Backe, backe Kuchen: Wir basteln uns eine Theorie von allem

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Tarvoc
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Di 10. Okt 2017, 12:42

Vielleicht noch dazu:
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 10:44
Wissen und Verstehen möchtest Du genauer besprechen (völlig okay), aber Wahrheit so locker durchwinken? Warum?
Weil ich "Über Wahrheit wird nicht demokratisch entschieden" hier lediglich als einen prägnanten Slogan verwendet habe, um einen ganz bestimmten Punkt zu verdeutlichen. Ich verwende den Begriff "Wahrheit" in philosophischen oder wissenschaftlichen Diskussionen insgesamt kaum. Es spielt keine spezifische oder zentrale systematische Rolle in meinem Denken. Davor, die Semantik des Wahrheitsbegriffs in der deutschen Sprache zu verabsolutieren, habe ich u.A. hier bereits gewarnt. Meine Argumente dafür sind aber völlig andere als deine.



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Tarvoc
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Di 10. Okt 2017, 12:47

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 12:36
Dass nämlich die allgemein zugeschriebene Überlegenheit der Erklärungen, die, wenn man einmal damit anfängt in der Lesart ihrer Anhänger nicht mehr aufhört, sich gar nicht so sehr im realen Leben widerspiegelt, wenn vielleicht auch erst in den letzten Jahren. Seit man meint uns erklären und nachweisen zu müssen, dass wir viel besser dran sind, als wir fühlen, meine ich, dass da was nicht stimmt.
Das kann ja sein, aber solche Erklärungen und "Nachweise" wären ja sowieso selbst wieder zu Gegenständen wissenschaftlicher und philosophischer Kritik zu machen. Das Empfinden liefert hier ja nur die individuelle Motivation für etwas, das nach wissenschaftlichen Standards sowieso zu geschehen hätte.
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 12:36
Der andere Punkt. Man hat m.E. ein klares Empfinden dafür, wann man z.B. eine Idee wirklich verstanden hat oder noch einigermaßen hilflos darin herum experimentiert und sich eher noch versucht zurecht zu finden. Jeder, der sich eine komplexere Ideenwet einarbeitet hat so das eine oder andere Aha-Erlebnis, bei dem sich ihm plötzliche Zusammenhänge offenbaren, bei denen er vorher wie der Ochs vorm Berg stand.
Vielleicht hat man das, vielleicht auch nicht. Der Punkt ist der, dass das nicht das Kriterium dafür liefert, dass man es tatsächlich verstanden hat. Es sogar gar nicht liefern kann (Wittgenstein). Zum Beispiel: Jemand hat immer dann, wenn er 2+2=5 rechnet, das selbe Empfinden von Richtigkeit und Einsicht, dass er sonst bei richtigen Rechnungen hat (kann man sich ja vorstellen). Das macht aber nicht die Rechnung richtig.



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Di 10. Okt 2017, 15:06

Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 12:42
Weil ich "Über Wahrheit wird nicht demokratisch entschieden" hier lediglich als einen prägnanten Slogan verwendet habe, um einen ganz bestimmten Punkt zu verdeutlichen.
Etwas ist wahr, oder nicht.
Die Aussage, dass etwas für 78% der Menschen wahr ist, ist, wenn man Wahrheit beim (korrespondenztheoretischen) Wort nimmt, unsinnig.
Nur ist die Reichweite unserer wahren Aussagen insgesamt unbefriedigend, das ist mein Punkt bei der Geschichte.
Das empfinde ich als ähnlich unbefriedigend, aus den gleichen Gründen einer unzureichhenden Weite, wie die Bemerkung, dass etwas konsistent ist.
Das kann eine Mindestbedingung sein, notwendig, aber nicht hinreichend.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Di 10. Okt 2017, 15:51

Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 12:47
Das kann ja sein, aber solche Erklärungen und "Nachweise" wären ja sowieso selbst wieder zu Gegenständen wissenschaftlicher und philosophischer Kritik zu machen. Das Empfinden liefert hier ja nur die individuelle Motivation für etwas, das nach wissenschaftlichen Standards sowieso zu geschehen hätte.
Das habe ich ja vor.
Man hatte längere Zeit versucht, das Subjekt und seine Perspektive zu vernachlässigen. Praktisch kann man Wege finden, das Subjekt ernst zu nehmen, aber ich glaube, dass wir eine Mitte zwischen: letztlich sind wir alle gleich, Menschen oder biologische Apparate und der Ansicht, dass wir alle total verschieden sind, finden müssen. Unterschiede und Gemeinsamkeiten manifestieren sich in so etwas wie Geschlecht, Alter oder Blutgruppe.
Aber auch jenseits biologischer Größen, etwa darin, dass man Christ, Atheist, Kegelbruder, Musikliebhaber oder Serien-Fan ist.
Und dass man eben bestimmte Einstellungen dem Leben gegenüber hat.
Was das heißt und was da passiert, finde ich sehr spannend.
Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 12:47
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 12:36
Der andere Punkt. Man hat m.E. ein klares Empfinden dafür, wann man z.B. eine Idee wirklich verstanden hat oder noch einigermaßen hilflos darin herum experimentiert und sich eher noch versucht zurecht zu finden. Jeder, der sich eine komplexere Ideenwet einarbeitet hat so das eine oder andere Aha-Erlebnis, bei dem sich ihm plötzliche Zusammenhänge offenbaren, bei denen er vorher wie der Ochs vorm Berg stand.
Vielleicht hat man das, vielleicht auch nicht. Der Punkt ist der, dass das nicht das Kriterium dafür liefert, dass man es tatsächlich verstanden hat. Es sogar gar nicht liefern kann (Wittgenstein). Zum Beispiel: Jemand hat immer dann, wenn er 2+2=5 rechnet, das selbe Empfinden von Richtigkeit und Einsicht, dass er sonst bei richtigen Rechnungen hat (kann man sich ja vorstellen). Das macht aber nicht die Rechnung richtig.
Ist überhaupt nicht meine Erfahrung und finde ich auch zu gekünstelt. Warum soll jemand bei 2+2=5 ein Empfinden von Richtigkeit haben? Was ist daran komplex? In der Zeit als ich logische Beweise gelernt habe, war das so, dass ich beim ersten Blick ungefähr so :shock: da saß. Der nächste Schritt war dann, dass ich versuchte nachzuvollziehen, wie man überhaupt auf den nächsten Schritt kommt. Warum kann man einfach so irgendein doofes de Morgan Theorem (oder sowas) da einsetzen, wie kommt man überhaupt darauf? Dann, irgendwann, konnte ich das irgendwie mit Ach und Krach nachvollziehen, hatte aber das Gefühl, dass ich zwar verstehe, dass man es so machen kann, aber nie im Leben wäre ich da selbst drauf gekommen und im letzten Schrit gelang es mir immerhin im bescheidenen Rahmen logisch zu beweisen, das letzte :idea: blieb aus und ich stümperte da eher so herum, aber immerhin.

Aber das ist nichts, was ich nur bei geistigen Turnübungen erlebt habe. Wer Sport macht, mag das kennen, dass er ins Flow kommt und wenn man mit dem, was an tut ganz eins ist, glaube ich zumindest, dass man verstanden hat, worum es geht und das muss nicht zwingend mit Perfektion einhergehen.
In der Musik (beim aktiven Spielen, aber ich vermut auch beim Hören) kann man ähnliches Erleben. Wenn Du sagen kannst, dieses Gitarrensolo ist zwar nicht von Rory Gallagher, aber es hört sich so an, als ob er es gespielt haben könnte, dann hast Du viel begriffen. Wenn Du spielen kannst wie Gallagher gespielt hätte, kannst Du es auch noch herzeigen.

Ein wirklich schönes Erlebnis hatte ich mal beim Yoga, dass ich eine Zeit lang regelmäßig, aber technisch vermutlich eher schlecht machte. Es war eher so eine Übung in Diszipin und der Ehrgeiz der Jugend, aber eines Tages hatte ich inmitten der Yoga-Übungen, ohne sagen zu können, warum, eine Gipfelerfahrung. Alles ging wunderbar leicht und wie von selbst, ein nie gekanntes Gefühl körperlichen Wohlbefindens hielt mehrer Stunden an, vor allem aber hatte ich das intuitive Gefühl verstanden zu haben, worum es beim Hatha-Yoga geht. Damit war das Ding abgehakt, keine Fragen mehr und ich weiß, wie sich das :idea: anfühlt.

Jeder wird da seine individuellen Erlebnisse haben, ich habe nie die Schönheit von mathematischen Formeln empfunden, ich hatte nie Gipfelerfahrungen beim Ausdauersport, aber es gibt Momente in denen man ohne Prockelei mit dem Schlüssel mit einer geraden, ununterbrochenen Bewegung ins Türschloss kommt und auf einmal treffen sich zwei Welten, wenn vielleicht auch nur für einen kurzen Moment. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass ich der einzige Mensch bin, der solche Erfahrungen gemacht hat.



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Tarvoc
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Di 10. Okt 2017, 17:20

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 15:06
Nur ist die Reichweite unserer wahren Aussagen insgesamt unbefriedigend, das ist mein Punkt bei der Geschichte.
Was heißt "Reichweite" in diesem Kontext?
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 15:06
Man hatte längere Zeit versucht, das Subjekt und seine Perspektive zu vernachlässigen. Praktisch kann man Wege finden, das Subjekt ernst zu nehmen, aber ich glaube, dass wir eine Mitte zwischen: letztlich sind wir alle gleich, Menschen oder biologische Apparate und der Ansicht, dass wir alle total verschieden sind, finden müssen. Unterschiede und Gemeinsamkeiten manifestieren sich in so etwas wie Geschlecht, Alter oder Blutgruppe.
Was hat das mit dem Thema zu tun?
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 15:06
Warum soll jemand bei 2+2=5 ein Empfinden von Richtigkeit haben?
Der Punkt ist, dass es gar keinen logischen Zusammenhang zwischen der Rechnung und dem Gefühl gibt.

