Backe, backe Kuchen: Wir basteln uns eine Theorie von allem

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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Mein Opa hat mir früher erklärt, dass er nur die Schuhe von jemandem sehen muss, um zu wissen wer er ist :-)




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Jörn Budesheim
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Das Fräulein

Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.

Mein Fräulein! sein Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.

(Heinrich Heine)

Vor 200 (und davor sowie danach) Jahren haben sie die selben Themen diskutiert wie wir heute auch. Heine macht sich hier vielleicht etwas über romantische Gefühle lustig und stellt sich vordergründig auf die Seite der "Naturalisten" (mit dicken Anführungszeichen) - aber er macht das schließlich als Dichter, vielleicht auch mit einem Schuss Selbstironie.




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Alethos
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 8. Nov 2017, 18:43
Mein Opa hat mir früher erklärt, dass er nur die Schuhe von jemandem sehen muss, um zu wissen wer er ist :-)
Das hat mir meine Mutter auch beigebracht, und ich glaube daran mehr als an Graphologie :) Ich putze meine Schuhe auch mit Schuhcreme, natürlich auch, weil ich denke, dass es noch andere Schuh lesende Seelendeuter gibt :)



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Tosa Inu hat geschrieben :
Di 7. Nov 2017, 09:21
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 7. Nov 2017, 06:35
Was ist die Innenwelt? Und was bedeutet es für das Projekt einer Theorie von allem, dass es zig Milliarden Innenwelten gibt ...
Nix. Weil wir uns um die meisten nicht kümmern können, da wir keinerlei Zugang zu ihnen haben. Es bleibt, die diskursiven Wesen zu befragen und zu hoffen, dass sie antworten.
Das verstehe ich momentan nicht. Eine Theorie von allem ist ja auch eine Theorie von allen. Folglich, dass wir nicht immer Zugänge haben, muss deshalb nicht heissen, dass diese Innenwelten nichts bedeuten mit Bezug auf dies Alles, von dem diese Theorie handelt?



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Jörn Budesheim
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Tosa Inu hat geschrieben :
Di 7. Nov 2017, 09:21
Nix. Weil wir uns um die meisten nicht kümmern können, da wir keinerlei Zugang zu ihnen haben. Es bleibt, die diskursiven Wesen zu befragen und zu hoffen, dass sie antworten.
Ich schließe mich Alethos an :-) Eine theory of everything müsste eben everything umfassen. Wenn wir "keinerlei" Zugang haben (was ich nicht völlig kaufe) dann hieße das für die Theorie doch, dass sie in ihrem Anspruch von allem handeln zu können, gescheitert ist? Oder?




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Alethos hat geschrieben :
Mi 8. Nov 2017, 20:53
Das verstehe ich momentan nicht. Eine Theorie von allem ist ja auch eine Theorie von allen. Folglich, dass wir nicht immer Zugänge haben, muss deshalb nicht heissen, dass diese Innenwelten nichts bedeuten mit Bezug auf dies Alles, von dem diese Theorie handelt?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 10. Nov 2017, 14:50
Ich schließe mich Alethos an :-) Eine theory of everything müsste eben everything umfassen. Wenn wir "keinerlei" Zugang haben (was ich nicht völlig kaufe) dann hieße das für die Theorie doch, dass sie in ihrem Anspruch von allem handeln zu können, gescheitert ist? Oder?
Im Grunde ist das die Qualia-Frage. Wir bemühen uns die Lücke ja durch plausible Spekulationen zu schließen, aber ich empfände es eher als unredlich so zu tun als verfügten wir da über abschließendes Wissen. Vielleicht ist das irgendwann zu klären, aber es sind glaube ich nicht die heißen Stellen, dass wir nicht genau wissen, was das innere Erleben einer Hyäne ist, sondern andere, hier schon genannte. Die 'Entstehung aus dem Nichts' Theorie der Materie kann nicht ewig sorgenfrei geglaubt werden, dass wir über unser eigenes Bewusstsein nicht so viel wissen, ist m.E. um Längen bedenklicher, als den Regenwurm nicht genau zu verstehen.

Ich erinnere noch mal an die Idee der Wirkungen. Wie kommen sie zustande, in eimem Kontext, der unterstellt, Wirken in der Welt müssen immer ein materieller Akt sein, aber das banale Alltagswissen, dass auch Botschaften beglückend oder tödlich sein können, wenig bis gar nicht erklären kann? Wir verstehen unseren eigenen Alltag im Grunde nicht so gut, das ist recht erstaunlich.

