Backe, backe Kuchen: Wir basteln uns eine Theorie von allem
Verfasst: Mo 9. Okt 2017, 11:54
Der Naturalismus gilt vielen als angeknockt, aber eine echte Theorie, die ihn abzulösen vermag ist noch nicht in Sicht, trotz einiger Versuche.
Robert Brandoms Ansatz ist ein gelungener und beachteter, der davon ausgeht, dass wir primär sprachspielende und damit immer urteilende Wesen sind und der Verweis auf die Empirie nur eine Strategie der Rechtfertigung von Theorien und kein Fels in der Brandung ist.
Markus Gabriels pluralistischer Ansatz versucht (wie übrigens auch Brandom) den Begriff der Existenz breiter zu fassen, sein Ansatz wurde hier bereits diskutiert und ist vielen bekannt.
John McDowell steht philosophisch wohl irgendwie zwischen Brandom und Gabriel, aber seinen Ansatz kenne ich selbst nicht.
In der Regel wird der Naturalismus mit einer bottom up Strategie der Ontologie und der Erkenntnistheorie/Epistemologie identifiziert. Für die Ontologie heißt das, dass komplexere Einheiten stets aus einfacheren Vorläufern entstanden sind und das ist so gut wie immer mit einem grundlegenden Physikalismus assoziiert. Physikalismus nicht im alten Sinne als Materie-Klötzchen, die einander anstoßen, sondern als das verstanden, was die moderne Physik als Einheit von Materie und Energie und die vier Grundkräfte kennt und beahndelt.
Erkenntnistheoretisch bedeutet das für manche, dass man aus diesen Zutaten auch die Welt erklären könnte, allerdings ist mein Eindruck, dass da heute niemand mehr dran glaubt. Eine Neurose oder Theaterkritik wird niemals physikalisch fundiert sein, weil noch nicht mal im Ansatz klar ist, was das überhaupt heißen könnte.
So finden wir heute zig Fachdisziplinen: Gentechniker, Theaterkritiker, Hirnforscher, Historiker, Linguisten, Kosmologen, Mineralogen, Philosophen, Psychologen, die in mittlerweile sehr stark ausdifferenzierten Bereichen arbeiten, mit insgesamt nicht so großem, interdisziplinärem Austausch. Ich glaube, dass sehr viel, sehr Gutes schon erforscht (und oft vergessen) wurde und einfach herumliegt, so dass ich denke, dass der Versuch gar nicht so aussichtslos ist, wie man meinen könnte. Oft muss man nur sammeln, sich erinnern und intelligent in Beziehung setzen.
Meine persönliche Marotte sind ‚spirituelle‘ Erlebnisse. Mir ist es stets zu wenig gewesen, diese als eine Mischung aus Einbildung, Fehlwahrnehmung, Betrug und Zufall ad acta zu legen, dafür sind viele Phänomene zu hartnäckig und vor allem: von erheblicher subjektiver Auswirkung. Kaum etwas ist so geeignet ein Leben dramatisch zu verändern, wie spirituelle Gipfelerfahrungen.
Ich bin offen dafür, wenngleich nicht überzeugt davon, dass sie sich komplett naturalistisch erklären lassen, möchte sie aber nicht a priori als ‚no go‘ rauskicken, wie der Naturalismus es tut. Freilich kann es nicht darum gehen, fragwürdige Hilfshypothesen aus dem Geisterreich zu entlehnen, es geht mir schon um Erklärungen dessen, was wir erleben, sogar primär, denn die Lücke zwischen Ontologie und Erkenntnistheorie ist doch recht erheblich scheint (nicht nur) mir.
Nach meiner Einschätzung gibt es derzeit zwei heiße Bereiche, erstens die Kosmologie, wo von dem nicht zusammenpassen von Quantenphysik und Relativitätstheorie, bis über die Hilfshypothesen der dunklen Materie und dunklen Energie (die man beide noch nicht gefunden hat) wenig sicher scheint, es gibt hier kaum Konsens.
Der andere heiße Bereich ist die Schnittstelle zwischen Materie und Bewusstsein, Gehirn und Geist oder wie immer man es nennen will. Auf der praktische Ebene ist man da bereits weit vorgedrungen und hier tummeln sich eine Unzahl von Disziplinen: Psychopharmakologie, ‘Hirnforschung‘, Neurologie, Psychiatrie, Kognitionspsychologie, moderne Psychoanalyse, Meditationsforschung, Placebo- und Nocebo-Foschung, Philosophie des Geistes und der Emotionen, Psychoneuroimmunologie und -endokrinologie, Entwicklungspsychologie, Soziobiologie und Ethologie, KI-Forschung und Emergenzforschung, um nur einige zu nennen.
