Tatsachen/Wahrheit/ontische Wahrheit

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Herr K.
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Di 16. Jan 2018, 17:33

Dass Sinnfelder von Gabriel nicht besonders gut bestimmt sind, ist durchaus auch anderen aufgefallen.

Dein "dreiblättriges Kleeblatt" wäre nun so etwas wie eine "3-Welten-Ontologie" - aber das lehnt Gabriel explizit ab, er möchte ja eine pluralistische Ontologie vertreten. Auch mit Seelen/mentaler/astraler-Wanderung hat er, glaube ich, nichts am Hut. (Darum ging's mir aber auch nicht.)

Wenn die Welt der Mathematik ein eigener Kosmos wäre (bzw.: die 3. Welt der 3 Welten-Ontologie), dann wäre die Frage, wie wir da hinein kämen. (Erwähntest Du ja aber bereits.)

Ansonsten ist mir nicht klar, was für Welten Du mit "im Kontakt zu all den Welten, die es gibt" meinst.




Tosa Inu
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Di 16. Jan 2018, 18:50

Herr K. hat geschrieben :
Di 16. Jan 2018, 17:33
Ansonsten ist mir nicht klar, was für Welten Du mit "im Kontakt zu all den Welten, die es gibt" meinst.
Damit meine ich im Grunde all die Sinnfelder, Bereiche oder Welten, in die man weiter vordringen kann und die dann eine gewisse Eigengesetzlichkeit entwickeln, die einen mitnimmt oder an die man sich halten muss. Manchmal könnte das lediglich eine Vergrößerung eigener Kompetenzen oder Differenzierungen sein, aber das erklärt es nicht immer: m.E. in vielen Fällen der Intuition nicht, wenn ein Musiker eine ganze Sinfonie fertig im Kopf hat oder wenn eine Geschichte oder ein Roman eine andere Wendung nimmt, als der Autor selbst dachte.

Da gibt es m.E. verschiedene Welten, einige sind rein menschengemacht, andere sind bestimmte Prämissen vielleicht gemischt nicht erfundenen Regularitäten, einige sind überindividuell, aber m.E. vollkommen 'natürlich' (biologisch, physisch), wieder andere könnten spirituell sein, die können wir hier aber gerne ausblenden.

Welt(bild) muss für mich etwas halbwegs komplexes sein, einen Satz würde ich nicht als Weltbild bezeichnen, ihn als Sinnfeld zu sehen, fiele mir derzeit schwer.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Herr K.
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Mi 17. Jan 2018, 12:21

An der Stelle wirst Du dann immer furchtbar schwammig. Es gibt dabei nichts Konkretes, auf dem man aufbauen könnte. Du sagst ja nicht mehr, als dass es vielleicht irgendwie irgendwelche Welten geben könnte, wobei noch nicht mal klar ist, was Du mit "Welt" hier eigentlich meinst.

Ich denke, eine Weltsicht/ein Weltbild und/oder Ontologie muss ein paar grundsätzliche Dinge berücksichtigen, um plausibel zu sein, zunächst mal ist das dies: 1. es gibt eine raumzeitliche Welt mit raumzeitlichen Dingen und wir selber gehören zu diesen Dingen und 2. nicht alles, was wir meinen, ist auch der Fall, d.h. wir können uns irren.

Gabriel scheint nun die 1 zu leugnen. Wiewohl das nicht ganz klar ist, so wie fast alles in seiner Ontologie nicht ganz klar ist. Zumindest aber sieht es so aus, als ob die raumzeitliche Welt in Gabriels Ontologie lediglich ein Sinnfeld unter unzähligen anderen gleichrangigen Sinnfeldern sei. Aber das berücksichtigte dann nicht mehr den Unterschied zwischen "bloß eingebildet sein" und "der Fall sein", bzw. "behaupten, dass x" und "x". Das mag zwar vielleicht gerade der Witz an Gabriels Ontologie sein, dass dieser Unterschied wegfällt - ist aber leider auch nicht ganz klar - aber das wäre mE äußerst unplausibel.

Nun ja, vermutlich kommen nur wir beide an der Stelle nun nicht mehr weiter.
----
Ich kann noch einen mE ziemlich interessanten Artikel empfehlen über die Spielarten des sogenannten neuen Realismus. Es geht darin auch, aber nicht nur, um Markus Gabriel. Sondern es werden auch Quentin Meillassoux, Ray Brassier, Graham Harman, Ian Hamiton Grant, Maurizio Ferrari und diverse andere zeitgenössische Philosophen erwähnt bzw. auch besprochen. Der Artikel ist auf Französisch, daher hier ein Link mit Google-Übersetzer: Pascal Engel - Le réalisme kitsch.

Der Google-Übersetzer produziert machmal ziemliches Kauderwelsch, aber hier macht er seinen Job halbwegs gut.




Tosa Inu
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Mi 17. Jan 2018, 14:31

Herr K. hat geschrieben :
Mi 17. Jan 2018, 12:21
An der Stelle wirst Du dann immer furchtbar schwammig. Es gibt dabei nichts Konkretes, auf dem man aufbauen könnte. Du sagst ja nicht mehr, als dass es vielleicht irgendwie irgendwelche Welten geben könnte, wobei noch nicht mal klar ist, was Du mit "Welt" hier eigentlich meinst.
Klar, ich weiß ja selbst nicht, was ich da meine. Ich komme an dieser Stelle von der praktischen Seite und habe da keine fertige Ontologie in der Tasche, die ich bei Bedarf präsentieren könnte.

Ich weiß ja auch nicht, ob das am Ende alles biologistisch/physikalistisch zu erklären wäre, mir ist es für die Praxis auch egal, theoretisch fände ich es sehr spannend, mehr zu wissen. Für mich ist ein Weltbild, die Summe der gegenwärtigen, dynamischen, bewussten und unbewussten Einstellungen darüber, wie die Welt und die Beziehungen ihrer Bewohner untereinander funktioniert.
Herr K. hat geschrieben :
Mi 17. Jan 2018, 12:21
Ich denke, eine Weltsicht/ein Weltbild und/oder Ontologie muss ein paar grundsätzliche Dinge berücksichtigen, um plausibel zu sein, zunächst mal ist das dies: 1. es gibt eine raumzeitliche Welt mit raumzeitlichen Dingen und wir selber gehören zu diesen Dingen und 2. nicht alles, was wir meinen, ist auch der Fall, d.h. wir können uns irren.

Gabriel scheint nun die 1 zu leugnen. Wiewohl das nicht ganz klar ist, so wie fast alles in seiner Ontologie nicht ganz klar ist.
Das könnte er dann tun, wenn er der Meinung wäre, dass die physische Welt keine Referenzwelt per se ist, obwohl sie es für uns sein könnte.
Dafür müsste ich dann aber wissen, in welchem Sinnfeld Menschen Gabriel zufolge leben oder vorkommen.

Für mich ist ein Weltbild ein stabiler Interpretationsmodus, der höchst alle 2 - 5 Jahre gewechselt werden kann (außer bei kleinen Kindern) und oft Jahrzehnte nicht verändert wird. Die Sinnfelder scheinen da viel variabler zu sein, es könnte sein, dass eine dominantes Weltbild zu haben gleichzeitig bedeutet bestimmte Sinnfelder häufiger zu 'besuchen' andere hingegen seltener.
Herr K. hat geschrieben :
Mi 17. Jan 2018, 12:21
Zumindest aber sieht es so aus, als ob die raumzeitliche Welt in Gabriels Ontologie lediglich ein Sinnfeld unter unzähligen anderen gleichrangigen Sinnfeldern sei. Aber das berücksichtigte dann nicht mehr den Unterschied zwischen "bloß eingebildet sein" und "der Fall sein", bzw. "behaupten, dass x" und "x". Das mag zwar vielleicht gerade der Witz an Gabriels Ontologie sein, dass dieser Unterschied wegfällt - ist aber leider auch nicht ganz klar - aber das wäre mE äußerst unplausibel.
Mein Eindruck ist, dass er da wohl beides will. Gabriel betont überhäufig den Begriff der Wahrheit, ich vermute stark, dass er nicht will, dass Sinnfeld bedeutet, dass jeder irgendwas erzählen und dann einfach zu seinem mehr oder minder privaten Sinnfeld eklären kann. Ich vermute allerdings auch, dass er die Geister, die er rief nun einfach nicht los wird und das - wohl zu seinem Bedauern - eine Konsequenz seiner Prämissen ist.
Herr K. hat geschrieben :
Mi 17. Jan 2018, 12:21
Nun ja, vermutlich kommen nur wir beide an der Stelle nun nicht mehr weiter.
An der Stelle ist es glaube ich an Gabriel, Sinnfeld besser zu definieren, das ist der mit Abstand schwächste Punkt seiner SFO, die ganze Diskussionen im Details sind recht sinnlos, wenn dies nicht geklärt ist.
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Herr K. hat geschrieben :
Mi 17. Jan 2018, 12:21
Ich kann noch einen mE ziemlich interessanten Artikel empfehlen über die Spielarten des sogenannten neuen Realismus. Es geht darin auch, aber nicht nur, um Markus Gabriel. Sondern es werden auch Quentin Meillassoux, Ray Brassier, Graham Harman, Ian Hamiton Grant, Maurizio Ferrari und diverse andere zeitgenössische Philosophen erwähnt bzw. auch besprochen. Der Artikel ist auf Französisch, daher hier ein Link mit Google-Übersetzer: Pascal Engel - Le réalisme kitsch.