Wenigstens kurz erwähnen will ich, dass Brandom die Idee das Sprache eine naturalistische Wort-Welt-Beziehung ist, zurückgewiesen hat, zugunsten der Erklärungen, dass deiktische Praktiken (wie auf etwas zu zeigen) die Beherrschung anaphorischer Praktiken, das "das da" auch verstehen zu können, bereits voraussetzen. Bis hinein in die Problematik, die wir von Quine kennen, dass das deuten auf etwas uns gerade keine Sicherheit gibt, was nun gemeint ist.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 8. Nov 2017, 18:43
Mein Opa hat mir früher erklärt, dass er nur die Schuhe von jemandem sehen muss, um zu wissen wer er ist :-)
Alethos hat geschrieben :
Mi 8. Nov 2017, 20:47
Das hat mir meine Mutter auch beigebracht, und ich glaube daran mehr als an Graphologie :) Ich putze meine Schuhe auch mit Schuhcreme, natürlich auch, weil ich denke, dass es noch andere Schuh lesende Seelendeuter gibt :)
Ich hoffe niemanden zu verärgern, wenn ich sage, dass das wieder ein - in der Tat häufig benutztes - Instrumtent der Esoterik ist, das Denken in Analogien. Ich bekenne sofort meine eigene Sympathie zur Esoterik und gebe den Hinweis, dass die Analogie ihren intellektuellen Ritterschlag längst durch Hofstadter und Sander bekommen hat, die die verschmähten Analogien kurzerhand zum Herz des Denkens erklärten.

Was tun wir, wenn wir vom Aussehen der Schuhe auf den gesamten Charakter eines Menschen schließen? Wir schließen analog: Wie innen, so außen.
An sich ist das irgendwo dreist, viellieicht, auf die Goldwaage gelegt auch nichts vorauf man sich festlegen lassen würde, weil hier eine nicht ungefährliche Nähe zum Klischee besteht und gerinnen Klischees zu festen Überzeugeungen, ist man beim Vorurteil.
Das kriegt man mit der Logik allerdings auch hin und es spricht beides eher für einen unsachgemäßen Gebrauch der Methode, als für ihre Schwäche. Niemand hat festgelegt, dass Analogien immer dumm und plump sein müssen, noch, dass wir genau bei einer stehen bleiben müssen.

Dass das Innen das Außen spiegelt, ist allerdings eine Idee die in einem monistischen Rahmen zu erwarten wäre. Analogien sind nicht nur dafür geeignet unsere Vorurteile zu bestätigen, sondern im Gegenteil, sie erlauben auch kühne Sprünge über 'Welten' hinweg, wenn etwa Strukturähnlichkeiten betrachtet werden.

Was tun wir, wenn wir von den Schuhen auf den Menschen schließen? Wir behaupten, dass wer hier schlampig, nachlässig, normal, aufmerksam oder pedantisch ist, es auf anderen Gebieten auch ist. Vielleicht, weil die Schuhe nichts sind, auf was man gewöhnlich zuerst achtet, wie Gesicht, Haare, Oberbekleidung, sondern ein Kriterium des zweiten, wenn auch äußerlichen Blicks (aber nach 'Innen' kann man ohnehin nicht direkt schauen, wir hatten das oben). Wer hier achtsam ist, dem könnte man eine gewisse Gründlichkeit attestieren.

Zumindest ahnen wir aber, dass wir so bewertet werden und passen uns ins bestimmten sozialen Situationen entsprechend an. Wenn wir das auch dort wo es angezeigt wäre demonstrativ verweigern, so zeigt das eine gewisse Geringschätzung gegenüber etablierten Normen, die einen entweder rauskickt oder interessant macht und den anderen zu weiteren Nachfragen berechtigen. Wenn man nicht einfach ein Idiot ist oder gewaltbereit, legt das die Latte hoch und kann ein sozialer Weg sein, der einiges abkürzt. Dann muss man allerdings halten, was man implizit verspricht.

