Tatsachen/Wahrheit/ontische Wahrheit

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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Sa 16. Dez 2017, 16:18

Herr K. hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 13:18
Leider hast Du mich anscheinend völlig missverstanden
Ich versuche noch mal, mein Verständnis von Gabriels Erläuterung von Tatsache darzulegen. Die [...] sollen jeweils die komplette Tatsache umfassen, einklammern; alles, was in der Klammer ist, gehört zur Tatsache. Zuerst das berühmteste Tatsachenbeispiel aller Zeiten, dann Gabriels Erläuterung, und dann die Übertragung der Erläuterung auf das Beispiel.

Tatsache= [Die Katze sitzt auf der Matte]
Tatsache= [Etwas, das über etwas wahr ist]
Tatsache= [Etwas(=sitzt auf der Matte), das über etwas (=Katze) wahr ist]




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Herr K.
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Sa 16. Dez 2017, 18:01

Hört sich sich für mich sehr merkwürdig an. Das auf-der-Matte-sitzen also soll über die Katze wahr sein? Das ergibt für mich keinen rechten Sinn, denn mir ist unklar, wie ein auf-der-Matte-sitzen den Wahrheitswert "wahr" haben kann, bzw. was das überhaupt bedeuten soll.

Damit kommen wir dann wohl zu Gabriels Wahrheitsbegriff. Was versteht Gabriel unter Wahrheit?

Oder auch so gefragt: Alethos hatte oben diese Formulierung vorgeschlagen: „Die Wahrheit der Tatsachen liegt in ihrem Sein als Seiendes‘. Wäre das mit Gabriels Wahrheitsbegriff kompatibel?
Zuletzt geändert von Herr K. am Sa 16. Dez 2017, 18:09, insgesamt 1-mal geändert.




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Jörn Budesheim
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Sa 16. Dez 2017, 18:08

Herr K. hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 18:01
Hört sich sich für mich sehr merkwürdig an. Das auf-der-Matte-sitzen also soll über die Katze wahr sein? Das ergibt für mich keinen rechten Sinn, denn mir ist unklar, wie ein auf-der-Matte-sitzen den Wahrheitswert "wahr" haben kann, bzw. was das überhaupt bedeuten soll.
Das steht da ja auch nicht. Da steht vielmehr, dass von bzw. über die Katze wahr ist, dass sie da sitzt. Meines Erachtens entspricht das in einem weiten Sinne dem, was du weiter oben selbst über Tatsachen ausgeführt hast. Wir haben zum einen das "Ding" die Katze und von dieser ist eben vieles wahr. Dass sie ein kuscheliges Fell hat, Mäuse fängt, schnurrt, auf Bäume klettern kann und zu Weihnachten in manchen Häuser Katastrophen anrichtet :-)
Herr K. hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 18:01
Oder auch so gefragt: Alethos hatte oben diese Formulierung vorgeschlagen: „Die Wahrheit der Tatsachen liegt in ihrem Sein als Seiendes‘. Wäre das mit Gabriels Wahrheitsbegriff kompatibel?
Das kann ich nicht sagen, weil ich Alethos Vorschlag nicht wirklich verstehe :-(




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Alethos
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Sa 16. Dez 2017, 19:08

Warum versteht ihr denn das nicht :-)

Es geht bei meinem Verständnis des Gabriel’schen Tatsachenbegriffs zunächst darum, Tatsachen einerseits zu bedenken und andererseits ihre Wahrheit. Die realontologische Theorie sagt, dass eine Tatsache Wahrheit an sich habe. Die Korrespondenztheorie sagt, dass die Tatsache nicht eine Wahrheit an sich habe.

Nun frage ich nach der Wahrheit an sich der Tatsache, um der Wahrheitsdefinition von Gabriel auf die Spur zu kommen. Wenn Wahrheit nicht in korrespondenztheoretischer Auslegung als Wahrheit der Aussage verstanden werden darf, dann muss Wahrheit also ohne Aussagen vorliegen können und die Frage ist deshalb: Wie kommt die Wahrheit in die Tatsache ohne Aussage resp. was heisst Wahrheit überhaupt, wenn sie nicht die Übereinstimmung der Erkenntnis mit ihrem Erkannten ist?

