Backe, backe Kuchen: Wir basteln uns eine Theorie von allem

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Friederike
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Mo 12. Feb 2018, 17:14

Vorerst herzlichen Dank für Deine ausführliche Antwort - daß ich darauf zurückkomme, ist sicher; wann indes, das weiß ich noch nicht.




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Friederike
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Mo 12. Feb 2018, 17:58

Tosa Inu hat geschrieben : Darüber hinaus und noch typischer scheint mir diese Entwicklung aber die Gemeinsamkeiten/Unterschiede darzustellen. Auch wenn man auf der jeweils anderen Seite des Themas steht. Das kann bei Politik oder #metoo oder dergleichen der Fall sein, die Tatsache, dass man etwas überhaupt wahrnimmt und diskutabel findet oder es die eigene Welt eben gar nicht berührt, sagt ja etwas aus.
Dass etwas wahrgenommen und verarbeitet wird und wie das geschieht, scheint ein wichtiger Punkt zu sein. Es ist z.B. etwas anderes, sich bei einer Debatte zu positionieren oder zu sagen, es sei gut, dass diese Debatte geführt wird. Es kann einem aber auch vollkommen egal sein, ob diese Debattte geführt wird und sicher kann man die vertikale Entwicklung nicht an einem Punkt festmachen, aber an 5 oder 6 verschiedenen dann schon.
Hierzu doch schon eine Anmerkung, weil ich bisher auf die Frage, warum überhaupt für Person X im Unterschied zu Person Y "etwas" bedeutungsvoll wird bzw. im Bedeutungshorizont erscheint überhaupt nie ein Antwort gefunden habe. Es gibt Millionen Tatsachen oder Dinge, die mein Bewußtsein noch nicht einmal erreichen, und es gibt Millionen von Tatsachen oder Dingen, die irgendwo an der Peripherie meines Horizontes erscheinen. Wirklich, am Ende bin ich immer bei Sartres "radikaler Wahl" gelandet. Man entwirft sich als diese oder jene Person, dies ist durch nichts anderes begründet als durch das Bewußtsein, das diese Wahl trifft. Das ist natürlich hoch unbefriedigend, weil dieser Art Wahl ähnlich einem "deus ex machina" oder einem aus dem Hut gezauberten Kaninchen daherkommt. Wenn man also 5 oder 6 konkrete Punkte hat, die erklären oder zumindest erklären helfen, dann ist das schon deutlich ergiebiger als eine einmal getroffene Entscheidung, als welche Person ich mich entwerfe.




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Mo 12. Feb 2018, 20:19

Friederike hat geschrieben :
Mo 12. Feb 2018, 17:58
Es gibt Millionen Tatsachen oder Dinge, die mein Bewußtsein noch nicht einmal erreichen, und es gibt Millionen von Tatsachen oder Dingen, die irgendwo an der Peripherie meines Horizontes erscheinen. Wirklich, am Ende bin ich immer bei Sartres "radikaler Wahl" gelandet. Man entwirft sich als diese oder jene Person, dies ist durch nichts anderes begründet als durch das Bewußtsein, das diese Wahl trifft.
Und oft wohl noch nicht mal das, denke ich.
D.h. die Wahl, als was man sich entwirft, wird nicht selten von anderen getroffen, man wird sanft auf den Pfad geführt, gegen den man vermutlich auch nicht groß was einzuwenden hat, aber man hat es vermutlich nie gelernt das wirklich zu reflektieren, weil es ja auch aus der Sicht des Mainstream oft sehr folgerichtig erscheint und versponnen eher der wirkt, der die Normalität infrage stellt.
Friederike hat geschrieben :
Mo 12. Feb 2018, 17:58
Das ist natürlich hoch unbefriedigend, weil dieser Art Wahl ähnlich einem "deus ex machina" oder einem aus dem Hut gezauberten Kaninchen daherkommt. Wenn man also 5 oder 6 konkrete Punkte hat, die erklären oder zumindest erklären helfen, dann ist das schon deutlich ergiebiger als eine einmal getroffene Entscheidung, als welche Person ich mich entwerfe.
Ich empfinde das immer als halb schicksalhaft. Einerseits hat man ja tatsächlich die Wahl, andererseits sucht man sich sein favorisiertes Weltbild ja gerade deshalb aus, weil man es überzeugend findet.
Und selten genug erkennt man darin überhaupt ein Weltbild, sondern meistens ist es die tief gefühlte Überzeugung, dass die Welt tatsächlich so funktioniert.
Das sind diese "Jetzt mal unter uns ..." oder "Wenn wir mal ehrlich sind ..." Momente, in denen Menschen, oft wenn sie entspannt, betrunken oder in Wallung sind, erzählen, wie das alles tatsächlich funktioniert. Viele wissen, dass sie im Alltag eine blankpolierte Version präsentieren müssen, aber wenn man sich privat fühlt, kommt zwar nicht die Wahrheit, aber die aufrichtige Meinung zum Vorschein. Und von der meint man dann, dass sie aber die Welt treffend beschreibt.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Friederike
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Mi 14. Feb 2018, 13:16

