Backe, backe Kuchen: Wir basteln uns eine Theorie von allem

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Alethos
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Sa 14. Okt 2017, 14:37

Friederike hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 10:56
@Alethos, Du hattest als eine Form einer experimentellen Methode die "Synektie" genannt. Ich habe das Wort erst einmal googeln müssen ... fällt Dir im Zusammenhang mit der Frage danach, wie sich Überzeugungen/Einstellungen zu Materie/Stoff verhalten bzw. wo die Grenzen der Beeinflußbarkeit sind, irgendein konkretes Beispiel ein, mit dem Du die synektische Methode veranschaulichen könntest? Eine Metapher, eine Analogie, die in diesem Fall Aussicht hätte, daß sie auf dem Frage-Antwort-Weg weiterführt? Kann ich mich verständlich machen, was ich meine? :lol:
Die unterschiedlichen Kreativitätstechniken kenne ich von Managementkursen und aus der einen oder anderen praktischen Unternehmenssituation, wo es darum ging, ein Unternehmenskonzept resp. eine Strategie zu entwickeln. Umtriebige Manager neigen ja dazu, sich mit solchen Strategie-Meetings in ihrer Wichtigkeit zu bestätigen.

Nun findet sich, dass es für ein solches Unterfangen oft an innovativen Ideen fehlt, wie man ein Problem oder gar mehrere Probleme konsistent angehen könnte. Nicht, dass man nicht auf klassische Lösungsansätze zurückgreifen könnte, nur sind sie gerade wegen ihrer Erprobtheit nicht neu und werden von der Konkurrenz verwendet, d.h. der Markt hat sie schon absorbiert.

In diesem unternehmerischen Zusammenhang habe ich die Erfahrung gemacht, das Kreativ-Techniken diverse Denkansätze befördern können. Nie war das Resultat ein fixfertiges Konzept oder eine ausformulierte Strategie, sondern es ergaben sich im kreativen Prozess skurrile, interessante, geniale, einfältige Ideen, daraus sich einzelne Bruchstücke herauskristallisierten, die sich weiterverwenden liessen, um verschiedene Teilprobleme ganz neu anzugehen.

Übertragen auf unser 'Projekt' könnte ich mir vorstellen, dass wir ähnliche Produktivität erzielen können.

Konkret, aber nicht jetzt auf die Synektik bezogen, könnte das so ablaufen, dass man sich an einen Tisch setzt (oder an einen Thread) und dann das Problem klar umreisst, z.B. die Dichotomie von Bewusstsein und Hirn. Dann werfen die Diskutanten ohne grosse reflexive Leistung verschiedene Wörter in die Runde. Daraus lassen sich verschiedene Assoziationsketten bilden, und in einem weiteren Schritt ganze Sätze. Das ist eine Art Brainstorming mit Resumé.

Eine andere Variante wäre es, die einzelnen Theorie aufzulisten, die man in ihrer Gegensätzlichkeit untersuchen möchte, und dann jeweils nur die Pro- und Kontraargumente der Befürworter und der Gegner auflistet. Kurz und knapp. In einem weiteren Schritt lassen sich aus diesen Argumenten (die ja vorliegen und nicht durch uns diskursiv erst erschlossen werden müssten) durch Neuanordnung neue Theorien kombinieren resp. durch Analogien, z.B. aus der Technik, in einem neuen Licht darstellen etc.

Ganz irre ist auch die Ein-Wort-Methode für ganz Verwegene :) Hier startet man mit einem Wort. Und jeder Teilnehmer gibt nacheinander ein Wort dazu. So entsteht ein Bandwurmsatz, der sich aus der Vielseitigkeit der Denkrichtungen und Vielschichtigkeit der Assoziationen förmlich basteln lässt. Das kann ganz skurrile Sätze ergeben, die sich aber genauso für ein Weiterdenken weiterverwenden lassen (oder die so absurd sind, dass sie einen Dada-Preis gewinnen könnten).

Du siehst, eine Metapher, die den Nutzen eines solchen Vorgehens beschreiben würde, kann ich nicht bieten. Ich kann im Grunde gar nichts bieten, schon gar nicht eine Garantie auf Gelingen. Ich kann höchstens meine Bereitschaft bieten, an einem solchen Vorgehen beteiligt zu sein.

Warum ich das vorschlage ? Man schaue sich im Thread 'Was ist Wahrheit?' einmal die Zahl von teils kontradiktorischen, teils affirmativen Wahrheitstheorien an. Wir werden diese Theorien nicht durcharbeiten können, geschweige denn, sie konsolidieren können, wenn wir nicht einen Denkansatz wählen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass es das meiste irgendwie schon gibt. Philosophie kann ein Nachvollzug aller dieser Theorien bedeuten, ja, dieser Nachvollzug ist vielleicht sogar die Bedingung, ohne die sich in Philosophie gar nichts weiterentwickeln lässt. Aber das heisst ja nicht, dass wir unsere Intelligenz (die ja wirklich leistungsfähig ist :)) nicht auch produktiv vereinigen könnten für etwas Neues.

Vielleicht braucht es dieses Neue auch nicht, das ist dann aber wieder eine grundsätzlich andere Frage.



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Sa 14. Okt 2017, 15:38

Alethos hat geschrieben :
Fr 13. Okt 2017, 16:58
Wie meinst du das mit dem "epistemischen Pluralismus reduzieren"?
Friederike hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 10:56
Ich gehe noch einen Schritt weiter zurück und möchte wissen, was Du @Tosa Inu, unter dem "epistemischen Pluralismus" verstehst?
Mit epistemischem Pluralismus meine ich im Grunde nur die Fülle der unterschiedlichen Methoden bezogen auf einen Forschungsgegenstand, die zum Teil so groß und ausdifferenziert sind, dass sie eigene Welten darstellen, trotz des gleichen Inhaltes.

Wenn wir bei der Psyche bleiben, dann haben z.B. klassische Psychoanalyse, Behaviorismus und kognitive Psychologie kaum etwas miteinander zu tun*, nimmt man dann nicht Soziobiologie, Neurobiologie, Philosophie des Geistes und der Emotionon, sowie Meditation hinzu, ergeben sich weitere Bicke, auf das was wir Psyche nennen und einmal als Verlängerung des Gehirns sehen, aber auch von der Psyche selbst ausgehend betrachten können, wie z.B. bei der Psychoanalyse.

Naja, und das kriegt man kaum je unter einen Hut gebracht die Body/Mind-Differenz steht dazwischen und kaum einem ist es gelungen, sie zu reduzieren.