Und mein Deutungvorschlag ist folgender:

Es gibt Tatsachen. Sie kommen ohne unser Denken und unsere Aussagen vor: ‚In der nie gesehenen und nie gehörten Galaxie xy gibt es einen Planeten und auf ihm lebt ein grüner Elefant.‘ Nehmen wir einmal an, es gebe Tatsachen dieser Art im Universum, die wir nicht bedenken und bedenken müssen, damit sie seien. Sie sind also an sich. Sind sie nun aber wahr? Gabriel würde wohl sagen: ‚Ja,‘. Und ich denke, er würde anfügen ‚sofern es sie gibt.‘

Für den Realontologen ist die Wahrheit der Tatsache das Vorkommen der Tatsache. Wenn etwas der Fall ist, ist zugleich seine Wahrheit der Fall. Oder wie ich vorschlug: Die Wahrheit der Tatsache liegt ihrem Sein als Seiendes.



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Sa 16. Dez 2017, 19:20

Aber das Problem kommt erst mit der Folgefrage, die Herr K. gestellt hat. Wenn die Wahrheit in der Tatsache allein liegt, und nicht im Gedanken oder aber in der Aussage, dann wo liegt ihre Falschheit (Unwahrheit)?



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Sa 16. Dez 2017, 19:26

Herr K. hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 18:01
Hört sich sich für mich sehr merkwürdig an. Das auf-der-Matte-sitzen also soll über die Katze wahr sein? Das ergibt für mich keinen rechten Sinn, denn mir ist unklar, wie ein auf-der-Matte-sitzen den Wahrheitswert "wahr" haben kann, bzw. was das überhaupt bedeuten soll.
Ich weiss auch nicht genau, wie das interpretiert werden soll: Ist es eine Eigenschaft der Katze, dass sie auf dem Sofa liegt? Die Katze hat die Eigenschaft, auf dem Sofa zu liegen. Das ist doch recht merkwürdig.

Ich meine, dass die Katze und das Sofa gemeinsam eine Tatsache bilden: Die Katze liegend auf dem Sofa, das Sofa stehend unter der Katze. Diese Konstellation von Ding und Ding ergibt eine Tatsache.



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Sa 16. Dez 2017, 19:54

Herr K. hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 13:44
Alethos hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 12:41
Die Tatsache des Nichtseins von etwas kann sich natürlich genauso nur auf einen Seinsbereich beziehen, wie die Tatsache des Seins sich auch nur auf einen Bereich beziehen kann.
Könntest Du das mit den Seinsbereichen etwas näher erläutern (die hatte ich oben ausgelassen), was wären Deiner Ansicht nach z.B. Seinsbereiche?
Seinsbereiche sind ontologische Abgrenzungen, in denen etwas existieren kann und anderes nicht. Seinsbereiche sind sozusagen logische, geografische etc. Ausdehnungen in der Wirklichkeit, in denen ein Ding oder eine Tatsache ihr Sein entwickeln.

Im Seinsbereich der natürlichen Zahlen, kommt die 5 vor. Im Seinsbereich der geraden natürlichen Zahlen kommt die 5 nicht vor. ‚Pedro Diaz liegt auf seinem Bett und schreibt‘, diese Tatsache kommt im Seinsbereich der Tatsache vor, also in meiem Schlafzimmer oder in der Stadt Spiez, nicht aber in allen anderen Schweizer Städten.

Das Sein einer Tatsache ist an einen Seinsbereich gebunden. Die Tatsache ist sozusagen durch ihren Seinsbereich als diese Tatsache erst gegeben.

‚Pedro Diaz liegt auf seinem Bett und schreibt‘ ist nur ein Ausschnitt aller anderen Tatsachen, die mit dieser expliziten Tatsache verbunden sind. Es ist nämlich auch Tatsache, dass Pedro Diaz in diesem Forum schreibt, während er liegt und 38 Jahre alt ist. Dass seine Frau gerade Skirennen schaut und die Erde sich dreht. Es gehört alles zur Wirklichkeit der Tatsache: Dass ich 38 Jahre alt bin hat aber mit dem Seinsbereich meines Schlafzimmers nichts zu tun, sondern mit der Zählung der Jahre seit der Geburt, also mit natürlichen Zahlen. Dass meine Frau Skirennen schaut hat mit dem Seinsbereich des Forums nichts zu tun, mein Schreiben aber schon.

