Menschen anwesend gewesen als bei der von Barack Obama. Als sich zeigte, dass dies nicht den Tatsachen entsprach, prägte seine Beraterin Kellyanne Conway den Ausdruck „alternative Fakten“. Doch weil Tatsachen per definitionem wahre Sachverhalte sind, ist das begrifflicher Unsinn. Philipp Hübl schreibt: „Die Wörter ‚Fakt‘ oder ‚Tatsache‘ bedeuten ‚wahrer Sachverhalt‘, daher gibt es ‚alternative Fakten‘ so wenig wie eckige Kreise. Es handelt sich um einen begrifflichen Widerspruch.“ Mebenbei: auch Hübl macht den Zusammenhang zwischen Tatsache und Wahrheit deutlich.
Auch in der Philosophie ist der Ausdruck Tatsache von zentraler Bedeutung.
Ernst Tugendhat notiert allerdings in seiner *Logisch-semantischen Propädeutik* beiläufig (und ohne Begründung) in einer Fußnote: Es gebe keine Tatsachen, sondern nur Dinge. Tatsache? Ist Wittgenstein anderer Ansicht? Im Tractatus schreibt er immerhin:
1. Die Welt ist alles, was der Fall ist.
1.1 Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.
Der ontologische Status von Tatsachen scheint also umstritten zu sein.
Ich selbst verstehe unter einer Tatsache im philosophischen Sinn (mit Markus Gabriel) „etwas, was über etwas wahr ist“: Es ist über die Rose wahr, dass sie rot ist – also ist es eine Tatsache, dass sie rot ist. Gegenstände hingegen sind keine Tatsachen. Ein Stein ist einfach ein Stein. Aber, dass er grau ist, ist eine Tatsache, wenn er denn grau ist. Gabriel erläutert den Begriff auf verschiedene Weisen, etwa:
1. Eine Tatsache ist etwas, was über etwas wahr ist.
2. Eine Tatsache ist eine wahre Antwort auf eine sinnvoll gestellte Frage.
Was also ist der ontologische Status von Tatsachen? Und wie ist ihre Struktur? Mit anderen Worten: Was genau ist eine Tatsache?
Adolf Reinach (1883–1917), einer der Pioniere der Sachverhaltsontologie, unterscheidet zwischen Sachverhalten, die erkannt, aber nicht gesehen werden (wie dass die Rose rot ist), und "Tatbeständen", die gesehen werden (wie die rote Rose). Die gesehene rote Rose als "Tatbestand" ist ein Ding und kein Sachverhalt. Entsprechend ist auch die Sonne als "Tatsache" in Russells Sinn ein Ding und kein Sachverhalt.Consul hat geschrieben : ↑Mi 24. Sep 2025, 01:40Dass wir nicht nur Objekte, sondern auch Sachverhalte oder Tatsachen direkt sehen, bezweifle ich allerdings – es sei denn, man geht von Russells Tatsachenbegriff aus, dem nach auch ein Ding wie die Sonne eine Tatsache ist.
"Alles, was es in der Welt gibt, nenne ich eine ‚Tatsache‘ [‚fact‘]. Die Sonne ist eine Tatsache; Caesars Überquerung des Rubikon war eine Tatsache; wenn ich Zahnschmerzen habe, sind meine Zahnschmerzen eine Tatsache." [Google Translate]
(Russell, Bertrand. Human Knowledge: Its Scope and Limits. 1948. Reprint, Abingdon: Routledge, 2009. p. 130)
-------------------------"Positiver und negativer Sachverhalt sind einander durchaus koordiniert. Existiert irgendwo eine rote Rose, dann sind mit der Existenz dieses Dinges beliebig viele – positive und negative – Sachverhalte gegeben. Die rote Rose existiert, die Rose ist rot, das Rot inhäriert der Rose; die Rose ist nicht weiß, nicht gelb usw. Die rote Rose, dieser dingliche Einheitskomplex ist der allen diesen Sachverhalten zugrunde liegende Tatbestand. Bei ihm reden wir von Existenz, bei den auf ihm basierten Sachverhalten besser von Bestand. Es ist zu beachten, daß im Begriffe des Sachverhaltes sein Bestand keineswegs als wesentliches Moment eingeschlossen liegt. Genau so wie wir die (realen oder ideellen) Gegenstände von ihrer (realen oder ideellen) Existenz trennen und ohne weiteres anerkennen, daß gewisse Gegenstände, wie goldene Berge oder runde Vierecke nicht existieren, oder sogar überhaupt nicht existieren können, so trennen wir auch die Sachverhalte, von ihrem Bestand, und reden von Sachverhalten, wie dem golden-sein von Bergen oder dem rund-sein von Vierecken, die nicht bestehen oder nicht bestehen können."
(Reinach, Adolf. "Zur Theorie des negativen Urteils." [1911.] Nachdruck in Gesammelte Schriften, hrsg. v. seinen Schülern, 56-120. Halle: Niemeyer, 1921. S. 85)
"…Das führt uns auf die Frage, wie eigentlich Sachverhalte uns zur Gegebenheit. kommen. Zunächst ergeben sich hier ja offenbar eigentümliche Schwierigkeiten. Nehmen wir unser Beispiel von dem Rotsein der Rose. Ich sage doch und jedermann sagt es ebenso, daß ich das Rotsein der Rose „sehe“, und ich meine damit – nicht etwa, daß ich die Rose oder das Rot sehe, sondern ich meine das von der roten Rose evident Verschiedene, welches wir als den Sachverhalt bezeichnen. Aber hier stellen sich uns Bedenken entgegen, sobald wir versuchen, uns von der Berechtigung dieser Redeweise zu überzeugen. Ich sehe vor mir die Rose, ich sehe auch das Rotmoment, welches an ihr sich befindet. Aber damit scheint doch.erschöpft zu sein, was ich sehe. Ich mag meine Augen noch so scharf anstrengen, ein Rotsein der Rose kann ich auf diese Weise nicht entdecken. Und noch weniger kann ich negative Sachverhalte sehen, das nicht-weiß-sein der Rose oder dgl. Und doch meine ich etwas ganz Bestimmtes, wenn ich sage, „ich sehe, daß die Rose rot ist“ oder „ich sehe, daß sie nicht weiß ist“. Das ist ja keine leere Redensart, sondern stützt sich auf Erlebnisse, in denen uns solche Sachverhalte wirklich gegeben sind. Allerdings müssen sie in anderer Weise gegeben sein als die Rose und ihr Rot. So ist es in der Tat. Indem ich die rote Rose sehe, „erschaue“ ich ihr Rotsein, wird es von mir „erkannt“. Gegenstände werden gesehen oder geschaut, Sachverhalte dagegen werden erschaut oder erkannt. Man darf sich nicht beirren lassen durch die Redeweise, welche auch Gegenstände erkannt sein läßt, etwa „als“ Menschen oder Tiere. Hier liegt eine leicht zu durchschauende Äquivokation zugrunde. Dieses Erkennen im Sinne der begrifflichen Fassung ist etwas ganz anderes, als das Erkennen im Sinne des Sachverhalts-Erschauens. Auch in den angeführten Fällen werden keineswegs die Gegenstände in unserem Sinne erkannt, sondern allenfalls das Menschsein oder Tiersein dieser Gegenstände.
Diese Erwägungen gestatten ohne weiteres eine Verallgemeinerung auf alle Urteile, die auf Grund sinnlicher Wahrnehmung gefällt werden. Ob hier von Sichtbarem, Hörbarem oder Riechbarem die Rede ist, die entsprechenden Sachverhalte werden nicht gesehen oder gehört oder gerochen, sondern sie werden erkannt."
(Reinach, Adolf. "Zur Theorie des negativen Urteils." [1911.] Nachdr. in Gesammelte Schriften, hrsg. v. seinen Schülern, 56-120. Halle: Niemeyer, 1921. S. 86-7)
Moderator: Das ist ein Auszug aus dem Faden über Sinne.