* Tatsächlich hat mich das immer fasziniert. Das liest man irgendein dickes Standardbuch aus der Psychologie, zu irgendeinem Thema, dann liest man das nächste und weder der Name, noch der Inhalt, die Begriffe oder die führenden Forscher aus dem anderen Bereich sind auch nur erwähnt.
Alethos hat geschrieben :
Fr 13. Okt 2017, 16:58
Widerspricht das nicht der Absicht, das Subjekt zu stärken?
Das Subjekt zu stärken heißt für mich nicht, dass 7,5 Milliarden Perspektiven am Ende stehen müssen, denn bei einem Blick rein auf die Individualität, geht sie Übertragbarkeit flöten. Das andere Extrem ist, alle Menschen als prinzipiell gleich anzusehen, weil ja alle dieselben Organe und mögliche Fehlfunktionen haben. Die Praxis hat ergeben, dass diese Rechnung nicht aufgeht, schon in Bereichen, die man gar nicht erwartet hätte, von denen man noch dachte, sie seien rein organisch.

Die Lösung liegt irgendwo in der Mitte, wo sich Interprations-Cluster bilden, die ich Weltbilder nenne und die Individualität und Kollektivität ein Stück vereinen.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Sa 14. Okt 2017, 16:09

Tarvoc hat geschrieben :
Fr 13. Okt 2017, 21:22
Das Kriterium, nach dem ich meine Selbsteinschätzung vornehme, ist natürlich nicht wieder meine Selbsteinschätzung. Ich sehe nicht, wie das überhaupt Sinn ergäbe.

Läuft das darauf hinaus, dass mein Urteil über mich auf jeden Fall von mir gebildet wird? Das ist ja schon insofern trivial, als es eben mein Urteil ist. Nur folgt daraus nicht, dass mein Urteil das Kriterium der Richtigkeit meines Urteils ist.
Es soll auf das hinauslaufen, was ich schon zu beschreiben versuchte: Dass man bei Urteilen über sich und das was man tut nicht nur ein Mitspracherecht hat, sondern prima facie berechtigt ist. Eben auch bei der Einschätzung, ob man etwas verstanden hat.
Die dazu benötigten Kriterien hat man ja schon verinnerlicht. Wer über seinen Nachbarn ein Urteil bilden, kann das auch über sich, da die deskriptiven Bausteine dieseleben sind.
Tarvoc hat geschrieben :
Fr 13. Okt 2017, 21:22
Uh, wie? Es geht doch hier darum, woran man die Richtigkeit bzw. den Erkenntnischarakter meiner Meinung festmacht. Natürlich mache ich die Richtigkeit meiner Meinung nicht am bloßen Faktum fest, dass ich sie habe. Umgekehrt: Ich habe eine Meinung (über mich selbst oder sonst irgendwas), weil ich sie für richtig halte, und das habe ich vorher schon an irgendwas anderem festmachen müssen.
Klar, aber man meint etwas in aller Regel auch nicht einfach nur so. Eher hat man dann keine Meinung.
Tarvoc hat geschrieben :
Fr 13. Okt 2017, 21:22
Ob z.B. eine bestimmte Wirtschaftspolitik Arbeitsplätze schafft oder nicht, hängt natürlich nicht von der Meinung irgendwelcher Leute ab. Wie sollte das denn bitte aussehen? Es gibt plötzlich auf magische Weise Arbeitsplätze, nur weil irgendwelche Politiker meinen, es gäbe sie?
Das ist jetzt nicht Dein Ernst?
Denk noch mal drüber nach, ob das die einzig denkbare und wahrscheinlichste Interpretation ist.
Tarvoc hat geschrieben :
Fr 13. Okt 2017, 21:22
Also wenn du damit meinst, dass Meinungen ganz allgemein nicht einfach vom Himmel fallen, von mir aus.
Ja, unter anderem das meine ich.
Tarvoc hat geschrieben :
Fr 13. Okt 2017, 21:22
Mir scheint das einfach darauf hinauszulaufen, dass der begriffliche Unterschied zwischen Meinung und Erkenntnis nicht aufgehoben werden kann. Richtig.
Gut.
Tarvoc hat geschrieben :
Fr 13. Okt 2017, 21:22
Das heißt aber nicht, dass es keine Erkenntnis gibt.
Das habe ich auch nicht gesagt, ich hatte Dir ja sogar eher Erkenntnispessimismus unterstellt.
Natürlich gibt es Erkenntnisse, sowie es Wahrheiten gibt. Aber Wahrheiten haben eine begrenzte Reichweite und beginnen sich weitaus schneller mit dem zu mischen, was man (vielleicht zu undifferenziert) Meinungen nennt, zu mischen, als man das gewöhnlich glaubt.

Halten wir fest: Erkenntnisse und Meinungen mischen sich, m.E. sind sie die Pole eines fließenden Kontinuums.
Interessant ist wie Überzeugungen da hineinspielen, die m.E. auf unterschiedliche und vor allem unterschiedlich gewichtete Prämissen zurückgehen und diese ihrerseits festigen.



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Sa 14. Okt 2017, 16:34

Alethos hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 14:37
Wir werden diese Theorien nicht durcharbeiten können, geschweige denn, sie konsolidieren können, wenn wir nicht einen Denkansatz wählen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass es das meiste irgendwie schon gibt.
Das sehe ich zu einem hohen Grade auch so, das Gold liegt auf der Straße. Nur ist vieles m.E. ideologisch unterdrückt, weil wir wirklich neue Ideen einfach oft nicht verstehen und auch bekannte Denkmuster zurückzuführen suchen.

Was ich auf jedenfall auch probieren will, ist einen Monismus von oben zu skizzieren, in der Weise, dass alles Geist, Bewusstsein oder Information ist. Das ist nun wirklich nicht neu, aber man kann ja schauen, wie weit man damit, in Anbetracht unserer gewachsenen Erkenntnisse über Bewusstsein, kommt.

Da kann man auch schön beim Gegenteil starten und schauen, wie stimmig aussagen über Gehirn und Geist sind. Gerhard Roth ist sich beispielsweise sicher, dass, da man bei Bewusstseinsprozessen bislang immer Hirnaktivitäten beobachtet hat, dass Bewusstsein ein Produkt des Gehirns ist. M.E. folgt das aber nicht.

Was mich auch interessieren würde, ist, wie man sich die prägende Wirkung überindiviueller Systeme, wie z.B. Sprache, Sexualität, Gemeinschaften auf neurologischer Basis erklärt. Wie schwappt dieser Einfluss ins Hirn. Ist nicht die Aussage, dass bei Bewusstseinsprozessen eines Individuums immer auch das Gehirn im Rahmen einer Verarbeitungskette beteiligt ist, passender?
Auch hier sehe ich wieder ein Kontinuum. Ein Schlaganfall zeigt klar die Wirkung des (gestörten) Gehirns auf das Bewusstsein, andererseits wirken bei Überzeugungen Bewusstseinsinhalte auf Körper und Gehirn ein.