Das Einbeziehen sozialer Erwartungen in eigene Handlungsstrategien aber auch Sorgen und Ängste ist ein hochkomplexer aber noch nachvollziehbarer Akt. Ein Stück weiter geht man, wenn man bspw. unbewusste Signale ebenfalls analog untersucht, die Physiognomie von jemandem, die Krankheiten, die er hat. Letztlich ist das auch ein alter Hut, weil die Psychosomatik so agiert. Die zieht nur irgendwann eine Grenze ein, die sozialen Standards geschuldet ist, ohne näher begründet zu sein. Es ist ein im Kern recht heikles Konstrukt, dass bestimmte Bereiche mit einem sozialen Freispruch ausstattet. Da ist oder hat jemand etwas, für das der nichts kann. Inzwischen hat der Wind gedreht und Menschen die Spaß an Tabubrüchen um des Tabubruchs Willen haben, drehen die Lesart einfach um. "Du Opfer!" Dabei ist der Punkt, um den sozialen Freiraum zu wissen und ihn für sich (mindestens und oft) unbewusst zu nutzen ungeheuer interessant, gerade auch weil hier Bereiche interagieren, von denen man das nicht unbedingt annehmen würde. Die Idee, dass Schmerz zwingend mit einer Gewebeschädigung einher geht, prallt an dem Heer chronischer Schmerzpatienten ab, die nicht selten eine Nullkorrelation zwischen pathophysiologischer Erklärung und subjektivem Empfinden aufweisen. Diese Menschen als psychisch überlagert zu bezeichnen ist ein dikreditierender Akt der eigenen Ohnmacht, ich glaube ein Stück weit auch des naturalistischen Denkens. Wo nichts ist, kann auch nichts weh tun. Das Wissen, dass man zumindest als "psycho" gesehen wird, schmerzt. Inzwischen nimmt man die Sache ernster und forscht systematisch. Das ist sehr interessant.

Was heißt es eigentlich, wenn einer gut gepflegte Schuhe hat? Oder Rücken?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Alethos
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Sa 11. Nov 2017, 12:34

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 11:19
Im Grunde ist das die Qualia-Frage. Wir bemühen uns die Lücke ja durch plausible Spekulationen zu schließen, aber ich empfände es eher als unredlich so zu tun als verfügten wir da über abschließendes Wissen. Vielleicht ist das irgendwann zu klären, aber es sind glaube ich nicht die heißen Stellen, dass wir nicht genau wissen, was das innere Erleben einer Hyäne ist, sondern andere, hier schon genannte.
Ja, da sind wir beide uns sicherlich einig, dass wir unzulängliche Wesen sind. Das beginnt ja schon dort, wo wir die Wirklichkeit oder gar die Wahrheit zu erfassen versuchen: Wir sind einfach abgeschnitten von einem Grossteil dessen, was wirklich ist. Wir sind sinnliche Wesen und eben keine göttlichen, wir habe nur diese und keine anderen Perspektiven. Und obwohl wir eine grosse Anzahl verschiedener Perspektiven auf die Welt haben, auch auf uns selbst als Gegenüber, so scheinen wir hier den ‚Egotunnel‘ nicht verlassen zu können. Das alles impliziert, dass unsere Theorie von allem immer auch eine Theorie der Defizite sein muss. Sie bewegt sich immer im Gehege des theoretisch Erfassbaren und des praktisch Denkbaren, aber nie jenseits davon.

Der grosse Vorteil unseres Soseins nun mit Blick auf die gegenseitige Erforschung als Menschen liegt darin, dass unsere kognitiven und emotionalen Instrumente perfekt auf das Zusammenleben angepasst sind. Wir können nicht viel erkennen, aber wir können einander erkennen und ineinander denken. Diese Fähigkeit ist besonders auf zwischenmenschlicher Ebene ausgeprägt, sie umfasst aber im Grunde jede Form von Sozietät, z.B. auch die mit Tieren. Sie nimmt aber offenbar als Fähigkeit ab, je weiter wir von uns als Individuen absehen und je weiter wir uns als Masse verstehen. Kriege, Klimaerwärmung, ökonomische Ungleichheit etc. das sind alles abtrahierte Ebenen, die für unser kleinräumiges, auf konkrete Gegenüber austarierte Denk- und Fühlfähigkeiten schwer zu fassen sind und uns überfordern.

Ich will sagen, wenn wir nur auf die Ebene des zwischenmenschlichen Kontakts fokussieren, dass wir hier sehr wohl privilegierte Perspektiven haben, weil wir soziale Wesen sind, deren Selbstverständnis immer auch ein Verständnis des Anderen ist, der man gerade nicht ist. Das bedeutet aber gerade nicht die Feststellung einer Wissenslücke zwischen der Du- und Ich-Perspektive, sondern des Dazwischens als einer Gerichtetheit des Ich auf das Du und des Du auf das Ich.