2+2=5 ist falsch und 2+2=4 ist richtig, völlig egal, was irgendwer dabei fühlt. Wenn wir alle dabei gar nichts fühlen würden, wäre immer noch das eine richtig und das andere falsch.

Das Gefühl ist der Erkenntnis äußerlich. Selbst wenn es mit ihr zufälligerweise zusammenfiele, dann täte es das zumindest immer noch nicht der Sache nach.
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 15:06
ich habe nie die Schönheit von mathematischen Formeln empfunden
Na das zeigt doch schon, dass die Richtigkeit hier nicht an der Empfindung hängen kann.



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Di 10. Okt 2017, 18:22

Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 17:20
Was heißt "Reichweite" in diesem Kontext?
Mit Reichweite meine ich den Grad dessen, was wir wissen.
Wir können zwar in allen Fällen sagen, dass etwas genau dann wahr ist, wenn es so ist, wie angenommen oder gesagt, aber ob es auch so ist wissen wir erstaunlich oft nicht. Nicht erst bei ersten oder letzten Fragen, sondern mitten im Alltag.
Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 17:20
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 15:06
Man hatte längere Zeit versucht, das Subjekt und seine Perspektive zu vernachlässigen. Praktisch kann man Wege finden, das Subjekt ernst zu nehmen, aber ich glaube, dass wir eine Mitte zwischen: letztlich sind wir alle gleich, Menschen oder biologische Apparate und der Ansicht, dass wir alle total verschieden sind, finden müssen. Unterschiede und Gemeinsamkeiten manifestieren sich in so etwas wie Geschlecht, Alter oder Blutgruppe.
Was hat das mit dem Thema zu tun?
Es stellt den Kontrast zu dem dar, was danach kommt.
Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 17:20
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 15:06
Warum soll jemand bei 2+2=5 ein Empfinden von Richtigkeit haben?
Der Punkt ist, dass es gar keinen logischen Zusammenhang zwischen der Rechnung und dem Gefühl gibt.
Ja, das würde ich auch so sehen.
Warum hast Du es dann als Beispiel eingeführt?

Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 17:20
2+2=5 ist falsch und 2+2=4 ist richtig, völlig egal, was irgendwer dabei fühlt. Wenn wir alle dabei gar nichts fühlen würden, wäre immer noch das eine richtig und das andere falsch.

Das Gefühl ist der Erkenntnis äußerlich. Selbst wenn es mit ihr zufälligerweise zusammenfiele, dann täte es das zumindest immer noch nicht der Sache nach.
Das sehe ich anders. Die Beschreibungen zum impliziten Wissen machen doch recht klar, dass das Gefühl eine große Rolle spielt.
Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 17:20
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 15:06
ich habe nie die Schönheit von mathematischen Formeln empfunden
Na das zeigt doch schon, dass die Richtigkeit hier nicht an der Empfindung hängen kann.
Nein, eigentlich zeigt es das in keiner Weise.
Es ließe sich m.E. zeigen, dass Wissen und Gefühl nicht in allen Fällen zusammen fallen oder eine Beziehung haben. Zur Information des Siedepunktes von Wasser bei Normaldruck habe ich keine Empfindung, das nehme ich so hin. Aber selbst das zeigt die Aussage nicht.



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Tarvoc
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Di 10. Okt 2017, 18:40

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 18:22
Wir können zwar in allen Fällen sagen, dass etwas genau dann wahr ist, wenn es so ist, wie angenommen oder gesagt, aber ob es auch so ist wissen wir erstaunlich oft nicht. Nicht erst bei ersten oder letzten Fragen, sondern mitten im Alltag.
Wir wissen vieles nicht. Ist halt so. Wie folgt daraus irgendeine allgemeine Skepsis gegenüber dem Wissensbegriff?
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 18:22
Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 17:20
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 15:06
Warum soll jemand bei 2+2=5 ein Empfinden von Richtigkeit haben?
Der Punkt ist, dass es gar keinen logischen Zusammenhang zwischen der Rechnung und dem Gefühl gibt.
Ja, das würde ich auch so sehen.
Warum hast Du es dann als Beispiel eingeführt?
Weil du behauptet hast, das Gefühl des Erkennens sei selbst schon das Erkennen oder zumindest ein sicheres Anzeichen dafür.
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 18:22
Das sehe ich anders. Die Beschreibungen zum impliziten Wissen machen doch recht klar, dass das Gefühl eine große Rolle spielt.
Uh, wie? Bei implizitem Wissen spielen Gefühle sogar noch weniger eine Rolle. Dabei geht es ja um ein Wissen, das einem Handeln implizit ist. Implizites Wissen heißt, dass ich etwas tun kann, ohne sagen zu können, wie. Auch dabei sind Gefühle jedenfalls nicht das Entscheidende. Jemand, der das Gefühl hat, etwas zu können, aber es dann doch nicht kann, hat kein implizites Wissen.
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 18:22
Es ließe sich m.E. zeigen, dass Wissen und Gefühl nicht in allen Fällen zusammen fallen oder eine Beziehung haben.
Ja. Und das bedeutet, dass ich an meinen Gefühlen nicht ablesen kann, ob ich etwas weiß oder verstehe oder nicht. Wissen und Verstehen sind keine Gefühle. Ganz grundsätzlich nicht.