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Friederike
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Sa 14. Okt 2017, 18:23

Danke @TI. Selbstverständlich :lol: hatte ich bei meiner Nachfrage gezögert, weil ich schon die Entgegnung hörte (das innere Stimmchen auf Dich projiziert) daß ich mir doch gut selber zusammen"basteln" könnte, was Du mit dem "epistemischen Pluralismus" wohl meinst. Aber nein, ich war auf dem Holzweg mit meiner Idee der verschiedenen Erkentnismodi. Es geht Dir um umfassende ausgefeilte Theorien mit unterschiedlichen Begriffsinstrumentarien.

@Alethos, die "Metapher" und "Analogie" hatte ich nur deswegen erwähnt, weil sie auf der Einführungsseite, die ich fand, als eines der ersten Beispiele genannt wurden. Daß es sich bei der Synektie hauptsächlich um ein Verfahren, das auf der höheren betrieblichen Managementebene angewendet wird, handelt, das war beim Googeln schlecht zu übersehen. Die Hürde habe ich aber mit Bravour genommen. :lol:

Noch kurz zum Begriff "Fakt" und "Tatsache". Da Pierces frühe Heimat das -physikalische- Labor gewesen ist, würde er, übertragen auf die neueren bildgebenden Verfahren, behaupten, daß rote Felder in Region X (des Hirns) Aktivität bedeuten. "Rotfarbe", "Aktivität", "An-Zeigen durch das Gerät" - dies wären "Fakten". Soweit ich es nochmal nachgelesen habe im Forum nebenan, ist die Reichweite dessen, was er unter einem Fakt versteht, nicht groß.




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Tarvoc
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Sa 14. Okt 2017, 20:03

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 16:09
Es soll auf das hinauslaufen, was ich schon zu beschreiben versuchte: Dass man bei Urteilen über sich und das was man tut nicht nur ein Mitspracherecht hat, sondern prima facie berechtigt ist. Eben auch bei der Einschätzung, ob man etwas verstanden hat.
Ich verstehe immer noch nicht, worauf das hinauslaufen soll. Dass ich von den Diskursen über mich nicht ausgeschlossen werden darf, ist tausendmal geschenkt. Dennoch liefert meine Einschätzung, dass ich etwas verstanden habe, nie und nimmer eine Garantie dafür, dass ich es tatsächlich verstanden habe. Nicht mal im Ansatz. Da besteht sozusagen nicht mal ein Anfangsverdacht.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 16:09
Die dazu benötigten Kriterien hat man ja schon verinnerlicht.
Zu hoffen wäre es. Das garantiert aber weder ihre konsequente noch ihre richtige Anwendung.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 16:09
Tarvoc hat geschrieben :
Fr 13. Okt 2017, 21:22
Uh, wie? Es geht doch hier darum, woran man die Richtigkeit bzw. den Erkenntnischarakter meiner Meinung festmacht. Natürlich mache ich die Richtigkeit meiner Meinung nicht am bloßen Faktum fest, dass ich sie habe. Umgekehrt: Ich habe eine Meinung (über mich selbst oder sonst irgendwas), weil ich sie für richtig halte, und das habe ich vorher schon an irgendwas anderem festmachen müssen.
Klar, aber man meint etwas in aller Regel auch nicht einfach nur so.
Üblicherweise wird man wohl Gründe haben. Für die gilt das selbe wie für die Meinung selbst. Sie können z.B. richtig oder falsch, folgerichtig oder nicht folgerichtig sein.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 16:09
Natürlich gibt es Erkenntnisse, sowie es Wahrheiten gibt. Aber Wahrheiten haben eine begrenzte Reichweite und beginnen sich weitaus schneller mit dem zu mischen, was man (vielleicht zu undifferenziert) Meinungen nennt, zu mischen, als man das gewöhnlich glaubt.
Die Mischung ist nicht nur "schnell", sie ist konstitutiv. Meinungen, Hypothesen, Ideen, auch Überzeugungen etc. sind gerade das, was im Erkenntnisprozess kritisch auf die Probe gestellt wird. Genau deshalb ist der begriffliche Unterschied so wichtig: weil er konstitutiv für diesen Prozess ist.



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Sa 14. Okt 2017, 20:31

Friederike hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 18:23
Noch kurz zum Begriff "Fakt" und "Tatsache". Da Pierces frühe Heimat das -physikalische- Labor gewesen ist, würde er, übertragen auf die neueren bildgebenden Verfahren, behaupten, daß rote Felder in Region X (des Hirns) Aktivität bedeuten. "Rotfarbe", "Aktivität", "An-Zeigen durch das Gerät" - dies wären "Fakten". Soweit ich es nochmal nachgelesen habe im Forum nebenan, ist die Reichweite dessen, was er unter einem Fakt versteht, nicht groß.
Heideggern wir doch mal und behaupten, dass die Wissenschaft nicht denkt. Damit hat Heidegger sagen wollen, dass sie Begriffe benutzt, die Wissenschaft, ohne diese vorher zu klären und dann einfach drauflos rechnet. (Ich glaube, dass diese Kritik letztlich nicht taugt, aber ich leihe sie mir mal.)
Wober wissen wir denn überhaupt, dass Blutfluss = Hirnaktivität ist? Warum ist das nicht die Abwärme, ein evolutionär eingerichtetes Kühlsystem und das Denken findet in einiger Entfernung statt. Bzw.: Was ist überhaupt Denken? Wir 'wissen' dass Hirnaktivität = Denken ist, aber das kann ja auch sonst was sein. Fühlen, Gleichgewicht halten. Dabei denken wir ja nicht im klassischen Sinne.

Wer meint, da sei bereits alles in trockenen Tüchern, hat sich nie mit den Einwänden beschäftigt.
Ich weiß, dass es nicht darum ging, bei dem Beispiel, aber ich nehme es mal als Aufhänger.
Zuletzt geändert von Tosa Inu am Sa 14. Okt 2017, 20:56, insgesamt 1-mal geändert.