In diesen Bereichen wird glücklicherweise immer offener und kühner geforscht, aus der Erfahrung, dass man in einigen Bereichen fürchterlich auf der Stelle tritt, z.B. was chronische Schmerzen angeht, ein Bereich in den ich mich selbst etwas eingearbeitet habe und an dem viele der genannten Bereiche und Schnittstellen aufeinander treffen. Ich finde die praktischen Bereiche auch für unsere Theoriebildungen interessant, weil die Praxis ja implizit einige Theorien präferiert oder ausschließt und über die praktischen Erfolge von Ansätzen die an sich nicht so vorgesehen sind. Eine Ironie liegt darin, dass niemand mehr an Freud glaubt, er aber unsere Einstellung über das was psychologisch geht und sein darf noch immer maßgeblich prägt – was nicht schlecht ist, da Freud ein Genie war – aber mitunter auch beschränkt, da therapeutische Fortschritte unter Umgehung des Bewusstseins, des Verstehens, an sich nicht vorgesehen sind; sie klappen aber mitunter gut und das wirft natürlich neue theoretische Fragen auf.
Vielleicht also der lohnendere und weniger spekulative Bereich, aber wer gute Ideen zum erstgenannten Bereich hat oder wem noch weitere einfallen, nur zu. Neben den spirituellen Phänomenen, ist es m.E. wichtig, den Alltag zu verstehen, also das zu erklären, was wir längst können und tun. Sprechen, Interessengruppen bilden, Weltbilder annehmen und wieder ablegen, soziale Konten führen. Was passiert da? Wie wirkt sich das Innen aufs Außen aus und umgekehrt? Ist die Welt tatsächlich eine große Nützlichkeitsmaschine, in der das Wahre, Gute und Schöne im Dienst eines Funktionalismus steht?
Ich werde das Thema immer mal wieder füttern und versuchen etwas zusammenzufassen, es können hier und da Aktivitätslücken entstehen, die sind in aller Regel berufsbedingt.
Ansonsten, viel Spaß und Feuer frei.
Robert Brandoms Ansatz ist ein gelungener und beachteter, der davon ausgeht, dass wir primär sprachspielende und damit immer urteilende Wesen sind und der Verweis auf die Empirie nur eine Strategie der Rechtfertigung von Theorien und kein Fels in der Brandung ist.
Markus Gabriels pluralistischer Ansatz versucht (wie übrigens auch Brandom) den Begriff der Existenz breiter zu fassen, sein Ansatz wurde hier bereits diskutiert und ist vielen bekannt.
John McDowell steht philosophisch wohl irgendwie zwischen Brandom und Gabriel, aber seinen Ansatz kenne ich selbst nicht.
In der Regel wird der Naturalismus mit einer bottom up Strategie der Ontologie und der Erkenntnistheorie/Epistemologie identifiziert. Für die Ontologie heißt das, dass komplexere Einheiten stets aus einfacheren Vorläufern entstanden sind und das ist so gut wie immer mit einem grundlegenden Physikalismus assoziiert. Physikalismus nicht im alten Sinne als Materie-Klötzchen, die einander anstoßen, sondern als das verstanden, was die moderne Physik als Einheit von Materie und Energie und die vier Grundkräfte kennt und beahndelt.
Erkenntnistheoretisch bedeutet das für manche, dass man aus diesen Zutaten auch die Welt erklären könnte, allerdings ist mein Eindruck, dass da heute niemand mehr dran glaubt. Eine Neurose oder Theaterkritik wird niemals physikalisch fundiert sein, weil noch nicht mal im Ansatz klar ist, was das überhaupt heißen könnte.
So finden wir heute zig Fachdisziplinen: Gentechniker, Theaterkritiker, Hirnforscher, Historiker, Linguisten, Kosmologen, Mineralogen, Philosophen, Psychologen, die in mittlerweile sehr stark ausdifferenzierten Bereichen arbeiten, mit insgesamt nicht so großem, interdisziplinärem Austausch. Ich glaube, dass sehr viel, sehr Gutes schon erforscht (und oft vergessen) wurde und einfach herumliegt, so dass ich denke, dass der Versuch gar nicht so aussichtslos ist, wie man meinen könnte. Oft muss man nur sammeln, sich erinnern und intelligent in Beziehung setzen.