Tosa Inu hat geschrieben : Einerseits hat man ja tatsächlich die Wahl, andererseits sucht man sich sein favorisiertes Weltbild ja gerade deshalb aus, weil man es überzeugend findet. Und selten genug erkennt man darin überhaupt ein Weltbild, sondern meistens ist es die tief gefühlte Überzeugung, dass die Welt tatsächlich so funktioniert.
Nur am Rande notiert. Mir hat sich die Umschreibung von Joachim Schulte, was Wittgenstein unter "Weltbild" versteht, eingeprägt: Ein Satz, auf den wir nicht kommen, ihn unter normalen Umständen zu sagen, der ist ein Kandidat für das Weltbild eines Menschen. Dieses Verständnis von "Weltbild" dürfte allerdings eines sein, das zur Voraussetzung hat, daß es vielen Menschen gemeinsam ist (vermutlich ganze Kulturkreise umfaßt). Meine These, die mir soeben einfällt, ist die, daß je individueller ein Weltbild ist, desto bewußter bzw. reflektierter ist es auch. Das Weltbild, das vor lauter Selbstverständlichkeit gar nicht ins Bewußtsein tritt, das ist sicher kein für eine Person spezifisches, sondern genau so eines, von dem Du sagst, es beinhalte das nicht jederzeit präsente Wissen, wie die Welt "funktioniert".




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Do 15. Feb 2018, 08:29

Friederike hat geschrieben :
Mi 14. Feb 2018, 13:16
Nur am Rande notiert. Mir hat sich die Umschreibung von Joachim Schulte, was Wittgenstein unter "Weltbild" versteht, eingeprägt: Ein Satz, auf den wir nicht kommen, ihn unter normalen Umständen zu sagen, der ist ein Kandidat für das Weltbild eines Menschen.
Das deckt sich gut mit Freud, der auch feststellte, dass die Einstellungen, die die eigenen Handlungen prägen, zumeist, im Kern unbewusst sind.
Man weiß vielleicht noch, dass mann etwas tut, weil "man es so macht" (heute wird das etwas subtiler verpackt), weitere Gründe hat man aber nicht, außer, dass das eben richtig ist, weil man das immer schon so gemacht hat.
Friederike hat geschrieben :
Mi 14. Feb 2018, 13:16
Dieses Verständnis von "Weltbild" dürfte allerdings eines sein, das zur Voraussetzung hat, daß es vielen Menschen gemeinsam ist (vermutlich ganze Kulturkreise umfaßt). Meine These, die mir soeben einfällt, ist die, daß je individueller ein Weltbild ist, desto bewußter bzw. reflektierter ist es auch.
Ja, das wäre eine Möglichkeit und sie stimmt auch meistens.
Friederike hat geschrieben :
Mi 14. Feb 2018, 13:16
Das Weltbild, das vor lauter Selbstverständlichkeit gar nicht ins Bewußtsein tritt, das ist sicher kein für eine Person spezifisches, sondern genau so eines, von dem Du sagst, es beinhalte das nicht jederzeit präsente Wissen, wie die Welt "funktioniert".
Vor allem auch, wenn man die Grundzüge halb erahnt, eine Ohnmacht gegenüber den Gegebenheiten.
Heute werden Maistream-Trends nur besser vermittelt, als etwas, was man selber wil: Du bist toll und einzigartig, wenn du bist, wie alle anderen.
Natürlich mit dem, von allen anderen geteilten Gefühl, ein bisschen besser und gerissener zu sein.



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Fr 9. Mär 2018, 07:28

Physik in der Krise

Neben der dunklen Energie und der dunklen Materie, die ja bekanntlich zusammen 95% der Materie des sichtbaren Universums ausmachen sollen, sich aber allen Enttarnungen durch Experimente hartnäckig verweigern, wird nun über einen "verborgenen Sektor" spekuliert, gerade weil das Standardmodell des Universums knirscht und knartscht. Man hat bislang nichts außerhalb des Standardmodells gefunden, aber vielleicht, so meint man jetzt, hat man einfach an der falschen Stelle gesucht. Das Higgs-Teilchen, was man gefunden hat, ist dabei zugleich Triumph und Problem. Es ist das letzte fehlenden Teilchen des Standard Modells, damit wäre der Sack eigentlich zuzubinden, aber es ist 100 Milliarden Mal kleiner, als man erwartete, damit eröffnen sch neue Fragen.

Das kann durchaus öfter passieren, dass man einfach nur findet, was man sucht, weil man genau danach sucht und hier wäre dann der bessere Blick gefragt, ein Umdenken, was gerade auf mehreren Ebenen einsetzt.

Hier ein schöner Artikel über die Suche nach neuen Ansätzen: Der dunkle Teil unseres Universums



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 4. Jul 2018, 09:41

Friederike hat geschrieben :
Mo 2. Jul 2018, 15:22
Nee @T.I., wenn ich die Ausführungen hier über Rödls "Materalismus" lese, dann geht die Spur zum Epiphänomenalismus ... und gleich danach kommt der "Status", den "Handlungen" bei Rödl haben.
Hallo Friederike, ich habe meine Antwort mal hierhin verlegt, weil sie in allgemeine Gedanken übergeht, die glaube ich hier am besten aufgehoben sind. Da unterschiedliche Seiten bei verschiedenen Browsern ausgeblendet werden, konnte ich das nur bruchstückhaft lesen, derVergleich Rödls zu anderen hat es nicht leichter gemacht,
Kurz gesagt, ich bin auch nicht richtig schlau draus geworden, Handlungen sieht Rödl aber wohl nicht als Epiphänomen. Das hattest Du so allerdings auch nicht geschrieben.
Aber am besten ist, Ihr lest das Ding, der Autor wird seine Begriffe sicher definieren.