Ob ich etwas verstehe, zeigt sich darin, wie ich praktisch darauf bezug nehme. Nicht darin, wie ich mich dabei fühle.



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Di 10. Okt 2017, 18:56

Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 18:40
Wir wissen vieles nicht. Ist halt so. Wie folgt daraus irgendeine allgemeine Skepsis gegenüber dem Wissensbegriff?
Die habe ich nicht, ich will nur bessere Erklärungen.
Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 18:40
Weil du behauptet hast, das Gefühl des Erkennens sei selbst schon das Erkennen oder zumindest ein sicheres Anzeichen dafür.
Ich habe mich da glaube ich schon etwas präziser geäußert, aber geschenkt.
Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 18:40
Uh, wie? Bei implizitem Wissen spielen Gefühle sogar noch weniger eine Rolle. Dabei geht es ja um ein Wissen, das einem Handeln implizit ist. Implizites Wissen heißt, dass ich etwas tun kann, ohne sagen zu können, wie. Auch dabei sind Gefühle jedenfalls nicht das Entscheidende.
Doch schon. Bei Operationen, wenn man nicht weiß, wie es weitergeht; Kahneman bringt das Beispiel eines Feuerwehrmannes, der das Gefühl von Gefahr hat, aber nicht genau sagen kann, warum; es gibt Krankenschwestern, die irgendwie mitbekommen, dass mit einem Patienten etwas nicht stimmt, ohne genau angeben zu können, warum ...
Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 18:40
Jemand, der das Gefühl hat, etwas zu können, aber es dann doch nicht kann, hat kein implizites Wissen.
Ja, aber das hat ja auch eigentlich niemand behauptet, soweit ich das sehe.
Tarvoc hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 18:40
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 18:22
Es ließe sich m.E. zeigen, dass Wissen und Gefühl nicht in allen Fällen zusammen fallen oder eine Beziehung haben.
Ja. Und das bedeutet, dass ich an meinen Gefühlen nicht ablesen kann, ob ich etwas weiß oder verstehe oder nicht. Wissen und Verstehen sind keine Gefühle. Ganz grundsätzlich nicht.

Ob ich etwas verstehe, zeigt sich darin, wie ich praktisch darauf bezug nehme. Nicht darin, wie ich mich dabei fühle.
Meine Behauptung war auch eher die, dass man es fühlt, wenn man etwas (noch nicht [ganz]) verstanden hat.
Es gibt z.B. Leute, die etwas reproduzieren können, ohne wirklich das Empfinden zu haben, wirklich verstanden zu haben, was sie da tun.

Warum ist es Dir so wichtig, dass Wissen oder Erkenntnis nichts mit Gefühlen zu tun hat, oder deute ich Dich da falsch?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

Tosa Inu
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Di 10. Okt 2017, 19:20

Zum impliziten und expliziten Wissen finde ich diesen Artikel ganz nett: hier
In ihnen werden psychologische und soziologische Begriffe verwendet und das macht den Prozess der ständigen Verstoffwechselung von Ideen sichtbar.
Nun wäre es ja schön, wenn man biologische Größen da ebenfalls mit einflechten könnte.

In der Schule gibt es ja auch nach der Reproduktion, die Transferleistung.
Was ist Wissen und Verstehen? Bei den Gelingsbedingungen des Verstehens, Lernens und Wissens spielen emotionale Parameter eine überragende Rolle, meint jedenfalls Gerhard Roth, zentral sei demnach die Begeisterung die der Lehrkörper in seinem Fach ausstrahlt. Der Rest ist die Zahl der Wiederholungen.