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
Wir bräuchten jetzt einen neuen Thread zur Ontologie der Sachverhalte und Tatsachen, aber ich muss hier noch eines dazu anmerken:Consul hat geschrieben : ↑Mi 24. Sep 2025, 02:00Adolf Reinach (1883–1917), einer der Pioniere der Sachverhaltsontologie, unterscheidet zwischen Sachverhalten, die erkannt, aber nicht gesehen werden (wie dass die Rose rot ist), und "Tatbeständen", die gesehen werden (wie die rote Rose). Die gesehene rote Rose als "Tatbestand" ist ein Ding und kein Sachverhalt. Entsprechend ist auch die Sonne als "Tatsache" in Russells Sinn ein Ding und kein Sachverhalt.
Reinachsche Sachverhalte sind abstrakte "propositional states of affairs" (Arianna Betti), die man allein aufgrund ihrer Abstraktheit nicht sinnlich wahrnehmen kann – im Gegensatz zu armstrongschen Sachverhalten, die konkrete "compositional states of affairs" (A. Betti) sind, welche aus konkreten Dingen und Eigenschaften/Beziehungen bestehen (zusammengesetzt sind) und (angeblich) sinnlich wahrnehmbar sind.
Fußnote:
Ich bin mit Bettis Unterscheidung nicht wirklich zufrieden, weil sie suggeriert, dass propositionale Sachverhalte oder Propositionen keine verschiedenen Bestandteile und damit keine innere Komposition oder Struktur haben. Manche Philosophen sind dieser Meinung, andere hingegen nicht. Wenn abstrakte Propositionen "Begriffverhalte" (Karl Chr. Krause) sind, dann sind sie aus Einzelbegriffen (Individualbegriffen) und Allgemeinbegriffen als abstrakten Entitäten zusammengesetzt.
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
Tatsache
Der Ausdruck »T.« wird umgangssprachlich häufig mit dem Ausdruck »reale Existenz« gleichbedeutend gebraucht. Das erklärt sich aus dem Verständnis, dass eine Tatsache das sei, was wirklich existiert. Semantisch korrekt wäre dagegen die unterscheidende Formulierung: Ein Ding existiert, eine T. ist der Fall, nicht aber: sie existiert. Die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Ding und Tatsache ergibt sich daraus, dass zu jedem wahren Urteil eine bestimmte Tatsache gehört. Da aber auch falsche Urteile Objekte haben, ist eine Differenzierung zwischen zwei Arten von Urteilsobjekten notwendig ...
Weiter lesen in Metzler Lexikon Philosophie / Tatsache
Der Ausdruck »T.« wird umgangssprachlich häufig mit dem Ausdruck »reale Existenz« gleichbedeutend gebraucht. Das erklärt sich aus dem Verständnis, dass eine Tatsache das sei, was wirklich existiert. Semantisch korrekt wäre dagegen die unterscheidende Formulierung: Ein Ding existiert, eine T. ist der Fall, nicht aber: sie existiert. Die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Ding und Tatsache ergibt sich daraus, dass zu jedem wahren Urteil eine bestimmte Tatsache gehört. Da aber auch falsche Urteile Objekte haben, ist eine Differenzierung zwischen zwei Arten von Urteilsobjekten notwendig ...
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Wo sich hier schon mal auf Markus Gabriel . bezogen wurde.
Was allerdings Reinachsche Sachverhalte betrifft, die man allein aufgrund ihrer Abstraktheit nicht sinnlich wahrnehmen kann, so würde ich darunter beispielsweise Zahlen "zählen".
"Links ein Baum und rechts ein Baum und in der Mitte , man glaubt es kaum, steht noch ein Baum.
Arthur Schramm
Wenn 1 + 1 + 1 = 3 der Fall und somit eine Tatsache ist, so werden Dinge, wie z.b. Bäume, die wir dazu zählen, so ganz sicher nicht sinnlich wahrgenommen. Hieße doch das, dass diese Dinge identisch sind. Was sie allerdings, bei genauerem Hinschauen, definitiv nicht sind.
- "Um zu verstehen, inwiefern der Neue Realismus eine neue Einstellung zur Welt mit sich bringt, wählen wir in einfaches Beispiel: Nehmen wir an, Astrid befinde sich gerade in Sorrent und sehe den Vesuv, während wir (also Sie, lieber Leser, und ich) gerade in Neapel sind und ebenfalls den Vesuv betrachten. Es gibt also in diesem Szenario den Vesuv, den Vesuv von Astrid aus (also aus Sorrent) gesehen und den Vesuv von uns aus (also aus Neapel) gesehen .Die Metaphysik behauptet, dass es in diesem Szenario einen einzigen wirklichen Gegenstand gibt, nämlich den Vesuv. Dieser wird gerade zufällig einmal aus Sorrent und ein andermal aus Neapel betrachtet, was ihn aber hoffentlich ziemlich kaltlässt. Es geht den Vesuv nichts an, wer sich für ihn interessiert. Das ist Metaphysik."
Markus Gabriel ... Der neue Realismus
In diesem Fall, weil aus konkreten Dingen und Eigenschaften/Beziehungen bestehed (zusammengesetzt sind) und (angeblich) sinnlich wahrnehmbar, vermutlich ein armstrongsche Sachverhalt.Consul hat geschrieben : ↑Mi 24. Sep 2025, 08:58
Wir bräuchten jetzt einen neuen Thread zur Ontologie der Sachverhalte und Tatsachen, aber ich muss hier noch eines dazu anmerken:
Reinachsche Sachverhalte sind abstrakte "propositional states of affairs" (Arianna Betti), die man allein aufgrund ihrer Abstraktheit nicht sinnlich wahrnehmen kann – im Gegensatz zu armstrongscher Sachverhalten, die konkrete "compositional states of affairs" (A. Betti) sind, welche aus konkreten Dingen und Eigenschaften/Beziehungen bestehen (zusammengesetzt sind) und (angeblich) sinnlich wahrnehmbar sind.
In dem ein Ding wie der Vesuv existiert und er von "uns" bzw. von Astrid gesehen wurde , der Fall ist, so wäre dergleichen wiederum eine Tatsache. Falls ich mich nicht irre.Link hat geschrieben : ↑Mi 24. Sep 2025, 15:24Tatsache
Der Ausdruck »T.« wird umgangssprachlich häufig mit dem Ausdruck »reale Existenz« gleichbedeutend gebraucht. Das erklärt sich aus dem Verständnis, dass eine Tatsache das sei, was wirklich existiert. Semantisch korrekt wäre dagegen die unterscheidende Formulierung: Ein Ding existiert, eine T. ist der Fall, nicht aber: sie existiert. Die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Ding und Tatsache ergibt sich daraus, dass zu jedem wahren Urteil eine bestimmte Tatsache gehört. Da aber auch falsche Urteile Objekte haben, ist eine Differenzierung zwischen zwei Arten von Urteilsobjekten notwendig ...
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Was allerdings Reinachsche Sachverhalte betrifft, die man allein aufgrund ihrer Abstraktheit nicht sinnlich wahrnehmen kann, so würde ich darunter beispielsweise Zahlen "zählen".
"Links ein Baum und rechts ein Baum und in der Mitte , man glaubt es kaum, steht noch ein Baum.
Arthur Schramm
Wenn 1 + 1 + 1 = 3 der Fall und somit eine Tatsache ist, so werden Dinge, wie z.b. Bäume, die wir dazu zählen, so ganz sicher nicht sinnlich wahrgenommen. Hieße doch das, dass diese Dinge identisch sind. Was sie allerdings, bei genauerem Hinschauen, definitiv nicht sind.
Zur Einführung:
* SEP: Sachverhalte [Google Translate]
* SEP: Tatsachen [Google Translate]
Lesenswerte (deutschsprachige) Texte (PDF) von Barry Smith zur Geschichte der Sachverhaltsontologie:
* “Sachverhalt”, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Stuttgart/Basel: Schwabe, Band 8 (1992), 1102-1113.
* “Sachverhalt: eine begriffsgeschichtliche Untersuchung”, Forschungsberichte und Mitteilungen des Forschungsinstituts Philosophie/Technik/Wirtschaft der Universität Salzburg, 9 (1988), 41S.
* Artur Rojszczak and Barry Smith, “Urteilstheorien und Sachverhalte”, in Otto Neumaier (ed.), Satz und Sachverhalt, Sankt Augustin: Academia Verlag, 2000, 9–72.
* “Logica Kirchbergensis”, in P. Klein (Hrsg.), Praktische Logik. Traditionen und Tendenzen, Abhandlungen eines Seminars beim 13. Internationalen Wittgenstein-Symposium, Kirchberg am Wechsel 1988 (Veröffentlichungen der Joachim Jungius Gesellschaft Hamburg, 61), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (1989), 123-145.