Der Google-Übersetzer produziert machmal ziemliches Kauderwelsch, aber hier macht er seinen Job halbwegs gut.
Vielen Dank, den lese ich mir durch.

Wie würdest Du für Dich das Phänomen erklären, dass es bestimmte Bereiche gibt, die eine Art Eigenregie im Leben übernehmen? Bestimmte natürliche Regularitäten, kann man nicht einfach ändern. 'Erfundene' Regeln ziehen natürlich auch bestimmte Konsequenzen logisch nach sich und setzen damit Grenzen. Es wird relativ schnell kompliziert, wenn man z.B. gut (fair/gerecht) sein will. Ist Wahrheit überhaupt eine Größe, die sich über alle Sinnfelder erstreckt?

Wobei der eigentliche Punkt der mich umtreibt der ist: Wenn man von etwas überzeugt ist, ist das ab diesem Moment eine reale und wirkmächtige Größe im Leben und die Frage ist, wie das ontologisch zu bewerten ist. Ist das nun irgendwas psychisches oder ist man zu irgendeinem Sinnfeld oder einer Welt durchgebrochen? Eine Welt wäre für mich etwas, was eine gewisse Kontinuität aufweist, was vielleicht einen interpretativen Rahmen gestattet, aber doch als diese Welt doch auch durch jede interpretative Brille erkennbar sein muss. So sieht Gabriel es glaube ich auch, wenn er betont, dass von dem was in Sinnfeldern erscheint gewisse Grenzen (der Interpretation) gesetzt werden. Eine Rohrzange ist kein Deospray, keine logische Operation und kein Hilfsverb, auch wenn sie vielleicht Flaschenöffner, Waffe und Musikinstrument sein kann. Wenn jemand meditiert, macht er bestimmte recht vorhersehbare Erfahrungen, was eigentlich sonderbar ist, angesichts der verschiedenen Menschen in unterschiedlichen Kulturen und Zeiten. Ist das nun eine biologische Reaktion oder der Kontakt zu einer anderen Welt?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 17. Jan 2018, 15:59

Habe den verlinkten Text nun zu 80 - 90% gelesen, im hinteren Teil leidet die Übersetzung dann so stark, dass es mir nicht mehr möglich war, den Sinn nachzuvollziehen.

„Doing das Recht auf Intentionalität, so ist dies keineswegs eine neue Provinz öffnet nicht - existierende Objekte, Objekte Wellen, spirituelle Objekte, oder wer weiß was sonst - wie ein vergessener Bereich offen ist kurz sein: Wege zu finden , jedes Mal konkret das Problem der Identifizierung zu fragen , was ist. „( Ibid ., S. 71)

Hier bin ich ausgestiegen. Das erste Drittel kann man sich schenken, viel Geplänkel, der Mittelteil ist aber in der Tat sehr treffend, hat starke Passagen und bestätigt ja die im Thread geäußerte Kritik. Schlagend fand ist, dass man klare Definitionen bei den Neuen Realisten selten findet, Gabriel definiert die Hälte glasklar, anderes (wie Sinnfeld) gar nicht oder völlig unzureichend.
Dass Realist auf dem einen Gebiet zu sein oft heißt Antirealist auch dem anderen zu sein, finde ich eingängig, an die Postmoderne fühlte ich mich (bei Gabriel) auch öfter erinnert, alles ist Text, heißt es da, alles ist Sinnfeld hier. Warum das Sinnfeld bei Goethes Hexen tatsächlich mehr ist als Text, ich weiß es nicht. Behauptet wird es, belegt nie, man muss sich das irgendwie denken und dann scheint es zu stimmen, woran man nun erkennen können soll, dass dies alles tatsächlich existiert (über das, dass man sich irgendwie eine Welt vorstellen kann, in der das so ist) habe ich weder bei Gabriel, noch seinen Ahängern gefunden.

Ich finde es abschließend gesagt, schade, dass da nicht mehr dran ist, aber bis ich keine klare Definition vom Sinnfeld und dessen Reichweite erhalte, sehe ich das inzwischen eher als Zeitvergeudung an. Danke für den Text, ich verlasse mich einfach drauf, dass sollte mehr an der SFO sein, als wir beide aktuell darin sehen können, dies nicht unbemerkt bleiben wird.



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Herr K.
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Mi 17. Jan 2018, 16:51

Ja, der Google-Übersetzer produziert leider manchmal ziemliches Kauderwelsch, DeepL ist besser, aber übersetzt keine ganzen Seiten. Hier mal das Ende des Artikels (übersetzt mit DeepL, ein bisschen korrigiert mit meinem Schulfranzösisch):

[...] ich [werde] den neuen Realisten nur vorschlagen, dass sie sich für ein paar Fragen interessieren. Die erste ist die Beziehung zwischen Sein und Wahrheit, oder das, was Aristoteles die Konvertibilität von Sein und Wahrheit nennt. Das setzt eine Theorie der Wahrheit voraus. Jeder der Autoren ist der Meinung, dass es sich um einen logischen oder trivialen Begriff handelt, der ihre spekulativen Bemühungen nicht verdient. Die zweite Frage ist, ob man realistisch sein kann, indem man lediglich deskriptiv ist und die Dinge, die es gibt, aufführt. Jeder Realismus, auch der der "großzügigen" Art, setzt voraus, dass es Entitäten gibt, die fundamentaler sind als andere, die im Vergleich zu anderen den Status der Begründung oder Erklärung haben und andere, die zweifellos auf diese reduziert werden können (Realismus setzt ein Prinzip der Reduktion, nicht der Irreduktion voraus). Drittens geht es darum, die Beziehungen zwischen Sein und Erkennen, d. h. zwischen Metaphysik und Erkenntnistheorie, genauer unter die Lupe zu nehmen. Aber all diese Fragen sind schwierig, sie erfordern etwas anderes als Postulationen und metaphysische Frechheit, etwas anderes als Pseudo-Reduzierung oder das, was Peirce als Schrott-Argumentation bezeichnet. Solange diese Fragen unter den Teppich gekehrt werden, werden unsere neuen Realisten sich selbst zu Junk-Realisten, zu Kitsch-Realisten verkürzen.

Was den Punkt 1 und Gabriel angeht: tatsächlich kommt Wahrheit bei Gabriel sehr kurz. Er definiert Tatsachen über Wahrheit (1. "Unter einer Tatsache verstehe ich etwas, was über etwas wahr ist."), aber Tatsachen sollen selber Wahrheiten sein (2. "Tatsachen sind nicht primär Wahrmacher, sie sind selbst Wahrheiten."). Das ist zirkulär und somit wenig erhellend, weder sein Begriff "Tatsache", noch sein Begriff "Wahrheit" wird dadurch geklärt.

"Glasklare Definitionen" sehen für mich anders aus.
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Zitate 1 und 2 aus Neutraler Realismus: Jahrbuch-Kontroversen 2, S. 19




Tosa Inu
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Do 18. Jan 2018, 09:14

Herr K. hat geschrieben :
Mi 17. Jan 2018, 16:51
Was den Punkt 1 und Gabriel angeht: tatsächlich kommt Wahrheit bei Gabriel sehr kurz. Er definiert Tatsachen über Wahrheit (1. "Unter einer Tatsache verstehe ich etwas, was über etwas wahr ist."), aber Tatsachen sollen selber Wahrheiten sein (2. "Tatsachen sind nicht primär Wahrmacher, sie sind selbst Wahrheiten."). Das ist zirkulär und somit wenig erhellend, weder sein Begriff "Tatsache", noch sein Begriff "Wahrheit" wird dadurch geklärt.
Um mal wieder von Gabriel ins Allgemeinere zu kommen. Ich glaube, dass das Verhältnis und Tatsache zur Wahrheit auch allgemein schwierig ist, da sowohl das Aufstellen eine Behauptung als auch deren Wahrmachen in vielen Fällen ein ähnlicher Akt ist.
Deskription, Punkt 2, ist für mich nie bloße Deskription, denn was ich als 'gibt es', oder 'so ist es' betrachte, ist immer schon getragen von Prämissen, hier hat die Postmoderne wirklich mal gute Dienste geleistet, in dem sie das für viele Fälle aufgezeigt hat.
Sein und Erkennen, Punkt 3, zuammenzufügen ist ohnehin ein Großprojekt der ggw Philosophie, bislang eher leidlich gelungen.
In ungeheuer vielen Bereichen scheint es so zu sein, dass wir uns von liebgewonnenen Modellen aus den letzten Jahrzehnten verabschieden müssen und es zegt sich immer mehr, dass alles viel komplizierter ist, als wir uns das vorstellen.

So weit wahr allerdings die Systemtheorie auch schon und ist den falschen, aber konsequenten Weg gegangen, einfach alles mit in die Betrachtungen einzubeziehen, was einen Einfluss haben könnte, da fehlte dann wieder der hierarchsierende Blick darauf, was wirklich zählt, den die anderen hatten. Da sich aber auch kleine Effekte synergistisch verstärken oder hemmen können, weiß man bei indefinit vielen Einflussfaktoren auch nicht, an welcher Stelle diese Synergieeffekte z.B. einen Monstereffekt aufheben.