Verstehen philosophisch:
„Für die Tiere des Waldes gibt es keine Vernunft. Wir sind diejenigen, für die Gründe bindend sind, die der eigentümlichen Kraft des besseren Grundes unterliegen. Diese Kraft ist eine normative, ein rationales „Sollen“.
Wir selbst stellen uns implizit in einen Raum von Gründen, was bedeutet, „uns selbst als Subjekte von Erkennen und Handeln zu betrachten, oder zu behandeln.“
(Robert Brandom, Expressive Vernunft, 1994, dt. 2000, Suhrkamp, S.37)

„Unsere Einstellungen und Handlungen zeigen eine verstehbaren Inhalt, der erfasst oder begriffen werden kann, indem er in ein Netz von Gründen eingefügt, indem er inferentiell gegliedert wird. Verstehen, in diesem ausgezeichneten Sinne ist das Begreifen von Gründen, das Beherrschen von Richtigkeiten des theoretischen und praktischen Folgerns (der Inferenz). Wenn wir uns selbst als vernünftig auszeichnen – als diejenigen, die im Raum der Gründe leben und sich bewegen und daher für uns Dinge verstehbar sein können –, dann ziehen wir zur Abgrenzung eine Fähigkeit heran, über die durchaus auch Wesen ganz anderer Herkunft und Verhaltensweise verfügen könnten.“
(ebd. S.37)


Neurobiologisch hat Verstehen etwas mit Dopamin zu tun: hier



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Di 10. Okt 2017, 19:35

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 9. Okt 2017, 11:54
Markus Gabriels pluralistischer Ansatz ...
dürfte für ein Theorie von allem auch gar nicht in Frage kommen, schätze ich :-)




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Tarvoc
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Di 10. Okt 2017, 19:41

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 19:20
Zum impliziten und expliziten Wissen finde ich diesen Artikel ganz nett: hier. In ihnen werden psychologische und soziologische Begriffe verwendet und das macht den Prozess der ständigen Verstoffwechselung von Ideen sichtbar.
Von Gefühlen ist da gar keine Rede. Was willst du hier nochmal zeigen?
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 19:20
Was ist Wissen und Verstehen? Bei den Gelingsbedingungen des Verstehens, Lernens und Wissens spielen emotionale Parameter eine überragende Rolle, meint jedenfalls Gerhard Roth, zentral sei demnach die Begeisterung die der Lehrkörper in seinem Fach ausstrahlt. Der Rest ist die Zahl der Wiederholungen.
Kann ja sein. Ob ein Kind versteht oder nicht, bemisst sich trotzdem nicht an seinem emotionalen Zustand.
Robert Brandom hat geschrieben : „Für die Tiere des Waldes gibt es keine Vernunft.
Keine Ahnung. Ich spreche kein Waldtierisch und ich bin mir sicher, Brandom auch nicht. Da halte ich es lieber mit Marx:

"Man kann die Menschen durch das Bewußtsein, durch die Religion, durch was man sonst will, von den Tieren unterscheiden. Sie selbst fangen an, sich von den Tieren zu unterscheiden, sobald sie anfangen, ihre Lebensmittel zu produzieren, ein Schritt, der durch ihre körperliche Organisation bedingt ist. Indem die Menschen ihre Lebensmittel produzieren, produzieren sie indirekt ihr materielles Leben selbst."

Ist aber ohnehin nur am Rande relevant für das Thema hier.
Robert Brandom hat geschrieben : Unsere Einstellungen und Handlungen zeigen eine verstehbaren Inhalt, der erfasst oder begriffen werden kann, indem er in ein Netz von Gründen eingefügt, indem er inferentiell gegliedert wird. Verstehen, in diesem ausgezeichneten Sinne ist das Begreifen von Gründen.

Eine Definition, die einen Begriff enthält, der buchstäblich synonym zum zu definierenden Begriff ist, ist nicht sehr hilfreich. Was bedeutet "Begreifen von Gründen"?
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 19:20
Neurobiologisch hat Verstehen etwas mit Dopamin zu tun.
Uh... das kann ja sein, aber das leistet überhaupt nichts zur Klärung der Frage, was es heißt, etwas zu verstehen.



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Mi 11. Okt 2017, 14:02

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 19:35
Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 9. Okt 2017, 11:54
Markus Gabriels pluralistischer Ansatz ...
dürfte für ein Theorie von allem auch gar nicht in Frage kommen, schätze ich :-)
Nur, wenn die darauf hinausläuft, dass sich alles nach einigen Grundstrichen auflöst.
Ich habe mal etwas für die psychosomatische Praxis erarbeitet, bei dem die Sichtweise des Patienten eine dominante Rolle spielt, theoretische Hintergründe fließen da ja wenigstens implizit mit ein. Erst danach las ich Teile von Sinn und Existenz und dachte an nicht wenigen Stellen, dass das ziemlich genau das ist, was ich auch denke, mit dem Unterschied, dass Gabriel Weltbilder für gefährlich hält und gegen sie ankämpft, bei mir spielen sie hingegen eine zentrale Rolle und ich finde sie gut und wichtig.
Wobei der Unterschied bei Licht betrachtet marginal ist, denn Gabriel sieht sich als Antimetaphysiker, der meint, dass man aus einer Perspektive nie und nimmer die Welt (die es seiner Meinung nach als ontologisches Ganzes ohnehin nicht gibt) erklären kann, dem kann ich mich sofort anschließen und (ontologische) Physikalisten wie Herr K. ja durchaus auch.
Was er dann onotologisch anbietet reicht nicht, um mich zu überzeugen, aber natürlich sind viele Aspekte von Gabriel und auch der Ansatzpunkt seiner Kritik so, dass ich mich da anschließen kann.
Ich meine nur, dass man die ontologische Sicht sogar erst mal beiseite lassen kann, in der Methodik der Erkenntnisgewinnung ist diese ja ein Stück weit sowieso immer drin, mein Eindruck ist, dass die Seite der Erkenntnis(theorie) der schwache Punkt ist.

