Ontologie der Sachverhalte und Tatsachen

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn P Budesheim
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Fr 26. Sep 2025, 13:21

"Die Ontologie der Gegenstände ist sekundär: Über Gegenstände spricht man, wenn man von der Strukturiertheit der primären Entitäten (der Tatsachen) absieht."

Das hat mir spontan gefallen, allerdings frage ich mich jetzt, ob es stimmen kann. Gehören denn Gegenstände und Tatsachen nicht zusammen, das eine gibt es doch nicht ohne das andere?




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Jörn P Budesheim
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@consul, ich hatte dich an anderer Stelle gefragt, was du eigentlich unter "existieren" verstehst. Ich habe jetzt nicht nachgeschaut, aber sinngemäß hast du nach meiner Erinnerung gesagt, dass existieren ein undefinierbarer Grundbegriff ist. Aber eigentlich denkst du doch, dass "existieren" bedeutet: materiell sein, oder?




Timberlake
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Fr 26. Sep 2025, 14:46

Consul hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 03:51

Nichtsdestoweniger gebe ich dir recht, dass darauf hingewiesen werden sollte, dass eine Tatsache kein (propositionaler oder nichtpropositionaler) Sachverhalt sein muss, sondern auch einfach eine (geschehende/bestehende) Sache sein kann. (Siehe das Lemos-Zitat in diesem Beitrag von mir!)
Na das ist ja schon mal was, dass darauf hingewiesen werden sollte. Um dem die Krone auf zu setzten, komme ich mal das Lemos-Zitat zurück.
"Es ist hilfreich, zwischen verschiedenen Bedeutungen des Begriffs „Tatsache“ zu unterscheiden. In einer Bedeutung des Begriffs wird er verwendet, um alles zu bezeichnen, was existiert oder unabhängig davon existiert, dass es von jemandem gedacht wird. Der Begriff wird in diesem Sinne häufiger in nicht-philosophischen als in philosophischen Kontexten und Diskursen verwendet. Später werden wir eine präzisere Terminologie einführen müssen, aber für die Zwecke dieses Abschnitts reicht es aus, wenn wir Fakten in diesem Sinne des Begriffs als „existente Entitäten“ oder „reale Entitäten“ bezeichnen. In diesem Sinne des Begriffs „Tatsache“ ist der Eiffelturm, da er unabhängig davon existiert, dass jemand an ihn denkt, eine Tatsache, während Meerjungfrauen und quadratische Kreise, da sie dies nicht tun, keine Tatsachen sind." [DeepL]

(Lemos, Ramon M. Metaphysical Investigations. Rutherford, NJ: Fairleigh Dickinson University Press, 1988. p. 121)
Wenn wir in diesem Sinne des Begriffs ein Eiffelturm als „existente Entitäten“ oder „reale Entitäten“ bezeichnen und Meerjungfrauen und quadratische Kreise nicht, so ist das, also etwas zu bezeichnen, zunächst einmal genau das …
"Es ist hilfreich, zwischen verschiedenen Bedeutungen des Begriffs „Tatsache“ zu unterscheiden. In einer Bedeutung des Begriffs wird er verwendet, um alles zu bezeichnen, was existiert oder unabhängig davon existiert, dass es von jemandem gedacht wird. Der Begriff wird in diesem Sinne häufiger in nicht-philosophischen als in philosophischen Kontexten und Diskursen verwendet. Später werden wir eine präzisere Terminologie einführen müssen, aber für die Zwecke dieses Abschnitts reicht es aus, wenn wir Fakten in diesem Sinne des Begriffs als „existente Entitäten“ oder „reale Entitäten“ bezeichnen. In diesem Sinne des Begriffs „Tatsache“ ist der Eiffelturm, da er unabhängig davon existiert, dass jemand an ihn denkt, eine Tatsache, während Meerjungfrauen und quadratische Kreise, da sie dies nicht tun, keine Tatsachen sind." [DeepL]

(Lemos, Ramon M. Metaphysical Investigations. Rutherford, NJ: Fairleigh Dickinson University Press, 1988. p. 121)

… ein geschehen Ding, eine Begebenheit, eine Tat, ein Ereignis und ein Vorfall deren historische Gewissheit so groß ist, als historische Gewissheit nur sein kann. In diesem Sinne ging bei all dem, was wir bezeichnen eben das voraus.
"Tatsache ist eine Sache, welche besteht[.]"

(Goldschmied, Jakob. Handbuch der voraussetzungslosen Fundamentalwissenschaft. Wien: W. Braumüller, 1915. S. 46)
. und weil solche "Taten" der "Sache" vorausging, reden wir von einer "Tatsache".
"Bei Davidson werden Ereignisse als konkrete raumzeitliche Partikularien betrachtet und als grundlegend in dem Sinne, dass sie nicht auf andere Entitäten, etwa Substanzen und Eigenschaften, reduzierbar sind oder aus diesen konstruiert werden können. …[W]ir haben den Eindruck, dass für Davidson sowohl Objekte als auch Ereignisse zu den grundlegenden ontologischen Kategorien gehören. Und Ereignisse können, wie Objekte, unter Arten fallen (ein Glaube, ein Schmerz, eine Explosion usw.) und Eigenschaften haben (plötzlich, unerwartet, gewalttätig usw. sein)." [Google Translate mit Änderungen meinerseits]