Alles das aber heisst natürlich nicht, dass wir keine Mangelwesen bleiben, die ein Alles nie erfassen können.



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Di 14. Nov 2017, 18:06

Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 12:34
Wir sind sinnliche Wesen und eben keine göttlichen, wir habe nur diese und keine anderen Perspektiven.
Außer vielleicht in der Meditation und anderen Gipfelerfahrungen.
Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 12:34
Und obwohl wir eine grosse Anzahl verschiedener Perspektiven auf die Welt haben, auch auf uns selbst als Gegenüber, so scheinen wir hier den ‚Egotunnel‘ nicht verlassen zu können. Das alles impliziert, dass unsere Theorie von allem immer auch eine Theorie der Defizite sein muss. Sie bewegt sich immer im Gehege des theoretisch Erfassbaren und des praktisch Denkbaren, aber nie jenseits davon.

Die Frage ist, ob man diese Grenzen erweitern kann. Gibt es wirklich prinzipiell Undenkbares?
Oder was ist, wenn es uns gelingt eine Schau von Allem zu erlangen, so verrückt das klingen mag?
Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 12:34
Der grosse Vorteil unseres Soseins nun mit Blick auf die gegenseitige Erforschung als Menschen liegt darin, dass unsere kognitiven und emotionalen Instrumente perfekt auf das Zusammenleben angepasst sind. Wir können nicht viel erkennen, aber wir können einander erkennen und ineinander denken. Diese Fähigkeit ist besonders auf zwischenmenschlicher Ebene ausgeprägt, sie umfasst aber im Grunde jede Form von Sozietät, z.B. auch die mit Tieren. Sie nimmt aber offenbar als Fähigkeit ab, je weiter wir von uns als Individuen absehen und je weiter wir uns als Masse verstehen. Kriege, Klimaerwärmung, ökonomische Ungleichheit etc. das sind alles abtrahierte Ebenen, die für unser kleinräumiges, auf konkrete Gegenüber austarierte Denk- und Fühlfähigkeiten schwer zu fassen sind und uns überfordern.
Oder uns geht der Sinn für unsere Verantwortung flöten, weil wir als Teil der Masse ein Stück weit vom "Man" oder eben regressiven Tendenzen gesteuert werden.
Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 12:34
Ich will sagen, wenn wir nur auf die Ebene des zwischenmenschlichen Kontakts fokussieren, dass wir hier sehr wohl privilegierte Perspektiven haben, weil wir soziale Wesen sind, deren Selbstverständnis immer auch ein Verständnis des Anderen ist, der man gerade nicht ist. Das bedeutet aber gerade nicht die Feststellung einer Wissenslücke zwischen der Du- und Ich-Perspektive, sondern des Dazwischens als einer Gerichtetheit des Ich auf das Du und des Du auf das Ich..
Die Objektbeziehungstheoretiker, die wohl aktuell bedeutendste Strömung der Psychologen, würden Dir hier vollkommen zustimmen. Das was dazwischen ist, es bei ihnen der Affekt, der die Beziehung zweier Menschen verbindet und trennt.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 6. Dez 2017, 18:01

Die Gesetze der realen Außenwelt sind uns im Großen und Ganzen, bezogen auf unseren Alltag bekannt.
Die Gesetze der Logik sind es auch.

Ob Luhmann, Latour oder Gabriel, sie postulieren auf ihre jeweilige Art die Eistenz anderer Funktionsweisen, Systeme, Existenzen, Welten.

Was sind eigentlich die Gesetze unserer privaten Innenwelten?
Entweder ganz konkret, wie etwa, dass man sofort an dem "Ort" ist, den den man denkt, rechte Hand und schwupps: letzter Urlaubsort, Tag der Einschulung, linker Fuß. Oder strukturell, in dem Sinne, dass man doch auch gewissen Regeln unterworfen ist. Man mag sich in der Phantasie die verrücktesten Wesen zusammenschrauben können, aber man kann nicht wirklich von etwas überzeugt sein, von dem man eben nicht überzeugt ist. Oder doch?