Das kann man pragmatisch kompensieren, indem man einfach dann das Pferd wechselt, wenn man meint, hier sei eine andere Disziplin zuständig, aber die Regeln dafür gibt es nicht, sie sind auch weltanschaulich verzerrt oder neutraler: vorbestimmt. Wenn ich nur akzeptiere, was ich ohnehin glaube, dann wird die sofort offensichtliche Schwäche dieser Methode dadurch kaschiert, dass ich ja problemlos weiter haufenweise 'richtige' Ergebnisse bekomme und Erkenntnisse gewinne, die mir versichern, dass ich auf dem richtigen Weg bin und insofern werden Alternativen noch vehementer abgelehnt ... wozu denn? Wir haben doch alles?

Das ist nun alles bekannt und die einfachste Erklärung könnte sein, dass der Physikalismus eine konsistente Ontologie anbietet, die nicht zwingend einen erkenntnistheoretischen Physikalismus impliziert und die Erklärungslücken einfach etwas sind, was wir (im schlimmsten Fall noch prinzipiell) hinnehmen müssen. Die Welt ist komplex, wir wissen halt nicht alles, unsere Erkenntnisfortschritte zeigen uns zuweilen, dass sie noch komplexer ist, als gedacht, das muss man akzeptieren, sonst kämpft man gegen Windmühlen. Das ist die große und durchaus plausible Antithese zum großen Kuchenbacken.

Irgendwo zwischen gelassenem Pessismus oder Realismus. Du steigst beim Naturalismus ja auch aus. Was genau stört Dich?
Zuletzt geändert von Tosa Inu am Mi 11. Okt 2017, 14:38, insgesamt 1-mal geändert.



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@Tarvoc:

Der Beitrag 5193 war gar nicht primär an Dich gerichtet, sondern eher an alle, damit natürlich auch an Dich.

Ich habe irgendwie den Eindruck, dass wir uns hier im Kleinen verzetteln und zudem das Gefühl, dass Du gegen irgendetwas kämpfst und sehr kritisch unterwegs bist. Das ist prinzipiell erst mal okay, aber ich habe noch nicht sehen können, gegen was Du eigentlich anschreibst (also: falls), es ist ja im Grunde noch nichts errichtet, was sich einzureißen lohnt.

Kannst Du Deine Hauptkritik noch mal etwas konkretisieren, damit ich besser verstehe, was Dich da evtl. zwickt. Danke!



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Friederike
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Mi 11. Okt 2017, 15:27

Eine gute Gelegenheit für mich -ohne zu stören- in das Gespräch reinspringen zu können. @T.I., ich habe mir Deinen einleitenden Beitrag nochmals gründlich durchgelesen, weil ich im Verlauf Eurer Diskussion den Faden, d.h. den Bezug zu der noch zu bastelnden Theorie verloren hatte. Es ist mir nicht möglich, wie ich feststelle, die Fülle Deiner Überlegungen, der diversen Ansatzpunkte, der zahlreichen Querverbindungen auf eine oder meinetwegen auch zwei Fragestellungen hin zu komprimieren bzw. in einer oder auch zwei Thesen zusammenzufassen. Könntest Du, würdest Du meinem glorreichen Untergehen in der Vielfalt der Ideen etwas entgegenstellen? "Etwas" heißt konkret: Was ist Deine Frage oder was ist Deine These? Was genau willst Du mit der Theorie erklären?




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Friederike hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 15:27
"Etwas" heißt konkret: Was ist Deine Frage oder was ist Deine These? Was genau willst Du mit der Theorie erklären?
So geht mir das immer und immer wieder wundert es mich.
Dann drehen wir das Ding einmal um und beginnen an irgendeinem konkreten Punkt.

Was sind eigentlich Wirkungen?
Was genau heißt es, dass etwas wirkt, wann ist das der Fall, was muss da gegeben sein oder passieren?
Alkohol hat eine Wirkung auf das Bewusstsein. Nicht nur auf das Gehirn. Eine Begründung aber auch. Aber wie wirkt die?

Was heißt es, von etwas überzeugt zu sein? Was heißt das philosophisch, psychologisch, neurobiologisch? Was passiert da? Welchen Einfluss hat es ggf. auf Wirkungen, in welchem Verhältnis stehen Wirkungen zu Überzeugungen?

In meiner Welt landen wir nach drei Zügen beim Gleichen, aber vielleicht ist der konkrete Aufhänger tatsächlich besser. Klären wir also die Begriffe.