(Kim, Jaegwon. "The Very Idea of Token Physicalism." In New Perspectives on Type Identity: The Mental and the Physical, edited by Simone Gazzano and Christopher S. Hill, 167-185. Cambridge: Cambridge University Press, 2012. p. 172)
In diesem Sinne würde ich Davidson, im Umkehrschluss, dahingehend korrigieren wollen, dass Entitäten, wie etwa Substanzen und Eigenschaften, im Allgemeinen und Bezeichnungen (wohlgemerkt als solches, also als Substanz und Eigenschaft) im Besonderen, auf Ereignisse reduzierbar sind und aus diesen konstruiert werden können. Ereignisse , wie ein geschehen Ding, eine Begebenheit, eine Tat, ein Vorfall, deren historische Gewissheit so groß ist, als historische Gewissheit nur sein kann. Wie übrigens auch im Umkehrschluss ein (propositionaler oder nichtpropositionaler) Sachverhalt oder auch einfach nur eine (geschehende/bestehende) Sache daraus nicht nur etwa bloß hervorgehen kann , sondern muss.
Zuletzt geändert von Timberlake am Fr 26. Sep 2025, 15:33, insgesamt 3-mal geändert.




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Jörn P Budesheim
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Fr 26. Sep 2025, 15:11

... In diesem Sinne des Begriffs „Tatsache“ ist der Eiffelturm, da er unabhängig davon existiert, dass jemand an ihn denkt, eine Tatsache, während Meerjungfrauen und quadratische Kreise, da sie dies nicht tun, keine Tatsachen sind." (Lemos, Ramon)

Nur dasjenige ist „in diesem Sinne” eine Tatsache, was unabhängig davon existiert, dass jemand daran denkt. Dass ich jedoch an den Eiffelturm denke, ist ebenfalls eine Tatsache, die offensichtlich nicht unabhängig davon besteht, dass ich entsprechendes denke.

Es gibt auch Fiktionen. Es ist beispielsweise eine Tatsache, dass es eine Fiktion namens „Die kleine Meerjungfrau” gibt. Aber Fiktionen könnten gar nicht existieren, wenn niemand an sie denkt. Sie existieren nur im Modus der Interpretation von Menschen (oder Wesen, die das sehen können). Es ist sinnlos, diese Dinge aus dem Bereich der Tatsachen auszuschließen.

Dass ich Steuern zahlen muss, ist offensichtlich eine Tatsache. Wenn ich versuche, diese Tatsache aus der Welt zu schaffen, indem ich fest daran denke, dann komme ich ziemlichen Ärger ... und wenn ich nicht daran denke, gibt es auch Probleme :)




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Consul
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Fr 26. Sep 2025, 22:53

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 09:28
Consul hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 09:19
Als philosophisch denkender Mensch ...
Nur habe ich an dieser Stelle ja für etwas anderes argumentiert, ich wollte zeigen, dass bestimmte Vorstellungen von Tatsachen tief in unseren Alltagsintuitionen verwurzelt sind. Du glaubst: "Der ontologische Abstraktismus oder Platonismus ist für mich allgemein nichts weiter als intellektuelle Phantasterei unter Gebildeten." Ich glaube eben das Gegenteil :)
Dementsprechend glaube ich auch, dass aufs Ganze der Menschheit betrachtet, die Idee, dass es nur MERZ gibt, ein absolute Minderheitenposition ist.
Letzteres ist hauptsächlich auf den Einfluss der supranaturalistischen, theistischen Religionen zurückzuführen.

Meine oben zitierte Aussage bezieht sich auf ein ausdrückliches, bewusstes, wohlüberlegtes Bekenntnis zum Abstraktismus/Platonismus, das nicht im "gemeinen Volk" vorkommt, sondern nur in Akademikerkreisen.

Es gibt einen Untersuchungsfeld names Natural Language Ontology.
"Die Ontologie natürlicher Sprache befasst sich mit der in der natürlichen Sprache impliziten Ontologie (ontologische Kategorien, Strukturen und Begriffe). Sie ist Teil der „deskriptiven Metaphysik“, um Strawsons Begriff (1959) zu verwenden, im Gegensatz zu dem, was Fine (2017a) als „fundamentale Metaphysik“ bezeichnet – einer Metaphysik, deren Interesse dem gilt, was letztlich existiert. Die Ontologie natürlicher Sprache ist eine Unterdisziplin sowohl der Philosophie als auch der Linguistik, genauer gesagt der Metaphysik und der Semantik natürlicher Sprache. Sie wurde erst vor relativ kurzer Zeit durch die Entwicklung der Semantik natürlicher Sprache in den letzten Jahrzehnten als eigenständiges Forschungsgebiet anerkannt. Gleichzeitig kann die Ontologie natürlicher Sprache als eine Praxis betrachtet werden, die Philosophen im Laufe der Geschichte der Philosophie angewandt haben, wenn sie sich zur Unterstützung eines metaphysischen Arguments oder Begriffs auf Sprache stützten. Die Ontologie der natürlichen Sprache ist von der Ontologie zu unterscheiden, die ein Sprecher aufgrund philosophischer oder naiver Überlegungen oder Argumentation mithilfe der Sprache akzeptiert, sowie von der Ontologie, die sich in der Kognition im Allgemeinen widerspiegelt. Die Ontologie einer natürlichen Sprache lässt sich daher am besten als die Ontologie charakterisieren, die kompetente Sprecher durch den Gebrauch der Sprache implizit akzeptieren.
………
"Die Unterscheidung zwischen ontologischen Behauptungen und Voraussetzungen geht mit zwei Arten der Akzeptanz einer Ontologie einher: der Akzeptanz durch Argumentation oder Reflexion und der impliziten Akzeptanz durch den Gebrauch der Sprache. Letztere sollte Teil der Definition der in der natürlichen Sprache impliziten Ontologie sein (Moltmann 2019):