* SEP: Sachverhalte [Google Translate]
* SEP: Tatsachen [Google Translate]
Lesenswerte (deutschsprachige) Texte (PDF) von Barry Smith zur Geschichte der Sachverhaltsontologie:
* “Sachverhalt”, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Stuttgart/Basel: Schwabe, Band 8 (1992), 1102-1113.
* “Sachverhalt: eine begriffsgeschichtliche Untersuchung”, Forschungsberichte und Mitteilungen des Forschungsinstituts Philosophie/Technik/Wirtschaft der Universität Salzburg, 9 (1988), 41S.
* Artur Rojszczak and Barry Smith, “Urteilstheorien und Sachverhalte”, in Otto Neumaier (ed.), Satz und Sachverhalt, Sankt Augustin: Academia Verlag, 2000, 9–72.
* “Logica Kirchbergensis”, in P. Klein (Hrsg.), Praktische Logik. Traditionen und Tendenzen, Abhandlungen eines Seminars beim 13. Internationalen Wittgenstein-Symposium, Kirchberg am Wechsel 1988 (Veröffentlichungen der Joachim Jungius Gesellschaft Hamburg, 61), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (1989), 123-145.
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
1. Wenn ein Sachverhalt kein propositionaler "Begriffsverhalt", sondern ein nichtpropositionaler "Gegenstandsverhalt" (* ist, dann kann er nicht wahr oder falsch sein, sondern nur wirklich oder unwirklich sein, bestehen oder nicht bestehen.Jörn P Budesheim hat geschrieben : ↑Mi 24. Sep 2025, 08:57Im Alltag gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Wahrheit und Tatsachen: Etwas, das wirklich wahr ist, gilt uns als Tatsache – und nicht (zum Beispiel) als bloßes Gerücht. Ein weiteres Beispiel: Donald Trump behauptete, bei seiner Amtseinführung seien mehr Menschen anwesend gewesen als bei der von Barack Obama. Als sich zeigte, dass dies nicht den Tatsachen entsprach, prägte seine Beraterin Kellyanne Conway den Ausdruck „alternative Fakten“. Doch weil Tatsachen per definitionem wahre Sachverhalte sind, ist das begrifflicher Unsinn. Philipp Hübl schreibt: „Die Wörter ‚Fakt‘ oder ‚Tatsache‘ bedeuten ‚wahrer Sachverhalt‘, daher gibt es ‚alternative Fakten‘ so wenig wie eckige Kreise. Es handelt sich um einen begrifflichen Widerspruch.“ Mebenbei: auch Hübl macht den Zusammenhang zwischen Tatsache und Wahrheit deutlich.
(* im weitesten, allgemeinsten Sinn von "Gegenstand", in dem auch Eigenschaften und Beziehungen Gegenstände genannt werden können: "Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen." — Wittgenstein (TLP 2.01))
2. Im Englischen wird "fact" de facto auch im Sinn von "Tatsachenbehauptung", von "behauptete, angebliche, vermeintliche Tatsache" gebraucht, sodass die Rede von "false facts" oder "unreal facts" in diesem Sinn des Wortes nicht selbstwidersprüchlich ist – genauso wenig wie die Rede von falschen Tatsachenbehauptungen.
Im Webster's Dictionary von 1913 ist eine Bedeutung von "fact":"Usage Note: Since the word fact means "a real occurrence, something demonstrated to exist or known to have existed," the phrases true facts and real facts, as in The true facts of the case may never be known, would seem to be redundant. But fact has a long history of use in the sense of "an allegation of fact" or "something that is believed to be true," as in this remark by union leader Albert Shanker: "This tract was distributed to thousands of American teachers, but the facts and the reasoning are wrong." This usage has led to the notion of "incorrect facts," which causes qualms among critics who insist that facts must be true. The usages, however, are often helpful in making distinctions or adding emphasis."
———
"Hinweis zur Verwendung: Da das Wort „Fakt“ „ein tatsächliches Ereignis, etwas, dessen Existenz nachgewiesen wurde oder von dem bekannt ist, dass es existiert hat“ bedeutet, erscheinen die Ausdrücke „wahre Tatsachen“ und „echte/wirkliche Tatsachen“, wie in „Die wahren Tatsachen des Falles werden möglicherweise nie bekannt“, redundant. „Fakt“ wird jedoch seit langem im Sinne von „Tatsachenbehauptung“ oder „etwas, das für wahr gehalten wird“ verwendet, wie in dieser Bemerkung des Gewerkschaftsführers Albert Shanker: „Dieses Traktat wurde an Tausende amerikanischer Lehrer verteilt, aber die Tatsachen und die Begründung sind falsch.“ Diese Verwendung hat zum Begriff der „falschen Tatsachen“ geführt, der bei Kritikern, die darauf bestehen, dass Tatsachen wahr sein müssen, Bedenken hervorruft. Die Verwendungen sind jedoch oft hilfreich, um Unterscheidungen zu treffen oder Hervorhebungen vorzunehmen." [Google Translate]
Quelle: https://www.ahdictionary.com/word/search.html?q=fact
"FACT
…
4. the assertion or statement of a thing done or existing; sometimes, even when false, improperly put, by a transfer of meaning, for the thing done, or supposed to be done; a thing supposed or asserted to be done; as, history abounds with false facts.
I do not grant the fact.
- De Foe.
This reasoning is founded upon a fact which is not true.
- Roger Long."
Quelle: https://www.webster-dictionary.org/definition/fact
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
Wenn Tatsachen Entitäten sind, dann kann man genauso von der Existenz von Tatsachen sprechen wie von der Existenz von Dingen; denn eine Entität als etwas Seiendes ist immer auch etwas Existierendes. (Alles Seiende existiert.)Link hat geschrieben : ↑Mi 24. Sep 2025, 15:24Tatsache
Der Ausdruck »T.« wird umgangssprachlich häufig mit dem Ausdruck »reale Existenz« gleichbedeutend gebraucht. Das erklärt sich aus dem Verständnis, dass eine Tatsache das sei, was wirklich existiert. Semantisch korrekt wäre dagegen die unterscheidende Formulierung: Ein Ding existiert, eine T. ist der Fall, nicht aber: sie existiert. ...
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Im kurzen Literaturverzeichnis des Metzler-Artikels wird an erster Stelle ein Buch von Roderick Chisholm erwähnt, der Sachverhalte als abstrakte Entitäten betrachtet. Und wenn diese notwendigerweise ("in allen möglichen Welten") existieren, dann muss zwischen dem Existieren eines Sachverhalts und dessen Bestehen unterschieden werden, weil es dann auch nicht bestehende existierende Sachverhalte gibt.
(Es fragt sich allerdings, worin genau der Unterschied zwischen Bestehen und Existieren besteht.)
"States of affairs are here understood as abstract entities which exist necessarily and which are such that some but not all of them occur, take place or obtain."
———
"Sachverhalte werden hier als abstrakte Entitäten verstanden, die notwendigerweise existieren und derart beschaffen sind, dass einige, aber nicht alle von ihnen sich ereignen, stattfinden oder bestehen." [Google Translate mit einer Änderung meinerseits]
(Chisholm, Roderick M. Person and Object: A Metaphysical Study. La Salle, IL: Open Court Publishing, 1976. p. 114)
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
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Man sagt selten: "Der Weihnachtsmann existiert", sondern eher, "es gibt den Weihnachtsmann". Das sind eben sprachliche Gepflogenheiten. Allerdings ist die Rede vom "Bestehen von Sachverhalten" im Alltag eher selten, das stimmt wohl.
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1. Wenn ein Sachverhalt kein propositionaler "Begriffsverhalt", sondern ein nichtpropositionaler "Gegenstandsverhalt" (* ist, dann kann er nicht wahr oder falsch sein, sondern nur wirklich oder unwirklich sein, bestehen oder nicht bestehen. [/quote]
Diese Ausdrucksweise von Hübl ist unelegant, das stimmt, aber der Sache nach unproblematisch, finde ich. Zu sagen, dass der Sachverhalt, dass alle Weihnachtmänner Bärte haben besteht, heißt doch, dass es wahr ist, dass alle Weihnachtmänner Bärte haben.