Immerhin, die zahlreicher werdenden Versuche, die Kluft zwischen realem Weltgeschehen und dem, was dann angeblich noch dazu kommt, Gefühle, Gedanken zu schließen zu versuchen, finde ich erfreulich.
Man muss die Intuitionen, dass Gefühle (mit der die Philosophie tatsächlich wenig anzufangen weiß) und Gedanken irgendwie tatsächlich ganz anders sind, dies aber zugleich nicht sein können, da sie sich wechselseitig beeinflussen, unter einen Hut kriegen.

Kant hat sein Spontaneitätsargument in der KdrV übrigens verwendet, um gegen den cartesischen Skandal zu protestieren, der (für Kant) darin liegt für die Existenz der Welt noch Beweise zu fordern. Der Forderung versucht er dann dennoch nachzukommen, indem er der Welt eine Dauerhaftigkeit attestiert, den Gedanken allerdings eine gewisse Flatterhaftigkeit, sie kommen, gehen aber auch wieder. Das Andauern vs. Spontaneittät war dann das einzieg Argument, was ich finden konnte. Hat mich nie so richtig überzeugt und ist vielleicht auch eine Frage der Gewohnheit und Aufmerksamkeitslenkung. Nur um es mal hingeschrieben zu haben, neben der m.E. zu erklärenden Wirksamkeit von etwas, finde ich, dass Gewohnheit noch ein entscheidender Begriff sein könnte.

Wir wissen, welche Kraft Rituale haben können. Das Spektrum der Deutung derselben reicht von Zwangshandlung zur lieben Gewohnheit über Gruppendynamik bishin zum Kontakt zu anderen Welten. Der Baustein des Rituals ist das Symbol und dies soll den Kontakt zu anderen Welten ermöglichen. Was aber, wenn wir wirklich immer wieder durch andere Welten ziehen, Du hattest Arbeit mit Mühe zusammen gebracht und Freizeit mit Erholung, Abschalten, Freude.

Was rechtfertigt es, diverse und inhaltlich unterschiedliche Situationen als gemütlich, bedrohlich, lustig oder heilig zu klassifizieren?

Was die Außenwelt von der Innenwelt oder meinetwegen den Gedanken unterscheidet, ist, dass die Außenwelt ganz einfach da ist und für alle gleich, so würden wir sagen, hier dann wohl irgendwie mit Kant.
Aber ist das wirklich so? Blenden wir nicht ungeheuer viel aus, von dem, was es da draußen so gibt? So eine Art Tunnelblick oder selektiveWahrnehmung, die es ja nun tatsächlich gibt und die in sozialer Wahrnehmung noch eine weitere Form annimmt. Aber dennoch, auch wenn Männer nicht wissen, wo Frieseurgeschäfte sind, man könnte es ihnen zeigen, drauf deuten und sagen: „Da, schau hin, der Laden ist da, seit 8 Jahren.“ Doch man kann auch auf Innerliches deuten, jemanden aufmerksam machen und er wird ebenfalls finden können, was der andere gefunden hat. Und – Gewohnheit – macht man das öfter, ist die Welt in die man sich da begibt so eine Art von Heimat, wie die Straßen, Geräusche und Gerüche aus der Kindheit.



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Friederike
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Mi 4. Jul 2018, 14:34