(2) Die Ontologie einer natürlichen Sprache ist die Ontologie, die Sprecher implizit durch die Verwendung der Sprache akzeptieren.

Beachten Sie, dass es durchaus möglich ist, dass die durch Schlussfolgerung gewonnene Ontologie genau dieselbe ist wie die in der natürlichen Sprache implizite Ontologie. Entscheidend ist also die Beziehung der Agenten zur Ontologie und nicht die Natur der Ontologie selbst.
………
Eine Leitannahme der Ontologie natürlicher Sprachen ist, dass natürliche Sprache Ontologie widerspiegelt. Das heißt, die Semantik natürlicher Sprachen umfasst Entitäten verschiedener ontologischer Kategorien, ontologischer Strukturen und ontologischer Begriffe auf der Grundlage syntaktischer Rollen von Ausdrücken, syntaktischer Kategorien und Merkmale sowie lexikalischer Wörter.
………
Philosophen und Nicht-Philosophen können bei ontologischer Reflexion Ausdrücke verwenden oder einführen, die speziell dazu bestimmt sind, ihre eigenen ontologischen Ansichten zum Ausdruck zu bringen. Solche Ausdrücke (und ihre Verwendung) gelten jedoch nie als Hinweis auf die in der natürlichen Sprache implizite Ontologie. Sie sollten jedoch ebenfalls mit einer Semantik einhergehen und müssen möglicherweise Entitäten oder Eigenschaften als semantische Werte zugewiesen bekommen, selbst wenn diese fiktiv sind, um in eine einheitliche kompositorische Semantik der Sprache integriert zu werden. Dennoch muss in gewisser Weise eine Unterscheidung zwischen dem, was implizit als Teil unserer sprachlich manifesten Intuitionen akzeptiert wird (nicht-technische Ausdrücke mit ihrer gewöhnlichen Bedeutung), und dem, was durch Reflexion hinzugefügt wird, aufrechterhalten werden.

Die unterschiedliche Behandlung der beiden Arten linguistischer Daten durch Philosophen und Linguisten begründet eine Unterscheidung zwischen dem (ontologischen) Kern der natürlichen Sprache (bzw. ihrem Gebrauch) und ihrer (ontologischen) Peripherie (Moltmann 2020c): Nur der Kern, nicht die Peripherie, spiegelt unsere metaphysischen Intuitionen und damit die Ontologie der natürlichen Sprache wider. Ohne eine Kern-Peripherie-Unterscheidung wäre jede ontologische Sichtweise oder Vorstellung, wie sie sich in bestimmten technischen (Verwendungen) von Begriffen widerspiegelt, eindeutig Teil der Ontologie der natürlichen Sprache. Dies würde bedeuten, dass die Ontologie der natürlichen Sprache keine metaphysischen Intuitionen mehr widerspiegeln würde und eine unbegrenzte Bandbreite nicht grundsätzlich miteinander kompatibler Ontologien umfassen würde.
………
Beachten Sie, dass „Peripherie“ nicht „marginal“ im Sinne einer statistisch weniger verbreiteten Bedeutung bedeutet. Darüber hinaus betrifft es nicht die Art der Ontologie selbst: Die Peripherie kann eine technische Verwendung eines Begriffs enthalten, die letztlich dieselbe Kategorie oder Entität bezeichnet wie ein Begriff aus dem Kern. Entscheidend ist vielmehr die kognitive Beziehung der Sprachbenutzer zu semantischen Werten, unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Form der Reflexion oder abgeleiteten Akzeptanz statt impliziter Akzeptanz handelt.
Angesichts der Unterscheidung zwischen Kern und Peripherie muss (2) wie folgt überarbeitet werden:

(11) Die Ontologie einer natürlichen Sprache ist die Ontologie, die ein Sprecher implizit akzeptiert, indem er den Kern der Sprache nutzt.