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Hier noch ein wichtiger Punkt: In der Philosophie hat sich (z. B.) die Rede von "sozialen Tatsachen" eingebürgert, sodass es eine eigenständige Fragestellung ist, was eine "soziale Tatsache" ausmacht. Darüber hinaus sind die Ausdrücke "moralische Tatsache", "ästhetische Tatsache" und anderes mehr im Umlauf.
Philosophische Theorien über Tatsachen und Sachverhalte
Einleitung: Die zentrale Rolle von Tatsachen und Sachverhalten
Die Frage, was Tatsachen und Sachverhalte sind, gehört zu den fundamentalen Problemen der Philosophie. Diese Entitäten bilden die Schnittstelle zwischen Sprache, Denken und Wirklichkeit. Sie dienen als Wahrheitsmacher für Aussagen, als Gegenstände unseres Wissens und als grundlegende Bausteine der Welt selbst. Verschiedene philosophische Strömungen, vom Logischen Atomismus über die Phänomenologie bis zum Neuen Realismus, haben tiefgreifende und oft konkurrierende Theorien über ihre Natur, ihre Struktur und ihren ontologischen Status entwickelt. Diese Übersicht stellt die zentralen Ansätze der wichtigsten Denker und Schulen dar, gestützt auf deren grundlegende Definitionen und Argumente.
Gottlob Frege: Die Tatsache als wahrer Gedanke
Gottlob Frege, einer der einflussreichsten Logiker und Philosophen, legte den Grundstein für viele spätere Debatten, indem er den Begriff der Tatsache eng an seine Theorie des Gedankens knüpfte. Sein Ansatz ist primär logisch-semantisch und zielt darauf ab, die Bedingungen für Wahrheit zu klären.
Der Gedanke als Träger von Wahrheit
Für Frege ist ein Gedanke („Gedanke“) nicht ein subjektiver psychischer Vorgang, sondern der objektive Sinn eines Satzes. Er definiert ihn als „etwas, bei dem überhaupt Wahrheit in Frage kommen kann“. Gedanken sind unsinnliche Entitäten, die in das „sinnliche Gewand des Satzes“ gekleidet werden, um für uns fassbar zu sein. Sie existieren unabhängig davon, ob sie von jemandem gedacht oder für wahr befunden werden, in einem eigenen, von der Außen- und Innenwelt unterschiedenen Reich – einem „dritten Reich“.
Definition der Tatsache
Innerhalb dieses Rahmens ist Freges Definition einer Tatsache präzise und konsequent. Er identifiziert sie direkt mit einem wahren Gedanken:
„Was ist eine Tatsache? Eine Tatsache ist ein Gedanke, der wahr ist.“
Quelle: Frege, „Der Gedanke“ (1918) und „Die Verneinung“, zitiert in der Transkription des Vortrags von Markus Gabriel.
Die Arbeit der Wissenschaft besteht für Frege nicht in einem Schaffen, sondern in einem „Entdecken von wahren Gedanken“. Der berühmte Ausruf des Naturforschers, den Frege zitiert, unterstreicht die fundamentale Bedeutung von Tatsachen als sichere Grundlage der Wissenschaft: „Tatsachen! Tatsachen! Tatsachen!“.
Logischer Atomismus: Die Welt als Gesamtheit der Tatsachen
Der Logische Atomismus, maßgeblich geprägt von Bertrand Russell und Ludwig Wittgenstein, ist eine metaphysische Position, die behauptet, die Welt bestehe aus einer Vielzahl voneinander unabhängiger, atomarer Tatsachen. Diese strukturelle Isomorphie zwischen einer idealen logischen Sprache und der Welt ist das Kernmerkmal dieser Schule.
Ludwig Wittgenstein im Tractatus Logico-Philosophicus
Wittgensteins frühes Hauptwerk, der Tractatus Logico-Philosophicus, entwirft eine radikale Ontologie, die auf den Begriffen der Tatsache und des Sachverhalts basiert. Seine Thesen sind in einer prägnanten, apheristischen Form verfasst.
- Die Welt als Gesamtheit der Tatsachen: Wittgenstein beginnt mit der berühmten Feststellung, dass die fundamentalen Konstituenten der Welt nicht Dinge, sondern Tatsachen sind.
- Tatsachen als Bestehen von Sachverhalten: Tatsachen sind für Wittgenstein keine einfachen Entitäten. Sie ergeben sich aus dem Bestehen von Sachverhalten.
- Sachverhalte als Konfiguration von Gegenständen: Ein Sachverhalt ist die einfachste mögliche Konfiguration von Gegenständen (Dingen), die die unveränderliche Substanz der Welt bilden.
- Die Abbildtheorie: Die Verbindung zur Sprache und zum Denken wird durch die Abbildtheorie hergestellt. Ein sinnvoller Satz ist ein logisches Bild einer Tatsache.
Bertrand Russell
Bertrand Russell, der den Begriff „Logischer Atomismus“ prägte, entwickelte eine ähnliche, wenn auch in Details abweichende Theorie. Für ihn ist ein Faktum ebenfalls eine Art Komplex, der aus einfachen Entitäten besteht. Ein atomarer Fakt besteht entweder aus einem einzelnen Individuum, das eine Eigenschaft aufweist, oder aus mehreren Individuen, die in einer einfachen Beziehung zueinander stehen. Im Gegensatz zu seinem früheren Standpunkt und unter dem Einfluss Wittgensteins akzeptierte Russell später die Existenz von negativen Tatsachen. So ist die Falschheit der Aussage „R(a,b)“ durch die Existenz der negativen Tatsache begründet, dass a die Beziehung R zu b nicht hat. Molekulare Tatsachen (z.B. konjunktive) lehnte er hingegen ab, da ihre Wahrheit vollständig von den entsprechenden atomaren Tatsachen abgeleitet werden kann.
Phänomenologische und gegenstandstheoretische Ansätze
Die Tradition der österreichischen Philosophie, insbesondere im Umfeld von Franz Brentano, entwickelte Theorien, die den Sachverhalt als Korrelat von psychischen Akten wie dem Urteilen, Wünschen oder Fragen in den Mittelpunkt stellten.
Historische Wurzeln und frühe Verwendungen
Der Begriff „Sachverhalt“ hat seine Wurzeln im juristischen Terminus status rerum („Stand der Dinge“). Historisch wurde er, etwa bei Goclenius, von der propositio (der Behauptung oder Darlegung) unterschieden. In der Philosophie wurde der Begriff maßgeblich durch Carl Stumpf geprägt. In seinen Logik-Vorlesungen von 1888 definierte er den Sachverhalt als:
„[...] den spezifischen Urteilsinhalt [...], der dem Urteil [...] entspreche, der vom Vorstellungsinhalte (der Materie) zu scheiden sei und sprachlich in ‚Daß-Sätzen‘ oder in substantivierten Infinitiven ausgedrückt wird.“
Quelle: Carl Stumpf, zitiert in Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 8, S. 1105.
Für Stumpf ist der Sachverhalt ein „notwendiges Korrelat“ des Urteilens und gehört zur Klasse der „Gebilde“, die nur als Inhalte von mentalen Funktionen existieren können.
Alexius Meinongs Theorie der Objektive
Alexius Meinong entwickelte im Rahmen seiner allgemeinen „Gegenstandstheorie“ eine differenzierte Lehre der Objektive. Er zog diesen Terminus dem des Sachverhalts vor, weil letzterer ihm zu eng erschien. Meinong argumentierte, die Anwendbarkeit des Begriffs Sachverhalt scheine „für untatsächliche Objektive ganz und gar zu versagen“.
Objektive sind für Meinong die Gegenstände von Urteilen und Annahmen. Sie können wahr oder falsch sein und existieren in einem Reich „jenseits von Sein und Nicht-Sein“. Er unterscheidet:
- Seinsobjektive (dass A ist / nicht ist)
- Soseinsobjektive (dass A B ist / nicht B ist)
- Objektive höherer Ordnung, die sich auf andere Objektive beziehen.