Ich verlinke Dir einen Aufsatz, " Gefühle im Neoexistentialismus " von J. Slaby, 2007 und zur Lektüre-Motivation zitiere ich einen Abschnitt, aus dem hervorgeht, daß Slaby die Beziehung zwischen (sozial geteilten) Außen- und Innenwelt(en) thematisiert. Eine der Hauptthesen ist die, daß die Grundgestimmtheit einer Person maßgeblich beeinflußt, was überhaupt als bedeutsam in den Focus der jeweiligen Person tritt (Slaby greift u.a. häufiger auf Heidegger und Sartre zurück und daher auch der Titel des Aufsatzes).
Slaby hat geschrieben : Die Affektivität ist also dasjenige, kraft dessen Personen Begebenheiten in ihrer Umgebung als bedeutsam erfahren. Etwas krude läßt sich daher der folgende Zusammenhang konstatieren: Gefühlen als subjektiven Zuständen von Personen korrespondiert auf der „Objektseite“ die Bedeutsamkeit von Begebenheiten. Dieser Bedeutsamkeitsbezug der Gefühle erweist sich als eine wichtige Analysedimension: So lassen sich etwa spezifische Emotionstypen anhand des jeweiligen Typus von Bedeutsamkeit, auf den sie bezogen sind, individuieren. Furcht, Eifersucht, Neid, Scham, Stolz, Hoffnung, Freude etc. sind jeweils auf in verschiedener Hinsicht Bedeutsames bezogen und unterscheiden sich eben dadurch, durch ihre unterschiedlichen formalen Objekte, voneinander. So bezieht sich Furcht auf eine Gefahr, Trauer auf einen Verlust, Eifersucht auf eine geliebte Person und ihre (reale oder scheinbare) Zuneigung zu einer anderen Person, Scham auf einen Defekt der eigenen Person im Lichte der (als bewertend) vermeinten Erkenntnis durch andere, usw. Umgekehrt läßt sich der ontologische Status von Werteigenschaften – also die Frage, inwiefern es Bedeutsamkeit „wirklich gibt“ und in welchen Beziehungen sie zu anderen Klassen von Entitäten steht – durch Rekurs auf die Affektivität und ihre Verschränkung mit der Grundstruktur der personalen Existenz aufklären. In dieser Frage scheint mir einen Mittelweg zwischen Objektivismus und Subjektivismus angemessen zu sein: Viele Dinge sind bisweilen wirklich bedeutsam und nicht lediglich deshalb, weil Personen ihnen gegenüber bestimmte Gefühle empfinden. Zugleich erweist sich Bedeutsamkeit jedoch als weder vollständig unabhängig von den Gefühlen des Einzelnen, noch vollständig unabhängig von den geteilten Reaktionen der Mitglieder einer sozialen Gemeinschaft und den sich auf dieser Grundlage etablierten geteilten Bewertungsmaßstäben. Die prima facie konfligierenden Intuitionen eines Objektivismus auf der einen und eines Subjektivismus bezüglich Bedeutsamkeit auf der anderen Seite lassen sich miteinander vereinbaren – und zwar auf der Basis der Annahme einer Ko-Konstitution von subjektiven Reaktionen und objektiv fundierten evaluativen Eigenschaften.




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Mi 4. Jul 2018, 15:04

Ich komme schon wieder vom Stock zum Stöckchen. Egal, ich verlinke Dir in "Deinem" Thread 2 weitere Arbeiten von Slaby, die jüngeren Datums sind und von denen ich mir vorstellen kann, daß sie Dich interessieren. "Kritik der Resilenz" " von 2015 und "Depression als Handlungsstörung" von 2012. Beide Aufsätze habe ich noch nicht vollständig gelesen, der Titel des ersten zeigt immerhin schon das Programm. 8-)




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Mi 4. Jul 2018, 17:21

@ 'Friederike'

Danke, bin schon dabei das aufmerksam zu lesen.



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Jörn Budesheim
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Sa 7. Jul 2018, 18:27

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 4. Jul 2018, 09:41
Kant hat sein Spontaneitätsargument in der KdrV übrigens verwendet, um gegen den cartesischen Skandal zu protestieren, der (für Kant) darin liegt für die Existenz der Welt noch Beweise zu fordern.
Matthias Wille hat geschrieben : Noch Immanuel Kant beurteilte es als einen "Skandal der Philosophie und allgemeinen Menschen Vernunft", dass die Existenz der Außenwelt bisher durch keinen genugtuenden Beweis abgesichert sei, und Martin Heidegger sah (knapp zehn Jahre nach Freges Argumentation) diesen Skandal gerade darin, dass solche Beweise immer wieder erwartet und versucht werden.




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Di 10. Jul 2018, 10:24

Friederike hat geschrieben :
Mi 4. Jul 2018, 15:04
Ich komme schon wieder vom Stock zum Stöckchen. Egal, ich verlinke Dir in "Deinem" Thread 2 weitere Arbeiten von Slaby, die jüngeren Datums sind und von denen ich mir vorstellen kann, daß sie Dich interessieren. "Kritik der Resilenz" " von 2015 und "Depression als Handlungsstörung" von 2012. Beide Aufsätze habe ich noch nicht vollständig gelesen, der Titel des ersten zeigt immerhin schon das Programm. 8-)
Der erste Text (Neoexistentialismus) hat mir gut gefallen, was ich angenehm finde, ist, dass Slaby gut schreiben kann, im bisher kraftvollen Resilienztext habe ich ein schönes Goldstück gefunden, das ich bergen möchte. Leider darf der Text nicht zitiert werden ich meine aber denn letzten Abschnitt von Seite 7 und den ersten von Seite 8, indem er auf Heideggers Bemerkung Bezug nimmt, dass und wie der Mensch allein durch seine Haltung auf die Welt gestaltend einwirkt und nicht erst durch die nachfolgende Aktion. Das entspricht auch meiner Auffassung.



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Di 10. Jul 2018, 11:51

@ 'Friederike'

Zum Gesamttext "Resilienz" und so.