Die Peripherie selbst stellt Herausforderungen für die Semantik und Ontologie natürlicher Sprachen dar. Die Peripherie ist, zumindest aus linguistischer Sicht, ein legitimer Teil der natürlichen Sprache (oder eine legitime Erweiterung davon): Fachbegriffe (Verwendungen) haben sicherlich eine Semantik und spiegeln eine Ontologie wider, auch wenn diese nicht die Ontologie der natürlichen Sprache ist, sondern darüber hinausgeht. Zu den Aufgaben der Semantik natürlicher Sprachen gehört es, die semantische Zusammensetzung der Bedeutung von Sätzen mit philosophischen (Verwendungen) von Begriffen grundsätzlich zu ermöglichen.
………
Während Philosophen und Linguisten im Allgemeinen implizit eine Unterscheidung zwischen Kern und Peripherie zu übernehmen scheinen, erscheint diese Unterscheidung explizit in einer allgemeinen Hypothese über die Bezugnahme auf abstrakte Objekte in der natürlichen Sprache, die in Moltmann (2013) verfolgt wird:

(12) Die Hypothese abstrakter Objekte: 
Natürliche Sprache enthält in ihrem Kern keine Bezugnahme auf abstrakte Objekte, sondern nur in ihrer Peripherie.

Die Abstrakte-Objekte-Hypothese ist eine spezielle These innerhalb der Ontologie natürlicher Sprachen; sie ist kein methodologisches Prinzip der Ontologie natürlicher Sprachen als solche. Das bedeutet, dass die Ontologie natürlicher Sprachen, mit (oder auch ohne) ihre Kern-Peripherie-Unterscheidung, verfolgt werden kann, ohne die Abstrakte-Objekte-Hypothese zu vertreten.

Die Hypothese abstrakter Objekte widerspricht der weit verbreiteten Ansicht, dass die Bezugnahme auf abstrakte Objekte in der natürlichen Sprache weit verbreitet sei. Auf der Grundlage einer Reihe semantischer und syntaktischer Verallgemeinerungen argumentiert Moltmann (2013), dass diese Ansicht falsch ist: Was wie Ausdrücke im Kern der natürlichen Sprache aussieht, die sich auf abstrakte Objekte beziehen (Zahlen, Eigenschaften, Propositionen, Grade, Ausdruckstypen), sind in Wirklichkeit Ausdrücke, die sich auf Partikularien, Pluralitäten (tatsächlicher oder möglicher) Partikularien oder variable Objekte beziehen, oder es sind Ausdrücke, die von vornherein keine referentielle Funktion haben (Ziffern, Satzkomplemente, prädikative Komplemente, Komplemente intensionaler transitiver Verben). Die Partikularien umfassen Tropen, darunter quantitative Tropen (Johns Größe) und Zahlentropen (die Anzahl der Planeten). Nur in der Peripherie, so die Ansicht, ist die Bezugnahme auf abstrakte Objekte möglich, etwa durch die Verwendung verdinglichender Begriffe wie die Zahl Acht, die Eigenschaft des Glücklichseins, das Wort „glücklich“ oder die Aussage [Proposition], dass es regnet. Die Ontologie der natürlichen Sprache weist daher in ihrem Kern eine Form des Tropennominalismus auf."

SEP: Ontologie natürlicher Sprache(n) [Google Translate]



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Consul
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Fr 26. Sep 2025, 23:38

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 09:42
Consul hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 04:24
"Dieser Baum ist eine Tatsache" hingegen schon.
Der Satz mag grammatisch vielleicht korrekt sein, aber er ist sinnlos. Denn man fragt sich ja doch, worin die Tatsache besteht. Es könnte eine Tatsache sein, dass der Baum gestern noch dort stand. Es könnte eine Tatsache sein, dass der Baum bereits verfault ist. Aber der Baum selbst ist keine Tatsache, er ist einfach ein Gegenstand, über den vieles verschiedenes wahr es. Und weil das so ist, ist es meines Erachtens auch überhaupt kein Problem, dass Gegenstände in abstrakte Tatsachen eingebettet sind. Man kann sich das vielleicht so veranschaulichen: wenn ich im Park mit jemandem spazieren gehe und mit dem Finger auf einem Baum zeige und sage "oh, wie schön", dann ist der Baum offenbar selbst Teil der Aussage.
Die Nominalphrase "der Baum" hat keinen Bezugsgegenstand, weil es nicht nur einen Baum, sondern viele Bäume gibt.
Was man beispielsweise sagen kann, ist, dass der Baum General Sherman eine Tatsache ist, weil er existiert, real ist. Der General-Sherman-Baum als voluminösester lebender Baum der Erde ist auch eine Tatsache im Sinn einer wirklichen Sache, die kein Sachverhalt ist.

Der Ausrufesatz "Oh, wie schön (ist dieser Baum)!" ist kein Aussagesatz; und kein Baum ist Teil eines Ausrufe- oder Aussagesatzes, der sich auf einen Baum bezieht. Sätze können keine Bäume enthalten, sondern nur das Wort "Baum". Entsprechend können auch abstrakte Propositionen über Bäume keine konkreten Bäume enthalten, sondern nur den abstrakten Begriff <Baum>.
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 09:42
Was ist deiner Ansicht nach der Unterschied zwischen:
  • Dinge sind in Tatsachen eingebettet
  • A fact is just a sui generis type of entity in which objects exemplify properties or stand in relations.
Hier geht es um (wittgensteinsche, armstrongsche) Tatsachen als bestehenden nichtpropositionalen Sachverhalten, die (konkrete) Dinge als Bestandteile enthalten. In Bezug auf diese hast du recht mit deiner Aussage.
Übrigens, grossmannsche Sachverhalte/Tatsachen unterscheiden sich von armstrongschen Sachverhalten/Tatsachen insofern, als sie einerseits konkrete Objekte und andererseits abstrakte Universalien enthalten, was sie zu ontologischen Hybriden macht, die teils konkret und teils abstrakt sind.