Es muss m.E. dringend geklärt werden, was Bewusstsein ist und wie es mit Materie interagiert, falls es etwas anderes als Materie ist. Denkbar wäre, dass Bewusstsein eine Instanz ist, die Mateire zur Bereitstelung braucht, um dann im SInne einer schwachen ontologischen Unabhängigkeit in einer Art quasiautonomem Zustand zu sein, so sehen es vermutlich derzeit die meisten. Ich war gestern auf einem Vortrag, bei dem, wieder mal, die Idee aufkam, dass man sich bei der Reizweiterleitung im Körper wohl von der Idee verabschieden muss, dass es da eindeutige Zuständigkeitsbereiche gibt, wie: die Nervenfaser dafür, jene, für das. Ob dann Sein und Erkennen am Ende tatsächlich getrennte Welten sind, da weiß ich auch nicht, ob diese rigide Trennung letztlich aufrecht erhalten werden kann.

Ich habe im Moment einfach keine Zeit mich auf den Entwurf einer Ontologie, wie skizzenhaft auch immer, einzulassen, ich denke aber, dass es da irgendwann zu einer Art Aha-Effekt kommt, indem man einfach am Ball bleibt. Die Grundstimmung der Unzufriedenheit mit dem Naturalismus finde ich aber bereits symptomatisch, vielleicht finden wir da ja im Sommer was raus. ;)



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Herr K.
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Do 18. Jan 2018, 15:27

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 09:14
Um mal wieder von Gabriel ins Allgemeinere zu kommen. Ich glaube, dass das Verhältnis und Tatsache zur Wahrheit auch allgemein schwierig ist, da sowohl das Aufstellen eine Behauptung als auch deren Wahrmachen in vielen Fällen ein ähnlicher Akt ist.
Um Realismus zu verstehen, sind einige Unterscheidungen wichtig, die im Realismus getroffen werden, (zumindest so, wie ich "Realismus" verstehe). Zunächst einmal wird dabei unterscheiden zwischen a) einer Wahrheitsdefinition (was bedeutet "Wahrheit"?) und b) Wahrheitskriterien (wann/unter welchen Umständen können wir etwas gerechtfertigt als wahr ansehen?). Als Wahrheitsdefinition dient dabei für Realisten oft die Korrespondenztheorie der Wahrheit, die besagt, dass Aussagen dann wahr sind, wenn sie mit Tatsachen/dem, was der Fall ist korrespondieren. An der Stelle waren wir nun schon oft, bei Dir scheint es da immer "klick" zu machen und Du fragst: "aber woher weiß ich denn, ob eine Aussage mit Tatsachen korrespondiert"? Aber das ist an der Stelle die falsche Frage, an der Stelle geht es erst einmal nur darum, was "Wahrheit" bedeutet.

Die andere wichtige Unterscheidung im Realismus ist die zwischen "wahr-sein" und "für-wahr-halten". Das ist laut Realismus nicht dasselbe, demnach kann etwas wahr sein, obgleich es niemand für wahr hält. Und auch kann etwas nicht wahr sein, obgleich es alle für wahr halten.

Hinzu kommt noch der Begriff "Wissen", der grob gesagt hier so verstanden wird: wahre, gerechtfertigte Überzeugung. Wichtig ist hierbei noch die Unterscheidung zwischen Wissen und Gewissheit, auch das ist nicht dasselbe, mit anderen Worten: Wissen im o.g. Sinne impliziert nicht auch das Wissen, dass das Wissen wahr ist. Und wenn etwas falsch ist, dann handelt es sich nicht um Wissen - denn Wissen muss laut obiger Definition wahr sein.

Zugrundegelegt sind hierbei diese realistischen Prämissen: a) es gibt Entitäten außerhalb unseres jeweiligen hier-und-jetzt-Erlebens (ontologischer Realismus) und b) einiger dieser Entitäten können wir zumindest teilweise erkennen (erkenntnistheoretischer Realismus).

Daraus folgt nun, dass das Aufstellen einer Behauptung und das Wahrmachen der Behauptung (zumindest in vielen Fällen) kein ähnlicher Akt ist. Zumindest nicht, wenn hier "Wahrmachen einer Behauptung" "wahr-sein-einer-Behauptung" bedeuten soll.
Tosa Inu hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 09:14
Deskription, Punkt 2, ist für mich nie bloße Deskription, denn was ich als 'gibt es', oder 'so ist es' betrachte, ist immer schon getragen von Prämissen, hier hat die Postmoderne wirklich mal gute Dienste geleistet, in dem sie das für viele Fälle aufgezeigt hat.
Aber Punkt 2 ist anders gemeint, es geht darum, dass eine realistische Ontologie nicht flach sein kann, d.h. lediglich aus gleichrangigen Sinnfeldern/Bereichen besteht, die dann einfach nur aufgezählt werden, ohne dass dazugesagt wird, wie die Sinnfelder und die darin enthaltenen Gegenstände zusammenhängen, ob und wenn ja, welche Abhängigkeiten bestehen und welche Identitätskriterien es für Gegenstände aus unterschiedlichen Sinnfeldern gibt. (Mal abgesehen davon, dass die Sinnfelder, die es geben soll, weder aufgelistet werden, noch werden Kriterien angegeben, nach denen man zwischen "ist-ein-Sinnfeld" und "ist-kein-Sinnfeld" unterscheiden könnte.)

Was jemand als 'gibt es', oder 'so ist es' betrachtet, ist immer schon getragen von Prämissen, ja, aber das hat damit nichts zu tun.

Ansonsten stehen wir wieder an derselben Stelle wie schon oft. Ontologischer Physikalismus kann nicht alles erklären, insbesondere nicht das von Chalmers sogenannte "hard problem of consciousness", das sei zugestanden. Aber solange keine Position in Sicht ist, die dieses Problem besser lösen kann, juckt mich das nicht, da es mE auch keine zwingenden Argumente gegen den ontologischen Physikalismus gibt.




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Do 18. Jan 2018, 17:38

Herr K. hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 15:27
An der Stelle waren wir nun schon oft, bei Dir scheint es da immer "klick" zu machen und Du fragst: "aber woher weiß ich denn, ob eine Aussage mit Tatsachen korrespondiert"? Aber das ist an der Stelle die falsche Frage, an der Stelle geht es erst einmal nur darum, was "Wahrheit" bedeutet.
Nein, da bin ich nun schon seit einigen Jahren drüber hinweg.
Mein Punkt ist, dass, selbst wenn man das so sieht, die Reichweite unseres Wissens gering ist.
Dich lässt das zwar kalt, ich finde es aber geradezu skandalös.
Herr K. hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 15:27
Die andere wichtige Unterscheidung im Realismus ist die zwischen "wahr-sein" und "für-wahr-halten". Das ist laut Realismus nicht dasselbe, demnach kann etwas wahr sein, obgleich es niemand für wahr hält. Und auch kann etwas nicht wahr sein, obgleich es alle für wahr halten.

Hinzu kommt noch der Begriff "Wissen", der grob gesagt hier so verstanden wird: wahre, gerechtfertigte Überzeugung. Wichtig ist hierbei noch die Unterscheidung zwischen Wissen und Gewissheit, auch das ist nicht dasselbe, mit anderen Worten: Wissen im o.g. Sinne impliziert nicht auch das Wissen, dass das Wissen wahr ist. Und wenn etwas falsch ist, dann handelt es sich nicht um Wissen - denn Wissen muss laut obiger Definition wahr sein.
Auch das ist technisch sauber, lebt aber von Voraussetzungen, die in der Praxis selten gegeben sind. Eine Überzeugung muss nicht wahr sein und wenn etwas wahr ist, muss man davon nicht überzeugt sein, beides wäre dasselbe. Gerechtfertigt ist also der entscheidende Begriff, der aber auch nicht mehr sagt, als dass man aus den und den Gründen überzeugt ist. Eine Pointe, die logisch zwingt, kann ich da nicht sehen.
Herr K. hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 15:27
Zugrundegelegt sind hierbei diese realistischen Prämissen: a) es gibt Entitäten außerhalb unseres jeweiligen hier-und-jetzt-Erlebens (ontologischer Realismus) und b) einiger dieser Entitäten können wir zumindest teilweise erkennen (erkenntnistheoretischer Realismus).

Daraus folgt nun, dass das Aufstellen einer Behauptung und das Wahrmachen der Behauptung (zumindest in vielen Fällen) kein ähnlicher Akt ist. Zumindest nicht, wenn hier "Wahrmachen einer Behauptung" "wahr-sein-einer-Behauptung" bedeuten soll.
Das ist ideal formuliert, aber in der Praxis meilenweit davon entfernt das einzulösen, was vermutlich aber auch nicht geht, wie sollten wir mehr haben können, als aus guten Gründen aufrichtig überzeugt sein? Wissen, dass es so ist, tun wir die Dinge gerade nicht, weshalb das genaue Kriterium der Übereinstimmung ein Fake ist. Mindestens mal für die emprisiche Welt, für logische Systeme mag das anders aussehen.
Herr K. hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 15:27
Was jemand als 'gibt es', oder 'so ist es' betrachtet, ist immer schon getragen von Prämissen, ja, aber das hat damit nichts zu tun.
Ich stimme Deiner Deutung zu, stand ja auch so im Text und ich habe es auch so verstanden, aber indem ich das "gibt es" oder "ist so und so" darstelle, setze ich es ja in einen Kontext, der nie frei von Erklärungen ist. Das natürlich stets sprachlich und theoretisch holistisch betrachtet, aber beides ist ja nur holistisch oder in Clustern vorzufinden. Ich würde nicht denken, dass jemand z.B. einzig und allein, behaupten würden, dass es Hirschkäfer gibt und selbst darin stecken bereits implizite Vorausetzungen, bis zum abwinken.
Herr K. hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 15:27
Ansonsten stehen wir wieder an derselben Stelle wie schon oft. Ontologischer Physikalismus kann nicht alles erklären, insbesondere nicht das von Chalmers sogenannte "hard problem of consciousness", das sei zugestanden. Aber solange keine Position in Sicht ist, die dieses Problem besser lösen kann, juckt mich das nicht, da es mE auch keine zwingenden Argumente gegen den ontologischen Physikalismus gibt.
Ja, und kann ich gut nachvollziehen, könnte mir unter anderen Umständen ähnlich gehen.
Wir haben zwar ein paar Schnittmengen, aber Du steigst oft an der Stelle aus, an der es für mich gerade beginnt interessant zu werden und ich bin vermutlich zu wenig von sehr theoretischen Überlegungen begeistert, was aber auch nicht übermäßig schlimm ist. Außerdem denkst Du anders als ich, systematischer, wodurch ich viel gelernt habe, da ich gezwungen war einige Punkte wieder und wieder zu durchdenken, z.B. bei der Willensfreiheit oder Wahrheitstheorie.
Bei allen Unterschieden finde ich es aber gerade dann ganz gut, wenn wir bei einigen Punkten aus irgendwie anderen Richtungen kommend, dann doch auch mal zu sehr ähnlichen Einschätzungen kommen, das gibt zumindest mir eine gewisse zusätzliche Sicherheit.