Edmund Husserl und Adolf Reinach
Edmund Husserl, ein Schüler Brentanos, klärte als einer der Ersten die ontologische Bedeutung von Sachverhalten. Für ihn ist der Sachverhalt nicht der Inhalt, sondern der Gegenstand eines Urteils. Er bildet eine universale, gegenständliche Kategorie, die der Kategorie der Dinge als Korrelate von nominalen Akten gleichgestellt ist. Ein und derselbe Sachverhalt kann Gegenstand verschiedener Akte sein:
„Der geurteilte Sachverhalt kann ‚als identisch derselbe in einer bloßen Vorstellung vorgestellt, in einem Wunsch gewünscht, in einer Frage gefragt, in einem Zweifel bezweifelt sein‘.“
Quelle: Edmund Husserl, Logische Untersuchungen, V, § 17, 378.
Adolf Reinach, ein Schüler Husserls, entwickelte eine radikal realistische Theorie der Sachverhalte. Für Reinach ist die Logik eine Theorie der Sachverhalte. In Anlehnung an Meinong vertrat er die entscheidende These, dass ein Sachverhalt nicht bestehen (obtain) muss, um zu existieren.
„[Das] Bestehen ist keineswegs als wesentliches Moment innerhalb des Begriffs eines Sachverhaltes enthalten.“
Quelle: Adolf Reinach, Zur Theorie des negativen Urteils, S. 116/374 (freie Übersetzung).
Diese Annahme erlaubt die Existenz von nicht-bestehenden und sogar notwendigerweise nicht-bestehenden Sachverhalten (z.B. „das Rundsein eines Quadrates“). Da er nicht-bestehende Sachverhalte als Referenten für falsche Urteile anerkannte, konnte Reinach auf die Annahme von Propositionen als eigenständigen Entitäten verzichten.
Metaphysischer Realismus und die Truthmaker-Theorie
Moderne Formen des Realismus sehen in Tatsachen oder Sachverhalten die ontologische Grundlage für Wahrheit. Sie sind das, was wahre Aussagen wahr macht (truthmaker).
D.M. Armstrongs Ontologie der Sachverhalte
Der australische Philosoph D.M. Armstrong vertritt die These, dass die Welt eine Welt von Sachverhalten ist („a world of states of affairs“). Er bevorzugt den Begriff „Sachverhalt“ gegenüber „Tatsache“, da „Tatsache“ zu eng mit wahren Aussagen verknüpft sei.
- Struktur: Ein Sachverhalt besteht, wenn ein Partikulare (ein Einzelding) eine Eigenschaft besitzt oder mehrere Partikulare in einer Beziehung zueinander stehen.
- Wahrheitsmacher: Die Notwendigkeit von Sachverhalten ergibt sich aus dem Bedürfnis nach einem Wahrheitsmacher (ein von C.B. Martin eingeführter Begriff) – einem ontologischen Grund für die Wahrheit von Aussagen.
- Gesetze: Naturgesetze sind für Armstrong Sachverhalte höherer Ordnung, nämlich Beziehungen zwischen Universalien.
Manuel Bremers physikalistische Tatsachenontologie
In einem physikalistischen Ansatz werden Tatsachen als primäre Entitäten der Wirklichkeit verteidigt.
- Jeder wahren Aussage entspricht eine Tatsache als ihr Referent.
- Tatsachen sind sprachunabhängige, strukturierte Raum-Zeit-Bereiche.
- Die Ontologie der Gegenstände ist sekundär: Über Gegenstände spricht man, wenn man von der Strukturiertheit der primären Entitäten (der Tatsachen) absieht.
- Es wird zwischen stabilen Tatsachen (Zuständen) und instabilen Tatsachen (Ereignissen) unterschieden.
Gegenwärtige Perspektiven: Der Neue Realismus
Der von Markus Gabriel und anderen entwickelte Neue Realismus wendet sich gegen den Konstruktivismus und postuliert eine umfassende Ontologie der Tatsachen, die nicht auf die physische Welt beschränkt ist.
Markus Gabriels Sinnfeldontologie
Gabriel argumentiert, dass es die Welt als allumfassenden Behälter aller Tatsachen nicht gibt. Stattdessen existieren Tatsachen in unendlich vielen, sich überlappenden Sinnfeldern.
- Erweiterter Tatsachenbegriff: Tatsachen sind nicht nur die „harten Fakten“ der Naturwissenschaften. Auch Erscheinungen, Gedanken, Gefühle und Fiktionen sind Tatsachen in bestimmten Sinnfeldern.
- Die Realität der Erscheinung: Eine zentrale These ist, dass die Art und Weise, wie uns etwas erscheint, selbst eine Tatsache ist.
- Die normative Kraft der Tatsachen: Gabriel betont die Rolle der Tatsachen für das Gelingen menschlicher Gesellschaften. Gesellschaften konstruieren nicht die Tatsachen, sondern müssen sich an diese anpassen.
Gegen den Relativismus und die Überbetonung von Meinungen stellt Gabriel die Notwendigkeit, sich an Tatsachen zu orientieren. Eine Meinung, in Anlehnung an Kant, ist ein „sowohl subjektiv als auch objektiv unzureichendes Fürwahrhalten“. Wissen hingegen ist ein subjektiv und objektiv zureichendes Fürwahrhalten, das sich auf Tatsachen stützen muss.

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Erläuterung: Diese Zusammenfassung wurde von NotebookLM erstellt, dazu wurde 49 verschiedene Quelle ausgewertet, u.a. die von Consul verlinkten. Fehler sind möglich, sogar wahrscheinlich, aber als Überblick scheint mir der Text durchaus brauchbar (Jörn Budesheim)
Einleitung: Die zentrale Rolle von Tatsachen und Sachverhalten
Die Frage, was Tatsachen und Sachverhalte sind, gehört zu den fundamentalen Problemen der Philosophie. Diese Entitäten bilden die Schnittstelle zwischen Sprache, Denken und Wirklichkeit. Sie dienen als Wahrheitsmacher für Aussagen, als Gegenstände unseres Wissens und als grundlegende Bausteine der Welt selbst. Verschiedene philosophische Strömungen, vom Logischen Atomismus über die Phänomenologie bis zum Neuen Realismus, haben tiefgreifende und oft konkurrierende Theorien über ihre Natur, ihre Struktur und ihren ontologischen Status entwickelt. Diese Übersicht stellt die zentralen Ansätze der wichtigsten Denker und Schulen dar, gestützt auf deren grundlegende Definitionen und Argumente.
Gottlob Frege: Die Tatsache als wahrer Gedanke
Gottlob Frege, einer der einflussreichsten Logiker und Philosophen, legte den Grundstein für viele spätere Debatten, indem er den Begriff der Tatsache eng an seine Theorie des Gedankens knüpfte. Sein Ansatz ist primär logisch-semantisch und zielt darauf ab, die Bedingungen für Wahrheit zu klären.
Der Gedanke als Träger von Wahrheit
Für Frege ist ein Gedanke („Gedanke“) nicht ein subjektiver psychischer Vorgang, sondern der objektive Sinn eines Satzes. Er definiert ihn als „etwas, bei dem überhaupt Wahrheit in Frage kommen kann“. Gedanken sind unsinnliche Entitäten, die in das „sinnliche Gewand des Satzes“ gekleidet werden, um für uns fassbar zu sein. Sie existieren unabhängig davon, ob sie von jemandem gedacht oder für wahr befunden werden, in einem eigenen, von der Außen- und Innenwelt unterschiedenen Reich – einem „dritten Reich“.
Definition der Tatsache
Innerhalb dieses Rahmens ist Freges Definition einer Tatsache präzise und konsequent. Er identifiziert sie direkt mit einem wahren Gedanken:
„Was ist eine Tatsache? Eine Tatsache ist ein Gedanke, der wahr ist.“
Quelle: Frege, „Der Gedanke“ (1918) und „Die Verneinung“, zitiert in der Transkription des Vortrags von Markus Gabriel.
Die Arbeit der Wissenschaft besteht für Frege nicht in einem Schaffen, sondern in einem „Entdecken von wahren Gedanken“. Der berühmte Ausruf des Naturforschers, den Frege zitiert, unterstreicht die fundamentale Bedeutung von Tatsachen als sichere Grundlage der Wissenschaft: „Tatsachen! Tatsachen! Tatsachen!“.