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Sa 14. Okt 2017, 20:54

Tarvoc hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 20:03
Dennoch liefert meine Einschätzung, dass ich etwas verstanden habe, nie und nimmer eine Garantie dafür, dass ich es tatsächlich verstanden habe. Nicht mal im Ansatz. Da besteht sozusagen nicht mal ein Anfangsverdacht.
Dann sind wir da aktuell unterschiedlicher Meinung.
Tarvoc hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 20:03
Üblicherweise wird man wohl Gründe haben. Für die gilt das selbe wie für die Meinung selbst. Sie können z.B. richtig oder falsch, folgerichtig oder nicht folgerichtig sein.
Ja, aber das ist ja nun bereits abgefrühstückt.
Man kann auf ein paar sichere Kriterien zurückgreifen, doch die Sicherheit wird schnell verebelt. Das ist erstmal ein Befund, den ich ja ändern will, u.a. mit diesem Thread.
Tarvoc hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 20:03
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 16:09
Natürlich gibt es Erkenntnisse, sowie es Wahrheiten gibt. Aber Wahrheiten haben eine begrenzte Reichweite und beginnen sich weitaus schneller mit dem zu mischen, was man (vielleicht zu undifferenziert) Meinungen nennt, zu mischen, als man das gewöhnlich glaubt.
Die Mischung ist nicht nur "schnell", sie ist konstitutiv. Meinungen, Hypothesen, Ideen, auch Überzeugungen etc. sind gerade das, was im Erkenntnisprozess kritisch auf die Probe gestellt wird. Genau deshalb ist der begriffliche Unterschied so wichtig: weil er konstitutiv für diesen Prozess ist.
Da klingt für mich raus, dass am Ende dann stets die Wahrheit steht. Was aber, wenn unsere Erkenntnisse uns von der Wahrheit (und von welcher der etwas 20?) immer weiter weg führen. Ich hab mal gelesen, dass eine neue Erkenntnis sechs neue Fragen aufwirft, das hat mir gefallen.
Die Idee der Wahrheit, durch ausgeschlossene Irrtümer immer näher zu kommen, ist typisch naturalistisch und m.E. ein wenig naiv.
Wie und warum sollte es in einem in jeder Hinsicht beweglichen Universum eine fixe Summe an zu berechnenden Größen geben?
Wissen wir überhaupt, dass unser Universum (also, falls es nur eins gibt) tatsächlich ein geschlossenes System ist?



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Sa 14. Okt 2017, 21:49

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 20:54
Tarvoc hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 20:03
Meinungen, Hypothesen, Ideen, auch Überzeugungen etc. sind gerade das, was im Erkenntnisprozess kritisch auf die Probe gestellt wird. Genau deshalb ist der begriffliche Unterschied so wichtig: weil er konstitutiv für diesen Prozess ist.
Da klingt für mich raus, dass am Ende dann stets die Wahrheit steht.
Was für ein "Ende"? Am Ende steht nach gegenwärtigem Kenntnisstand wohl der Kältetod des Universums. Oder welchen anderen Sinn soll das Wort "Ende" hier haben?

Ich verstehe wirklich nicht, warum du so eine Phobie vor einem Prozess des Auf-die-Probe-Stellens von Meinungen zu haben scheinst.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 20:54
Ich hab mal gelesen, dass eine neue Erkenntnis sechs neue Fragen aufwirft, das hat mir gefallen.
Um so besser. Dann kann man sich schon nicht zu lang auf seinen vorgefassten Meinungen ausruhen.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 20:54
Die Idee der Wahrheit, durch ausgeschlossene Irrtümer immer näher zu kommen
Erkenntnis steht nicht am Ende des Prozesses. Man kommt nicht einer bestimmten Erkenntnis immer näher, sondern man erweitert beständig seine Kenntnisse und überarbeitet oder ersetzt dabei beständig bereits bestehende Auffassungen. Es ist noch nicht mal klar, ob es überhaupt Sinn hat, hier von einem "Ende" zu sprechen. Erkenntnis ist nicht einfach ein abstraktes Ziel an irgendeinem hypothetischen Ende, sondern Grund, Mittel und konkreter Zweck des Prozesses und der Tätigkeit des Infragestellens in einem. Hier und jetzt, in der Praxis, erweist sich, welchen Meinungen gegenständliche Wirklichkeit zukommt.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 20:54
ist typisch naturalistisch und m.E. ein wenig naiv.
Weil?
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 20:54
Wissen wir überhaupt, dass unser Universum (also, falls es nur eins gibt) tatsächlich ein geschlossenes System ist?
Keine Ahnung, musst du einen Physiker fragen. Bin mir auch nicht ganz sicher, welche Relevanz das hier hat.



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Tarvoc hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 21:49
Bin mir auch nicht ganz sicher, welche Relevanz das hier hat.
Wenn ich richtig sehe, dann ist auch hier das Thema body and soul. Die Idee, dass das Universum kausal geschlossen ist und der Energieerhaltungssatz sind regelmäßig starke Einwände gegen die verschiedensten Soul Konzepte :) da diese leicht zu Verletzungen dieser oberen Prinzipien führen.




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So 15. Okt 2017, 07:58

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 07:16
Die Idee, dass das Universum kausal geschlossen ist und der Energieerhaltungssatz sind regelmäßig starke Einwände gegen die verschiedensten Soul Konzepte :) da diese leicht zu Verletzungen dieser oberen Prinzipien führen.
Also bedeutet das, dass der Naturalismus abgelehnt wird, weil hier das Seelenkonzept der Populäresoterik gerettet werden soll? Die Seele als mysteriöse nicht-physikalische, nicht an physikalische Gesetze gebundene, dann aber doch bitte trotzdem physikalisch wirksame Energieform? Darüber sollte die Philosophie eigentlich schon länger hinaus sein als es das Wort "Naturalismus" überhaupt gibt.



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So 15. Okt 2017, 08:14

Tarvoc hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 21:49
Was für ein "Ende"? Am Ende steht nach gegenwärtigem Kenntnisstand wohl der Kältetod des Universums. Oder welchen anderen Sinn soll das Wort "Ende" hier haben?
Ich hatte dabei Peirce im Auge:
Andererseits sind alle Vertreter der Wissenschaft von der frohen Hoffnung getragen, dass die Prozesse der Forschung, wenn sie nur weit genug voran getrieben werden, zu jeder Frage, auf die sie angewendet werden, eine sichere Lösung ergeben werden. [...] Sie mögen zuerst unterschiedliche Ergebnisse erhalten, aber wenn jeder seine Methoden und Prozesse perfektioniert, wird man feststellen, dass die Ergebnisse sich stetig auf ein vorbestimmtes Zentrum hinbewegen. Dies gilt für alle wissenschaftliche Forschung. Unterschiedliche Geister mögen mit äußerst gegensätzlichen Ansichten beginnen, aber der Fortschritt der Untersuchungen bringt sie durch eine außer ihnen liegende Kraft zu ein und derselben Schlussfolgerung. Diese Aktivität des Denkens, die uns nicht dahin bringt, wohin wir wollen, sondern zu einem vorherbestimmten Ziel, ist wie ein Wirken des Schicksals. [...] Die Meinung, der alle Forscher schicksalhaft am Ende zustimmen müssen, ist das, was wir mit Wahrheit meinen, und der Gegenstand, der durch diese Meinung repräsentiert wird, ist das Reale. (CP 5.407)