Ich kann die kritische Grundlinie des Textes, samt dem Argument der Halbierung ganz gut nachvollziehen.
Ich zucke zwar inzwischen immer kurz, wenn ich Neoliberalismuskritik lese, weil mir das oft zu eingleisig ist.
So wie Slaby aufffährt, dass das resiliente Subjekt eben gelernt hätte sich tapfer im erlernten Dauermodus der Katastrophe zu bewähren, so würde ich dennoch dagegen galten, dass die permanente Politisierung und Projektion auf den Neoliberalismus eben so halb werden kann und ist. Inzwischen ist Neoliberalismus- und 'Eliten'-Kritik zum kleinsten gemeinsamen Nenner der Querfront ( = politisch sehr weit Linke und sehr weit Rechte teilen ihre Projektionen) geworden, Tenor ist nicht die Resilienz, sondern gleich die Ohnmacht gegenüber den Verhältnissen, die per def vom Subjekt nicht zu ändern sind und die Zahl der Erwachten ist stets für eine Revolution zu gering, weil der allmächtige Gegner mit allerlei Tricks alle einlullt (die vielleicht schlimmste Version ist der zwischenzeitlich zum Star der Empörerszene avancierte Prof. Rainer Mausfeld, der gerne darüber doziert, warum die Lämmer schweigen - ein nämlicher Youtube-Vortrag wurde zum Renner - und der, vermeintlich wohlmeinend, in einem Umfeld alternder Wohlstandsrevoluzzer einen Selbstwiderspruch nach dem anderen in der Weise mit Richtigkeiten und dem Pusten in die verglimmende Glut des Revoluzzergeistes garniert, dass ihm das Bildungsbürgertum zu Füßen liegt, inzwischen ist er glaube ich fester Bestandteil der Empörerindustrie) und man so doch wieder mal nichts machen kann und dass der Mensch im o.a. Heideggerschen Sinne weltbildend ist, kann man dem Wutbürger nicht vermitteln, schon weil er es nicht hören will.
Nur brav zu sein, ist sicher kein Verdienst, aber immer nur zu kochen ... ja mei.

Aber, wie gesagt, die Grundgedanken sind gut und nachvollziehbar, ein fulminanter Text, ich stehe von meiner Einstellung her im Grunde genau auf der anderen Seite und kann auch dem Resilienzgedanken insofern etwas abgewinnen, da er m.M.n. überhaupt nur in Krisenzeiten relevant wird. Das Leben als Dauerkrisenmodus ist ohnehin nicht mein Ansatzpunkt. Neben der Gefahr der Apathie, die dann immer mal in Terror ("Weil sich ja sonst doch nicht ändert") umschlägt oder diesen,. kurzgedacht, zumindest legitimiert, hat Slaby die Alternative des entspannten Abwartens unterschlagen.
Ich kenne zwar die Stimmen, die sagen, das gehöre sich nicht, aber den Wert sich im Sturm tosender Dummheit zu opfern, kann ich nun auch nicht erkennen und rechtfertigen. Zudem halte ich eine nicht unbeträchtliche Zahl der politisch Engagierten (wobei das Interesse ja dann so weit oft auch nicht reicht) für Menschen mit ausgeprägten Projektionen, die die Welt ihren aktuellen Bedürfnissen oder Wehwehchen anpassen wollen. Auch hier stehe ich auf der anderen Seite und denke, man sollte die Welt zunächst von sich ausgehend (dem eigenen Schatten) in Ordnung bringen, wenn man es denn will. Bei allem Verständnis für den Wert des Sozialen bin ich hier letztlich vermutlich doch ein ziemlicher Fundamentalist aus der Dethlefsen-Schule, der zwar selbst wieder und wieder den Empörer und seinen Wert betonte, aber es schaffte, dies nicht politisierend darzustellen und von dort aus zum für heutige (und damalige vermutlich nicht viel weniger) Ohren unerhörten Punkt des Einordnens aus verstehender Demut überging.

Eigentlich ist Dethlefsens Ansatz ein Ort meiner stärksten geistigen Heimat, ich erwähne das in aller Regel nur deshalb nicht, weil man die bei ihm reichlich zu findenden Grandiositäten aus einem Ansatz pflücken muss, der zu leicht diskreditiert werden kann und es ist einfach zu umständlich, das aufklären zu wollen, schon weil sich manche aus Prinzip dagegen sperren, eine unheilige Allianz aus linken und szientistischen Denunziatoren, die ich seitdem verachte und die bei mir auch kein Bein mehr auf den Boden kriegen, nur weil Du mal fragtest und meintest, die Mehrzahl meiner Gedanken sei durchaus links. Sein Weltbild ist zyklisch: Einheit - Polarität - Einheit, was reizvoller ist, als es zunächst klingt, aber letztlich doch nicht aufgeht. Jahre später fand ich in Wilber eine Ergänzung, der allerdings so ziemlich alles von meinem bis dahin esoterischen Weltbild zertrümmerte. Es kostete Mühe, aber der zyklische Gedanke und die hierarchische Deutung Wilbers ergänzten sich zu einem Spiralbild, was gemächlich fortschreitet, aber auch Stagnationen und Regressionen kennt.

PS: Das Leben ist ja nicht ohne Ironie: Ohne es vorher gewusst zu haben, klick mal kurz. :)



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Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Jul 2018, 10:24
... ich meine aber denn letzten Abschnitt von Seite 7 und den ersten von Seite 8, ...
Sorry, Ende Seite 6, Anfang 7.



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Di 10. Jul 2018, 18:23

Ich muß Deine flammende Rede später oder morgen nochmal lesen @T.I., eben hat mich Mausfeld so aus der Bahn geworfen, daß ich Deinen weiteren Worten nicht mehr ruhig folgen konnte (ich habe mich vorzeitig rausgeklickt). Du mußt wissen, ich gehöre zu den Mausfeld-Fans. :lol: Und den Empörungsvorsteher nun so zur Maus gemacht zu sehen und mich gleich mit in die Empörerinnenschar gepackt ... das will verdaut sein.