Wer wäre so ein Negativmensch, der in allem die exakte Gegenmeinung zu meiner hätte? Ist das denkbar? Wäre das immer noch ich?
Zuletzt geändert von Tosa Inu am Mi 6. Dez 2017, 18:37, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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Mi 6. Dez 2017, 18:33

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 6. Dez 2017, 18:01
Was sind eigentlich die Gesetze unserer privaten Innenwelten?
Entweder ganz konkret, wie etwa, dass man sofort an dem "Ort" ist, den den man denkt, rechte Hand und schwupps: letzter Urlaubsort, Tag der Einschulung, linker Fuß. Oder strukturell, in dem Sinne, dass man doch auch gewissen Regeln unterworfen ist. Man mag sich in der Phatansie die verrücktesten Wesen zusammenschrauben können, aber man kann nicht wirklich von etwas überzeugt sein, von dem man eben nicht überzeugt ist. Oder doch?
Ich befürchte, dieser Absatz überfordert mich :) kannst du noch ein zwei Worte dazu sagen?




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Wir haben die Möglichkeit nach innen zu blicken. Da findet man unter anderem eine Phantasiewelt, so heißt es.
Wie phantastisch ist die? Völlig regellos, oder gibt es Grenzen?
Fall ja: Welche wären das? Wo kommen sie her?
Welchen Einfluss hat die Innen- auf die Außenwelt und die eine Innenwelt auf die andere?
Die Welt der Logik liegt ja auch innen, zumindest des Zugang zu ihr.
Wie getrennt oder verbunden sind diese verschiedenen inneren Welten?



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So 10. Dez 2017, 15:35

Tarvoc hat geschrieben :
Mo 9. Okt 2017, 19:22
Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 9. Okt 2017, 17:54
Wenn man sich auf allgemein akzeptierte Begründungspraktiken berufen kann und sich in eine normative Begründungspraxis eingebunden weiß.
Nach dem Kriterium wissen Katholiken, dass Gott existiert und Masturbation Sünde ist - und gleichzeitig wissen säkulare Atheisten, dass das Kappes ist. Muslime wissen, dass es Allah erzürnt, wenn man eine Ehebrecherin nicht steinigt. Mit dem Kriterium kannst du kurz gesagt alles als Wissen verkaufen, was von irgendeiner Gruppe, Gesellschaft oder geschichtlichen Epoche "allgemein akzeptiert" wird.

Oder du meinst eine buchstäblich von allen Menschen uneingeschränkt akzeptierte Begründungspraxis - dann viel Glück dabei, eine zu finden. Sag mir bescheid, wenn du eine gefunden hast.

Es geht hier u.A. gerade um ein Abgrenzungskriterium zwischen wirklichem Wissen und bloßem Dafürhalten.

Über Wahrheit wird nicht demokratisch entschieden. Das wäre absurd. Eine pseudo-demokratische Variante von Ingsoc.
Das ist doch schon mal ein guter Ansatzpunkt. Mir ist natürlich traditionell auch bewußt gemacht worden, dass solche Zielsetzungen IMMER scheitern müssen. Klar.. wer weiß sowas nicht? :-) Aber hat man nicht genau mit derart (allen Menschen bekannten) Weisheiten den Schlüssel in der Hand? Denn wenn es offenbar Dinge gibt, in denen alle Menschen Übereinstimmung erlangen können, dann könnte es auch Dinge geben, die eine Theorie ermöglichen, die kein Mensch leugnen kann. Zumal der Begriff Mensch ohnehin impliziert, dass es Gemeinsamkeiten geben muss. Fraglich ist wohl, inwieweit wir diese bereits kennen.




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So 10. Dez 2017, 15:48

iselilja hat geschrieben :
So 10. Dez 2017, 15:35
Denn wenn es offenbar Dinge gibt, in denen alle Menschen Übereinstimmung erlangen können, dann könnte es auch Dinge geben, die eine Theorie ermöglichen, die kein Mensch leugnen kann. Zumal der Begriff Mensch ohnehin impliziert, dass es Gemeinsamkeiten geben muss. Fraglich ist wohl, inwieweit wir diese bereits kennen.
Hey, willkommen zurück. :)

Lies dich mal im Thread Intuition ein: dort scheint es auch um solche Schlüsselwahrheiten zu gehen, die uns allen gemeinsam als Basis gegeben sind.