Peirce vertrat eine "Konvergenztheorie der Wahrheit", die in einem fiktiven unendlich entfernten Zeitpunkt in der Zukunft in eine Korrespondenz des Gedachten mit der Realität mündet. Bis dahin ist alle Erkenntnis fallibel. (Quelle)
Tarvoc hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 21:49
Ich verstehe wirklich nicht, warum du so eine Phobie vor einem Prozess des Auf-die-Probe-Stellens von Meinungen zu haben scheinst.
Das mag sein. Ich vermute, dass das aber eher ein privater, statt allgemeiner Eindruck sein dürfte.
Tarvoc hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 21:49
Erkenntnis steht nicht am Ende des Prozesses. Man kommt nicht einer bestimmten Erkenntnis immer näher, sondern man erweitert beständig seine Kenntnisse und überarbeitet oder ersetzt dabei beständig bereits bestehende Auffassungen. Es ist noch nicht mal klar, ob es überhaupt Sinn hat, hier von einem "Ende" zu sprechen.
Peirce und Popper sind durchaus anderer Meinung und abhängig von den Prämissen, kann man das durchaus sein.
Die Frage, ob das Universum determiniert ist, ist nicht entschieden, wäre es das, macht die Formulierung einer Annäherung Sinn.
Aber wir scheinen hier derselben Meinung zu sein.
Tarvoc hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 21:49
Erkenntnis ist nicht einfach ein abstraktes Ziel an irgendeinem hypothetischen Ende, sondern Grund, Mittel und konkreter Zweck des Prozesses und der Tätigkeit des Infragestellens in einem. Hier und jetzt, in der Praxis, erweist sich, welchen Meinungen gegenständliche Wirklichkeit zukommt.
Aber das wurde doch auch gar nicht behauptet. :?
Tarvoc hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 21:49
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 20:54
ist typisch naturalistisch und m.E. ein wenig naiv.
Weil?
Naturalistisch, weil er von einem z.B. von einem determinierten Universum mit verborgenen Variablen ausgeht. Naiv, weil er eine fixe Größe des zu Wissenden unterstellt. Insofern ist es auch relevant, ob das Universum offen oder geschlossen ist, zudem, siehe Jörns Antwort.



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Tarvoc
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So 15. Okt 2017, 08:33

Tosa Inu hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 08:14
Peirce und Popper sind durchaus anderer Meinung und abhängig von den Prämissen, kann man das durchaus sein.
Kann ja sein. Nochmal zur Erinnerung: Du hattest mir vorgeworfen, hier im Wesentlichen das Poppersche Annäherungsmodell zu reproduzieren. Wenn Popper diesbezüglich anderer Meinung ist als ich, dann zeigt das wohl, dass ich das eben nicht tue.
Tosa Inu hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 08:14
Die Frage, ob das Universum determiniert ist, ist nicht entschieden, wäre es das, macht die Formulierung einer Annäherung Sinn.
Ich weiss nicht, wie die Frage nach Determiniertheit hier ins Spiel kommt. So wie ich das sehe, entsteht die Frage, ob "das Universum streng determiniert ist" entweder dann, wenn Physiker der Newtonschen Epoche sich auch mal an Philosophie versuchen, oder wenn Philosophen den Kausalitätsbegriff der Newtonschen Physik in die Finger bekommen. Strenge kausale Geschlossenheit war ein Kennzeichen des Newtonschen Universums. Mit der modernen Physik kann man auch arbeiten, ohne eine strenge Determiniertheit des Universums annehmen zu müssen (obwohl es Interpretationen der Quantenmechanik gibt, die das immer noch tun). Selbstverständlich sind auch das Erkenntnisse und selbstverständlich können auch in diesem Bereich Meinungen, Ideen, Hypothesen, etc. immer noch kritisiert und überprüft werden.
Tosa Inu hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 08:14
Aber das wurde doch auch gar nicht behauptet. :?
Du sprachst hier doch ständig von irgendeiner Erkenntnis, die am Ende des Erkenntnisprozesses herauskommen soll, obwohl von einem solchen Ende bei mir gar keine Rede war.
Tosa Inu hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 08:14
Tarvoc hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 21:49
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 20:54
Die Idee der Wahrheit, durch ausgeschlossene Irrtümer immer näher zu kommen, ist typisch naturalistisch und m.E. ein wenig naiv.
Weil?
Naturalistisch, weil er von einem z.B. von einem determinierten Universum mit verborgenen Variablen ausgeht.
Ich sehe nicht, wieso das eine aus dem anderen zwingend folgen sollte. Wenn es sich herausstellt, dass es in der Welt objektiv nicht vollständig determinierte Vorgänge gibt, dann wäre diese Erkenntnis in Popper'schem Jargon ja auch eine "Annäherung an die Wahrheit". Dass wir über bloßes Annähern nicht hinauskommen, hat Popper ja auch gesagt. Das wäre eben nur ein weiterer Grund dafür.

Aber okay. Ich will hier nicht Poppers Wissenschaftstheorie verteidigen müssen, weil das nicht meine Position ist (auch wenn sie mit meiner Position den Fallibilismus teilt).
Tosa Inu hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 08:14
Naiv, weil er eine fixe Größe des zu Wissenden unterstellt.
Womöglich. Das wäre ein weiterer Grund, sich auf die Poppersche Variante einer Annäherungstheorie nicht einzulassen. In meinen Beiträgen steckt diese Unterstellung m.E. aber nicht drin.



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Tarvoc hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 07:58
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 07:16
Die Idee, dass das Universum kausal geschlossen ist und der Energieerhaltungssatz sind regelmäßig starke Einwände gegen die verschiedensten Soul Konzepte :) da diese leicht zu Verletzungen dieser oberen Prinzipien führen.
Also bedeutet das, dass der Naturalismus abgelehnt wird, weil hier das Seelenkonzept der Populäresoterik gerettet werden soll?
Soul steht hier nicht allein für Seele, sondern stellvertretend für die Erklärungslücke, die zwischen Bewusstsein, von dem wir sicher wissen, dass es existiert (wenn man die logischen Regeln akzeptiert, die wir aktuell akzeptieren) und Materie, von der wir plausibel annehmen, dass es sie gibt, besteht. In der Tat ist Materie aber bereits das wackeligere Konzept. Als bewusste Wesen erleben wir uns nun einmal. Gleich welche Quelle des Bewusstseins wir unterstellen (sollte es nicht primär sein), ist Materie, in der Art der Erzählung, die wir heute kennen, ein Konzept (= eines von mehreren, denkbaren).