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Mi 11. Okt 2017, 15:59

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 14:13
Ich habe irgendwie den Eindruck, dass wir uns hier im Kleinen verzetteln und zudem das Gefühl, dass Du gegen irgendetwas kämpfst und sehr kritisch unterwegs bist. Das ist prinzipiell erst mal okay, aber ich habe noch nicht sehen können, gegen was Du eigentlich anschreibst (also: falls), es ist ja im Grunde noch nichts errichtet, was sich einzureißen lohnt.
Gegen die Idee, dass sich Erkennen über ein "Gefühl des Erkennens" bestimmen ließe, bzw. überhaupt durch irgendein "inneres Erleben" statt im praktischen Handeln.

Dass irgendwelche Gefühle mit dem Erkennen mit statistischer Häufigkeit einhergehen oder es da sogar neurologische Beziehungen gibt, mag alles sein. Das taugt aber nie und nimmer zu einer begrifflichen Bestimmung des Erkennens bzw. als Kriterium dafür, ob jemand etwas erkannt hat oder nicht. Letzteres muss sich in seinem praktischen Umgang mit der betreffenden Sache zeigen.



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Tosa Inu
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Mi 11. Okt 2017, 16:27

Tarvoc hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 15:59
Gegen die Idee, dass sich Erkennen über ein "Gefühl des Erkennens" bestimmen ließe, bzw. überhaupt durch irgendein "inneres Erleben" statt im praktischen Handeln.
Danke.
Da bin ich aber tatsächlich anderer Auffassung.
Bestimmen soll heißen, dass andere darüber urteilen?
Darum geht es mir hier gerade nicht.
Dass man sich auch sein eigenes Inneres, sein Privates anhand öffentlicher Begriffe und Hinweise von anderen erschließen muss, ist mir bekannt und ich glaube, der Gedanke stimmt. Aber bei hinreichendem Input entwickelt sich doch in der Tat ein privates Innenleben, dass man veröffentlichen kann, aber nicht muss. Darüber wie es da drinnen aussieht ist zunächst einmal das Subjekt selbst prima facie zu berichten berechtigt.

Und für mich gibt es in der Tat Abweichungen im Urteil, ob ich etwas begriffen habe oder gut gemacht habe, oder nicht. Nicht immer und nur, das wäre problematisch, aber immer wieder mal. Und ich glaube, dass das vollkommen normal ist und andere auch so empfinden.
Tarvoc hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 15:59
Dass irgendwelche Gefühle mit dem Erkennen mit statistischer Häufigkeit einhergehen oder es da sogar neurologische Beziehungen gibt, mag alles sein. Das taugt aber nie und nimmer zu einer begrifflichen Bestimmung des Erkennens bzw. als Kriterium dafür, ob jemand etwas erkannt hat oder nicht. Letzteres muss sich in seinem praktischen Umgang mit der betreffenden Sache zeigen.
Jetzt verstehe ich besser, wo wir aneinader vorbei reden.
Du meinst, dass das allgemeine Urteil darüber, ob jemand etwas verstanden hat, darin besteht, ob er es herzeigen kann. Ja, irgendwie schon.
MIr geht es aber nicht um ein allgemeines Urteil, sondern mir geht es um das subjektive Gefühl, etwas begriffen zu haben. Das kann (und wird vielleicht) eine Internalisierung von öffentlichen Praktiken (Philosophie) oder Objektbeziehungen (Psychologie) sein. Dennoch, ist die Internalisierung ja kein rein passiver Prozess, sondern immer ein interpretatives Geschehen, ist die Formulierung, dass eine Regel sich nicht selbst anwendet nicht sogar von Dir? Ich meine, Du hättest sie zumindest mal verwendet.

Ich will das halt übereinander legen, Alltagssprech in Philosophie übersetzen, hier hat Brandom viel geleistet und dann Psychologie, Soziologie, Neurologie, Ethologie und schauen, was rauskommt, bleibt, sich neu ergibt.

Zudem geht es mir darum, die Rolle des Subjekts neu zu bewerten und das auch philosophisch einzutüten. Es scheint ja immerhin schon mal zu irritieren, dass das Subjekt ein Eigenleben hat. Also ein echtes, kausal wirksames, dass es kein Abnickpüppchen oder Epiphänomen ist. Das ist doch gut, denn darum geht es, wenn man diese Richung aus dem Diffusen ebenfalls weiterverfolgen will, was ich für gut hielte, weil ich glaube, dass das der kreativere Ansatz ist.