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iselilja hat geschrieben :
So 10. Dez 2017, 15:35
Denn wenn es offenbar Dinge gibt, in denen alle Menschen Übereinstimmung erlangen können, dann könnte es auch Dinge geben, die eine Theorie ermöglichen, die kein Mensch leugnen kann.
Ganz praktisch glaube ich nicht, dass es etwas gibt, mit dem man alle Menschen überzeugen kann.
Ich glaube bspw., dass es Stufen der Entwicklung gibt, die alle ihre spezifischen Wahrheiten haben, d.h. richtige Schlüsse aus bestimmten, für eine Gruppe typischen Prämissen ziehen, um die herum sich eine größere Anzahl von Individuen gruppieren.
Die Stufen sind ein Teil des Ganzen (ich vermute der wichtigste), soziale Milieus und regionale Besonderheiten sind weitere Aspekte.

Und, schön, Dich wieder zu lesen.



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So 10. Dez 2017, 16:22

ja, danke :-)

Also wenn ich Dich richtig verstehe,suchst Du nach einer prima philosophia? Davon gibt es im Grunde bereits zwei,was etwas verwirrend erscheint.. eine von Descartes und eine von Aristoteles. Signifikant ist allerdings, dass beide bis heute überlebt haben.

Also lohnen würde sich eine Dritte bestimmt. *grinst*




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iselilja hat geschrieben :
So 10. Dez 2017, 16:22
Also wenn ich Dich richtig verstehe,suchst Du nach einer prima philosophia?
Weiß nicht, ob das eine sein muss.
Ich glaube eher, dass das auf so etwas wie verschiedene Sichtweisen hinauslaufen könnte, von denen man nicht sagen kann, dass alle auf erste oder letzte Begründungen hinauslaufen. Das hat dann durchaus was von Gabriel.



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So 10. Dez 2017, 16:39

Tosa Inu hat geschrieben :
So 10. Dez 2017, 16:02
Ganz praktisch glaube ich nicht, dass es etwas gibt, mit dem man alle Menschen überzeugen kann.
Ich glaube bspw., dass es Stufen der Entwicklung gibt, die alle ihre spezifischen Wahrheiten haben, d.h. richtige Schlüsse aus bestimmten, für eine Gruppe typischen Prämissen ziehen, um die herum sich eine größere Anzahl von Individuen gruppieren.
Sofern es um komplexere Begründungsstrategien geht, stimme ich Dir zu, diese sind oftmals erfahrungsabhängig und lassen sich vermutlich sogar in Stufen katalogisieren.

Aber die eigentlichen Begründungsinhalte verweisen ja eigentlich immer auf einfachere, leichter verständliche Strukturen. Und dort könnte eben ein Ansatzpunkt liegen. So wissen wir alle, dass Menschen sterblich sind. Hört sich nicht sonderlich spektakulär an, ist aber dafür von niemandem leugbar. Sollte jemand vom Gegenteil überzeugt sein, müsste er den Beweis antreten und das Risiko wird niemand eingehen. :-)

Man kann also durchaus (inwieweit das für eine derartige Theoriebildung sinnvoll ist, kann ich nicht abschätzen) festhalten: es gibt evidente Aussagen.




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iselilja hat geschrieben :
So 10. Dez 2017, 16:39
Man kann also durchaus (inwieweit das für eine derartige Theoriebildung sinnvoll ist, kann ich nicht abschätzen) festhalten: es gibt evidente Aussagen.
Auch abseits der Frage nach der Sterblichkeit würde ich dem zustimmen.



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Friederike
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So 11. Feb 2018, 18:09

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 3. Nov 2017, 19:24
Rastert man sehhr grob kommt man zu dem Urteil, dass wir alle Menschen sind, mit bestimmten Gemeinsamkeit des Innern, die uns vom Waschbär unterscheiden. Sehr fein eingestellt ist jeder ein Individuum, unverwechselbar, gerade auch innerlich. Beides hilft nicht so richtig weiter, weil man Individualität bis ins Letzte nicht vergleichen kann, so ist sie ja gerade definiert, in der groben Einstellung auch nicht, da sind wir eben Menschen.
Stellt sich die Frage ob es ein mittleres Terrain gibt und meine Antwort heißt, ja, es sind unsere Weltbilder. Damit meine ich spezifische Interpretationsmodi, die man mit anderen "Bewohnern" dieser inneren Welten teilt und die einen von den Bewohnern anderer Welten unterscheidet. Von hier aus kann man sich bis in die Individualität durchhangeln. Und es gibt verschiedene Perspektiven aus denen man so ein Weltbild betrachten kann, horizontal in Sinne eines Ineressengebietes (kann man eng oder weiter fassen), vertikal im Sinne einer Entwicklung, vielleicht auch noch regional und/oder familiär, im Sinne der regionalen Herkunft.
Da Du diesen Thread als einen langlebigen vorgesehen hast, darf ich heute ...? :lol: Mir geht ja die Frage, was denn unsere Innenwelten zusammenhält (so ungefähr lautete Deine Formulierung) nach, seit Du sie gestellt hast (das ist kein Witz). Zum oben Zitierten würde ich gerne wissen, was Du mit "Interpretationsmodi" meinst. Ich könnte mir vorstellen, daß Du in diesem Zusammenhang beispielsweise die Ordnung der Innenwelt in Gedanken, Gefühle, Stimmungen und (sinnliche) Wahrnehmung darunter verstehst. Personenspezifisch wäre dann die z.B. die jeweilige Gewichtung der einzelnen Komponenten. Und zur Individualität könnte man sich auch durchhangeln, wenn man sowohl den Bedeutungs-Raum, den die jeweiligen Komponenten einnehmen als auch die Beziehungen der Komponenten untereinander beachtet. Oder schwebt Dir gänzlich Anderes im Kopfe herum?