Am anderen Ende des eliminativen Materialismus, der ja auch nur eine Extremform darstellt, steht ein eliminativer Soulismus/Idealismus, bei dem die Frage ist, ob er in der Lage ist, notfalls auf das ontologische Konzept von Materie zu verzichten. Epistemologisch könnte man mit Materie weiter arbeiten, als etwas, was uns so erscheint, aber die Wahrheit wäre, dass es Materie nicht gibt. Das wird nicht durch das Argument ausgehebelt, dass man sich das Knie am Tisch stoßen kann und es weh tut. Sonst bliebe der Dualismus, den ich nicht ausschließen will, weil die Tatsache, dass wir die Einwirkung vom einen aufs andere nicht erklären können nicht heißt, dass es sie nicht gibt.
Zuletzt geändert von Tosa Inu am So 15. Okt 2017, 08:59, insgesamt 2-mal geändert.



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Macht es Dir viel aus, Zustimmung einfach als Zustimmung und nicht als (zumindest von mir so empfundenen) Widerspruch zu formulieren? Mir würde das helfen und ich sehe es auch als effektiver für die Diskussion an. Ich habe bei Deinen Antworten oft das Gefühl, als hätte ich mich in allem geirrt und würde irgendeine willkürlich absurde Position vertreten. Das tue ich aber m.E. nicht. Aus meiner Sicht ist dieser Thread unter anderem dadurch motiviert, dass zumindest ich das Gefühl habe, dass die Erklärungslücken des Naturalismus immer größer werden. Das verlangt natürlich nach anderen denkbaren Antworten, die ich hier mal durchspielen möchte, auch wenn ich weiß, dass es den Naturalismus nicht gibt (sondern ein Dutzend Unterformen) und den Physikalismus ebenfalls nicht.
Tarvoc hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 08:33
Ich will hier nicht Poppers Wissenschaftstheorie verteidigen müssen, weil das nicht meine Position ist (auch wenn sie mit meiner Position den Fallibilismus teilt).
Der Fallibilismus ist als lokale Orientierungsgröße gut, der Haupteinwand, ich glaube zuerst von Carnap, ist jedoch, dass er bei Existenzaussagen (von denen z.B. die Wissenschaft voll ist) platzt.



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Alethos
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So 15. Okt 2017, 13:42

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2017, 15:38
Mit epistemischem Pluralismus meine ich im Grunde nur die Fülle der unterschiedlichen Methoden bezogen auf einen Forschungsgegenstand, die zum Teil so groß und ausdifferenziert sind, dass sie eigene Welten darstellen, trotz des gleichen Inhaltes.
Dann hat mich der Ausdruck epistemisch in die Irre geführt. Der von dir vorgebrachte Methodenpluralismus bezeichne ich als epistemologische Pluralität, nicht als epistemische. Aber das ist vielleicht nur haarspalterisch und nicht von Relevanz.

Der Punkt, den du ausführen willst, so denke ich, ist, dass es Unterschiede gibt in der Betrachtungs- und Untersuchungsweise von Wirklichkeit, die zu unterschiedlichen Wirklichkeitskonzepten führen. Und mein Punkt ist, dass diese Konzepte nicht allein eine korrekte Wirklichkeitsbeschreibung zum Ziel haben, sondern die Funktion haben, der eigenen Lebenswirklichkeit einen Sinn zu verleihen. Früher sprachen wir vom "Sinn des Lebens", das gerade ist damit nicht gemeint, weil es impliziert, dass es nur ein Leben gebe und einen Sinn, vielmehr meine ich damit eine Konsolidierung unserer Selbst- und Weltbezüge.

Dass es Konzepte gibt, die z.B. eine konstruktivistische Annahme der Art treffen : "Wirklichkeit ist, was sich aus der Tätigkeit unseres Bewusstseins als Wirklichkeit einstellt" und physikalistischen Annahmen, die besagen: "Die Wirklichkeit unseres Bewusstseins ist das Resultat des Wirksamwerdens von Materie", das hat den Grund in den je unterschiedlichen Konsequenzen, die unser Denken je ziehen kann. Aber warum kann ein Denken zu so gegensätzlichen Aussagen kommen? Wenn zu denken eine Fähigkeit darstellt und als ebensolche Fähigkeit gewissen Regeln folgt, dann müssten wir doch alle kraft unserer Fähigkeit zu denken, zu gleichen Schlüssen kommen. Ein Widerspruch darf sich gar nicht einstellen, wenn zu denken bedeuten würde, einer logischen Regel zu folgen.

Da wir aber offensichtlich unterschiedliche theoretische Konzepte entwickelt haben, kann nun folgendes bedeuten:
  • ein Denken ist entweder richtig oder falsch. Richtig ist das Denken dann, wenn es der gegenteiligen Theorie widerspricht, die folglich falsch ist
  • das Denken erfolgt nicht nach einer reinen Logik, das nur apodiktische Urteile zulässt, sondern auch assertorische
Nehmen wir einmal an, dass nur apodiktische Urteile wahr seien, d.h. Wahrheit zeige sich im logisch zwingenden Schluss. Dann müsste Wahrheit eine eindeutige Beschreibung von Wirklichkeit sein, d.h. eine Theorie hat recht, die andere nicht. Es wird sich vielleicht dann einmal zeigen, welche Theorie die richtige wahr und daran wird sich unser aller Denken auszurichten haben.

Dass wir heute aber eine Fülle von Theorien haben, zeigt doch aber, dass das Denken nicht nur apodiktische, d.h. logisch zwingende Aussagen befördert, sondern auch assertorische, d.h. solche, die sich als logisch nicht zwingende Behauptungen darstellen. Deshalb also, weil unser Denken mehrere Konsequenzen zulässt, erzeugt es mehrere Theorien, die sich gleichberechtigt als mögliche zeigen. Wahrheit ist dann nicht zwingend notwendig diese und keine andere Wahrheit, weil das Denken, durch das dieses Denken zur Theorie gekommen ist, gar nicht so konstruiert ist, dass er nur apodiktische Schlüsse zulässt. Denken befördert so betrachtet, also gar nicht Wahrheit einer Theorie, sondern nur Kontingenz als mehrere Möglichkeiten. Diese gelten als gleichberechtigt. Dann können wir uns aber zurecht fragen, warum wir denn überhaupt ein Denken entwickelt haben, das offenbar nicht in der Lage ist, Eindeutigkeit zu befördern, sondern offensichtlich in den grundlegenden Fragen nur Unentscheidbarkeit? Was soll das also mit diesem Denken, wozu ist es gut?