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Fr 26. Sep 2025, 23:45

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 13:01
…Das ist ein wichtiger Punkt. Allerdings glaube ich, dass man manchmal, mit etwas Vorsicht und Fingerspitzengefühl aus der Etymologie von Wörtern durchaus Funken schlagen kann.
Ich interessiere mich immer für die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes, inbesondere von philosophischen Fachausdrücken. Auch Wörter haben eine "Lebensgeschichte". Ihre Bedeutungen können sich im Laufe ihres "Lebens" verändern, erweitern, verengen, verbessern, verschlechtern.



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Sa 27. Sep 2025, 00:01

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 13:21
"Die Ontologie der Gegenstände ist sekundär: Über Gegenstände spricht man, wenn man von der Strukturiertheit der primären Entitäten (der Tatsachen) absieht."

Das hat mir spontan gefallen, allerdings frage ich mich jetzt, ob es stimmen kann. Gehören denn Gegenstände und Tatsachen nicht zusammen, das eine gibt es doch nicht ohne das andere?
In der armstrongschen Sachverhaltsontologie genießen Sachverhalte als Ganzheiten in der Tat ontologische Priorität gegenüber Dingen und Eigenschaften/Beziehungen als ihren Bestandteilen.
"…Um dieses Problem zu lösen, müssen wir meiner Meinung nach zunächst Sachverhalte als die grundlegenden Strukturen der Realität betrachten. Sie sind primär, Partikularien und Universalien sekundär. Damit meine ich, dass Sachverhalte das Geringste sind, was eine unabhängige Existenz haben kann. Eigenschaftslose Partikularien und trägerlose (uninstanziierte) Universalien sind falsche Abstraktionen, das heißt, sie sind nicht zu einer unabhängigen Existenz fähig." [Google Translate mit Änderungen meinerseits]

(Armstrong, D. M. Sketch for a Systematic Metaphysics. Oxford: Oxford University Press, 2010. p. 27)



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Sa 27. Sep 2025, 00:07

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 14:27
@consul, ich hatte dich an anderer Stelle gefragt, was du eigentlich unter "existieren" verstehst. Ich habe jetzt nicht nachgeschaut, aber sinngemäß hast du nach meiner Erinnerung gesagt, dass existieren ein undefinierbarer Grundbegriff ist. Aber eigentlich denkst du doch, dass "existieren" bedeutet: materiell sein, oder?
Nein, das denke ich nicht. Als Materialist/Physikalist sage ich zwar, dass alles Existierende materiell/physisch ist; aber damit sage ich keineswegs, dass "existieren" und "materiell/physisch sein" synonym sind.



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Sa 27. Sep 2025, 05:27




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Jörn P Budesheim
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Sa 27. Sep 2025, 12:12

Consul hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 23:38
Der Ausrufesatz "Oh, wie schön (ist dieser Baum)!" ist kein Aussagesatz; und kein Baum ist Teil eines Ausrufe- oder Aussagesatzes, der sich auf einen Baum bezieht. Sätze können keine Bäume enthalten, sondern nur das Wort "Baum".
Das bestreite ich. Wenn ich sage: „Oh, wie schön ist dieser Baum”, dann ist der Baum selbst Teil der Bedeutung. Das wird deutlich, wenn man bedenkt, dass man die Bedeutung des Satzes gar nicht erfassen kann, ohne den Baum zu betrachten. Unser Denken und Reden ist ohnehin generell „welthaltig”. Bei dem Beispiel mit dem Baum, auf den gezeigt wird, handelt es sich um den sogenannten „begrifflichen Gehalt de re”. Den Fachbegriff habe ich jedoch ganz bewusst weggelassen, weil es in diesem Thread eh schon zu viele davon gibt. :) Ich bevorzuge anschauliche Beispiele.




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Jörn P Budesheim
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Sa 27. Sep 2025, 12:27

Consul hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 22:53
Letzteres ist hauptsächlich auf den Einfluss der supranaturalistischen, theistischen Religionen zurückzuführen.
Ich hatte es, glaube ich, schon einmal erwähnt, und ich möchte auch nicht übertrieben polemisch wirken, sorry aber nach meiner Ansicht ist der Naturalismus selbst eine Form von Religion – man könnte ihn vielleicht als säkulare Religion bezeichnen.

Wie auch immer, die materialistische Auffassungen ist weltweit eher eine Minderheitsmeinung. Die allermeisten Menschen scheinen nicht daran zu glauben. Betrachtet man die gesamte Menschheitsgeschichte, dürfte der Anteil derer, die den Materialismus für wahr halten, im besten Fall im einstelligen Prozentbereich liegen, schätze ich. So wie ich es sehe, handelt es sich bei dem, was ich vertrete, kaum bloß um eine „intellektuelle Phantasterei unter Gebildeten“.