Logischer Atomismus: Die Welt als Gesamtheit der Tatsachen
Der Logische Atomismus, maßgeblich geprägt von Bertrand Russell und Ludwig Wittgenstein, ist eine metaphysische Position, die behauptet, die Welt bestehe aus einer Vielzahl voneinander unabhängiger, atomarer Tatsachen. Diese strukturelle Isomorphie zwischen einer idealen logischen Sprache und der Welt ist das Kernmerkmal dieser Schule.
Ludwig Wittgenstein im Tractatus Logico-Philosophicus
Wittgensteins frühes Hauptwerk, der Tractatus Logico-Philosophicus, entwirft eine radikale Ontologie, die auf den Begriffen der Tatsache und des Sachverhalts basiert. Seine Thesen sind in einer prägnanten, apheristischen Form verfasst.
- Die Welt als Gesamtheit der Tatsachen: Wittgenstein beginnt mit der berühmten Feststellung, dass die fundamentalen Konstituenten der Welt nicht Dinge, sondern Tatsachen sind.
- Tatsachen als Bestehen von Sachverhalten: Tatsachen sind für Wittgenstein keine einfachen Entitäten. Sie ergeben sich aus dem Bestehen von Sachverhalten.
- Sachverhalte als Konfiguration von Gegenständen: Ein Sachverhalt ist die einfachste mögliche Konfiguration von Gegenständen (Dingen), die die unveränderliche Substanz der Welt bilden.
- Die Abbildtheorie: Die Verbindung zur Sprache und zum Denken wird durch die Abbildtheorie hergestellt. Ein sinnvoller Satz ist ein logisches Bild einer Tatsache.
Bertrand Russell
Bertrand Russell, der den Begriff „Logischer Atomismus“ prägte, entwickelte eine ähnliche, wenn auch in Details abweichende Theorie. Für ihn ist ein Faktum ebenfalls eine Art Komplex, der aus einfachen Entitäten besteht. Ein atomarer Fakt besteht entweder aus einem einzelnen Individuum, das eine Eigenschaft aufweist, oder aus mehreren Individuen, die in einer einfachen Beziehung zueinander stehen. Im Gegensatz zu seinem früheren Standpunkt und unter dem Einfluss Wittgensteins akzeptierte Russell später die Existenz von negativen Tatsachen. So ist die Falschheit der Aussage „R(a,b)“ durch die Existenz der negativen Tatsache begründet, dass a die Beziehung R zu b nicht hat. Molekulare Tatsachen (z.B. konjunktive) lehnte er hingegen ab, da ihre Wahrheit vollständig von den entsprechenden atomaren Tatsachen abgeleitet werden kann.
Phänomenologische und gegenstandstheoretische Ansätze
Die Tradition der österreichischen Philosophie, insbesondere im Umfeld von Franz Brentano, entwickelte Theorien, die den Sachverhalt als Korrelat von psychischen Akten wie dem Urteilen, Wünschen oder Fragen in den Mittelpunkt stellten.
Historische Wurzeln und frühe Verwendungen
Der Begriff „Sachverhalt“ hat seine Wurzeln im juristischen Terminus status rerum („Stand der Dinge“). Historisch wurde er, etwa bei Goclenius, von der propositio (der Behauptung oder Darlegung) unterschieden. In der Philosophie wurde der Begriff maßgeblich durch Carl Stumpf geprägt. In seinen Logik-Vorlesungen von 1888 definierte er den Sachverhalt als:
„[...] den spezifischen Urteilsinhalt [...], der dem Urteil [...] entspreche, der vom Vorstellungsinhalte (der Materie) zu scheiden sei und sprachlich in ‚Daß-Sätzen‘ oder in substantivierten Infinitiven ausgedrückt wird.“
Quelle: Carl Stumpf, zitiert in Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 8, S. 1105.
Für Stumpf ist der Sachverhalt ein „notwendiges Korrelat“ des Urteilens und gehört zur Klasse der „Gebilde“, die nur als Inhalte von mentalen Funktionen existieren können.
Alexius Meinongs Theorie der Objektive
Alexius Meinong entwickelte im Rahmen seiner allgemeinen „Gegenstandstheorie“ eine differenzierte Lehre der Objektive. Er zog diesen Terminus dem des Sachverhalts vor, weil letzterer ihm zu eng erschien. Meinong argumentierte, die Anwendbarkeit des Begriffs Sachverhalt scheine „für untatsächliche Objektive ganz und gar zu versagen“.
Objektive sind für Meinong die Gegenstände von Urteilen und Annahmen. Sie können wahr oder falsch sein und existieren in einem Reich „jenseits von Sein und Nicht-Sein“. Er unterscheidet:
- Seinsobjektive (dass A ist / nicht ist)
- Soseinsobjektive (dass A B ist / nicht B ist)
- Objektive höherer Ordnung, die sich auf andere Objektive beziehen.
Edmund Husserl und Adolf Reinach
Edmund Husserl, ein Schüler Brentanos, klärte als einer der Ersten die ontologische Bedeutung von Sachverhalten. Für ihn ist der Sachverhalt nicht der Inhalt, sondern der Gegenstand eines Urteils. Er bildet eine universale, gegenständliche Kategorie, die der Kategorie der Dinge als Korrelate von nominalen Akten gleichgestellt ist. Ein und derselbe Sachverhalt kann Gegenstand verschiedener Akte sein:
„Der geurteilte Sachverhalt kann ‚als identisch derselbe in einer bloßen Vorstellung vorgestellt, in einem Wunsch gewünscht, in einer Frage gefragt, in einem Zweifel bezweifelt sein‘.“
Quelle: Edmund Husserl, Logische Untersuchungen, V, § 17, 378.
Adolf Reinach, ein Schüler Husserls, entwickelte eine radikal realistische Theorie der Sachverhalte. Für Reinach ist die Logik eine Theorie der Sachverhalte. In Anlehnung an Meinong vertrat er die entscheidende These, dass ein Sachverhalt nicht bestehen (obtain) muss, um zu existieren.
„[Das] Bestehen ist keineswegs als wesentliches Moment innerhalb des Begriffs eines Sachverhaltes enthalten.“
Quelle: Adolf Reinach, Zur Theorie des negativen Urteils, S. 116/374 (freie Übersetzung).
Diese Annahme erlaubt die Existenz von nicht-bestehenden und sogar notwendigerweise nicht-bestehenden Sachverhalten (z.B. „das Rundsein eines Quadrates“). Da er nicht-bestehende Sachverhalte als Referenten für falsche Urteile anerkannte, konnte Reinach auf die Annahme von Propositionen als eigenständigen Entitäten verzichten.
Metaphysischer Realismus und die Truthmaker-Theorie
Moderne Formen des Realismus sehen in Tatsachen oder Sachverhalten die ontologische Grundlage für Wahrheit. Sie sind das, was wahre Aussagen wahr macht (truthmaker).
D.M. Armstrongs Ontologie der Sachverhalte
Der australische Philosoph D.M. Armstrong vertritt die These, dass die Welt eine Welt von Sachverhalten ist („a world of states of affairs“). Er bevorzugt den Begriff „Sachverhalt“ gegenüber „Tatsache“, da „Tatsache“ zu eng mit wahren Aussagen verknüpft sei.
- Struktur: Ein Sachverhalt besteht, wenn ein Partikulare (ein Einzelding) eine Eigenschaft besitzt oder mehrere Partikulare in einer Beziehung zueinander stehen.
- Wahrheitsmacher: Die Notwendigkeit von Sachverhalten ergibt sich aus dem Bedürfnis nach einem Wahrheitsmacher (ein von C.B. Martin eingeführter Begriff) – einem ontologischen Grund für die Wahrheit von Aussagen.
- Gesetze: Naturgesetze sind für Armstrong Sachverhalte höherer Ordnung, nämlich Beziehungen zwischen Universalien.
Manuel Bremers physikalistische Tatsachenontologie
In einem physikalistischen Ansatz werden Tatsachen als primäre Entitäten der Wirklichkeit verteidigt.
- Jeder wahren Aussage entspricht eine Tatsache als ihr Referent.
- Tatsachen sind sprachunabhängige, strukturierte Raum-Zeit-Bereiche.
- Die Ontologie der Gegenstände ist sekundär: Über Gegenstände spricht man, wenn man von der Strukturiertheit der primären Entitäten (der Tatsachen) absieht.
- Es wird zwischen stabilen Tatsachen (Zuständen) und instabilen Tatsachen (Ereignissen) unterschieden.