Was den Naturalismus angeht, sehe ich es sportlich. Bislang ist noch nichts Besseres in Sicht, aber die Risse sind schon da, die siehst Du ja auch. Nur ist Risse zu sehen eben noch keine neue Theorie und ich denke, es wird in die Richtung gehen, dass die recht gravierende Trennung zwischen Sein und Erkennen aufgeweicht wird, was m.E. auch schon der Fall ist. Was ich erkenne, ist meine Wirklichkeit oder Realität und das verändert m.E. tatsächlich das Sein, es ist also nicht nur Interpretation. Postmoderne, Positivdenker, Esoteriker und Konstruktivisten haben gezeigt, wie man damit gegen die Wand laufen kann, bzw. sie haben ihre Teilerfolge zu sehr verallgemeinert. Es reicht nicht, sich die Welt nur richtig doll anders zu wünschen, nee, klappt nicht.
Aber Wünschen, Beharrlichkeit, Fokussierung, Konzentration, Offenheit usw. sind alles einzelne Aspekte die, auch vom Geisteszustand her nicht irgendwie alle gleich sind und dann letztlich doch an einer starren Realität abprallen, weil man sich bei Betrachtungen dessen was ist eben nur irren/nicht irren kann. Zudem liegen sie in sehr verschiedenen Güteklassen vor.

Das kann ich hier nun auch nicht klären, nicht mal im Ansatz, aber ich denke in die Region wird die Reise gehen, bleiben wir einfach konzentriert und offen, das wird m.E. keine Ewigkeit mehr dauern. Aus dem was praktisch geht, wird man Rückschlüsse über die Welt dahinter ziehen. Wie ich die Welt betrachte, beeinflusst nicht nur mich, sondern auch mein Umfeld und meine Praxs. Dass unser Geist/Mentales die Welt oder Materie beeinflusst, ist, wenn man es mal seziert nicht wirklich spannend. Die Wahl des Urlaubsortes würde darunter fallen. Wenn ich mir vorstelle, wie meine Hand warm wird und das gut kann, verändere ich damit auch die Umgebungstemperatur. Vielleicht nur gering, aber immerhin. Würde die Wellenfunktion kollabieren, wenn wir so oder so denken, wäre das auch noch nicht so sensationell, weil ja sein überall abermilliarden Wellenfunktionen kollabieren, was sich wechselseitig aufhebt. Die Frage ist ja, ob man das richten kann und dadurch wirklich etwas bewegt oder verändert. Müsste man experimentell erforschen.

Damit wäre m.E. dass Sinnfeld "Alltag" aber gar nicht ein Sinnfeld, sondern, wie alles im Leben eine Art Kompositum aus vielen Sinnfeldern oder Bereichen, die sich überlagern. Wenn das Ingesamt des Alltags zwar erheblichen Wumms hat, so besteht es doch aus vielen Einzelkomponenten und Kräften, die sich hemmen oder verstärken. Es ist eben gerade nicht so, dass man sagen kann, die Materie (im Sinn der Hierachie: Materie - Leben - Emotion - Kognition) habe stets das letzte Wort, in vielen Bereichen ist das so, in anderen nicht. Wie ontologisch unabhäbig diese Bereiche nun wirklich sind, ist für die SFO wichtig, für die Praxis aber nicht. Aber wie gesagt, diese rigide Trennung zwischen 'so ist es' und 'das denke ich' wird glaube ich in den Extremen getrennt bleiben, aber ansonsten zusammen wachsen.



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Do 18. Jan 2018, 18:18

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 17:38
Eine Pointe, die logisch zwingt, kann ich da nicht sehen. [...] Das ist ideal formuliert, aber in der Praxis meilenweit davon entfernt das einzulösen, was vermutlich aber auch nicht geht, wie sollten wir mehr haben können, als aus guten Gründen aufrichtig überzeugt sein? Wissen, dass es so ist, tun wir die Dinge gerade nicht, weshalb das genaue Kriterium der Übereinstimmung ein Fake ist. Mindestens mal für die emprisiche Welt, für logische Systeme mag das anders aussehen.
Aus diesen Begriffsbestimmungen von "Wahrheit" und "Wissen" folgt, dass wir zwar Wissen haben können, aber keine unzweifelhafte Gewissheit. Daran ist aber nichts ein Fake, wie gesagt dient die Übereinstimmung nur der Definition von Wahrheit, damit ist keineswegs gesagt, dass wir eine solche Übereinstimmung zweifelsfrei feststellen könnten. Dir scheint es oft um eine solche Unfehlbarkeit zu gehen, aber die haben wir als endliche Wesen nun mal nicht. Und ja, "gerechtfertigt" heißt "gute Gründe haben", aber den zweiten Schritt, auf ewig und immer zweifelsfrei festzustellen, ob etwas tatsächlich gerechtfertigt ist oder ob die Gründe tatsächlich gut sind oder ob es nicht bessere Gründe dagegen gibt, können wir auch nicht tun.

Das ist, wenn Du so willst, die Pointe dieser Auffassung. Das mag vielleicht skandalös sein, (finde ich jedoch nicht), aber zu ändern ist es mE so oder so nicht.
Tosa Inu hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 17:38
Wir haben zwar ein paar Schnittmengen, aber Du steigst oft an der Stelle aus, an der es für mich gerade beginnt interessant zu werden [...]
Das liegt daran, dass Du dann immer so schwammig wirst, ich brauche was Konkretes, über das wir reden können. So ganz allgemein ins Blaue hinein reden ist nicht so mein Ding.

Dass unser unser Denken/unsere Handlungen/unsere sozialen Beziehungen/unsere Ansichten/Überzeugungen etc. die Welt beeinflussen ist von meiner Seite aus unstrittig. Und dass es z.B. einen gewaltigen Unterschied machen kann, ob man an sich selber glaubt oder nicht. Aber wieso das irgendwie andere wie-auch-immer Welten erfordern würde, ist mir nach wie vor schleierhaft.

Aber eigentlich ist Dein Hauptthema ja "Weltbilder". Das ist ein Thema, das mich nicht so interessiert, das sieht für mich wie ein empirisches Thema bzw. nach Psychologie und nicht nach Philosophie aus.
Tosa Inu hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 17:38
Aber wie gesagt, diese rigide Trennung zwischen 'so ist es' und 'das denke ich' wird glaube ich in den Extremen getrennt bleiben, aber ansonsten zusammen wachsen.
Falls das bedeuten sollte, dass der Unterschied zwischen "p meint x" und "x ist der Fall" wegfallen soll, dann wäre ich keineswegs dabei.