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Mo 12. Feb 2018, 10:49

Friederike hat geschrieben :
So 11. Feb 2018, 18:09
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 3. Nov 2017, 19:24
Rastert man sehhr grob kommt man zu dem Urteil, dass wir alle Menschen sind, mit bestimmten Gemeinsamkeit des Innern, die uns vom Waschbär unterscheiden. Sehr fein eingestellt ist jeder ein Individuum, unverwechselbar, gerade auch innerlich. Beides hilft nicht so richtig weiter, weil man Individualität bis ins Letzte nicht vergleichen kann, so ist sie ja gerade definiert, in der groben Einstellung auch nicht, da sind wir eben Menschen.
Stellt sich die Frage ob es ein mittleres Terrain gibt und meine Antwort heißt, ja, es sind unsere Weltbilder. Damit meine ich spezifische Interpretationsmodi, die man mit anderen "Bewohnern" dieser inneren Welten teilt und die einen von den Bewohnern anderer Welten unterscheidet. Von hier aus kann man sich bis in die Individualität durchhangeln. Und es gibt verschiedene Perspektiven aus denen man so ein Weltbild betrachten kann, horizontal in Sinne eines Ineressengebietes (kann man eng oder weiter fassen), vertikal im Sinne einer Entwicklung, vielleicht auch noch regional und/oder familiär, im Sinne der regionalen Herkunft.
Da Du diesen Thread als einen langlebigen vorgesehen hast, darf ich heute ...? :lol:
Klar, schwierige Themen brauchen Zeit.
Gerade in der Philosophie, da hat jemand ein Buch geschrieben und 5 Jahre später kam die Antwort in einem anderen Buch, siehe Habermas und Apel.
Friederike hat geschrieben :
So 11. Feb 2018, 18:09
Mir geht ja die Frage, was denn unsere Innenwelten zusammenhält (so ungefähr lautete Deine Formulierung) nach, seit Du sie gestellt hast (das ist kein Witz).
Schön, mich beschäftigen Themen auch immer länger, wenn sie mich denn überhaupt interessieren.
Friederike hat geschrieben :
So 11. Feb 2018, 18:09
Zum oben Zitierten würde ich gerne wissen, was Du mit "Interpretationsmodi" meinst. Ich könnte mir vorstellen, daß Du in diesem Zusammenhang beispielsweise die Ordnung der Innenwelt in Gedanken, Gefühle, Stimmungen und (sinnliche) Wahrnehmung darunter verstehst.
Ja und bei der von mir angestrebten mittleren Skalierung geht es darum einen Bereich zu finden, der hinreichende innere Ähnlichkeiten unter Menschen sichtbar macht und zwar dergestalt, dass man sagen kann, Mensch A und B gehören aufgrund ihrer inneren Einstellung zu eben jenem Bereich.

Da fällt einem näturlich erst mal viel ein, was Menschen verbinden könnte. BVB Fan, Taubenzüchter, CSU Mitglied, evangelischer Christ, Online-Gamer, Senior ... aber dann kann man sich fragen, wie verbindend das über diese eine Eigenschaft hinaus eigentlich ist.
Fasst man en Rahmen etwas weiter, dann ergeben sich Kategorien, die Menschen z.B. sozialen Milieus zuordnen. Gewöhnlich wähle ich da die Sinus-Milieus, weil ich deren Darstellung recht ansprechend finde. Die Kriterien bilden viel ab, weil z.B. Traditionalisten, Performer und Sozial-Ökologische sicher hinreichende Gemeinsamkeiten in ihrer Gruppe und Unterschiede zu anderen aufweisen, das gefällt mir. Das ist eine horizontale Zuordnung, bis auf wenige Ausnahmen kannn man daraus keine vertikale Entwicklung ablesen.

