Zum Artikel über die
Pragmatische Maxime:
Peirces Fragestellung dreht sich vor allem um eine wissenschaftstheoretische Begründung von Erkenntnis. Wissenschaftliche Tätigkeit setzt das Experiment sowie Schlussfolgerungen mit den Methoden der Logik voraus. Richtiges Schlussfolgern bedeutet, dass wahre Konklusionen aus wahren Prämissen gezogen werden.
Ob die Prämissen wahr sind, spielt so weit ich weiß, für das logisch korrekte Schließen gerade keine Rolle, zumal man ja oft auch nicht weiß, ob sie es sind.
„Das, was uns festlegt, aus gegebenen Prämissen einen Schluss eher als einen anderen zu ziehen, ist eine Gewohnheit (habit) des Geistes, ob sie nun konstitutionell oder erworben ist.“ (CP 5.367) Der Schluss wird dabei als gültig betrachtet, unabhängig von seiner Wahrheit. Eine solche Denkgewohnheit als Grundlage eines Schlusses nennt man „Leitendes Prinzip“. Im alltäglichen, praktischen Leben spielt ein solches leitendes Prinzip keine Rolle, weil es nicht bewusst ist und man einer Gewohnheit einfach folgt. Aber in ungewohnten Situationen ist es manchmal hilfreich, das leitende Prinzip eines Schlusses zu kennen.
Das ist auch meine Auffassung.
Die, oft unbewusste, Gewichtung der Prämissen, also die Denkgewohnheit, ist bereits die halbe Miete. Der Rest, ob man aus den Prämissen korrekt schließt, ist dann interessant, wenn man Fehler macht, aber richtiges Schließen garantiert darüber hinaus noch gar nichts. Die Stichhaltigkeit der Prämissen muss separat geprüft werden.
Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass einem Schluss oft viele als selbstverständlich geltende Tatsachen als Voraussetzung zugrunde liegen. Dabei kommt es manchmal zu Verwirrungen, wenn Begriffe, die Gegenstand von logischer Reflexion sind, sich mit gewöhnlichen Gedanken mischen.
Korrekt.
Hierzu zählt zum Beispiel der Begriff der Qualität, den man als solchen niemals beobachten kann. „Wir wissen allgemein, wann wir eine Frage stellen und wann wir ein Urteil aussprechen, da es zwischen dem Gefühl des Zweifels und dem der Überzeugung einen Unterschied gibt.“ (CP 5.370) Überzeugungen sind leitende Prinzipien für Handlungen, soweit sie zur Gewohnheit werden.
Ja.
Brandom greift das später auf und spricht von zwei Wegen des Wahrmachens, einem theoretischen und einem praktischen und davon, dass man aus Handlungen auf Überzeugungen schließen kann.
Zweifel ist ein unangenehmer Zustand, aus dem die Menschen immer in den Zustand der Überzeugung wechseln möchten. „Mit dem Zweifel beginnt der Kampf und mit dem Aufhören des Zweifels endet er. Folglich ist das alleinige Ziel der Nachforschung die Festlegung einer Meinung. Wir mögen uns vorstellen, dies sei nicht genug für uns, und wir suchten nicht nur eine Meinung, sondern eine wahre Meinung. Aber man prüfe diese Vorstellung und sie erweist sich als unbegründet; denn sobald eine sichere Überzeugung erreicht ist, sind wir gänzlich zufrieden, ob die Überzeugung nun wahr ist oder nicht.“ (CP 5.375)
Wunderschön, das ist genau das, was ich auch zu beobachten gemeint habe.
Es gibt ja in der Psychologie den Begriff der
kognitiven Dissonanz. Damit meint man in der Regel, dass zwei einander widersprechende Einstellungen oder Konzepte ein Gefühl des Unwohlseins erzeugen und man bestrebt ist, diese Dissonanz zu überwinden.
Gewiss gibt es das. Aberwie häufig erlebt man Menschen, die sich inmitten - für einen Beobachter - himmelschreiender Widersprüche behaglich einrichten und scheinrbar überhaupt kein Unwohlsein, keine Spannung*, keine Dissonanz empfinden?
Was wir offenbar brauchen, wie die Luft zum Atmen, ist eine Ideologie, die uns in jenen Schlummer einer sicher geglaubten Überzeugung wiegt.
* Zur Spannung, kurz: Es ist ein tradierter Mythos, der Mensch strebe nach einer maximalen Reduktion von Spannungen. Es stimmt einfach nicht.