Das Sein der Tatsache bezieht sich also immer auf einen Seinsbereich, z.B. den maximal grossen Seinsbereich des Universums. Aber nirgends bezieht sich das Nichtsein einer Tatsache auf keinen Seinsbereich.

Auch das Nichtsein hat eine Tatsache in einem Seinsbereich, nämlich in jenem, in welchem sie nicht ist. Es kann sein, dass ich etwas denke, das aber nicht jenseits meines Gedankens existiert. Das wäre dann offenbar ein falscher Gedanke, z.B. ‚Herr K. wohnt auf Bora Bora.‘ Dieser Gedanke ist eine Tatsache, die im Seinsbereich meines Denkens vorkommt. Die Tatsache, dass Herr K. auf Bora Bora wohnt, kommt im Seinsbereich von Bora Bora aber nicht vor, weshalb der Gedanke zwar Tatsache ist, aber von etwas handelt, das nicht ist. Er ist ein falscher Gedanke.

Als falscher Gedanke ist seine Tatsache eingelassen in seine Falschheit. Der Irrtum des Gedankens ist also gebunden an ein denkendes Subjekt.



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novon
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So 17. Dez 2017, 01:43

iselilja hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 13:17
Alethos hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 12:41
Der falsche Gedanke kommt aber ohne Subjekt nicht aus, denn das Subjekt erschafft ja einen Gedanken, dessen Inhalt eine Tatsache ist, die jenseits des Gedankens nicht existiert.
Wunderbar, dieser Satz erklärt die ganze Komplexität in einem. Sehr schön!
Und warum sollte das Denken eines Falschen keine Tatsache darstellen? E. g. "Es ist wahr, dass Knut denkt, das Horst etwas falsches annimmt": Tatsache, dass es sein könnte das Horst tatsächlich etwas falsches annimmt und ebenso Tatsache, dass Knut denkt, dass es sich derart verhalten könnte. Wahr oder falsch spielen keine Rolle bezüglich dessen, ob es um Tatsachen ginge. Fakt ist: Knut denkt dies und Horst nimmt irgendwas an (oder auch nicht). Knut könnte sich irren, dass stellte allerdings auch nichts anderes als eine Tatsache dar.
Ich könnte mich nun zwar darin irren, diesen Post abgesetzt zu haben, aber Tatsache ist, dass ich ihn entweder abgesetzt habe, oder nicht... :roll:




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Jörn Budesheim
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So 17. Dez 2017, 06:48

novon hat geschrieben :
So 17. Dez 2017, 01:43
Und warum sollte das Denken eines Falschen keine Tatsache darstellen?
Alethos hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 19:54
Als falscher Gedanke ist seine Tatsache eingelassen in seine Falschheit.
Ich denke Alethos wollte genau das ausdrücken, novon. Wenn ein Satz falsch ist, dann ist es eine Tatsache, dass er falsch ist.




Tosa Inu
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iselilja hat geschrieben :
Do 14. Dez 2017, 18:56
Wir haben also Tatsachen, die unabhängig vom Erkennen da sind. Dann kommt evtl. das Erkennen der Tatsache als solche oder auch nicht. Und im Falle des Erkennens liegt jene Tatsache in interpretierter Form vor - sozusagen: es gibt von da an die Möglichkeit vieler verschiedener Aussagen zu ein und derselben Tatsache.

Würdest Du soweit mitgehen?
Das Problem liegt m.E. in der Doppelrolle des Begriffs "Tatsache". Ich hatte das schon mal im Psychologismus-Thread beschrieben:
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 24. Nov 2017, 14:03
Ich glaube nicht, dass eine Tatsache Wahrheit in sich trägt. Das Problem ist in meinen Augen einfach, dass wir Tatsachen nicht direkt sehen können und unser Denken und Reden zu einem großen Teil (nach Kant vollständig) ein Urteilen ist. Damit ist das Benennen einer Tatsache eigentlich oder immer auch das Behaupten einer Tatsache und der Teufel hat gewollt, dass bei uns der Akt der Behauptung und der Beweis derselben gerne mal zusammen fallen, was aber vermulich einfach dem Umstand geschuldet ist, dass wir sehen und sprechen und beides in uns vereint werden muss.
iselilja hat geschrieben :
Do 14. Dez 2017, 18:56
Ich überlege nämlich gerade, weil in einem anderen Forum eine Diskussion über Realität geführt wird, das hier evtl. auch einzuleiten. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch in dem hier behandelten Kontext sehr interessant werden kann.
Bei einer davon habe ich mit gemacht, die fand ich halbwegs desaströs. Im Gabriel Thread hatten wir das auch schon mal versucht, ergebnislos.
Meine Intuition ist zwar, dass es sowohl numerische als auch fiktionale Realitäten gibt, aber es ist nicht gelungen die Existenzform dieser Bereiche auszuweisen.
Zuletzt geändert von Tosa Inu am So 17. Dez 2017, 08:11, insgesamt 1-mal geändert.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Herr K.
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So 17. Dez 2017, 07:54