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Herr K. hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 18:18
Dir scheint es oft um eine solche Unfehlbarkeit zu gehen, aber die haben wir als endliche Wesen nun mal nicht.
Nein, gar nicht.
Ich sehe uns ja als in die Welt Geworfene, insofern finden wir uns da irgendwo selbst vor und müssen nun in konzentrischen Kreisen unser Wissen erweitern, da ist der Irrtum eingepreist.
Der 'Skandal' besteht für mich also nicht in der Vorläufigkeit, sondern in der geringen Reichweite. Für den Alltag ist das alles soweit brauchbar, aber darum geht es ja nicht, wenn wir über Wahrheit diskutieren.
Herr K. hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 18:18
Dass unser unser Denken/unsere Handlungen/unsere sozialen Beziehungen/unsere Ansichten/Überzeugungen etc. die Welt beeinflussen ist von meiner Seite aus unstrittig. Und dass es z.B. einen gewaltigen Unterschied machen kann, ob man an sich selber glaubt oder nicht. Aber wieso das irgendwie andere wie-auch-immer Welten erfordern würde, ist mir nach wie vor schleierhaft.
Weil ich öfter mal die Idee habe, dass man zu etwas eher Fertigem durchbricht, als dass sich ein Ganzes aus Einzelteilen zusammensetzt.
Herr K. hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 18:18
Aber eigentlich ist Dein Hauptthema ja "Weltbilder". Das ist ein Thema, das mich nicht so interessiert, das sieht für mich wie ein empirisches Thema bzw. nach Psychologie und nicht nach Philosophie aus.
Mir fällt es immer schwer, das als sonderlich getrennt anzusehen, da ja die Reflexion das Geschäft von beiden ist.
Herr K. hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 18:18
Falls das bedeuten sollte, dass der Unterschied zwischen "p meint x" und "x ist der Fall" wegfallen soll, dann wäre ich keineswegs dabei.
Das kann ich nicht pauschal für eine Bereiche sagen. Der Bereich in dem die Kluft bestehen bleibt ist sicher der des Messbaren. Der Turm ist eben so hoch, wie er ist. Nur ist das wieder die Welt, die uns ja gerade Schwierigkeiten macht, weil aus einer Summe von Fakten oder Dingen eben keine Welt entsteht. Man muss sie hierarchisieren und da werden dann dieselben Zutaten zu sehr verschiedenen Ansichten.
Nur gibt es eben keine Anweisung dafür, wie man hierarchisieren sollte, wenn man die Wahrheit herausfinden will.
Das ist einerseits tatsächlich eine Frage der Weltbilder, aber andererseits hat es ja auch philosophisches Gewicht, wenn es um mehr als folgerichtiges Schließen geht. Den Blick von nirgendwo gibt es nicht und der von irgendwo ist ein subjektiver, der aber nicht nur Ortsangaben (eine physische Adresse) beinhaltet, sondern auch Einstellungen, so das nicht nur x wahr oder falsch ist, sondern x für Person P mitsamt seiner indexikalischen Angaben und Einstellungen. Ob man die nun wieder auf Einzelelemente reduziert bekommt und so bei allen Betrachtungen ein immer gleiches (oder ähnliches Weltganzes) durchschimmert, das ist die Frage, jenseits dessen, dass "P meint x" auch reine Phantasie oder Halluzination sein könnte.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Herr K.
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Sa 20. Jan 2018, 13:52

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 19. Jan 2018, 18:26
Ich sehe uns ja als in die Welt Geworfene, insofern finden wir uns da irgendwo selbst vor und müssen nun in konzentrischen Kreisen unser Wissen erweitern, da ist der Irrtum eingepreist.
Der 'Skandal' besteht für mich also nicht in der Vorläufigkeit, sondern in der geringen Reichweite. Für den Alltag ist das alles soweit brauchbar, aber darum geht es ja nicht, wenn wir über Wahrheit diskutieren.
Du bist wohl ein Erkenntnispessimist, ich aber ein unverbesserlicher Erkenntnisoptimist. :)

Wir haben wissenschaftliche Methoden, die finde ich durchaus erfolgreich. Und auch den "konzentrischen Kreisen" kann ich ziemlich viel abgewinnen, man nennt die wohl auch "hermeneutischer Zirkel" oder "reflective equilibrium" - auf deutsch sowas wie "Überlegungsgleichgewicht", (was vielleicht nicht das Selbe sein mag, aber mE ein ziemlich ähnliches Prinzip ist). Ob man damit zu der Wahrheit gelangt, ist noch eine andere Frage, aber immerhin im besten Falle zu einem kohärenten System von Überzeugungen.
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 19. Jan 2018, 18:26
Herr K. hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 18:18
Dass unser unser Denken/unsere Handlungen/unsere sozialen Beziehungen/unsere Ansichten/Überzeugungen etc. die Welt beeinflussen ist von meiner Seite aus unstrittig. Und dass es z.B. einen gewaltigen Unterschied machen kann, ob man an sich selber glaubt oder nicht. Aber wieso das irgendwie andere wie-auch-immer Welten erfordern würde, ist mir nach wie vor schleierhaft.
Weil ich öfter mal die Idee habe, dass man zu etwas eher Fertigem durchbricht, als dass sich ein Ganzes aus Einzelteilen zusammensetzt.
Zum Beispiel? Du nanntest oben einen Komponisten, der eine fertige Symphonie im Kopf hat. Aber sowas würde ich nicht gelten lassen, denn ein erfahrener Komponist kann so etwas so, wie z.B. auch ein erfahrener Programmierer auch sehr schnell eine fertige Programmstruktur für ein ihm geschildertes Problem im Kopf haben kann. Das finde ich nicht besonders geheimnisvoll, das liegt daran, dass gelernt eben gelernt ist. Die langjähige Erfahrung spielt hierbei die wesentliche Rolle. Das sieht nur für diejenigen, die das nicht derart - durch ständiges und oftmaliges Tun - gelernt/eingeübt haben, unerreichbar und daher geheimnisvoll aus.
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 19. Jan 2018, 18:26
Herr K. hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 18:18
Aber eigentlich ist Dein Hauptthema ja "Weltbilder". Das ist ein Thema, das mich nicht so interessiert, das sieht für mich wie ein empirisches Thema bzw. nach Psychologie und nicht nach Philosophie aus.
Mir fällt es immer schwer, das als sonderlich getrennt anzusehen, da ja die Reflexion das Geschäft von beiden ist.
Psychologie (und hier auch Soziologie) sind auch empirische Fächer, d.h. um das, was Du "Weltbilder" nennst, betrachten zu können, bräuchte man ein paar empirische Untersuchungen, das geht nicht nur vom Lehnstuhl heraus. Auch ist mir immer noch nicht klar, was Weltbilder in Deinem Sinne eigentlich genau sein sollen. Meinst Du damit sowas wie "soziales Milieu"? Kombiniert mit einer undurchlässigen "Sichtblase", aus der die Weltbild-Habenden nicht hinausblicken oder gar nicht hinausblicken können? Oder, anderes Bild, Weltbilder als viele voneinander getrennte Teller, (bestehend aus Überzeugungen), wobei nicht über den Tellerrand hinausgeschaut werden kann?

Falls so, dann kommt mir dieses Bild falsch vor, jedenfalls dann, wenn es als Bild für alle (oder die meisten) Menschen gedacht ist.

Aber das (sowohl das, was ich Dir hier unterstellt habe, als auch meine Gegenbehauptung) sind beides lediglich Lehnstuhlbehauptungen (bzw. nur persönliche Evidenz) und die müssten hier empirisch belegt werden, um Substanz haben zu können.
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 19. Jan 2018, 18:26
Herr K. hat geschrieben :
Do 18. Jan 2018, 18:18
Falls das bedeuten sollte, dass der Unterschied zwischen "p meint x" und "x ist der Fall" wegfallen soll, dann wäre ich keineswegs dabei.
Das kann ich nicht pauschal für eine Bereiche sagen. Der Bereich in dem die Kluft bestehen bleibt ist sicher der des Messbaren. Der Turm ist eben so hoch, wie er ist. Nur ist das wieder die Welt, die uns ja gerade Schwierigkeiten macht, weil aus einer Summe von Fakten oder Dingen eben keine Welt entsteht. Man muss sie hierarchisieren und da werden dann dieselben Zutaten zu sehr verschiedenen Ansichten.
Nur gibt es eben keine Anweisung dafür, wie man hierarchisieren sollte, wenn man die Wahrheit herausfinden will.
So derart allgemein zu reden finde ich problematisch, da sind Missverständnisse geradezu vorprogrammiert. Außerdem gefällt mir der Begriff "Kluft" hier nicht, denn damit wird meist "unüberbrückbar" assoziiert. Ich meine aber (als erkenntnistheoretischer Realist) nicht, dass es eine unüberbrückbare Kluft zwischen Sein von x und Erkenntnis von x gäbe. Jedoch möchte ich darauf bestehen, dass es dabei einen Unterschied gibt. Der aber nichts mit Messbarem zu tun hat bzw. nur dort bestünde - z.B. mag man auch nicht richtig erkennen, was jemand gesagt hat bzw. meint oder wie jemand gerade drauf ist. (Oder was immer auch Du als als messbar und was als nicht-messbar ansiehst.)

(Wohlgemerkt ist damit nun nicht gemeint, dass Erkenntnis kein Sein sei.)
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 19. Jan 2018, 18:26
Das ist einerseits tatsächlich eine Frage der Weltbilder, aber andererseits hat es ja auch philosophisches Gewicht, wenn es um mehr als folgerichtiges Schließen geht. Den Blick von nirgendwo gibt es nicht und der von irgendwo ist ein subjektiver, der aber nicht nur Ortsangaben (eine physische Adresse) beinhaltet, sondern auch Einstellungen, so das nicht nur x wahr oder falsch ist, sondern x für Person P mitsamt seiner indexikalischen Angaben und Einstellungen. Ob man die nun wieder auf Einzelelemente reduziert bekommt und so bei allen Betrachtungen ein immer gleiches (oder ähnliches Weltganzes) durchschimmert, das ist die Frage, jenseits dessen, dass "P meint x" auch reine Phantasie oder Halluzination sein könnte.
Die Frage wäre für mich nicht, ob bei allen Betrachtungen ein gleiches (oder ähnliches Weltganzes) durchschimmert - das finde ich viel zu stark formuliert. Aber wenn wir die Frage so formulierten, ob wir Menschen uns zumindest in vielen Fällen auf eine gemeinsame Welt beziehen können und das auch tun, dann würde ich sagen: ja, das meine ich.