Zum Abschnitt:
Methoden zum Erreichen einer festen Überzeugung
Überzeugungen gewinnt man nicht, indem man in Zweifel stehende Argumente einfach immer wieder wiederholt, kritische Argumente einfach ignoriert oder sich an bestehenden Argumenten festklammert. Den Kopf wie ein Strauß in den Sand zu stecken, ist irrational. Leute, die dieser Methode der Beharrlichkeit beispielsweise aus religiösen Motiven folgen, mögen zufrieden sein. Man soll sie gewähren lassen. Im Laufe der Zeit wird sie der Trieb der Gemeinschaft überrollen. Denn nachhaltig werden Überzeugungen nicht im Individuum, sondern in der Gemeinschaft der Menschen festgelegt.
Nur ist das zum großen Teil nicht unser Problem. Die beharrlichen Motive, Zweifel zu verleugnen, zu bagatellisieren sind heute kein Privileg der religiösen Denkmuster mehr, sondern tauchen inmitten der Wissenschaft auf.
Ob man das als Ausnahmen von der Regel oder schwarze Schafe in der weißen Herde betrachtet oder als größeres bis ernstes Problem ist vermutlich so einer "Gewohnheit des Geises" geschuldet, mit der sich
beide Seiten beruhigen. (M.E. ist das auch kaum auf eine 'richtige Sicht' runterzubrechen, da die erstens, niemand kennt und zweitens, eine riesige ideologische Abwehr in Gang setzen.)
Wenn nun Institutionen oder Systeme, die ausreichend Macht haben, eine bestimmte Meinung mit Gewalt durchsetzen und die Menschen in Unwissenheit halten, so ist das die Methode der Autorität. Für solche theologischen oder politischen Lehren gibt es genügend Beispiele. Das wohl vollkommenste ist das der katholischen Kirche. Dazu zählen auch Aristokratie und Zunftwesen. Solche Systeme werden oftmals von einzelnen Führern begründet, leben von Kameradschaft und sind zu den schlimmsten Gräueltaten fähig. Aber den Zweifel können solche Systeme nicht dauerhaft unterdrücken. Und der Zweifel ist der Motor des Zerfalls solcher Systeme.
Lässt man die allgemeine Volksmeinung vorherrschen, so werden Überzeugungen nach Fragen des Geschmacks und der gefälligen Argumentation gebildet. Die Geschichte der Philosophie, in der das Pendel zwischen materialistischen und spiritualistischen Philosophien hin und her schwankt, ist voll von solchen Annahmen ohne Bezug zu Tatsachen. „Plato fand es beispielsweise der Vernunft entsprechend, dass die Abstände der himmlischen Sphären zueinander proportional sind zu den verschiedenen Längen von Saiten, die harmonische Akkorde erzeugen.“ (CP 5.382) Auch bei Descartes, Kant oder Hegel fand Peirce entsprechende Aussagen. Durch Induktion entstehen Meinungen mit zufälligen und willkürlichen Elementen. Peirce nannte ein solches Vorgehen zur Erlangung von Überzeugungen, das nicht auf Tatsachen beruht, A-priori-Methode. Diese Methode ist denen der Beharrlichkeit und der Autorität vom Standpunkt der Vernunft her eindeutig vorzuziehen. Sie ist aber unbefriedigend, weil sie oftmals den Zweifel nicht wirklich ausräumt.
Man wird daher nach Peirce eine Methode suchen, die den Zweifel wirksamer zur Ruhe bringt. Diese Methode sollte nicht vom Individuellen, nicht vom rein Menschlichen abhängen, sondern den Maßstab außerhalb vom Subjekt suchen, denn Wahrheit ist etwas Öffentliches. Erst wenn die Konklusionen eines jeden Menschen letztendlich die gleichen sind, hat man einen objektiven Maßstab und dies ist die Realität. Die Annahme der Realität ist zwar eine Hypothese, sie ist aber die einzige, mit der die wissenschaftliche Methode in Harmonie ist. Zweifel bedeutet, dass sich zwei Aussagen widersprechen und das setzt bereits Realität voraus. Die wissenschaftliche Methode ist die einzige mit der man Wahrheit erkennen kann. Dies gilt insbesondere im Vergleich zu den als Beispiel aufgeführten Alternativen. An Tatsachen vorbeizugehen, wie auch immer eine solche Verhaltensgewohnheit begründet ist, betrachtete Peirce als unredlich und unmoralisch. Die Entscheidung, den Maßstab der Wahrheit anzuerkennen, ist wie die Entscheidung für eine Braut. „Man sollte den Genius der logischen Methode lieben und verehren.“ (CP 5.387).
Der Gedanke ist für mich fassbar, aber hier weiche ich ab.
Diese vorausgesetzte Koalition von Tatsachen, Wahrheit und Wissenschaft bezweifle ich in ihrer Selbstverständlickeit. Was uns als Tatsache erscheint, ist doch oft genug selektiv, ideologisch überfrachtet und man macht sich die Welt,
gerade indem man auf vermeintlichen Tatsachen verweist, die man stets passend hingebogen kriegt, wie sie einem gefällt.