Meine persönliche Marotte sind ‚spirituelle‘ Erlebnisse. Mir ist es stets zu wenig gewesen, diese als eine Mischung aus Einbildung, Fehlwahrnehmung, Betrug und Zufall ad acta zu legen, dafür sind viele Phänomene zu hartnäckig und vor allem: von erheblicher subjektiver Auswirkung. Kaum etwas ist so geeignet ein Leben dramatisch zu verändern, wie spirituelle Gipfelerfahrungen.
Ich bin offen dafür, wenngleich nicht überzeugt davon, dass sie sich komplett naturalistisch erklären lassen, möchte sie aber nicht a priori als ‚no go‘ rauskicken, wie der Naturalismus es tut. Freilich kann es nicht darum gehen, fragwürdige Hilfshypothesen aus dem Geisterreich zu entlehnen, es geht mir schon um Erklärungen dessen, was wir erleben, sogar primär, denn die Lücke zwischen Ontologie und Erkenntnistheorie ist doch recht erheblich scheint (nicht nur) mir.
Nach meiner Einschätzung gibt es derzeit zwei heiße Bereiche, erstens die Kosmologie, wo von dem nicht zusammenpassen von Quantenphysik und Relativitätstheorie, bis über die Hilfshypothesen der dunklen Materie und dunklen Energie (die man beide noch nicht gefunden hat) wenig sicher scheint, es gibt hier kaum Konsens.
Der andere heiße Bereich ist die Schnittstelle zwischen Materie und Bewusstsein, Gehirn und Geist oder wie immer man es nennen will. Auf der praktische Ebene ist man da bereits weit vorgedrungen und hier tummeln sich eine Unzahl von Disziplinen: Psychopharmakologie, ‘Hirnforschung‘, Neurologie, Psychiatrie, Kognitionspsychologie, moderne Psychoanalyse, Meditationsforschung, Placebo- und Nocebo-Foschung, Philosophie des Geistes und der Emotionen, Psychoneuroimmunologie und -endokrinologie, Entwicklungspsychologie, Soziobiologie und Ethologie, KI-Forschung und Emergenzforschung, um nur einige zu nennen.
In diesen Bereichen wird glücklicherweise immer offener und kühner geforscht, aus der Erfahrung, dass man in einigen Bereichen fürchterlich auf der Stelle tritt, z.B. was chronische Schmerzen angeht, ein Bereich in den ich mich selbst etwas eingearbeitet habe und an dem viele der genannten Bereiche und Schnittstellen aufeinander treffen. Ich finde die praktischen Bereiche auch für unsere Theoriebildungen interessant, weil die Praxis ja implizit einige Theorien präferiert oder ausschließt und über die praktischen Erfolge von Ansätzen die an sich nicht so vorgesehen sind. Eine Ironie liegt darin, dass niemand mehr an Freud glaubt, er aber unsere Einstellung über das was psychologisch geht und sein darf noch immer maßgeblich prägt – was nicht schlecht ist, da Freud ein Genie war – aber mitunter auch beschränkt, da therapeutische Fortschritte unter Umgehung des Bewusstseins, des Verstehens, an sich nicht vorgesehen sind; sie klappen aber mitunter gut und das wirft natürlich neue theoretische Fragen auf.
Vielleicht also der lohnendere und weniger spekulative Bereich, aber wer gute Ideen zum erstgenannten Bereich hat oder wem noch weitere einfallen, nur zu. Neben den spirituellen Phänomenen, ist es m.E. wichtig, den Alltag zu verstehen, also das zu erklären, was wir längst können und tun. Sprechen, Interessengruppen bilden, Weltbilder annehmen und wieder ablegen, soziale Konten führen. Was passiert da? Wie wirkt sich das Innen aufs Außen aus und umgekehrt? Ist die Welt tatsächlich eine große Nützlichkeitsmaschine, in der das Wahre, Gute und Schöne im Dienst eines Funktionalismus steht?
Ich werde das Thema immer mal wieder füttern und versuchen etwas zusammenzufassen, es können hier und da Aktivitätslücken entstehen, die sind in aller Regel berufsbedingt.
Ansonsten, viel Spaß und Feuer frei.