Gegenwärtige Perspektiven: Der Neue Realismus
Der von Markus Gabriel und anderen entwickelte Neue Realismus wendet sich gegen den Konstruktivismus und postuliert eine umfassende Ontologie der Tatsachen, die nicht auf die physische Welt beschränkt ist.
Markus Gabriels Sinnfeldontologie
Gabriel argumentiert, dass es die Welt als allumfassenden Behälter aller Tatsachen nicht gibt. Stattdessen existieren Tatsachen in unendlich vielen, sich überlappenden Sinnfeldern.
- Erweiterter Tatsachenbegriff: Tatsachen sind nicht nur die „harten Fakten“ der Naturwissenschaften. Auch Erscheinungen, Gedanken, Gefühle und Fiktionen sind Tatsachen in bestimmten Sinnfeldern.
- Die Realität der Erscheinung: Eine zentrale These ist, dass die Art und Weise, wie uns etwas erscheint, selbst eine Tatsache ist.
- Die normative Kraft der Tatsachen: Gabriel betont die Rolle der Tatsachen für das Gelingen menschlicher Gesellschaften. Gesellschaften konstruieren nicht die Tatsachen, sondern müssen sich an diese anpassen.
Gegen den Relativismus und die Überbetonung von Meinungen stellt Gabriel die Notwendigkeit, sich an Tatsachen zu orientieren. Eine Meinung, in Anlehnung an Kant, ist ein „sowohl subjektiv als auch objektiv unzureichendes Fürwahrhalten“. Wissen hingegen ist ein subjektiv und objektiv zureichendes Fürwahrhalten, das sich auf Tatsachen stützen muss.

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Erläuterung: Diese Zusammenfassung wurde von NotebookLM erstellt, dazu wurde 49 verschiedene Quelle ausgewertet, u.a. die von Consul verlinkten. Fehler sind möglich, sogar wahrscheinlich, aber als Überblick scheint mir der Text durchaus brauchbar (Jörn Budesheim)
die KI des Forums / ich kann und werde Fehler machen
- Jörn P Budesheim
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Gemäß der Quellen unterscheiden Philosophen teilweise zwischen bestehen und existieren. Vielleicht so: Ein Sachverhalt existiert und wenn er besteht, ist es eine Tatsache?Jörn P Budesheim hat geschrieben : ↑Do 25. Sep 2025, 07:56Man sagt selten: "Der Weihnachtsmann existiert", sondern eher, "es gibt den Weihnachtsmann". Das sind eben sprachliche Gepflogenheiten. Allerdings ist die Rede vom "Bestehen von Sachverhalten" im Alltag eher selten, das stimmt wohl.
Alexius Meinong unterscheidet zwischen Existenz und Bestand als verschiedenen Seinsarten:Jörn P Budesheim hat geschrieben : ↑Do 25. Sep 2025, 07:56Man sagt selten: "Der Weihnachtsmann existiert", sondern eher, "es gibt den Weihnachtsmann". Das sind eben sprachliche Gepflogenheiten. Allerdings ist die Rede vom "Bestehen von Sachverhalten" im Alltag eher selten, das stimmt wohl.
Ein Beispiel in Meinongs Sinn: Die Erde und der Mond existieren beide, aber der Abstand zwischen ihnen existiert nicht, sondern besteht nur."Sein (im engeren Sinne) kann…Existenz sein, aber auch Bestand: die Sonne existiert, Gleichheit und ebenso jeder andere ideale Gegenstand kann nicht existieren, sondern nur bestehen; auch Existenz selbst (ebenso jedes andere Objektiv) existiert nicht, sondern kann bloß bestehen. Existierendes besteht auch, nicht Bestehendes existiert auch nicht."
(Meinong, Alexius. "Selbstdarstellung." [1921.] Nachdr. in Über Gegenstandstheorie & Selbstdarstellung, hrsg. v. Josef M. Werle, 53-121. Hamburg: Meiner, 1988. S. 74)
Anmerkung: Das Substantiv "Objektiv" ist ein von Meinong eingeführter Fachausdruck, den er anderen wie "Satz an sich" (B. Bolzano), "Urteilsinhalt" (A. Marty) und "Sachverhalt" vorzieht.
Fußnote: Im zeitgenössischen ontologischen Jargon sind ideale Entitäten abstrakte Entitäten."Objektive sind immer ideal, sie sind so etwas wie Sachverhalte oder Propositionen und können (1) durch einen eigenständigen Satz wie „Rot ist eine Farbe“ ausgedrückt werden, wenn sie beurteilt oder angenommen werden, und (2) durch einen „dass“-Satz („dass Rot eine Farbe ist“) oder eine Nominalphrase („die Farbigkeit von Rot“), wenn sie beurteilt werden." [Google Translate]
Quelle: https://plato.stanford.edu/entries/meinong/
"Ein Objektiv, das besteht, wird auch als 'Tatsache' bezeichnet."
(Meinong, Alexius. Über Annahmen. 2. Aufl. Leipzig: Barth, 1910. S. 69)
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Chisholm, Roderick: Sachverhalte werden hier als abstrakte Entitäten verstanden, die notwendigerweise existieren.
Dem schließe ich mich an. Tatsachen/Sachverhalte existieren notwendig. Gäbe es nichts, bestünde die Tatsache, dass es nicht gäbe ... also gäbe es nicht nichts. Sobald es einen Gegenstand gibt, gibt es auch entsprechende Tatsachen. Daran führt kein Weg vorbei, finde ich.
Naturgesetze sind für Armstrong Sachverhalte höherer Ordnung, nämlich Beziehungen zwischen Universalien.
Ich hatte mir vor Kurzem im Zusammenhang mit unserer Diskussion über Relationen eigentlich vorgenommen, mich noch etwas schlau zu dieser Frage zu machen, es dann aber vergessen. Naturgesetze sind ja (meines Erachtens) etwas Peinliches für Physikalisten. Denn wenn Naturgesetze Relationen sind und der Physikalist Relationen aus dem Bereich des Wirklichen ausklammern will, kommt er in die seltsame Situation, sagen zu müssen, dass das, wonach die Physik sucht, gar nicht existiert.
Armstrongs Theorie zwingt ihn: Willst du Gesetze ernst nehmen, musst du auch Relationen in deine Ontologie aufnehmen.
Dem schließe ich mich an. Tatsachen/Sachverhalte existieren notwendig. Gäbe es nichts, bestünde die Tatsache, dass es nicht gäbe ... also gäbe es nicht nichts. Sobald es einen Gegenstand gibt, gibt es auch entsprechende Tatsachen. Daran führt kein Weg vorbei, finde ich.
Naturgesetze sind für Armstrong Sachverhalte höherer Ordnung, nämlich Beziehungen zwischen Universalien.
Ich hatte mir vor Kurzem im Zusammenhang mit unserer Diskussion über Relationen eigentlich vorgenommen, mich noch etwas schlau zu dieser Frage zu machen, es dann aber vergessen. Naturgesetze sind ja (meines Erachtens) etwas Peinliches für Physikalisten. Denn wenn Naturgesetze Relationen sind und der Physikalist Relationen aus dem Bereich des Wirklichen ausklammern will, kommt er in die seltsame Situation, sagen zu müssen, dass das, wonach die Physik sucht, gar nicht existiert.
Ramon Lemos (1927–2006) unterscheidet in seinem Buch Metaphysical Investigations (1988) vier Bedeutungen von "Tatsache" ("fact"):
1. Tatsachen als wirkliche Sachen, seiende Dinge
2. Tatsachen als bestehende Sachverhalte
3. Tatsachen als das Bestehen oder Nichtbestehen von Sachverhalten
4. Tatsachen als wahre Propositionen (Aussagen, Gedanken)
Ein Beispiel zu 1: Ich habe bereits Russell mit seiner Aussage zitiert, dass die Sonne eine Tatsache sei; und Lemos sagt, dass der Eiffelturm eine Tatsache im ersten Wortsinn sei. (Siehe unteres Zitat!)
Da Lemos Tatsachen in diesem Sinn höchst allgemein als "existente/reale Entitäten" bezeichnet, zählt er auch nichtsubstanzielle Entitäten wie Denkakte (sein Beispiel) zu dieser Art von Tatsachen. Der russisch-ukrainische Krieg ist dann als wirkliches Ereignis auch eine Tatsache_1. Wenn Ereignisse jedoch zur Kategorie der Sachverhalte gezählt werden, dann werden sie zu Tatsachen_2.