Die These, natürliche Sprache beziehe sich nur am Rande auf abstrakte Gegenstände, steht nach meiner Ansicht im Widerspruch zur Alltagspraxis. Tatsächlich ist der Bezug auf Abstraktes für mich selbstverständlich und völlig unproblematisch: Wir sprechen über Zahlen („7 ist größer als 5“), Werte („Gerechtigkeit ist wichtig“), Wahrheit, Tatsachen und vieles andere mehr.

Für mich persönlich ist die Leugnung dieser offensichtlichen Tatsache eine dieser epizyklischen Hilfs-Konstruktionen, die meiner Ansicht nach aus der Not geboren werden, das materialistische Weltbild zu retten. Ja stimmt, ich wiederhole mich :)

Ich bevorzuge dagegen die mehr oder weniger entgegengesetzte Strategie: das tatsächliche Leben und die offensichtliche Pluralität der Wirklichkeit als unhintergehbaren Ausgangspunkt des Philosophierens ernst zu nehmen.




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Sa 27. Sep 2025, 13:59

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 15:11
... In diesem Sinne des Begriffs „Tatsache“ ist der Eiffelturm, da er unabhängig davon existiert, dass jemand an ihn denkt, eine Tatsache, während Meerjungfrauen und quadratische Kreise, da sie dies nicht tun, keine Tatsachen sind." (Lemos, Ramon)

Nur dasjenige ist „in diesem Sinne” eine Tatsache, was unabhängig davon existiert, dass jemand daran denkt. Dass ich jedoch an den Eiffelturm denke, ist ebenfalls eine Tatsache, die offensichtlich nicht unabhängig davon besteht, dass ich entsprechendes denke.

Nur (und das war „in diesem Sinne” mein Punkt in dem Beitrag95239 ) in dem etwas , wie der Eifellturm, existiert ging mit dem existieren , eine Tätigkeit und infolge dessen eine Tat der Sache "Eifelturm" voraus. Wie übrigens dem wiederum , mit dem denken , eine Tätigkeit und infolge dessen eine Tat der Sache "der Eifelturm existiert " vorausging,

Übrigens

In dem von @Consul bisher eine Reaktion darauf ausblieb, gehe ich einmal davon aus, dass er mir in diesem Punkt zustimmt. Wenngleich Ich andererseits durchaus versucht bin, mir darin nicht zuzustimmen, und zwar auf, wie sollte es anders sein, unter Bezugnahme auf den von @Consul missachteten, um nicht sogar zusagen unverstandenen dialektischem Materialismus. Gehe ich doch einmal davon aus, dass er nicht auch nur die geringste Ahnung davon hat, wie das mithilfe dessen gelingen könnte,
Consul hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 22:53
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 09:28
Consul hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 09:19
Als philosophisch denkender Mensch ...
Nur habe ich an dieser Stelle ja für etwas anderes argumentiert, ich wollte zeigen, dass bestimmte Vorstellungen von Tatsachen tief in unseren Alltagsintuitionen verwurzelt sind. Du glaubst: "Der ontologische Abstraktismus oder Platonismus ist für mich allgemein nichts weiter als intellektuelle Phantasterei unter Gebildeten." Ich glaube eben das Gegenteil :)
Dementsprechend glaube ich auch, dass aufs Ganze der Menschheit betrachtet, die Idee, dass es nur MERZ gibt, ein absolute Minderheitenposition ist.
Letzteres ist hauptsächlich auf den Einfluss der supranaturalistischen, theistischen Religionen zurückzuführen.

Meine oben zitierte Aussage bezieht sich auf ein ausdrückliches, bewusstes, wohlüberlegtes Bekenntnis zum Abstraktismus/Platonismus, das nicht im "gemeinen Volk" vorkommt, sondern nur in Akademikerkreisen.

Um gekehrt habe ich allerdings auch nur die geringste Ahnung davon, wie letzteres hauptsächlich auf den Einfluss der supranaturalistischen, theistischen Religionen zurückzuführen ist. Möglicherweise liegt das daran, dass solche Formulierungen nicht im "gemeinen Volk", sondern nur in Akademikerkreisen vorkommen. Wie dem auch sei. Seiner Zeit, als ich im Unterricht, während meiner Ausbildung zum Kfz Schlosser, zum ersten Mal vom dialektischem Materialismus gehört habe, so wurde dieser ganz sicher vom gemeinen Volk verstanden. Zumindest in meiner Wahrnehmung. So war ich beispielsweise mit der Frage an den Lehrer, ob denn eine Negation der Negation nicht eine Bejahung sei, von jemanden, von dem ich es als solches, nun überhaupt nicht erwartet hätte, doch schon sehr überrascht. Das nur mal so nebenbei oder auch nicht. Vieleicht überrascht uns hier ja uns auch Consul, in dem ihm eben das gelingt, was versucht bin. Mir unter Bezugnahme auf den dialektischen Materialismus darin nicht zuzustimmen, dass eine Tätigkeit und infolgedessen eine Tat einer Sache vorausgeht.
Timberlake hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 14:46
"Tatsache ist eine Sache, welche besteht[.]"