Eine Möglichkeit der Beantwortung habe ich oben bereits zu geben versucht. Denken entspringt ja nicht nur einem Affiziertsein durch Dinge, sondern es ist ein "spontanes Vermögen der Vernunft". Was heisst aber Spontaneität? Ich denke, dass Spontaneität darauf verweist, dass wir lebende Organismen sind, wir sind erstens nicht abschliessend so, sondern in Entwicklung begriffen. Und zweitens (oder erstens) sind wir Menschen, die Gefühle haben, Bedürfnisse und Fragen. Wir sind also Lebewesen (keine Computer oder Maschinen), die als Daseiende nicht einfach in der Welt operiendende Systeme sind, sondern in ihrem Dasein einen Sinn benötigen. Ohne diesen Sinn können wir auch keine Identität ausbilden, wir können nicht einmal wirklich zu einem Verständnis unserer Selbst vorstossen. Sinn haben ist konstitutiv für unser Menschsein, weshalb wir Welterklärungsmodelle haben (du nennst es Weltbilder), die uns darin bestärken zu sein, wer wir sind. Das meinte ich weiter oben mit der Konsolidierung unserer Selbst- und Weltbezüge. Denken hat, so denke ich, also nicht nur die Funktion, überhaupt etwas als wahr und das andere als falsch zu unterscheiden, sondern zu denken ist ein ganz elementares Element, ich würde sagen, ein konstitutives Element. Ohne Denken ist Menschsein gar nicht möglich und als diese Menschen brauchen wir Praktiken, die unserem Sosein die möglichen Formen bietet, damit es sich am besten entfalten kann.

Das heisst nicht, dass ich hier einem Relativismus das Wort reden möchte, denn ich glaube, dass unsere Lebensbezüge nicht stark voneinander abweichende Referenzpunkte haben. Ich denke, wir sind konditioniert, gemeinsame Gewissheiten zu haben, durch die sich Zustimmung und Widerspruch einstellen kann, d.h. ein Bezug aufeinander möglich wird.



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Herr K.
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So 15. Okt 2017, 14:35

Tosa Inu hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 08:41
Am anderen Ende des eliminativen Materialismus, der ja auch nur eine Extremform darstellt, steht ein eliminativer Soulismus/Idealismus, bei dem die Frage ist, ob er in der Lage ist, notfalls auf das ontologische Konzept von Materie zu verzichten. Epistemologisch könnte man mit Materie weiter arbeiten, als etwas, was uns so erscheint, aber die Wahrheit wäre, dass es Materie nicht gibt. Das wird nicht durch das Argument ausgehebelt, dass man sich das Knie am Tisch stoßen kann und es weh tut. Sonst bliebe der Dualismus, den ich nicht ausschließen will, weil die Tatsache, dass wir die Einwirkung vom einen aufs andere nicht erklären können nicht heißt, dass es sie nicht gibt.
Nehmen wir an, es gäbe keine Materie, sondern nur Bewusstsein, in dem Falle hätten wir einen Idealismus à la Berkeley. Dann müsste man ein Superbewusstsein annehmen, entweder eines, das viele Bewusstseine umfasst, in dem alles gespeichert und koordiniert wird, (aka Gott), was Berkeley annahm oder das Superbewusstsein wäre das eigene Bewusstsein, in dem Falle wäre man beim Solipsismus gelandet. Mir ist nun kein Philosoph bekannt, der heutzutage eine solche Position vertreten würde.

Kommen wir zum Substanzdualismus. Wenn die Welt kausal geschlossen ist, d.h. wenn jedes physikalische Ereignis (z.B.: das Schreiben dieses Beitrages) hinreichende physikalische Ursachen hat, dann kann das Bewusstsein dabei keine Rolle spielen, wäre epiphänomenal. Falls man jedoch einen interaktionistischen Substanzdualismus vertritt, d.h. annimmt, dass Bewusstsein und Materie getrennte Substanzen seien, die dennoch aufeinander einwirken könnten, dann muss man erklären, wie das möglich ist - ein Problem, mit dem sich schon Descartes abgeplagt hat. Allerdings gibt es heutzutage einige Philosophen, die diesen (den letzteren, interaktionistischen) Standpunkt vertreten.

Dann gibt es noch Panpsychismus, der sich in letzter Zeit wohl einer wachsenden Beliebtheit erfreut. Dessen Probleme sind a) das Kombinationsproblem (wie erwächst aus vielen, vielen (proto-)mentalen Bausteinen ein komplexes Bewusstsein wie das eines Menschen?) und b) dass zumindest mir völlig unklar ist, was (proto-)mental in dem Zusammenhang überhaupt bedeuten soll.

Die Frage, die sich dabei auch immer stellt, ist die: inwiefern können diese Positionen eigentlich Bewusstsein eigentlich besser erklären als der Materialismus, bzw. bei welchen Erklärungen schneiden sie besser ab?




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Tarvoc
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So 15. Okt 2017, 20:47

Alethos hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 13:42
Der Punkt, den du ausführen willst, so denke ich, ist, dass es Unterschiede gibt in der Betrachtungs- und Untersuchungsweise von Wirklichkeit, die zu unterschiedlichen Wirklichkeitskonzepten führen. Und mein Punkt ist, dass diese Konzepte nicht allein eine korrekte Wirklichkeitsbeschreibung zum Ziel haben, sondern die Funktion haben, der eigenen Lebenswirklichkeit einen Sinn zu verleihen.
Darf ich fragen, was du unter Sinn verstehst? Es gibt nämlich durchaus Leute, die behaupten, Wissenschaftlichkeit zeichne sich vor anderen Herangehensweisen dadurch aus, dass es ihr eben nicht darum gehe, der Welt Sinn zu verleihen. Diese Leute sind auch nicht alle nur "Naturalisten". Spontan fiele mir Slavoj Žižek als Beispiel ein, der geradezu alle Versuche, in materielle Vorgänge einen aparten Sinn hineinzulesen, als Ideologie diskreditiert. Es kommt aber natürlich eben sehr darauf an, was man hier unter "Sinn" versteht.



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Tarvoc
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So 15. Okt 2017, 20:52

Tosa Inu hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 08:56
Macht es Dir viel aus, Zustimmung einfach als Zustimmung und nicht als (zumindest von mir so empfundenen) Widerspruch zu formulieren?
Das wird aber schwierig. Ich müsste dann ja deine Empfindungen im Voraus antizipieren können.

Es stimmt, dass ich gerne mal "hitzig" diskutiere. Wenn es so aussieht, als würde ich eine Zustimmung als Widerspruch formulieren, dann könnte das aber auch daran liegen, dass meine Zustimmung eben mit einem Caveat kommt.
Tosa Inu hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 08:56
Ich habe bei Deinen Antworten oft das Gefühl, als hätte ich mich in allem geirrt und würde irgendeine willkürlich absurde Position vertreten. Das tue ich aber m.E. nicht.
Worauf beziehst du dich da genau? Dass du nur irgendwelche Absurditäten hier reinschreibst, wollte ich nicht insinuieren. Wäre das so, würde ich mir nicht die Mühe machen, mit dir zu diskutieren. Oder jedenfalls nicht in dieser Weise.



