Jörn P Budesheim hat geschrieben : ↑ So 19. Okt 2025, 06:43
…Mir ist zwar klar, dass du mit Wahrheitsträgern Sätze, Gedanken und ähnliches meinst, aber ich kann mir die Metapher trotzdem nicht ausmalen. Was soll das heißen, dass ein Satz die Wahrheit trägt? Was genau ist damit gemeint? Also Wahrheitsträger sind vermutlich Sätze und Gedanken, aber bei Wahrmachern hörts schon auf, da weiß ich wirklich nicht im Entferntesten, was du damit meinst. Und bitte: nach Möglichkeit nicht allein abstrakt, sondern anhand des Beispiels erläutern.
Ein
Wahrheitswertträger ist eine
repräsentationale Entität (Repräsentation) mit einem Wahrheitswert; und ein
Wahrheitsträger ist entsprechend eine wahre Repräsentation (z.B. eine Aussage, ein Gedanke).
Ein
Wahr(heits)macher ist eine
nichtrepräsentationale Entität (z.B. ein wirklicher Sachverhalt), die eine wahre repräsentationale Entität (z.B. eine wahre Aussage) wahr macht. Genauer gesagt:
Eine nichtrepräsentationale Entität
E ist genau dann ein Wahrmacher einer repräsentationalen Entität
R, die einen Wahrheitswert haben kann, wenn Folgendes notwendigerweise zutrifft:
Wenn E & R koexistieren, dann ist R aufgrund (vermöge/kraft) der Existenz von E wahr.
(Wenn
R unwahr/falsch ist, dann liegt das daran, dass
E & R nicht koexistieren, weil
E nicht existiert und
R folglich nicht wahr machen kann.)
Die Gelehrten sind geteilter Meinung darüber, ob
alle Wahrheiten davon abhängig sind, von bestimmten Entitäten wahr gemacht zu werden. Diese Ansicht nennt sich
Wahrmacher-Maximalismus.
Zur weiteren Einführung:
SEP:
Truthmakers
SEP:
Wahr(heits)macher [Google Translate]
IEP:
Truthmaker Theory
IEP:
Wahr(heits)macher-Theorie [Google Translate]
"Die Metaphysik ist die philosophische Untersuchung der Realität, und Wahrmachung ist die Brücke, die zwei Aspekte davon verbindet. Auf der einen Seite ist der Stoff der Realität: die Dinge, die das Universum bevölkern, die Objekte, denen wir täglich begegnen, über die wir nachdenken und mit denen wir uns täglich beschäftigen. Die Ontologie ist derjenige Zweig der Metaphysik, der sich mit der Frage beschäftigt, was zum Inventar des Universums gehört. Existieren Zahlen? Objektive moralische Werte? Gott? Auf der anderen Seite sind die Wahrheiten über die Wirklichkeit, jene Behauptungen, die sie zutreffend beschreiben. Ameisenigel können schwimmen. Zwei ist eine Primzahl. Wäre der Chicxulub-Asteroid nicht mit der Erde kollidiert, hätte er kein Massenaussterben verursacht. Wahrmachung ist die Untersuchung der Beziehung dieser beiden Dimensionen der Wirklichkeit – was existiert und was wahr ist.
Eine gängige Beschreibung der Beziehung zwischen dem, was existiert und was wahr ist, erfolgt durch Abhängigkeit: Was wahr ist, hängt vom Existierenden ab, nicht umgekehrt. Aristoteles fasste die Grundidee anhand eines Beispiels wie folgt zusammen: Betrachten wir die Insel Tasmanien. Die Insel gehört zum ontologischen Inventar der Welt: Sie ist ein realer Ort, keine bloße Fiktion. Darüber hinaus ist der Satz „Tasmanien existiert“ wahr. Wenn die Insel nicht existierte, wäre der Satz nicht wahr. Und wenn der Satz nicht wahr wäre, würde die Insel nicht existieren. Dieses kleine Stück Existenz und Wahrheit gehen also Hand in Hand; das eine ist ohne das andere nicht möglich. Dennoch besteht auch eine Asymmetrie zwischen ihnen.
Die Insel existiert nicht, weil der Satz über sie wahr ist. Die Wahrheit des Satzes begründet oder erklärt nicht die Existenz der Insel. (Fragen Sie einen Geologen für eine bessere Antwort.) Stattdessen ist der Satz wahr, weil die Insel existiert. Der Satz besagt, dass Tasmanien existiert, und somit ist Tasmanien selbst direkt für die Wahrheit des Satzes verantwortlich. Mit anderen Worten, die Insel macht den Satz wahr: Sie ist sein Wahrmacher. Auf diese Weise haben existierende Objekte Priorität oder sie sind fundamentaler als die Wahrheit der Behauptungen, die diese Objekte betreffen. Wahrheit hängt vom Sein ab ist daher ein nützlicher Slogan für die Wahrmachertheorie." [Google Translate mit Änderungen meinerseits]
(Asay, Jamin. Truthmaking. Cambridge: Cambridge University Press, 2023. p. 1)
Anmerkung: Die folgende Aussage ist teilweise falsch:
"Wenn die Insel nicht existierte, wäre der Satz nicht wahr. Und wenn der Satz nicht wahr wäre, würde die Insel nicht existieren. Dieses kleine Stück Existenz und Wahrheit gehen also Hand in Hand; das eine ist ohne das andere nicht möglich."
Die Existenz von Tasmanien hängt nicht von der Existenz des wahren Satzes "Tasmanien existiert" ab, weil Tasmien auch in einer Welt ohne (wahre) Sätze existieren könnte.