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 18:08
Das steht da ja auch nicht. Da steht vielmehr, dass von bzw. über die Katze wahr ist, dass sie da sitzt. Meines Erachtens entspricht das in einem weiten Sinne dem, was du weiter oben selbst über Tatsachen ausgeführt hast. Wir haben zum einen das "Ding" die Katze und von dieser ist eben vieles wahr. Dass sie ein kuscheliges Fell hat, Mäuse fängt, schnurrt, auf Bäume klettern kann und zu Weihnachten in manchen Häuser Katastrophen anrichtet :-)
Es fragt sich aber, was es ist, das über die Katze wahr ist - wenn nicht Urteile/Behauptungen/Aussagen gemeint sind.

Die naheliegende Antwort wäre: es sind Tatsachen, die wahr sein sollen. Siehe dazu auch Alethos Beitrag 10004. Ich denke, seinen Vorschlag "Die Wahrheit der Tatsache liegt ihrem Sein als Seiendes." kann man auch so ausdrücken: die Wahrheit einer Tatsache ergibt sich aus ihrem Bestehen. Oder: die Wahrheit einer Tatsache ist gleichbedeutend mit dem Bestehen der Tatsache.

Das Problem an dieser Stelle liegt nun mE nicht an dem, was Gabriel sagt, sondern an dem, was Du sagtest. Nämlich dass es keine Wahrheitsträger gäbe (woraus aber folgen würde, dass nichts wahr wäre) und dass Tatsachen nicht wahr seien. Woraus sich dann die Frage ergab, was es denn sei, was hier wahr sein soll.

Ich denke auch, es gibt einen wesentlichen Unsterschied zu dem, was ich oben bezüglich Tatsachen ausgeführt habe: demnach gäbe es nämlich keine negativen Tatsachen, nach Gabriels Ansicht scheint es solche aber zu geben. Nehmen wir wieder unsere Katze und nehmen an, es sei wahr, dass die Katze auf der Matte säße. Ergo wäre es falsch, dass sie im Garten herumliefe. Nach meinem Verständnis von Tatsache wäre dann [Katze; sitzt auf der Matte] eine Tatsache, jedoch [Katze; läuft nicht im Garten herum] wäre keine Tatsache. So wie ich Gabriel bislang verstehe, wären nach seiner Auffassung jedoch beides Tatsachen.




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So 17. Dez 2017, 08:11

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 11:42
Herr K. hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 07:35
Ich denke, dass der anders aussieht, denn Gabriel argumentiert irgendwo sinngemäß so (aus dem Gedächtnis, die fragliche Stelle habe ich jetzt nicht parat): es kann nicht nichts geben, denn wenn es nichts gäbe, dann gäbe es immer noch die Tatsache, dass es nichts gäbe. Nach der obigen Charakterisierung von "Tatsache" wäre dem jedoch nicht so. (Wenn es nichts gäbe, dann auch nichts, woraus sich eine Tatsache konstituieren könnte.)
Ich meine, das stammt aus einem Vortrag und ist ...
Ich glaube, das war der Votrag der am Anfang vom Gabriel-Thread verlinkt ist.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 11:42
Allerdings meine ich auch, dass der logische Raum niemals leer sein kann.
Auch nicht bevor es denkende Wesen gab?
Das wäre dann die platonische oder fregesche Idee der Logik.
Gabriel weist das ja zurück, da Frege die Logik und einen wahren Gedanken "nicht mehr als etwas auffasst, das überhaupt mit Bewusstseinszuständen zu tun hat".