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Sa 20. Jan 2018, 16:42

Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 13:52
Du bist wohl ein Erkenntnispessimist, ich aber ein unverbesserlicher Erkenntnisoptimist. :)
Ich bin vermutlich nur ein Erkenntnispessimist was Denken betreffend, ich kann mir aber vorstellen, dass wir über Meditation tiefer in den Maschinenraum des Universums eindringen können.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 13:52
Zum Beispiel? Du nanntest oben einen Komponisten, der eine fertige Symphonie im Kopf hat. Aber sowas würde ich nicht gelten lassen, denn ein erfahrener Komponist kann so etwas so, wie z.B. auch ein erfahrener Programmierer auch sehr schnell eine fertige Programmstruktur für ein ihm geschildertes Problem im Kopf haben kann. Das finde ich nicht besonders geheimnisvoll, das liegt daran, dass gelernt eben gelernt ist. Die langjähige Erfahrung spielt hierbei die wesentliche Rolle. Das sieht nur für diejenigen, die das nicht derart - durch ständiges und oftmaliges Tun - gelernt/eingeübt haben, unerreichbar und daher geheimnisvoll aus.
Kann ich gelten lassen, aber da gibt es dann, auch aus der eher spirituellen Welt Gegenbeispiele, da man da manchmal etwas präsentiert bekommt, was man so vorher nicht kannte und demzufolge auch nicht erwartete. Und selbst wenn man x mal drüber gelesen hat, man kennt das Gefühl, das 'wie es ist' nicht.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 13:52
Psychologie (und hier auch Soziologie) sind auch empirische Fächer, d.h. um das, was Du "Weltbilder" nennst, betrachten zu können, bräuchte man ein paar empirische Untersuchungen, das geht nicht nur vom Lehnstuhl heraus.
Die gibt es aber reichlich, das ist das geringste Problem
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 13:52
Auch ist mir immer noch nicht klar, was Weltbilder in Deinem Sinne eigentlich genau sein sollen. Meinst Du damit sowas wie "soziales Milieu"?
Auch, ja.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 13:52
Kombiniert mit einer undurchlässigen "Sichtblase", aus der die Weltbild-Habenden nicht hinausblicken oder gar nicht hinausblicken können?
Nein, bei den Milieus weiß man glaube ich, dass es noch andere gibt und kann sich ungefähr vorstellen, wie die anderen die Welt sehen.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 13:52
Oder, anderes Bild, Weltbilder als viele voneinander getrennte Teller, (bestehend aus Überzeugungen), wobei nicht über den Tellerrand hinausgeschaut werden kann?
Das ist glaube ich die bei weitem stärkste Komponente.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 13:52
Falls so, dann kommt mir dieses Bild falsch vor, jedenfalls dann, wenn es als Bild für alle (oder die meisten) Menschen gedacht ist.
Es ist unvollständig. Genauer müsste man sagen, dass es neben einer Sprachlosigkeit bezogen auf unterschiedliche Ebenen, auch Begegnungen gibt, wobei der, der weiter ist, in günstigen Fällen jene verstehen kann, die an einer bestimmten Stelle festhängen. Anders herum klappt es jedoch nicht, obwohl man auf ein gar nicht so seltenes "Genau wie ich es immer gesagt habe"-Phänomen trifft, bei dem jemand, das was er zu verstehen glaubt, in sein Weltbild übersetzt (aber nicht im Sinne des anderen versteht).
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 13:52
Aber das (sowohl das, was ich Dir hier unterstellt habe, als auch meine Gegenbehauptung) sind beides lediglich Lehnstuhlbehauptungen (bzw. nur persönliche Evidenz) und die müssten hier empirisch belegt werden, um Substanz haben zu können.
Nein, es gibt reichlich Unterschungen dazu, aber leider oft keine Kriterien, die besagen, wie nun die einzelnen hierarchischen Stufen einzuteilen sind und die Idee, dass Entwicklung stets ein Ganzes ist, ist falsch. D.h. es gibt zwar statistische Näherungen, aber man kann, wie Wilber es macht, Entwicklung in Linien unterteilen und es kann häufiger vorkommen, dass man auf einigen Linien begabt ist, auf anderen aber nicht, mit zum Teil eklatanten Brüchen.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 13:52
(Wohlgemerkt ist damit nun nicht gemeint, dass Erkenntnis kein Sein sei.)
Schon klar.
Und, nein, für unüberbrückbar halte ich die Kluft nicht.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 13:52
Die Frage wäre für mich nicht, ob bei allen Betrachtungen ein gleiches (oder ähnliches Weltganzes) durchschimmert - das finde ich viel zu stark formuliert. Aber wenn wir die Frage so formulierten, ob wir Menschen uns zumindest in vielen Fällen auf eine gemeinsame Welt beziehen können und das auch tun, dann würde ich sagen: ja, das meine ich.
Das sehe ich eben nur zu einem Teil so, vor allem bezogen auf physikalische Aspekte und/oder basale Sinneswahrnehmungen, die wir nie ernsthaft hinterfragen und m.E. für ein kommunikatives Gelingen sogar voraussetzen müssen.
Fragt man aber, was jemand denkt, was die Welt zusammenhält, wie sie funktioniert und was ihre Bewohner motiviert, werden die Unterschiede sichtbar und eklatant. Dabei ist es oft nicht der Fall, dass die eine Fraktion der anderen abpricht, dass das, was sie für dominant hält existiert. Nur geht es überhäufig darum, dass es häufig einen wichtigsten Aspekt gibt, von dem geglaubt wird, dass er alle anderen erklärt.
Man könnte also z.B, glauben, dass es zwar Liebe gibt, es aber in Wahrheit immer nur um Macht geht. Oder Geld, Egoismus, Bekanntschaft, Ansehen/Aufmerksamkeit, Sex, Emotionen, Vernunft und so weiter.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Herr K.
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Sa 20. Jan 2018, 18:29

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 16:42
Kann ich gelten lassen, aber da gibt es dann, auch aus der eher spirituellen Welt Gegenbeispiele, da man da manchmal etwas präsentiert bekommt, was man so vorher nicht kannte und demzufolge auch nicht erwartete. Und selbst wenn man x mal drüber gelesen hat, man kennt das Gefühl, das 'wie es ist' nicht.
Jetzt wirst Du wieder zu allgemein. Was für Beispiele aus der "eher spirituellen Welt" gibt es z.B., was wird da z.B. präsentiert, für was sind das Beispiele bzw. Gegenbeispiele? Das Gefühl, wie was ist?

Welche empirischen Studien willst Du z.B. für Deine These heranziehen und wie lautet sie eigentlich konkret?

Ich kenne da einen Menschen, der behauptet, eine (spirituelle?) Erleuchtung gehabt und dadurch den totalen Durchblick gewonnen zu haben. Jedoch ist er nicht fähig dazu, den angeblichen Durchblick nachvollziehbar zu formulieren. Ich sehe das nun so, dass echtes explizites Wissen erfordert, dass dieses auch nachvollziehbar dargestellt werden kann. Und echtes implizites Wissen erfordert ein nachvollziehbares Können. Man kann sich mE sowohl in der Annahme irren, dass man etwas Bestimmtes weiß, als auch in der Annahme, dass man etwas Bestimmtes kann.

Vielleicht mag man nun das Bild von Platons Höhle hernehmen und eine Analogie ziehen zu demjenigen, der die Höhle verlassen hat, danach wieder zurückkehrt und erfolglos versucht, den anderen zu schildern, wie es außerhalb der Höhle aussieht. Aber ich glaube nicht, dass Platons Höhle unsere Erkenntnissituation adäquat beschreibt; anders gesagt glaube ich nicht, dass es außerhalb unserer Welt noch eine "echtere" Welt/Realität gibt bzw. einen Standpunkt von außerhalb, von dem aus man einen besseren (oder gar: den) Überblick über unsere Welt gewinnen könnte. Jedoch selbst wenn es den gäbe und man ihn erreichte, wäre es ziemlich unplausibel, dass man den nicht nachvollziehbar darstellen könnte. Auch finde ich es unplausibel, zu meinen, dass man etwas explizit wüsste, obgleich man es nicht darstellen kann.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 16:42
Genauer müsste man sagen, dass es neben einer Sprachlosigkeit bezogen auf unterschiedliche Ebenen, auch Begegnungen gibt, wobei der, der weiter ist, in günstigen Fällen jene verstehen kann, die an einer bestimmten Stelle festhängen. Anders herum klappt es jedoch nicht, obwohl man auf ein gar nicht so seltenes "Genau wie ich es immer gesagt habe"-Phänomen trifft, bei dem jemand, das was er zu verstehen glaubt, in sein Weltbild übersetzt (aber nicht im Sinne des anderen versteht).
Das ist mir wieder zu schwammig.

Du müsstest Deine These (oder die Thesen, wenn es mehrere sind) erst mal griffig und nachvollziehbar formulieren, damit andere überhaupt erst mal verstehen können, auf was Du eigentlich hinauswillst.