"Aussagen teilen sich in Wahrheiten und Falschheiten. Einige der Wahrheiten sind notwendige Wahrheiten; lassen wir diese beiseite. Die übrigen Wahrheiten sind unnotwendig: Sie sind Wahrheiten, die falsch hätten sein können. Nun stellt sich die Frage: Wenn eine Aussage A (unnotwendigerweise) wahr ist, was macht sie wahr? Es erschiene nicht richtig zu sagen: 'A ist halt einfach wahr, und damit hat es sich'. Wir wollen vielmehr sagen, dass ihre Wahrheit eine relationale Eigenschaft ist. Die Welt—die Gesamtheit all dessen, das wirklich existiert—macht A wahr. Oder, besser gesagt, ein bestimmter Teil der Welt macht A wahr, da nur wenige Wahrheiten eine Beschreibung der gesamten Welt darstellen. Irgendwo innerhalb der Welt hat A einen 'Wahrmacher'. Ein Etwas E existiert und es ist so, dass es notwendigerweise der Fall ist, dass wenn E existiert, A wahr ist. (Oder es existieren vielleicht mehrere Dinge, von denen jedes ausgereicht hätte, um A wahr zu machen. Jede einzelne Katze—zumindest wenn sie wesensmäßig eine Katze ist—ist ein Wahrmacher der Aussage, dass etwas eine Katze ist.)" [meine Übers.]
(Lewis, David. "A World of Truthmakers." In Papers in Metaphysics and Epistemology, 215-220. Cambridge: Cambridge University Press, 1999. pp. 217-8)
"Die Idee eines Wahrmachers für eine bestimmte Wahrheit ist also einfach eine Entität, ein Teil der Realität, kraft/vermöge dessen diese Wahrheit wahr ist. Die Beziehung ist meiner Ansicht nach kategorenübergreifend, wobei ein Relatum eine oder mehrere Entitäten in der Welt ist/sind, und das andere eine Wahrheit. (Ich bin der Ansicht, dass Wahrheiten wahre Propositionen sind…) Wahrmacher für bestimmte Wahrheiten zu fordern, bedeutet, eine realistische Theorie für diese Wahrheiten zu akzeptieren. Es gibt etwas, das in der Realität existiert, unabhängig von der betreffenden Proposition, und das die Wahrheit wahr macht. Das ‚Machen‘ ist hier natürlich nicht im kausalen Sinn von ‚Machen‘ gemeint. Die beste Formulierung dieses Machens scheint die Wendung ‚kraft‘/‚vermöge‘ [‚in virtue of‘] zu sein. Vermöge dieser unabhängigen Realität ist die Proposition wahr. Was die Proposition zur Wahrheit macht, ist ihr Verhältnis zu dieser Realität." [Google Translate mit Änderungen meinerseits]
(Armstrong, D. M. Truth and Truthmakers. Cambridge: Cambridge University Press, 2004. p. 5)
"Wir arbeiten also mit der folgenden Theorie der Natur der Wahrheit:
p (eine Proposition) ist genau dann wahr, wenn es ein T (eine bestimmte Entität in der Welt) gibt, sodass T bedingt, dass p und p aufgrund von T wahr ist." [Google Translate]
(Armstrong, D. M. Truth and Truthmakers. Cambridge: Cambridge University Press, 2004. p. 17)
"Ein Wahrmacher ist diejenige besondere Entität in der Welt, aufgrund (vermöge/kraft) deren eine wahre Aussage wahr ist. Es handelt sich um eine relativ neue Version der Korrespondenztheorie der Wahrheit[.]" [Google Translate mit Änderungen meinerseits]
(Armstrong, D. M. Sketch for a Systematic Metaphysics. Oxford: Oxford University Press, 2010. p. 11)
"Beachten Sie erneut, dass die Wahrmacherbeziehung eine interne Beziehung…ist: Wenn die Relata, die Wahrmacher und die propositionalen Wahrheitsträger, gegeben sind, dann ist die Beziehung gegeben. Die Wahrmacher, so denke ich, bedingen die Wahrheiten, d.h. die Wahrheitsträger. Dies scheint eine Frage der Supervenienz zu sein. Die Realität fixiert die Wahrheiten als wahr." [Google Translate mit Änderungen meinerseits]
(Armstrong, D. M. Sketch for a Systematic Metaphysics. Oxford: Oxford University Press, 2010. p. 65)
"Ich vertrete die wohl orthodoxe Ansicht, dass die Wahrheitsträger (wahre) Propositionen sind. Aber was sind Propositionen? Meine Ansicht hier ist vielleicht weniger orthodox. Ich glaube nicht, wie manche Philosophen, dass es einen Bereich von Propositionen gibt, der zusätzlich zur Raumzeit eine „abstrakte Existenz“ besitzt. Ich denke, dass Propositionen am besten als das verstanden werden, was nach Ausdrücken wie „glaubt, dass“, „nimmt an, dass“, „hegt den Gedanken, dass“ oder „bezweifelt, dass“ erscheint. Propositionen haben etwas Abstraktes an sich, aber sie sind in einem gewöhnlicheren Sinne abstrakt als Quines „abstrakte Objekte“. Ich identifiziere Propositionen als dasjenige, was geglaubt, angenommen, gehegt, bezweifelt usw. wird." [Google Translate mit Änderungen meinerseits]
(Armstrong, D. M. Sketch for a Systematic Metaphysics. Oxford: Oxford University Press, 2010. p. 65)
Anmerkung: Armstrong hat also eine "deflationäre" Auffassung von Propositionen, die leider nicht ganz klar ist. Das bekümmert mich hier jedoch nicht, weil als Wahrheitsträger nicht nur Propositionen infrage kommen, sondern u.a. auch Aussagesätze.