Gabriel kritisiert in dem anderen Vortrag, seiner Antrittsrede, dass die Korrespondenztheorie immer einen Status der Objektivität voraussetzt, den wir nicht haben können. Auch kann man sagen, dass die Wahrheit in dem Satz "Schnee ist weiß, ist wahr", nur zirkulär ist und darin liegt, dass wir die Farbe des Schnees eben weiß nennen.

An Heideggers Wahrheitsbegriff stört Gabriel, dass dieser im Unbestimmbaren bleibt. Wenn die (ganzheitliche) Offenbarung (Entbergung, Entborgenheit) des Seins als wahr gilt, ist der maximal wahre Begriff auch maximal unbestimmt.

Gabriels Intuition ist wohl, dass die Wahrheit über die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen müsse und da wir ziemlich korrespondenztheoretisch unterwegs sind, kann das im Grunde nur heißen, etwas zu Heidegger hin verschoben, aber ich kann nicht sehen, was das konket heißen soll.
Zumal die Kritik, dass wir nicht objektiv genug sein können, in Heidegger zwar in puncto Objektivitätsskespsis seine Unterstützung findet, aber wenn die Lösung lauten soll, mehr Subjektivität, dann ist Heidegger nicht die richtige Adresse.

Vielleicht sollten wir mal schauen, ob es einen absoluten Begriff der Wahrheit überhaupt geben kann.
Wahrheit ergibt sich immer dann, wenn man sich - explizit oder meistens implizit - dazu 'entschlossen' hat, bestimmte Prämisse gelten zu lassen.
Logische Schlusssätze, Prämissen darüber, was die ersten Dinge sind und wie die Welt funktioniert oder aufgebaut ist.
Kann man überhaupt sagen, dass irgendwas davon in einem absoluten Sinne wahr ist, wahr sein kann?



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So 17. Dez 2017, 08:16

Herr K. hat geschrieben :
So 17. Dez 2017, 07:54
Ich denke auch, es gibt einen wesentlichen Unsterschied zu dem, was ich oben bezüglich Tatsachen ausgeführt habe: demnach gäbe es nämlich keine negativen Tatsachen, nach Gabriels Ansicht scheint es solche aber zu geben. Nehmen wir wieder unsere Katze und nehmen an, es sei wahr, dass die Katze auf der Matte säße. Ergo wäre es falsch, dass sie im Garten herumliefe. Nach meinem Verständnis von Tatsache wäre dann [Katze; sitzt auf der Matte] eine Tatsache, jedoch [Katze; läuft nicht im Garten herum] wäre keine Tatsache. So wie ich Gabriel bislang verstehe, wären nach seiner Auffassung jedoch beides Tatsachen.
Die falsche Aussage soll ja eingebettet sein und in ihrer Falschheit darauf verweisen, dass es auch wahre gibt.
Nur wüsste ich nicht, woran ich das im Einzelfall erkennen soll und das ist das analoge Problem zur Korrespondenztheorie.



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So 17. Dez 2017, 08:18

iselilja hat geschrieben :
Do 14. Dez 2017, 18:56
Ich überlege nämlich gerade, weil in einem anderen Forum eine Diskussion über Realität geführt wird, das hier evtl. auch einzuleiten. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch in dem hier behandelten Kontext sehr interessant werden kann.
Mach doch einfach :-)




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So 17. Dez 2017, 08:27

Alethos hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 12:41
Eine Tatsache besteht aus einzelnen Dingen, die miteinander in Beziehung stehen.
Alethos hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 12:41
In der nie gesehenen und nie gehörten Galaxie xy gibt es einen Planeten und auf ihm lebt ein grüner Elefant
Die Tatsache, dass der Elefant grün ist harmoniert aber nicht mit deiner Erläuterung da drüber, oder?
Alethos hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 19:26
Die Katze hat die Eigenschaft, auf dem Sofa zu liegen. Das ist doch recht merkwürdig.
Der Begriff Eigenschaft wird in der Philosophie oft sehr weit verwendet: Dass die Katze ein graues Fell hat, ist in dieser weiten Verwendung ebenso eine ihrer Eigenschaften, wie der Umstand, dass sie auf der Matte sitzt, sieben Jahre alt ist und auf den Name Diaz hört :-)




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So 17. Dez 2017, 08:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 17. Dez 2017, 08:27
Die Tatsache, dass der Elefant grün ist
Über Eigenschaften könnten wir wahrscheinlich einen eigenen Thread aufmachen :) Du erinnerst dich noch an die kurze Diskussion mit Hermeneuticus über die Seinsweise von Eigenschaften. Er meinte damals, sie seien allgemein und in ihrer Allgemeinheit hätten sie eine andere Existenzform. Ich teile diese Auffassung nicht, aber es ist dennoch nicht ganz eindeutig, was Eigenschaften eigentlich sind.