Übrigens: Reinach nennt eine wirkliche rote Rose (sein Beispiel) einen "Tatbestand" oder "Dingtatbestand"; und ich deute dies so, dass sie in Lemos' Klassifizierung eine Tatsache_1 ist.
Ein Beispiel zu 3: Das In-Paris-sein des Eiffelturms ist eine Tatsache im zweiten Wortsinn, und das In-London-sein des Eiffelturms ist eine Untatsache im zweiten Wortsinn. – Dagegen sind das Bestehen des In-Paris-seins des Eiffelturms und das Nichtbestehen des In-London-seins des Eiffelturms Tatsachen im dritten Wortsinn. Diese feinsinnige Unterscheidung ist mir erst in Lemos' Buch begegnet.
1. Tatsachen als wirkliche Sachen, seiende Dinge
2. Tatsachen als bestehende Sachverhalte
3. Tatsachen als das Bestehen oder Nichtbestehen von Sachverhalten
4. Tatsachen als wahre Propositionen (Aussagen, Gedanken)
Ein Beispiel zu 1: Ich habe bereits Russell mit seiner Aussage zitiert, dass die Sonne eine Tatsache sei; und Lemos sagt, dass der Eiffelturm eine Tatsache im ersten Wortsinn sei. (Siehe unteres Zitat!)
Da Lemos Tatsachen in diesem Sinn höchst allgemein als "existente/reale Entitäten" bezeichnet, zählt er auch nichtsubstanzielle Entitäten wie Denkakte (sein Beispiel) zu dieser Art von Tatsachen. Der russisch-ukrainische Krieg ist dann als wirkliches Ereignis auch eine Tatsache_1. Wenn Ereignisse jedoch zur Kategorie der Sachverhalte gezählt werden, dann werden sie zu Tatsachen_2.
Übrigens: Reinach nennt eine wirkliche rote Rose (sein Beispiel) einen "Tatbestand" oder "Dingtatbestand"; und ich deute dies so, dass sie in Lemos' Klassifizierung eine Tatsache_1 ist.
Ein Beispiel zu 3: Das In-Paris-sein des Eiffelturms ist eine Tatsache im zweiten Wortsinn, und das In-London-sein des Eiffelturms ist eine Untatsache im zweiten Wortsinn. – Dagegen sind das Bestehen des In-Paris-seins des Eiffelturms und das Nichtbestehen des In-London-seins des Eiffelturms Tatsachen im dritten Wortsinn. Diese feinsinnige Unterscheidung ist mir erst in Lemos' Buch begegnet.
"Es ist hilfreich, zwischen verschiedenen Bedeutungen des Begriffs „Tatsache“ zu unterscheiden. In einer Bedeutung des Begriffs wird er verwendet, um alles zu bezeichnen, was existiert oder unabhängig davon existiert, dass es von jemandem gedacht wird. Der Begriff wird in diesem Sinne häufiger in nicht-philosophischen als in philosophischen Kontexten und Diskursen verwendet. Später werden wir eine präzisere Terminologie einführen müssen, aber für die Zwecke dieses Abschnitts reicht es aus, wenn wir Fakten in diesem Sinne des Begriffs als „existente Entitäten“ oder „reale Entitäten“ bezeichnen. In diesem Sinne des Begriffs „Tatsache“ ist der Eiffelturm, da er unabhängig davon existiert, dass jemand an ihn denkt, eine Tatsache, während Meerjungfrauen und quadratische Kreise, da sie dies nicht tun, keine Tatsachen sind." [DeepL]
(Lemos, Ramon M. Metaphysical Investigations. Rutherford, NJ: Fairleigh Dickinson University Press, 1988. p. 121)
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
- Jörn P Budesheim
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- Registriert: Do 3. Jul 2025, 10:15
- Wohnort: Kassel
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Ja, hast du. Das kaufe ich jedoch nicht. Es ist eine Tatsache, dass Baum? Nö. Ich hab' gerad mal (schon zuvor, unabhängig von diesem Statement) jemanden "interviewt", der nicht philosophisch vorbelastet ist.
- Ich: "Was ist eine Tatsache?"
- Antwort: "Dass es regnet" (wörtlich!)
"Dass wir gehen." - Ich: "Das sind gute Beispiele, aber was sind Tatsachen im Allgemeinen?"
- Antwort: "Wenn es wahr ist."
Ich bin in einer Dissertation auf eine sehr hilfreiche Übersicht bezüglich der verschiedenen ontologischen Auffassungen von Sachverhalten gestoßen:
Fußnote: Roberts zählt Reinhardt Grossmann zu denjenigen, die Sachverhalte für abstrakte Entitäten halten; doch für ihn gilt yes/no, weil er Sachverhalte (Tatsachen) als "hybride" Entitäten erachtet, die aus konkreten Partikularien und abstrakten Universalien bestehen.
"Erläuterung der Spaltenüberschriften:
Abstract/Abstrakt: Sachverhalte beinhalten ein nicht-physisches Element.
Concrete/Konkret: Sachverhalte sind entweder teilweise oder vollständig durch physikalische Partikularien konstituiert.
Possible/Möglich: Die Theorie geht davon aus, dass zumindest einige Sachverhalte (rein) mögliche, nicht-wirkliche oder nicht-bestehendeEntitäten sind.
Mental/Semantic Content—Mentaler/Semantischer Inhalt: Sachverhalte dienen als mentaler und/oder semantischer Inhalt intentionaler Zustände wie Glauben oder Überlegen, oder indikativer Sätze und/oder Aussagen und/oder Äußerungen.
Mind Dependent/Geistabhängig: Sachverhalte sind für ihre Existenz von einem mentalen Akt, Zustand oder der Existenz eines Geistes abhängig.
Mind Independent/Geistunabhängig: Sachverhalte existieren unabhängig von jeglichen mentalen Akten oder Geisten.
Negative/Negativ: Negative Sachverhalte, wie z. B. dass Schnee nicht blau ist, existieren.
Necessary/Notwendig: Sachverhalte existieren notwendigerweise (sie sind keine kontingent existierenden Entitäten).
Modal Properties/Modale Eigenschaften: Sachverhalte tragen Modaleigenschaften wie notwendig oder kontingent.
= to Possible Worlds/= zu möglichen Welten: (Maximale) Sachverhalte sind identisch mit möglichen Welten.
Distinct from Propositions/von Propositionen verschieden: Sachverhalte sind nicht identisch mit Propositionen."
[Google Translate mit Änderungen meinerseits]
(Roberts, Matthew Erskine. "A Historical Survey and Conceptual Account of States of Affairs." PhD diss., University of Colorado, 2006. pp. 4-5)
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
Aus dem Bestehen eines Sachverhalts folgt die Wahrheit aller Aussagen, die diesen Sachverhalt repräsentieren; aber es folgt nicht daraus, dass bestehende Sachverhalte wahre Aussagen sind.Jörn P Budesheim hat geschrieben : ↑Do 25. Sep 2025, 08:00Diese Ausdrucksweise von Hübl ist unelegant, das stimmt, aber der Sache nach unproblematisch, finde ich. Zu sagen, dass der Sachverhalt, dass alle Weihnachtmänner Bärte haben besteht, heißt doch, dass es wahr ist, dass alle Weihnachtmänner Bärte haben.
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
Um Husserls Unterscheidung zu verwenden, wir bewegen uns hier im Bereich der formalen Ontologie und nicht der materialen oder regionalen Ontologie, die sich mit den besonderen Ontologien einzelner Wissenschaften wie der Soziologie befasst (Sozialontologie). Husserls Unterscheidung entspricht der Unterscheidung zwischen der generellen Ontologie und speziellen Ontologien.Jörn P Budesheim hat geschrieben : ↑Do 25. Sep 2025, 08:21Hier noch ein wichtiger Punkt: In der Philosophie hat sich (z. B.) die Rede von "sozialen Tatsachen" eingebürgert, sodass es eine eigenständige Fragestellung ist, was eine "soziale Tatsache" ausmacht. Darüber hinaus sind die Ausdrücke "moralische Tatsache", "ästhetische Tatsache" und anderes mehr im Umlauf.
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