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Di 10. Jul 2018, 23:25

Friederike hat geschrieben :
Di 10. Jul 2018, 18:23
Du mußt wissen, ich gehöre zu den Mausfeld-Fans. :lol:
Kein Problem, ich war im letzten Leben Exorzist, das hab ich noch drauf.
Aber ernsthaft, gerade Du mit Deinem feinen Sinn für Sprache? :shock:
Gute Gegenargumente findest Du hier, bei den Kommentaren, wirst Du schon zuordnen können.
Die besten in der drittletzten längeren Antwort der Moorleiche.



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Mi 11. Jul 2018, 15:21

@T.I., Deinen Beitrag, die von Dir verlinkte Freitags-Community, den Artikel in "psyheu" zur Resilenz (falls ich es recht sehe, ausnahmsweise nicht von Dir) ... ich werde mir alles demnächst zu Gemüte führen und Dir antworten. Derzeit komme ich nicht dazu. Nur, daß Du Bescheid weißt.




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Do 12. Jul 2018, 11:22

Der Hinweis auf den Resilienz Artikel war eher spaßig gemeint, weil ich ihn unmittelbar nach der Relisilienz Kritik erstmalig bemerkte, was Dich natürlich nicht davon abhalten soll, ihn zu lesen.

Habe gerade den ausgezeichneten Depressionsartikel von Slaby und Stephan gelesen. Er beschreibt alle relevanten Aspekte der Depression, ich würde die großen Bereiche genau so sehen, nur etwas anders gewichten. Die erlebte Handlungsunfähigkeit ist m.E. nicht ganz so zentral, dass sich daraus alles weitere ableiten ließe oder alles darauf hinaus läuft, da es immer auch mittlere bis schwere Depressionen gibt, bei denen die Aktivität weitgehend erhalten bleibt, ich würde daher die Kombination von Sinn- und Gefühllosigkeit, sowie das Empfinden von Schuld mehr ins Zentrum rücken wollen, auch wenn die Einschränkung der Handlungsfähigkeit mitunter dramatisch sein kann, in den schlimmsten Fällen verhungern depressive Patienten bei lebendigem Leibe, weil sie es nicht schaffen zu essen.

Das bleibt schon ein wichtiger Punkt, aber, wie gesagt es gibt ein (nicht bipolare) Steigerungen der Aktivität, die auch ein Aspekt gefühlter Selbstbesttrafung sein können, gerade Männer neigen dazu sich mit Arbeit für eine tief gefühlte, aber letztlich nicht fassbare Schuld zu bestrafen.
Aber wie gesagt, das ist die einzige Kritik an dem Artikel, wichtig und richtig auch der Hinweis auf das dramatisch gestörte, gedehnte Zeitempfinden.



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Fr 13. Jul 2018, 16:13

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Jul 2018, 11:51
[...] Auch hier stehe ich auf der anderen Seite und denke, man sollte die Welt zunächst von sich ausgehend (dem eigenen Schatten) in Ordnung bringen, wenn man es denn will. Bei allem Verständnis für den Wert des Sozialen bin ich hier letztlich vermutlich doch ein ziemlicher Fundamentalist aus der Dethlefsen-Schule, der zwar selbst wieder und wieder den Empörer und seinen Wert betonte, aber es schaffte, dies nicht politisierend darzustellen und von dort aus zum für heutige (und damalige vermutlich nicht viel weniger) Ohren unerhörten Punkt des Einordnens aus verstehender Demut überging.
Mit Dir streiten geht nicht, weil Du Deine Aussagen so triffst, daß man/ich schwerlich widersprechen kann. Allenfalls anders gewichten ginge. Damit meine ich beispielsweise eine These wie die, daß eine "nicht unbeträchtliche Anzahl" der Politischen ... oder die Neoliberalismuskritik, die oft "zu einseitig" ausfiele. Sicher ist das so. Wobei vielleicht das mangelnde Streitpotential doch gar nicht, wenn ich es recht bedenke, an Deinen Formulierungen liegt, sondern einfach daran, daß ich Deine Meinung weitgehend teile. Davon ist Deine Darstellung der Mausfeld-Szene nicht ausgenommen. Es ist ein bestimmtes Milieu, dem er Stimme verleiht, und ich fühle mich durchaus von Deiner polemischen Beschreibung getroffen.

Bei dem von mir markierten Satz im Zitat ist nicht deutlich, ob Du über Dich oder Dethlefsen sprichst (grammatikalisch müßte "der" sich auf "ich" beziehen und nicht auf die "Schule", aber so im Schreibfluß ... und andererseits scheint mir die Vergangenheitsform, bezögest Du sie auf Dich, irgendwie seltsam). Eigentlich ist das auch egal, weil Du Dich ja zuvor als orthodoxen Anhänger seiner Schule outest. "Egal", weil damit Dethlefsen und Du in der Welt- und Selbsthaltung ungefähr übereinstimmt. Wo es mir allerdings doch auf Genauigkeit ankommt, das ist die "Einordnung aus verstehender Demut". Falls Du es für Dich sagst, rührt es mich ans Herz 8-), falls Du Dethlefsen meinst, rührt es mich weniger bis gar nicht. Wozu ich gerne noch eine kurze Erläuterung hätte, das ist, was da eingeordnet wird? Es sei denn, es handle sich um alles, was Menschen tun und einander antun, also alles, was in der Welt der Menschen vorkommt oder so ...




