Ich finde immer noch, dass die Idee der Weltbilder und ihrer jeweiligen Wahrheiten Charme hat.
Wenn Wahrheit keine Eigenschaft von Dingen ist, sondern von Aussagen, dann muss man die Aussagen weiter untersuchen.
Diese existieren aber nicht im kontextfreien Raum, sondern vor dem Hintergrund von Prämissen.
Gewöhnlich sieht man das als problemlos an, sofern die Aussagen/Gedanken eben mit den Dingen oder Tatsachen, übereinstimmen.
Tatsachen liegen aber nicht so leblos da, sondern hängen ihrerseits von der Sicht, die wir auf sie haben ab, wenn nicht alle, so doch manche.
Unsere Sicht macht Türme nicht größer und verändert die exakten Relationen zweier Himmelkörper nicht, aber überhaupt alles mit dem ich interagieren kann: Partner, Chefs, Nachbarn, Postboten, Haustiere und sogar noch die Nahrungsmittel und Tabletten die man zu sich nimmt, in einigen Fällen die Wahrnehmung der Länge von Linien, sowie sämtliche Geschmacksurteile und Urteile, die sich in de Grauzone zwischen Geschmack und Wahrheit befinden (War Thomas Mann ein guter Vater? Ist Donald Trump ein Narzisst? Ist Demokratie die beste Staatsform? ...) fällt darunter.
Man lebt einfach nicht in der selben Welt, wenn A denkt, er lebe in einer Demokratie und B denkt, dies sei eine "Demokratur", "Merkel-Diktatur" oder was auch immer. Der Anspruch dahinter ist ja von vollem Ernst durchdrungen und als "Geschmacksfrage" deklariert, wird das in den Kontext "Kaffee oder Tee, was mögen Sie lieber?" gestellt.
Wenn Wahrheiten einfach richtige Schlüsse aus spezifischen Prämissen sind und diese Prämissen halt individuell sind, kommt man weiter.
Der treffende Einwand wäre 1., dass die Welt ist, wie sie ist und sich nicht nach unsere Vorstellungen über sie richtet und 2., dass, wenn jeder seine eigene Wahrheit hat, man sich nicht austauschen kann.
Zu 1.: Ich glaube, das stimmt, aber nur bedingt, wie oben aufgeführt. Wir haben alle gewisse Eckdaten in unserer Kommunikation, auf die wir uns blind verlassen. Der Baum da, der weite Himmel oben, die feste Erde unten, wir wissen wo links und rechts ist und wo wir uns befinden und wir wissen, dass anderen in diesem Punkt genauso empfinden wie wir. Darum holt ein Psychiater auch keinen Kollegen, wenn ein Patient sagt, dass da ein Alien hinter der Uhr hervorschaut. Das zeigt bereits, man kann auch anders wahrnehmen, auch in diesem fundamentalen Bereich, aber die Nicht-Norm sortieren wir aus, als Psychotiker, die wir fortan nicht mehr ernst zu nehmen brauchen oder Wunderkinder, Genies, Synästhetiker, die wir bestaunen, die aber damit auch nicht der Norm entsprechen. Wären alle zufällig Synästhetiker, wäre die Ausaage, dass dieser Ton blau ist vielleicht so normal, wie eine Wegbeschreibugng für uns.
Zu 2.: Stimmt, und darum die Weltbilder.
Stimmt heißt: Der Satz, dass wir doch alle Menschen sind, ist so wenig brauchbar, wie der Satz, dass Wahrheit das sich offenbaren des Seins ist. Kann durchaus sein, nur anfangen kann man nichts damit.
Das andere Extrem lautet, dass jeder ein Individuum ist und saher seine je eigene Wahrheit hat, was ebenfalls stimmt, aber wenn die für andere nicht wenigstens in einigen Bereich gleich wäre, man könnte nicht kommunzieren. Kann man aber.
Deshalb gibt es bestimmte, wenn wir das Bild vom Massezentrum der Wahrheit aufgreifen, kulturelle Gravitationszentren, um die sich einige gruppieren, aber nicht alle, die habe ihre Gravitationszentren.
M.E. sind diese Gravitationszentren durch die Komponenten a. Pathologie/Entwicklungshöhe bestimmt, so wie ich es bislang sehe, ist er Punkt Entwicklung der gravierendste. b., durch soziale Milieus, wie
hier dargestellt und c. ist eine regionale Komponente, die man sich als kontentrische Kreise denken kannn, die mit Familie beginnt, die nahe Nachbarschaft wäre der nächste Punkt, Dorf/Stadtteil, Stadt, Bundesland/Kanton, Nation, evtl. Kontinent in jeweils abgeschwächter Weise. d. könnte evtl. das Temperament sein, vielleicht ist das ber auch kein gesonderter Punkt.
Klingt nach viel, aber aus diesen Zutaten konstituieren sich meinetwegen 20 oder 30 Weltbilder, von denen bei uns velleicht 4 oder 5 bedeutend sind. Typisch für diese Weltbilder ist, dass sie ihre je eigenen Prämissen haben, die sich wesentlich teilen. Dabei kommt es auf der Ebene gleich Entwicklungshöhe aber unterschiedlicher Enden typischerweise zu Streit, d.h. man versteht sich, redet die gleiche Sprache, ist nur anderer Meinung, während es zwischen den Ebenen zu einer charakterischen Sprachlosigkeit kommt, man weiß nicht wirklich wovon der andere redet und wo man es zu wissen glaubt, fühlt der andere sich oft missverstanden.
Das wäre mein Vorschlag, der keine reine Kopfgeburt ist, sondern mit dem ich den Anspruch verbinde, praktisch agieren zu können. Da finde ich viel Gabriel wieder (obwohl ich dessen Ideen zu der Zeit noch nicht kannte), nur dass Gabriel sich gegen Weltbilder ausspricht und ich sie als große Hilfe ansehe.
Kritik ist ausdrücklich erwünscht!