(Goldschmied, Jakob. Handbuch der voraussetzungslosen Fundamentalwissenschaft. Wien: W. Braumüller, 1915. S. 46)
. und weil solche "Taten" der "Sache" vorausging, reden wir von einer "Tatsache".

Dazu ein Tipp., wenn wir von einen Sachverhalt reden, was geht bei dem voraus.




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Consul
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Sa 27. Sep 2025, 17:26

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Sa 27. Sep 2025, 12:12
Consul hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 23:38
Der Ausrufesatz "Oh, wie schön (ist dieser Baum)!" ist kein Aussagesatz; und kein Baum ist Teil eines Ausrufe- oder Aussagesatzes, der sich auf einen Baum bezieht. Sätze können keine Bäume enthalten, sondern nur das Wort "Baum".
Das bestreite ich. Wenn ich sage: „Oh, wie schön ist dieser Baum”, dann ist der Baum selbst Teil der Bedeutung. Das wird deutlich, wenn man bedenkt, dass man die Bedeutung des Satzes gar nicht erfassen kann, ohne den Baum zu betrachten.…
Du hast nur dann recht, wenn du das Wort "Bedeutung" im fregeschen Sinn gebrauchst; denn die fregesche Bedeutungsebene ist die Bezugsebene. In der zeitgenössischen Semantik entspricht die Bedeutungsebene jedoch nicht der Bezugsebene, sondern der Sinnebene; und die Bedeutung/den Sinn des Ausrufesatzes "Oh, wie schön ist dieser Baum!" kann man auch dann erfassen, wenn es zu dem intentionalen Bezugsgegenstand gar keinen realen Bezugsgegenstand gibt – d.h. wenn gar kein Baum zu sehen ist. Ich würde mich natürlich sehr wundern, wenn jemand zu mir sagte, "Oh, wie schön ist dieser Baum!", ohne dass ein Baum zu sehen ist; aber ich würde nichtsdestoweniger verstehen, was er sagt.



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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Sa 27. Sep 2025, 17:46

Wenn ich das Ganze frei nach „Frege'scher Art“ mit Bedeutung und Sinn analysiere, dann wäre der Baum selbst die Bedeutung und seine Schönheit würde den Sinn liefern, denn das ist eine Art seines Gegebenseins.

Gemäß dem obigen Vorschlag ist der Baum selbst (mit-) bestimmend für den Gehalt des Gesagten – deswegen auch Gehalt de re.




Pommesbude
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Sa 27. Sep 2025, 21:42

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 15:11
Es gibt auch Fiktionen. Es ist beispielsweise eine Tatsache, dass es eine Fiktion namens „Die kleine Meerjungfrau” gibt. Aber Fiktionen könnten gar nicht existieren, wenn niemand an sie denkt.
Metaphysik und andere Märchen


Über die Metaphysik:

Soziale Ordnung prägt Ontologie.
Ontologie stabilisiert soziale Ordnung.
Welterfahrung durchzieht immer beides.
Sprache und Symbolik füllen die Form.

Metaphysik fällt nicht vom Himmel,
sie wächst wie ein Myzel –
unsichtbar verflochten mit Gesellschaft, Sprache und Welt.
Jede Kultur ist ein anderes Geflecht,
jede Kultur zeigt andere Fruchtkörper.

So ist die Doppelfunktion der Metaphysik:
Sie erschließt die Welt – und verschließt sie zugleich.
Dem Inhalt nach verschieden,
identisch in der Form.
Auch die Verneinung der Metaphysik –
bleibt Metaphysik.


Über die Märchen:

Es gibt ein Reservoir menschlicher Fiktionen –
nicht als abstraktes Reich,
sondern als Summe der endlichen Möglichkeiten,
unseres leiblichen, naturgebundenen Bewusstseins
in der endlichen Welt.

Dort existiert „Die kleine Meerjungfrau“ –
als künstlerische Verdichtung einer Möglichkeit im Gesamthorizont menschlicher Welterfahrung.
Kein Märchen ist nur erfunden –
jedes verdichtet Möglichkeiten, die für Menschen ohnehin immer bestehen:
Freude und Leid, Trennung und Wiederkehr, Verlust und Rettung.

Auch Religionen sind nicht bloße Märchen,
es sind die großen, notwendigen Erzählungen:
Verdichtungen von Leben und Tod, Glaube und Hoffnung, dem Einzelnen und der Gemeinschaft.

Fantasie ist kein Reich neben der Welt,
sondern deren Spiegel und Fortsetzung – in Bildern, Geschichten und Möglichkeiten.
In jedem Märchen erscheint das Leben selbst –
und solange Menschen leben und erzählen,
werden Märchen nötig und möglich sein.

Metaphysik und Märchen:
zwei Formen, ein Ursprung –
beide Spiegel fundamentaler Strukturen menschlicher Existenz.