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Sa 14. Jul 2018, 08:52

Friederike hat geschrieben :
Fr 13. Jul 2018, 16:13
Davon ist Deine Darstellung der Mausfeld-Szene nicht ausgenommen. Es ist ein bestimmtes Milieu, dem er Stimme verleiht, und ich fühle mich durchaus von Deiner polemischen Beschreibung getroffen.
Die Polemik gilt allerdings weniger den Anhängern, sie soll diese eher dazu verleiten, bei Mausfeld sehr genau hinzuschauen. Die Show ist ja seine Sache, der Mann ist dabei ja sogar ruhig und unprätentiös, der Inhalt steht dazu im scharfen Kontrast, in dem er sich Meilen über sein Publikum, die Geheimdienste und die Psychologen stellt, die gar nicht wissen, wem sie da dienen. Und dann wird im T-Shirt und aller Ruhe erklärt, wie es 'wirklich' läuft, das hat schon deutlich messianische Züge, die Selbstwidersprüche im Kleinen sind ja aufgeführt.

Die Frage ist einfach, woher der Mann das alles weiß, diese aller intimsten Geheimnisse der Geheimdienste. Hat er mit denen an einem Tisch gesessen oder rufen die ihn immer an, um ihm ihre neuesten fiesen Tricks mitzuteilen?
Oder sieht er das mit dem Blick des Professoren für Kognitionspsychologie, der das genau aus diesem Grund, kennt und erkennt, weil es in sein Ressort fällt? Aber dann fragt man sich ja, wieso andere Kognitionspsychologen das nicht erkennen? Diese dienen ja offenbar, naiv, wie sie sind, dem Teufel, weil ihnen wiederum der kritische linksintellektuelle Background fehlt. Die Argumentation des Aufklärers verflicht geschickt Motive des altlinken Antiamerikanismus mit dem neurechten und ewig verschwörungstheoretischen Narrativ des großen Strippenziehers.