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Mo 16. Okt 2017, 11:10

Alethos hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 13:42
Und mein Punkt ist, dass diese Konzepte nicht allein eine korrekte Wirklichkeitsbeschreibung zum Ziel haben, sondern die Funktion haben, der eigenen Lebenswirklichkeit einen Sinn zu verleihen.
Ja, das sehe ich genau so, wie Du.
Alethos hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 13:42
Aber warum kann ein Denken zu so gegensätzlichen Aussagen kommen? Wenn zu denken eine Fähigkeit darstellt und als ebensolche Fähigkeit gewissen Regeln folgt, dann müssten wir doch alle kraft unserer Fähigkeit zu denken, zu gleichen Schlüssen kommen.
Das ist die, ich streiche mal die Bezeichnung 'naive' und ersetze sie durch 'optimistische' Betrachtung, die sich etwa Peirce, Popper und implizit natürlich viele Wissenschaftler zu eigen machen.
Die Idee ist, dass egal mit welchen Größen man anfängt, man am Ende doch zu den gleichen Ergebnissen kommen muss. Zwar sind Meilen und Kilometer unterschiedliche Einheiten, aber die Größenrelationen, die sich aus ihnen ergeben, sind immer gleich, dass die Sonne bspw. soundso viel mal größer als die Erde ist. Das funktioniert natürlich nicht nur mit Längeneinheiten, sollte man denken.
Alethos hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 13:42
Dass wir heute aber eine Fülle von Theorien haben, zeigt doch aber, dass das Denken nicht nur apodiktische, d.h. logisch zwingende Aussagen befördert, sondern auch assertorische, d.h. solche, die sich als logisch nicht zwingende Behauptungen darstellen.
Nicht unbedingt.
Es kann auch einfach heißen, dass die eingeschlagenen Wege ungeheuer vielfätig sind.
Wenn man kein radikaler Konstruktivist ist, kann man daraus schließen, dass man einem Forschungsgegenstand durch die Vielzahl der unterschiedlichen Methoden, wenn man sie als Folien übereinanderlegt, immer näher kommt und damit auch der Realität dieses Forschungsgegenstandes. Und oft kann man das erleben, gerade auch auf dem Gebiet der Erforschung der Psyche (Geist/Bewusstsein), auf dem sich einfach wahnsinnig viel tummelt.
Alethos hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 13:42
Denken befördert so betrachtet, also gar nicht Wahrheit einer Theorie, sondern nur Kontingenz als mehrere Möglichkeiten. Diese gelten als gleichberechtigt.
Das glaube ich aber nicht.
Es gibt Unterschiede in der Plausibilität, der Reichweite und der Güte von Erklärungen. Konsistenz allein ist da m.E. kein hinreichendes Kriterium.

Extreme Enden sind die Verschwörungstehorie, die man so skizzieren kann: Das Ergebnis steht fest, die Beweise werden gesucht.
Am anderen Ende, die ideale Wissenschaft: Die Theorie wird experimentell bestätigt, bei gleichzeitiger prinzipieller Falsifizierbarkeit.
Bestätigungen sind natürlich immer gut, zeigen aber auch nur, das die Prämissen, die man unterstellt zu brauchbaren Ergebnissen führen. Was wiederum nicht heißt, dass alle anderen Ansätze Murks sind. Man kann noch Jahre Leute ins fMRT legen, was Denken ist, kriegt man so nicht raus.
Alethos hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 13:42
Wir sind also Lebewesen (keine Computer oder Maschinen), die als Daseiende nicht einfach in der Welt operiendende Systeme sind, sondern in ihrem Dasein einen Sinn benötigen. Ohne diesen Sinn können wir auch keine Identität ausbilden, wir können nicht einmal wirklich zu einem Verständnis unserer Selbst vorstossen. Sinn haben ist konstitutiv für unser Menschsein, weshalb wir Welterklärungsmodelle haben (du nennst es Weltbilder), die uns darin bestärken zu sein, wer wir sind.
Ja. Wir Denken (sind rational) und Fühlen (sind emotional) und Sinn, Orientierung oder Weltbilder verieinen beides. Identität ist ja nicht nur eine Ansammlung technischer Daten, sondern in der Tat auch etwas, was mir eine Wertigkeit vermittelt (oder abspricht). Selbst wenn ich mich als vollkommen rationalen Menschen sehe, der Chancen/Risiken abwägend durchs Leben geht, habe ich dabei ja Emotionen, werde diese Einstellung z.B. als überlegen empfinden.
Alethos hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 13:42
Denken hat, so denke ich, also nicht nur die Funktion, überhaupt etwas als wahr und das andere als falsch zu unterscheiden, sondern zu denken ist ein ganz elementares Element, ich würde sagen, ein konstitutives Element. Ohne Denken ist Menschsein gar nicht möglich und als diese Menschen brauchen wir Praktiken, die unserem Sosein die möglichen Formen bietet, damit es sich am besten entfalten kann.
Ich glaube auch, dass unser Menschsein wesentlich ein Ichsein ist und mit dem Impuls beginnt, bei dem jemand bemerkt, dass er in der Lage ist, sich abweichend zu verhalten, also ein vermutlich erst präverbales Empfinden von "Ich kann auch anders."
Alethos hat geschrieben :
So 15. Okt 2017, 13:42
Das heisst nicht, dass ich hier einem Relativismus das Wort reden möchte, denn ich glaube, dass unsere Lebensbezüge nicht stark voneinander abweichende Referenzpunkte haben. Ich denke, wir sind konditioniert, gemeinsame Gewissheiten zu haben, durch die sich Zustimmung und Widerspruch einstellen kann, d.h. ein Bezug aufeinander möglich wird.
Ja, Konditionierungen sind da ein wichtiger Punkt. Meine Antwort fällt an geraden Tagen immer anders aus, als an ungeraden, ein nicht unwesentliches Motiv für diesen Thread. Als Klartext formuliert: Oft denke ich, dass die Unterschiede in unseren Bedürfnissen, Antrieben, Impulsen, unserem Denken und Fühlen doch überschaubar sind. Dann wieder (und eigentlich stärker), dass die Unterschiede zwischen Mensch, Mesch, Mensch und Mensch himmelweit sind. Kosmen trennen uns, auch wenn wir alle atmen, essen und brav unsrere Zellen teilen.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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