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So 21. Jan 2018, 12:15

Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 18:29
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 16:42
Kann ich gelten lassen, aber da gibt es dann, auch aus der eher spirituellen Welt Gegenbeispiele, da man da manchmal etwas präsentiert bekommt, was man so vorher nicht kannte und demzufolge auch nicht erwartete. Und selbst wenn man x mal drüber gelesen hat, man kennt das Gefühl, das 'wie es ist' nicht.
Jetzt wirst Du wieder zu allgemein. Was für Beispiele aus der "eher spirituellen Welt" gibt es z.B., was wird da z.B. präsentiert, für was sind das Beispiele bzw. Gegenbeispiele? Das Gefühl, wie was ist?
Es gibt da diverse Phänomene, weil die spirituelle Welt auch nicht eine homogene Welt ist, sondern es verschiedene Bereiche gibt, mit unterschiedlichen Phänomengruppen. Es gibt diese Phänomene des subjektiven Durchblicks, aber auch, dass die Welt mit dem Ich verlischt oder, dass das Ich verlischt und alles andere ist noch da. Es gibt die Erfahrung bestimmter reiner Formen von Emotionen, die man ansonsten Begegnungen in der Welt zuschreibt (Angst, Wut, Ekstase, Glück ...), ohne, dass Ereignisse durch die Interation mit Welt stattfinden und so weiter.
Das wirkt am Anfang bunt und wirr, es gibt aber Elemente die immer wieder auftauchen.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 18:29
Welche empirischen Studien willst Du z.B. für Deine These heranziehen und wie lautet sie eigentlich konkret?
Mit den emprischen Studien meinte ich eher die zu den Entwicklungsstufen der Psyche, die es reichlich gibt.
Die These ist hier einfach, dass sich die Psyche hierarchisch aber nicht kontinuierlich fortschreitend, sondern in Sprüngen entwickelt.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 18:29
Ich kenne da einen Menschen, der behauptet, eine (spirituelle?) Erleuchtung gehabt und dadurch den totalen Durchblick gewonnen zu haben. Jedoch ist er nicht fähig dazu, den angeblichen Durchblick nachvollziehbar zu formulieren.
Ja, das wirkt nicht sehr überzeugend, aber es gibt da verschiedene Phänomengruppen. Eines ist tatsächlich, dass man die Vision einer Gesamtschau hat, die einem zeigt, wie das alles funktioniert und geordnet ineinander greift, aber es ist vom Empfinden her eher ein spontanes Gesamtverstehen, ohne genau sagen zu können, ob denn nun bspw. die Quantentheorie stimmt.
Aber das trifft längst nicht auf alle spirituellen Phänomene zu und bei einigen hat man einfach das Qulia Problem, dass man zwar genau angeben kann, was man erlebt hat, aber der andere sich dem nur gedanklich annähern kann, ohne es zu treffen, wenn er die Erfahrung nicht kennt. Bspw. ist eine gewisse Selbstvergessenheit im Zuge von Alltagserlebnisen, bei denen man ja nicht fortwährend denkt: "Ich sitze hier im Kino und schaue diesen spannenden Film", etwas fundamentals anderes, als eine Ichlosigkeit im Rahmen einer spirituellen Erfahrung, die insofern auch etwas verstörend ist, weil wir das immer mitlaufende Gefühl von 'Ich bin es, der das erlebt' so selbstverständlich dabei haben, dass wir es eben nicht bemerken, sehr wohl aber, wenn es auf einmal weg ist.
Ein weiteres Element von wirklich dauerhaft Erleuchteten scheint die radikale Abwesenheit von Fragen zu sein. Einerseits erlebt man jeden Moment frisch, klar und staunend, wie ein Kind, weil die Routinehandlungen wegfallen und man oft viel dafür getan hat, denn dies ist ein wesentlicher Teil einer ernsthaften spirituellen Praxis, andererseits hat man keinerlei Fragen mehr und ist sich darin vollkommen sicher. Totale Offenheit trifft auf völlige Überzeugtheit.
Ein weiteres typisches spirituelles Element ist der Abbau der Differenz zwischen profanen oder alltäglichen Erlebnissen und Praktiken und Besonderem oder Heiligem, im Gegensatz zu dem, was man erwarten sollte. Usw.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 18:29
Ich sehe das nun so, dass echtes explizites Wissen erfordert, dass dieses auch nachvollziehbar dargestellt werden kann. Und echtes implizites Wissen erfordert ein nachvollziehbares Können.
Beides gibt es, aber selten und das hat Gründe.
Der erste und banalste. Spirituelle Praktiker sind hoch selten. Ich meine nicht mal den Wochenendkurs, sondern die geduldige, jahrzehntelange Praxis.
Demzufolge sind die meisten spirituellen Erfahrungen nicht systematisch herbeigeführt, sondern Unfälle. Sie passieren einem, man weiß aber auch nicht so genau warum. Ist bei mir auch die häufigste Form der spirituellen Erfahrung, aber tendenziell ist es so, dass mehr Praxis die Wahrscheinlichkeit erhöht.
Man kann das oft nicht reproduzieren, aber natürlich gibt es auch Näherungen und recht verlässliche Techniken.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 18:29
Vielleicht mag man nun das Bild von Platons Höhle hernehmen und eine Analogie ziehen zu demjenigen, der die Höhle verlassen hat, danach wieder zurückkehrt und erfolglos versucht, den anderen zu schildern, wie es außerhalb der Höhle aussieht. Aber ich glaube nicht, dass Platons Höhle unsere Erkenntnissituation adäquat beschreibt; anders gesagt glaube ich nicht, dass es außerhalb unserer Welt noch eine "echtere" Welt/Realität gibt bzw. einen Standpunkt von außerhalb, von dem aus man einen besseren (oder gar: den) Überblick über unsere Welt gewinnen könnte.
Das ist es auch nicht, denn oftmals spielt unsere Welt da gar nicht so die entscheidende Rolle, jedenfalls nicht zu Beginn des Weges, an dem eher die komplette Andersartigkeit fasziniert und insofern gefährlich ist, weil Faszination und Besonderes zu erleben das Gegenteil eines spirituellen Weges ist, wie gesagt, eines der Elemente richtiger Wege ist, die empfundene Unterschiedlichkeit schrittweise abzubauen.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 18:29
Jedoch selbst wenn es den gäbe und man ihn erreichte, wäre es ziemlich unplausibel, dass man den nicht nachvollziehbar darstellen könnte. Auch finde ich es unplausibel, zu meinen, dass man etwas explizit wüsste, obgleich man es nicht darstellen kann.
Ja, das ist ein doppeltes Problem, weil es gerade auch Menschen anlockt, die sich in Andeutungen und Geschwafel ergehen, aber hier versucht man inzwischen zu selektieren und das eigentliche Problem ist der Mangel an Menschen, die mit einem Begriff eine eigene Erfahrung verbinden. Manche Erlebnisse kann man kaum näher beschreiben, weil es rein auf die Erfahrung ankommt und ein reiner Begriff, bringt einen da auch nicht weiter.
Man kann zwar fragen, wie dieser oder jener Begriff definiert ist, aber ein Teil der Definition bezieht sich immer auf die Erfahrung.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 18:29
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 16:42
Genauer müsste man sagen, dass es neben einer Sprachlosigkeit bezogen auf unterschiedliche Ebenen, auch Begegnungen gibt, wobei der, der weiter ist, in günstigen Fällen jene verstehen kann, die an einer bestimmten Stelle festhängen. Anders herum klappt es jedoch nicht, obwohl man auf ein gar nicht so seltenes "Genau wie ich es immer gesagt habe"-Phänomen trifft, bei dem jemand, das was er zu verstehen glaubt, in sein Weltbild übersetzt (aber nicht im Sinne des anderen versteht).
Das ist mir wieder zu schwammig.
Das ist wiederum nicht für den spirituellen Kontext gemeint, sondern fur den der Weltbilder. Konkret geht es z.B. darum, dass es im integralen Ansatz von Wilber die Ausformulierung bestimmter Entwicklungsstufen gibt. Dabei wird in einem Ansatz noch einmal auf einen bedeutenden Unterschied zwischen allen Stufen die vor einer gewisse Höhe liegen und denen, die ab und nach dieser Stufe liegen hingewiesen.
Alle Stufen, bis zu jener die integral genannt wird, zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Tendenz haben ihre Stufe als jene anzusehen, gemäß der idealerweise alle leben sollten: Alle sollten katholisch oder humanistisch oder ökologisch oder wissenschaftlich-technisch unterwegs sein oder jedenfalls dominant nach dieser Ausrichtung. Die integrale Stufe (und ab ihr alle weiteren) soll nun erstmalig das Wohl der ganzen Spirale der Entwicklung im Blick haben und nicht mehr die Dominanz einer speziellen Stufe, als Modell für die Welt.
Wird nun aus dieser Warte bspw. die Hierarchiefeindlichkeit der politisch und weltanschaulich pluralistischen und werterelativisitischen Ebene kritisiert, fühlen sich Vertreter eines "law and order" Weltbildes bestätigt (die in der Regel starre Hierachien bevorzugen), ohne dass diese erfassen können, dass die Ablehnung in Richtung Pluralismus nicht automatisch eine Zustimmung zu ihrer Position bedeutet. Das führt dann zum erwähnten Gefühl der Bestätigung ("Genau, wie ich es immer sagte"), ohne, dass es so gemeint ist und wechselseitige Erklärungs- und Annäherungsversuche schlagen in aller Regel fehl, wobei eine spezifische Assymmetrie entsteht: Der weiter entwickelte weiß zwar, was der andere meint und wo es bei ihm hakt, was er also nicht versteht, aber umgekehrt kann die Kluft nicht im Gepräch abgebaut werden, weil der innere Erfahrungsraum, das Welterleben dafür einfach nicht da ist und man das auch nicht mal eben erklären kann.
Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 18:29
Du müsstest Deine These (oder die Thesen, wenn es mehrere sind) erst mal griffig und nachvollziehbar formulieren, damit andere überhaupt erst mal verstehen können, auf was Du eigentlich hinauswillst.
Naja, wenn es an dem Thema kein so großes Interesse gibt, schreibe ich mir inzwischen nicht mehr die Finger wund, weil niemand was davon hat.
Es lohnt sich in dem Moment, an dem man immer wieder an einer Stelle aufeinander trifft, oder auseinander geht, die etwas mit diesen Erfahrungen zu tun hat.
Derjenige der meint, wunders was erlebt zu haben, muss einen Sinn dafür haben, dass anderen das zweifelhaft vorkommen könnte und der Auweg in eitäres Gehabe ist dabei der falscheste Ansatz, aber der Kritiker muss verstehen, dass eigenes Erleben zum Teil unerlässlich ist. Bis dahin gibt es einen Asymmetrie im Erlebthaben, aber auch hier muss geklärt werden, die diese Erlebnisse am besten erklärt werden können. Es kann ja sein, dass das, was spirituell erscheint ein simples Körperphänomen ist. In der Summe wird das recht kompliziert, gerade wenn man es ernst nimmt.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Alethos
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So 21. Jan 2018, 13:19