Letztlich glaube ich nicht, dass von Mausfeld irgendeine Gefahr ausgeht, aber die Masche ist einfach ein Ärgernis, weil sie dem diametral entgegenläuft, was da als Willen zur Aufklärung verkündet wird und auch den Faktencheck ganz offensichtlich nicht besteht. So ziemlich alle Analytiker sind sich einig, dass Ameriika ein Riese auf tönernen Füßen ist, der dramatisch an Einfluss verliert, aus zig ganz unterschiedlichen Gründen. Das mag man nun feiern oder bedauern, aber der Diagnose würde kaum jemand widersprechen. Dass 'die' so absolut alles wissen und manipulieren können, ist auch nicht so ganz wahr. Ich vermute mal, dass Geheimdienste im Stillen eine recht solide Arbeit machen, allerdings ersticken die derzeit in Daten, eine Verfielfachung derselben bringt nur mehr Chaos mit sich. Der nächste Amoklauf an einer Schule, der nächste Terrorführer, das nächste erschütternde Großereignis, alles kein Problem mehr, denn die Geheimdienste wissen alles über jeden. Man weiß zwar wenn man eine selbstlernende KI produziert, die erfolgreich agiert (wie das Programm, das den Go-Weltmeister niedergerungen hat) schon heute nicht mehr, wie sie das eigentlich gemacht hat, aber den ungleich komplexeren Menschen, will man anhand einiger läppischer Algorithmen komplett durchleuchten? Wer soll das glauben?
Die Anhänger der Allmachtstheorie sind also auf dem Boden ihrer eigenen Prämissen gezwungen die Schraube weiter zu drehen und der nächste logische Schritt kann dann nur heißen: Natürlich wissen die Mächtigen (Mausfeld lässt gerne man en passent einfließen, dass man sich kein Bild davon macht, wie viel die tatsächlich wissen ... was natürlich nur er verstehen und durchschauen kann) das alles, aber sie lassen es zu.
Und dann geht es bildschöner Verschwörungsmanier weiter, ob angedeutet oder ausformuliert ist dann schon fast egal: Sie dulden den Terror usw. um uns gefügig zu mahcne und zu halten. Denn Terror macht Angst, Angst fördert die Zustimmung zu Repressionen und das genau wollen die ja.
Aber ist man auf der Ebene des Großen und Weltpolitischen - wo ja inzwischen fast so viele zu Hause sind, wie auf der des Fußball Bundestrainers, von der Kleinigkeit abgesehen, dass man nie vor einen Ball getreten und auch die Grundregeln der Taktik eigentlich nie gehört hat - erst mal angekommen, wirkt es natürlich naiv, wenn man das dann wieder runterbrechen möchte
Friederike hat geschrieben :
Fr 13. Jul 2018, 16:13
Bei dem von mir markierten Satz im Zitat ist nicht deutlich, ob Du über Dich oder Dethlefsen sprichst (grammatikalisch müßte "der" sich auf "ich" beziehen und nicht auf die "Schule", aber so im Schreibfluß ... und andererseits scheint mir die Vergangenheitsform, bezögest Du sie auf Dich, irgendwie seltsam). Eigentlich ist das auch egal, weil Du Dich ja zuvor als orthodoxen Anhänger seiner Schule outest. "Egal", weil damit Dethlefsen und Du in der Welt- und Selbsthaltung ungefähr übereinstimmt.
In dem Fall meinte ich Dethlefsen.
Friederike hat geschrieben :
Fr 13. Jul 2018, 16:13
Wo es mir allerdings doch auf Genauigkeit ankommt, das ist die "Einordnung aus verstehender Demut". Falls Du es für Dich sagst, rührt es mich ans Herz 8-), falls Du Dethlefsen meinst, rührt es mich weniger bis gar nicht. Wozu ich gerne noch eine kurze Erläuterung hätte, das ist, was da eingeordnet wird? Es sei denn, es handle sich um alles, was Menschen tun und einander antun, also alles, was in der Welt der Menschen vorkommt oder so ...
Dethlefsens Botschaft, die er vor allem in Mytheninterpretationen kleidet, ist der Weg von der unbewussten Einheit, immer eine Art des glücklichen, aber naiven Schlafs, in das Erwachen der Polarität. Der Raub des Feuer bei Prometheus, der Diebstahl des Apfels im Paradies - eine ironische Spiegelung zu oben: In allen Fällen ließen Zeus, Gott und weitere den Raub oder Betrug zu und in ihrer Allmacht hätte es gelegen, ihn zu verunmöglichen - das Gift ist immer dasselbe: Erkenntnis. Dethlefsen ist ein Freund der Homöopathie, weil er darin ein Urprinzip entdeckt und auf diesem seine Gesamtidee von Heilung aufbaut. Wenn Erkenntnis das Gift ist, dann ist das erhöhte oder potenzierte Gift, ebenfalls Erkenntnis, auch das Heilmittel.
Die Erkenntnis lautet immer, dass man sich in einem Spiegelsaal befindet oder in einer Welt, gemacht aus Projektionen.
Dass man noch zwei andere (oder 200 Millionen andere) findet, die die Projektionen teilen, ist für den Charakter der Projektion egal. Es bleibt mein Ding, Muster, mein Blick auf und in die Welt. Dem steht der Schatten gegenüber, der immer vorbewusst und unbewusst ist. Dass es darum geht, diesen Schatten a) zu erkennen und b) anzunehmen entspricht der Rücknahme der Projektion.
Im Grunde sind sich alle einig, dass die Rücknahme einer Projektion zugleich dazu führt, dass man in eine neue hineinrutscht, was zu der Frage führt, ob man sich den ganzen Kram nicht schenken kann. Die Antwort wäre, dass auf jeder neuen Position das Leben etwas entspannter wird, auf Projektionen haben ihre eigene Hierarchie, von psychotischem Wahn als unterster Stufe, über die projektive Identifikation der schweren Persönlichkeitsstörungen, zu den echten Projektionen der neurotischen und normalen Ebene und letztlich sind auch unsere theoretischen Weltentwürfe philosophischer Art Projektionen, Entwürfe, die uns die Welt erklären sollen.
Es ist immer eine Empörergestalt, die in vorbildhafter oder archetypischer Radikalität der Ordnung ein fundamentales "Nein" entgegenschleudert und diese Empörung ist notwendig und unerlässlich, für den zweiten, den Sinn der Ordnung zu erkennen. Das mag einem vorschnell als reaktionär erscheinen, aber dabei müsste man dann schon drastisch ausblenden, welche Wege der archetypische Held da geht und welche Kämpfe er auszufechten hat, die schlimmsten, so wird Dethlefsen nicht müde zu betonen, sind die inneren, der Kampf gegen die eigenen Projektionen und die beharrlicher Weigerung anzuerkennen, dass es Projektionen sind.
Vorbildhaft geht auch der Ödipus aus der Trägödie seinen Weg und als er, der geschworen hat Theben zu retten, weil alle anderen sich offenbar als unfähig erwiesen, nun auch nicht mehr weiter weiß, fragt er den blinden Seher Teiresias und der gibt ihm die entspannt zu hören, dass er draußen nicht zu suchen braucht, sondern all Übel der Welt in ihm liegen. Ödipus reagiert darauf ebenfalls archetypisch, nämlich, er sagt nicht: "Ach prima, vielen Dank für die Information, jetzt weiß ich endlich mehr", sondern typisch menschlich gerät er in Rage und denkt, dass jetzt tatsächlich alle den Verstand verloren haben, sogar die Seher und Orakel. Ödipus ist ein "zur Wahrheit Berufener" weil er den Weg in den eigenen Irrtum konsequent weiter geht, komme, was da wolle und so weit muss man es mit der eigenen Empörung dann auch treiben, um dann grandios zu scheitern.
Wenn dann alles in Trümmern liegt, ist man ein Ansprechpartner für das Thema Demut, wer die Ordnung nie verlassen hat und bei ersten "Bu" umfällt, hat mit dem Thema nichts zu tun. Die Latte liegt in gewisser Weise hoch bei Dethlefsen, mit dem reaktionären: Zu Hause ist es doch am schönsten hat das rein gar nichts zu tun.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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