Timberlake
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So 28. Sep 2025, 01:21

Pommesbude hat geschrieben :
Sa 27. Sep 2025, 21:42

So ist die Doppelfunktion der Metaphysik:
Sie erschließt die Welt – und verschließt sie zugleich.
Eine solche Doppelfunktion würde ich übrigens auch bei der Ontologie der Sachverhalte und Tatsachen festmachen wollen. So können Sachverhalte und Tatsachen der Physik, in dem wir sie in der Praxis anwenden, uns eine Welt erschließen, aber in dem wir darauf zugleich festgelegt sind, uns zugleich Welten jenseits dessen verschließen. Beispielweise eine Welt, in der wir uns in Raumschiffen mit Überlichtgeschwindigkeit im Weltall fortbewegen. Schließlich besagt die Allgemeine Relativitätstheorie, dass nichts Materielles die Lichtgeschwindigkeit erreichen kann.

Pommesbude hat geschrieben :
Sa 27. Sep 2025, 21:42
Über die Märchen:

Es gibt ein Reservoir menschlicher Fiktionen –
nicht als abstraktes Reich,
sondern als Summe der endlichen Möglichkeiten,
unseres leiblichen, naturgebundenen Bewusstseins
in der endlichen Welt.
Somit wir dergleichen aus jenem Reservoir menschlicher Fiktionen schöpfen, den wir als Märchen bezeichnen. Als abstraktes Reich, als Summe der unendlichen Möglichkeiten, unseres nichtleiblichen, nicht naturgebundenen Bewusstseins, in der unendlichen Welt.
Pommesbude hat geschrieben :
Sa 27. Sep 2025, 21:42
Kein Märchen ist nur erfunden –
jedes verdichtet Möglichkeiten, die für Menschen ohnehin immer bestehen:
Freude und Leid, Trennung und Wiederkehr, Verlust und Rettung.
Denn dieses Märchen ist tatsächlich nur erfunden. Was allerdings zugleich denjenigen Teil des Märchens keinen Abbruch tut, wo es um Freude und Leid, Trennung und Wiederkehr, Verlust und Rettung geht. Denn diese Sachverhalte und Tatsachen bestehen für Menschen tatsächlich ohnehin immer. Egal ob man dergleichen im Zauberwald verortet, wo Hexen auf Besenstielen reiten oder im Weltall, wo sich Astronauten mit überlichtschnellen Raumschiffen fortbewegen.




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Consul
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So 28. Sep 2025, 02:13

Consul hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 06:32

Die oben erwähnte vierte Möglichkeit wird [in dem SEP-Artikel über Tatsachen] nicht erwähnt: "A fact is just a real event or thing."
"Thatsache, das wirklich Geschehene oder Daseiende."

(Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5: S bis Zytomierz. Freiburg: Herder'sche Verlagshandlung, 1857. S. 446.)



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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Jörn P Budesheim
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So 28. Sep 2025, 07:17

Consul hat geschrieben :
Sa 27. Sep 2025, 00:01
In der armstrongschen Sachverhaltsontologie genießen Sachverhalte als Ganzheiten in der Tat ontologische Priorität gegenüber Dingen und Eigenschaften/Beziehungen als ihren Bestandteilen.
Ja, aber wie soll das möglich sein? Bzw in welcher Hinsicht soll das möglich sein. Wenn wenn es einen Gegenstand gibt, dann gibt es unvermeidlich auch eine Tatsache, also etwas was über diesen Gegenstand wahr ist. Und wenn es Tatsachen gibt, dann gibt es unvermeidlich Gegenstände, die darin angewendet sind. Das meint: Tatsache und Gegenstand hängen voneinander ab, das eine kann es nicht ohne das andere geben.




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Jörn P Budesheim
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So 28. Sep 2025, 07:26

Consul hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 07:30
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Sep 2025, 07:02
Nur nebenbei: Tatsachen kann man sehr wohl bezweifeln, heutzutage scheint es sogar der Standardfall zu sein. Trump hat vor der UN-Versammlung z.b. bezweifelt, dass es den Klimawandel gibt.
Man kann unterscheiden zwischen…

A. Es kann nicht bezweifelt werden, dass…
B. Es kann nicht aus/mit vernünftigen Gründen bezweifelt werden, dass…

Man kann zwar alles bezweifeln, aber man kann nicht alles aus/mit vernünftigen Gründen bezweifeln.
Man kann die Tatsache des menschengemachten Klimawandels leugnen, aber nicht aus/mit guten sachlichen/wissenschaftlichen Gründen.
Nehmen wir folgende Tatsache an: Peter ist der Mörder von Hans. Der Richter bezweifelt das jedoch, da Peter zur Tatzeit an einem anderen Ort war und somit ein Alibi hat. Das gibt dem Richter einen vernünftigen Grund, zu bezweifeln, dass Peter der Mörder war. Hans hat den Mord jedoch mit einer raffiniert ausgeklügelten Fernbedienung begangen.

Das heißt, man kann Tatsachen auch mit vernünftigen Gründen bezweifeln und dennoch danebenliegen. Man sollte die Erläuterung von Tatsachen nicht generalisiert an unser Wissen über sie knüpfen.

Das hier passt auch in diesem Zusammenhang, Tatsachen sind immer und ausschließlich 100%ig:
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
So 28. Sep 2025, 06:46
Burkart hat geschrieben :
Sa 27. Sep 2025, 12:53
Wenn wir uns irren können wie auch richtig liegen können, zeigt das, dass es keine 100%igen Tatsachen gibt
Tatsachen sind immer 100%ig.




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