Auch wenn ich hier nicht mehr schreibe, lese ich noch immer mit. Was aber solche Schilderungen von Ganzheitserlebnissen und bewusstseinserweiternden Icherfahrungen genau mit Tatsachen und Ontologie zu tun haben sollen, verstehe ich nicht. Weil aber das Thema der Bewusstseinserfahrungen spannend ist, müsste es andernorts spezifisch diskutiert werden, finde ich, und nicht in einem dem Realismus gewidmeten Thread :) Man ahnt vielleicht, welchen Realitätsstatus ich diesen Phänomenen zuschreibe: einen fiktionalen :)



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So 21. Jan 2018, 14:24

Alethos hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 13:19
Was aber solche Schilderungen von Ganzheitserlebnissen und bewusstseinserweiternden Icherfahrungen genau mit Tatsachen und Ontologie zu tun haben sollen, verstehe ich nicht.
Das ist aber recht einfach. Wie auch für die Fragen nach Zahlen, Logik oder Fiktion kann es sein, dass es sich bei spirituellen Welten um eigenständige Seinsbereiche (oder Sinnfelder) mit einem vollkommen unabhängigen ontologischen Status handelt, oder bspw. um reine Phantasiewelten (denen nach Gabriel aber auch ein echter ontologischer Status zukommt). Oder es sind Welten die in einem Status relativer oder schwacher ontologischer Unabhängigkeit befinden, wie bspw. das Rechtswesen, bei dem die Existenz von Materie und Naturgesetzen lediglich dafür sorgt, dass so etwas sie ein Rechtswesen existieren kann, die Ausbuchtabierung bestimmer Gesetze, Urteile ... ist aber inhaltlich nicht weiter an Schwerkraft oder Elektromagnetismus gebunden.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Alethos
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So 21. Jan 2018, 14:36

Tosa Inu hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 14:24
Alethos hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 13:19
Was aber solche Schilderungen von Ganzheitserlebnissen und bewusstseinserweiternden Icherfahrungen genau mit Tatsachen und Ontologie zu tun haben sollen, verstehe ich nicht.
Das ist aber recht einfach. Wie auch für die Fragen nach Zahlen, Logik oder Fiktion kann es sein, dass es sich bei spirituellen Welten um eigenständige Seinsbereiche (oder Sinnfelder) mit einem vollkommen unabhängigen ontologischen Status handelt, oder bspw. um reine Phantasiewelten (denen nach Gabriel aber auch ein echter ontologischer Status zukommt). Oder es sind Welten die in einem Status relativer oder schwacher ontologischer Unabhängigkeit befinden, wie bspw. das Rechtswesen, bei dem die Existenz von Materie und Naturgesetzen lediglich dafür sorgt, dass so etwas sie ein Rechtswesen existieren kann, die Ausbuchtabierung bestimmer Gesetze, Urteile ... ist aber inhaltlich nicht weiter an Schwerkraft oder Elektromagnetismus gebunden.
Gut, nun geht es aber bei der SFO nicht um Welten. Ein Sinnfeld ist keine Welt für sich. Es gibt nicht die Welt des Rechtswesen und die Welt der spirituellen Ganzheitserfahrungen und die Welt der Comichelden etc. Bei Sinnfeldern geht es im Grunde um Existenz. Existenz ist ein Sinnfeld, nämlich jenes, in welchem etwas existiert. Deshalb heisst existieren demnach nicht, in der selben Weise vorzukommen.

Eine Gotteserfahrung existiert. Gott exisitiert in dieser Erfahrung. Gott existiert auch als ein metaphysischer Begriff in der Theologie. Er exisitiert als Theorem in einer Theorie. Gott existiert aber deshalb nicht wie etwas beliebig anderes in seiner je bestimmten Weise existiert. Ausser er existierte in dieser bestimmten Weise.

Man kann also nicht einfach mit Recht behaupten, die SFO erlaube jede Art von Existenzaussage, sondern nur eine je bestimmte. Nach der SFO existiert also nicht alles in derselben Weise, denn obwohl alles existiert, existiert es nur in einer bestimmten Weise. Das ist ein Unterschied, den man als Realist sehr ernst nimmt :) Wenn also die SFO sagt: "Es gibt alles", dann bezieht sich dieses "es gibt" als Existenzangabe nur auf einen bestimmten Sinn von Sein. Grüne Elefanten auf dem Mond gibt es, aber es gibt sie in anderer Weise als Superman im Comic, anders als ein mikrobiotisches Ding unter dem Mikroskop und anders als ein Atom in einem Atommodell und dieses Atom anders in der Physis eines Gegenstandes als im Atommodell. Die Seinsweisen sind unterschieden durch den Sinn ihrer entsprechenden Erscheinungsform.



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So 21. Jan 2018, 14:49

Alethos hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 14:36
Man kann also nicht einfach mit Recht behaupten, die SFO erlaube jede Art von Existenzaussage, sondern nur eine je bestimmte. Nach der SFO existiert also nicht alles in derselben Weise, denn obwohl alles existiert, existiert es nur in einer bestimmten Weise. Das ist ein Unterschied, den man als Realist sehr ernst nimmt :) Wenn also die SFO sagt: "Es gibt alles", dann bezieht sich dieses "es gibt" als Existenzangabe nur auf einen bestimmten Sinn von Sein. Grüne Elefanten auf dem Mond gibt es, aber es gibt sie in anderer Weise als Superman im Comic, anders als ein mikrobiotisches Ding unter dem Mikroskop und anders als ein Atom in einem Atommodell und dieses Atom anders in der Physis eines Gegenstandes als im Atommodell. Die Seinsweisen sind unterschieden durch den Sinn ihrer entsprechenden Erscheinungsform.
Das ist nun aber eindeutig nicht das, worum es Gabriel geht.
Etwas existiert, oder nicht. Existenz erster oder zweiter Klasse gibt es nicht.
Was Existenz über die Definition in Sinnfelder vorzukommen noch heißen könnte, konnten wir hier nicht klären, mein Eindruck ist, dass es an Gabrel ist, dies zu erläutern. Alles andere gilt wie ausgeführt, der ontologische Status spiritueller Bereiche ist auch völlig unabhängig von der SFO unklar. Ramana Maharshi gilt als einer der größten Weisen und hat eine sehr eigene Existenzdefnition. Was nicht im traumlosen Tiefschlaf erscheint, ist Illusion.



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So 21. Jan 2018, 15:20

Tosa Inu hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 14:49
Das ist nun aber eindeutig nicht das, worum es Gabriel geht. Etwas existiert, oder nicht. Existenz erster oder zweiter Klasse gibt es nicht.
Von Existenz erster und zweiter Klasse sprichst du, weder Gabriel noch ich sprechen davon. Wovon du sprichst, geht es also Gabriel wirklicht nicht, das stimmt schon. :)

Gabriel geht es, wie du richtig erkennst, ums Sein. Etwas existiert oder es existiert nicht. Und wenn es existiert, existiert es als dieses oder als jenes. Wenn Gabriel sagt, es gebe alles, dann meint er das ganz ausdrücklich so. Er sagt nicht, dieses gibt es zwar, aber es ist nicht eine ganz wirkliche Existenz, es ist nur eine abgemilderte. Existenz ist unzweideutig diese und keine andere.

Aber er sagt zugleich, dass Jenseitserfahrungen in der Menge der natürlichen ganzen Zahlen nicht existieren. Und dass Rechtsnormen nicht im Atomgitter eines physikalischen Gegenstandes existieren. Superman existiert nicht im Bremer Wald. Marilyn Monroe existiert nicht im heutigen Los Angeles. Wo etwas in einem Bereich nicht vorkommt, existiert es eben gar nicht. Wo aber etwas in einem bestimmten Bereich nicht vorkommt, muss aber deshalb nicht überhaupt nicht existieren.

Nun gibt es also Bereiche, die uns allen gemeinsam zugänglich sind und andere nicht: Wo hier etwas nicht existiert, existiert es auch nicht für uns. Somit kann man mit der SFO ganz ruhig sagen: Das Jenseits existiert nicht im Sinne einer uns gemeinsam gegebenen physischen Existenz. Und auch Geister gibt es nicht im Sinne einer uns gemeinsam gegebenen physischen Existenz. Und es gibt auch nicht zaubernde Hexen in einer uns gemeinsam gegebenen natürlichen Existenz. Aber dennoch gibt es das Jenseits, Hexen und Geister. Erkennst du den Unterschied? Hier werden überhaupt keine Existenzen erster oder zweiter Ordnung eingeführt, noch wird von Existenzen härterer und weicheren Grades gesprochen. Denn es wird nicht gesagt, dass nur die physische Existenz die entscheidende sei.



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