Darüber hinaus und noch typischer scheint mir diese Entwicklung aber die Gemeinsamkeiten/Unterschiede darzustellen. Auch wenn man auf der jeweils anderen Seite des Themas steht. Das kann bei Politik oder #metoo oder dergleichen der Fall sein, die Tatsache, dass man etwas überhaupt wahrnimmt und diskutabel findet oder es die eigene Welt eben gar nicht berührt, sagt ja etwas aus.

Dass etwas wahrgenommen und verarbeitet wird und wie das geschieht, scheint ein wichtiger Punkt zu sein. Es ist z.B. etwas anderes, sich bei einer Debatte zu positionieren oder zu sagen, es sei gut, dass diese Debatte geführt wird. Es kann einem aber auch vollkommen egal sein, ob diese Debattte geführt wird und sicher kann man die vertikale Entwicklung nicht an einem Punkt festmachen, aber an 5 oder 6 verschiedenen dann schon.
Der Begriff der Blasen oder Echokammern ist gar nicht schlecht, weil ich den Eindruck habe, dass viele Menschen sich primär mit dem versorgen, was sie gewohnt sind und erwarten, auch bezogen auf die Erwartungen, die man von seinen 'Gegnern' hat.

Es ist m.E. ein gewaltiger Unterschied, ob man sich mit 'den anderen' beschäftigt, um seine Vorurteile zu pflegen ("Da sieht man's ja mal wieder.") oder ob man die Position des anderen wirklich verstehen und den eigenen Horizont erweitern will. Diese Hierarchisierungen könnnen grob und schludrig sein, aber auch postideologisch und sorgfältig, was am besten dadurch geht, dass man so viele Untersuchungen und Hierarchisierungen, wie man eben findet übereinanderlegt und versucht eine Gemeinsamkeit zu entdecken.

Dann spielen natürlich noch zeitlich, kulturelle und regionale Aspekte eine Rolle, sowie das Temperament, evtl. sollte man auch noch Alter und Geschlecht berücksichtigen, doch die Hauptsache scheint mir die vertikale Entwicklung zu sein, die eben Innen und Außen verbindet. Ich zitiere dann oft Kernberg, der die Gemeinsamkeiten zwischen einer Präferenz für bestimmte politische Systeme mit der inneren Entwicklung/Pathologie verglichen hat, aber man kann dies problemlos auch auf alle anderen Lebensbereiche übertragen, im Fall meiner privaten Arbeit bspw. der Umgang mit Schmerzen, ihr Erleben, ihre Verarbeitung, die Wahrnehmung und der Einfluss sozialer Größen (z.B., dass Herr A wieder auf Rücken macht), usw.
Friederike hat geschrieben :
So 11. Feb 2018, 18:09
Personenspezifisch wäre dann die z.B. die jeweilige Gewichtung der einzelnen Komponenten. Und zur Individualität könnte man sich auch durchhangeln, wenn man sowohl den Bedeutungs-Raum, den die jeweiligen Komponenten einnehmen als auch die Beziehungen der Komponenten untereinander beachtet.
Genau. Wie ernst nehme ich z.B. bestimmte gesellschaftliche Einstellungen, wie weit treffen mich gesellschaftliche (Vor-)Urteile oder inwieweit lassen sie mich eher kalt. Das hat ja Auswirkungen von der Einrichtung meiner Wohnung, über Berufs- und Partnerwahl bis zu sonst etwas und kann dazu führen, dass Menschen geradezu dramatisch aneinander vorbei leben können. Die streiten sich dann nicht, sondern haben nichts worüber sie sich streiten könnten, was da dominiert, ist eine signifikante Sprachlosigkeit zwischen den Entwicklungsebenen. Immer mit spezifischen Ausnahmen, aber das ist die grobe Richtung.

Meine durchaus ernstgemeinte Frage ist, wie lange man eigentlich noch sagen kann, dass man in der gleichen Welt lebt. Gabriels SFO beackert ein sehr ähnliches Gebiet, darum bin ich auch etwas enttäuscht, dass ich da nicht mehr draus ziehen kann, aber das kann ja noch kommen.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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