Zu deiner Frage, ob die Tatsache, dass der grüne Elefant auf dem unbekannten Planeten xy der Behauptung widerspreche, die Tatsache bestehe aus Dingen in Relation miteinander, kann ich nicht gezielt antworten. Ich weiss nicht, wo dein Einwand argumentativ hinläuft :)
Das Grünsein des Elefanten halte ich für unabhängig von der Erkenntnis des Elefanten resp. halte ich die Eigenschaft, die bei einer allfälligen Betrachtung durch uns des Elefanten Grün erschiene, für erkenntnisunabhängig vorkommend.
Zuletzt geändert von Alethos am So 17. Dez 2017, 08:58, insgesamt 3-mal geändert.



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So 17. Dez 2017, 08:53

Tosa Inu hat geschrieben :
So 17. Dez 2017, 07:22
Meine Intuition ist zwar, dass es sowohl numerische als auch fiktionale Realitäten gibt, aber es ist nicht gelungen die Existenzform dieser Bereiche auszuweisen.
Diese Deine Intuition könntest Du - bezüglich des Fiktionalen - im Thread Fiktionaler Realismus näher erläutern.




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So 17. Dez 2017, 09:04

Mir ist es nicht gelungen, da eine Antwort zu finden, aber es macht sicher Sinn da noch mal stärker drüber nachzudenken.
Leider ist da in den nächsten Tagen von mir wenig zu erwarten, da ich kaum Zeit habe, meine spärliche Beteiligung ist keinem Mangel an Interesse geschuldet, lediglich an Zeit. Mitlesen kann ich.



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So 17. Dez 2017, 09:14

Tosa Inu hat geschrieben :
So 17. Dez 2017, 08:16
Die falsche Aussage soll ja eingebettet sein und in ihrer Falschheit darauf verweisen, dass es auch wahre gibt.
Nur wüsste ich nicht, woran ich das im Einzelfall erkennen soll und das ist das analoge Problem zur Korrespondenztheorie.
Ich finde es merkwürdig, dass Du mich hier zitiert hast, denn das, was Du hier sagst, hat rein gar nichts mit dem, was ich geschrieben hatte, zu tun.

Dann sind nicht nur falsche, sondern auch wahre Aussagen "eingebettet" insofern, als es jeweils eine Tatsache wäre, dass die fraglichen Aussage geäußert wurde.

Nehmen wir ein Beispiel: 1. Herr K. sagt: "Tosa Inu ist eine Frau", 2. Herr K. sagt: "Tosa Inu ist ein Mann".

Nun ist vermutlich eine dieser Aussagen wahr und eine ist falsch. Woran Du das erkennen kannst, muss ich vielleicht nicht erläutern.




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So 17. Dez 2017, 09:27

Alethos hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 12:41
Eine Tatsache besteht aus einzelnen Dingen, die miteinander in Beziehung stehen. [Hervorhebung von mir]
Alethos hat geschrieben :
Sa 16. Dez 2017, 12:41
In der nie gesehenen und nie gehörten Galaxie xy gibt es einen Planeten und auf ihm lebt ein grüner Elefant [Hervorhebung von mir]
Mein Einwand ist, dass deine Erläuterung von Tatsache dein eigenes Beispiel nicht würdigt. Für Dinge, die miteinander in Beziehung stehen, ist die Katze auf der Matte paradigmatisch. Aber der Umstand, dass der Elefant grün ist, wird von diesem Paradigma nicht umstandslos erfasst, weil deine Erläuterung dafür im Grunde zu spezifisch ist. Sie passt auf Hans, der neben Ulli steht, die Erde, die sich um die Sonne dreht, aber nicht auf Spaghetti, die lang sind und gelb. Die Erläuterung von Gabriel oder auch die einfache Formel Fx sind demgegenüber so allgemein gehalten, dass sie auch die Tatsache, dass Spaghetti lang und gelb sind, umfassen.




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