Also noch mal: Das Subjekt oder Ich wird nicht einfach nur mit öffentlichen Begriffen und Praktiken gegansstopflebert und repropuziert dann artig, wobei die Öffentlichkeit dann noch urteilt, ob es das auch richtig macht.
Dass man einiges, meinetwegen nach vorheriger Internalisierung`einige Sprachspiel, dann in Eigenregie kann und weiß, was ist daran umwerfend?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Tarvoc
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Mi 11. Okt 2017, 16:56

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 16:27
Bestimmen soll heißen, dass andere darüber urteilen? Darum geht es mir hier gerade nicht.
Es geht darum, dass etwas zu erkennen vermeinen begrifflich etwas anderes ist und sein muss als etwas zu erkennen.
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 16:27
Dass man sich auch sein eigenes Inneres, sein Privates anhand öffentlicher Begriffe und Hinweise von anderen erschließen muss, ist mir bekannt und ich glaube, der Gedanke stimmt. Aber bei hinreichendem Input entwickelt sich doch in der Tat ein privates Innenleben, dass man veröffentlichen kann, aber nicht muss. Darüber wie es da drinnen aussieht ist zunächst einmal das Subjekt selbst prima facie zu berichten berechtigt.
Das ist jetzt aber nicht nur der alte Hut, dass ich nicht deine Schmerzen haben kann, oder?
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 16:27
MIr geht es aber nicht um ein allgemeines Urteil, sondern mir geht es um das subjektive Gefühl, etwas begriffen zu haben.
Das subjektive Gefühl ist aber nicht die Erkenntnis und man kann sie auch nicht an ihm festmachen.
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 16:27
Es scheint ja immerhin schon mal zu irritieren, dass das Subjekt ein Eigenleben hat. Also ein echtes, kausal wirksames, dass es kein Abnickpüppchen oder Epiphänomen ist. Also noch mal: Das Subjekt oder Ich wird nicht einfach nur mit öffentlichen Begriffen und Praktiken gegansstopflebert und repropuziert dann artig, wobei die Öffentlichkeit dann noch urteilt, ob es das auch richtig macht.
Darum geht's ja auch gar nicht. Die Stellung als autonomer Akteur will dir hier niemand absprechen. Auch nicht die Möglichkeit, regelüberschreitende neue Erkenntnis zu schaffen. Es geht nur darum, was es überhaupt heißen kann, zu erkennen. Selbst eine neue Erkenntnis, die alte Regeln recht grundlegend überschreitet, muss sich an irgendwas festmachen lassen, das sie über bloßes Meinen hinaus erhebt.

Mir scheint es aber, du willst deine Stellung als autonomer Akteur mit einer Sphäre sakrosankten, unkritisierbaren Dafürhaltens bzw. Meinens verbinden. Und diese Verbindung leuchtet mir schon nicht ein.



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Mi 11. Okt 2017, 17:10

Tarvoc hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 16:56
Es geht darum, dass etwas zu erkennen vermeinen begrifflich etwas anderes ist und sein muss als etwas zu erkennen.
Ja, das war ja nichts, was bezweifelt wurde, oder?
Tarvoc hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 16:56
Das ist jetzt aber nicht nur der alte Hut, dass ich nicht deine Schmerzen haben kann, oder?
Es geht doch um Erkenntnis, Wissen, Begreifen.
Tarvoc hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 16:56
Das subjektive Gefühl ist aber nicht die Erkenntnis und man kann sie auch nicht an ihm festmachen.
Weil?
Tarvoc hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 16:56
Darum geht's ja auch gar nicht. Die Stellung als autonomer Akteur will dir hier niemand absprechen. Auch nicht die Möglichkeit, regelüberschreitende neue Erkenntnis zu schaffen. Es geht nur darum, was es überhaupt heißen kann, zu erkennen. Selbst eine neue Erkenntnis, die alte Regeln recht grundlegend überschreitet, muss sich an irgendwas festmachen lassen, das sie über bloßes Meinen hinaus erhebt.
Nehmen wir an, Du hälst Dich für eine aufrichtigen (integeren, originellen, traurigen, nachdenklichen ... Inhalt egal) Menschen.
Wie bist Du zu diesem Urteil gekommen? Hältst Du es für eine Erkenntnis? Wann würdest Du Dich umstimmen lassen, etwa wenn jemand (oder viele) sagt (sagen), das meintest Du nur?



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Mi 11. Okt 2017, 17:28

Friederike hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 15:27
Es ist mir nicht möglich, wie ich feststelle, die Fülle Deiner Überlegungen, der diversen Ansatzpunkte, der zahlreichen Querverbindungen auf eine oder meinetwegen auch zwei Fragestellungen hin zu komprimieren bzw. in einer oder auch zwei Thesen zusammenzufassen.
Ich bin froh, dass es nicht nur mir so geht. Wobei ich hier nicht primär deine, Tosa, Überlegungen unübersichtlich finde, sondern die Gesprächsdynamik an und für sich. Die Diskussion verläuft ja einer Bruchlinie entlang zwischen Subjektivismus, Emotionalismus und ontologischem Realismus. Grob gesagt. Und ich sehe nicht, wie wir von hier zu einem Kondensat kommen könnten, das sich als umfassende Theorie präsentieren könnte.

Ich plädiere noch immer für einen nicht (rein) diskursiven Verlauf, sondern für einen experimentellen.



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