Tatsachen/Wahrheit/ontische Wahrheit

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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Fr 1. Dez 2017, 14:10

Alethos hat geschrieben :
Fr 1. Dez 2017, 14:01
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 1. Dez 2017, 13:50
Tatsache und Wahrheit sind untrennbar.
Danke für die Beispiele. Ja, sie sind untrennbar, aber die Frage ist doch, wie die Tatsache ohne Aussage über diese Tasache, wahr sein soll.
Ich finde, die Frage ist, warum das infrage stehen sollte. Es ist mir schlechterdings ein Rätsel. Ich kann nicht begreifen, was es da nicht zu begreifen gibt :-)




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Alethos
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Sa 2. Dez 2017, 11:07

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 1. Dez 2017, 14:10
Alethos hat geschrieben :
Fr 1. Dez 2017, 14:01
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 1. Dez 2017, 13:50
Tatsache und Wahrheit sind untrennbar.
Danke für die Beispiele. Ja, sie sind untrennbar, aber die Frage ist doch, wie die Tatsache ohne Aussage über diese Tasache, wahr sein soll.
Ich finde, die Frage ist, warum das infrage stehen sollte. Es ist mir schlechterdings ein Rätsel. Ich kann nicht begreifen, was es da nicht zu begreifen gibt :-)
:)

Ein Ufo fliegt an einem noch nicht gesichteten, gänzlich unbekannten, Planeten vorbei. Das ist irgendwo jetzt vielleicht wahr, oder? Warum ist es nur vielleicht wahr und nicht mit Bestimmtheit?



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Jörn Budesheim
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Weil Tautologien immer wahr sind. Wenn das Ufo vielleicht irgendwo ist, dann ist es eben vielleicht irgendwo.




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Alethos
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 11:16
Weil Tautologien immer wahr sind. Wenn das Ufo vielleicht irgendwo ist, dann ist es eben vielleicht irgendwo.
Es steht nicht zur Debatte, dass die Tatsache ist, wenn sie ist :)
Die Tatsache untersteht hier ja keinem Konditional, sie ist oder sie ist nicht. Aber warum ist es vielleicht wahr oder nicht?



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Jörn Budesheim
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Ganz einfach, weil wir es nicht wissen. Nur wenn man den Unterschied zwischen Aussagenwahrheit und ontischer Wahrheit verschleift, entstehen solche Scheinprobleme. Ansonsten gilt einfach, dass wir nicht von allem, was der Fall ist Kenntnis haben.




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Sa 2. Dez 2017, 12:40

Alethos hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 12:10
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 11:16
Weil Tautologien immer wahr sind. Wenn das Ufo vielleicht irgendwo ist, dann ist es eben vielleicht irgendwo.
Es steht nicht zur Debatte, dass die Tatsache ist, wenn sie ist :)
Die Tatsache untersteht hier ja keinem Konditional, sie ist oder sie ist nicht. Aber warum ist es vielleicht wahr oder nicht?
Damit ich es richtig verstehe:
Du willst wissen, was der Unterschied zwischen einer Tatsache und einer Tatsachenbehauptung ist?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Alethos
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Sa 2. Dez 2017, 12:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 12:20
Ganz einfach, weil wir es nicht wissen. Nur wenn man den Unterschied zwischen Aussagenwahrheit und ontischer Wahrheit verschleift, entstehen solche Scheinprobleme. Ansonsten gilt einfach, dass wir nicht von allem, was der Fall ist Kenntnis haben.
Ok, das ist schön realistisch. Das gefällt mir.

Ontische Wahrheit und Aussagenwahrheit sind nicht dasselbe, ok. Ich denke, es ist vielleicht zielführend, dass wir nochmal auf den Unterschied zwischen Tatsachenontologie (wie du ihn ein paar Beiträge vorher in einem längeren Beitrag expliziert hast: Beitrag 8737) und ontischer Wahrheit eingehen.

Bedeutet dein Begriff von ontischer Wahrheit, dass sie (die Wahrheit) der Tatsache an und für sich zukommt? Das wurde mir noch nicht klar.
Alethos hat geschrieben :
Di 28. Nov 2017, 18:17
Wenn ich das also jetzt richtig verstehe, dann vertrittst du nicht die Position, die Wahrheit an sich der Tatsache komme vor, sondern lediglich das an sich Sein der Tatsache, über die es aber wahr ist, dass sie ist.
Darauf habe ich noch keine direkte Antwort gesehen.



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Jörn Budesheim
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Sa 2. Dez 2017, 13:17

Alethos hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 12:41
Bedeutet dein Begriff von ontischer Wahrheit, dass sie (die Wahrheit) der Tatsache an und für sich zukommt? Das wurde mir noch nicht klar.
Wenn das, was ich dazu bisher alles gesagt habe, darauf keine Antwort ist, dann verstehe ich diese und die anderen Fragen offenbar nicht. Ich habe nicht die mindeste Vorstellung, warum ich dazu nicht schon alles in großer Deutlichkeit und mehrfach gesagt haben soll :-(

Tatsachen bestehen. (Manche, nicht alle) Tatsachen würden auch bestehen, wenn es nie irgendwelche Wesen gegeben hätte, die sie registriert hätten. Die Tatsache, dass der Stein (X) zu Boden fällt (f) ist sowohl registrierungs- als auch registraturunabhängig. (Manche Tatsachen mögen nur eins, mache keins von beiden sein.) Wahrheit spielt hier in verschiedener Hinsicht eine wichtige Rolle: Es trifft auf X zu, dass es sich um einen Stein handelt. (Gegeben ein Bereich ist das "Wahrheitsmoment 1") Es ist über x wahr, dass f (=er fällt zu Boden). ("Wahrheitsmoment 2"). Alle diese (ontischen) Wahrheiten, über die ich gerade gesprochen habe, lägen auch in einer Welt ohne jede Registratur vor. Dass es zwei Punkte/Momente sind, spiegelt den Umstand wieder, dass es in den diversen Wirklichkeit (1.) Dinge gibt, die (2.) in Sachverhalten vorkommen (= Tatsachen-Ontologie. Gegenüber einer Ding-Ontologie, die behauptet, dass Tatsachen im Grunde geistiges sind.)

Auch wenn das umständlich klingen mag, ist das nach meiner Ansicht einfach unsere Alltagssicht. Es gibt Dinge von bestimmter Art, die in diversen Sachverhalten vorkommen können, welche wir auch in Worten fassen können. Wahrheit ist "da draußen" und wir können manches davon wissen und wahrheitsgemäß sagen.




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Sa 2. Dez 2017, 13:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 13:17
Alethos hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 12:41
Bedeutet dein Begriff von ontischer Wahrheit, dass sie (die Wahrheit) der Tatsache an und für sich zukommt? Das wurde mir noch nicht klar.
Tatsachen bestehen. Sie würden auch bestehen, wenn es nie irgendwelche Wesen gegeben hätte, die sie registriert hätten. Die Tatsache, dass der Stein (X) zu Boden fällt (f) ist sowohl registrierungs- als auch registraturunabhängig. Wahrheit spielt hier in verschiedener Hinsicht eine wichtige Rolle: Es ist von X wahr, dass es sich um einen Stein handelt. Es ist über x wahr, dass f (=er fällt zu Boden). Alle diese (ontischen) Wahrheiten, über die ich gerade gesprochen habe, lägen auch in einer Welt ohne jede Registratur vor.
Du hast schon sehr vieles und sehr einleuchtendes dazu gesagt, und dafür danke ich dir. Es geht bei meinen Fragen nicht im Geringsten darum, eine Position in die argumentative Enge zu treiben, sondern es geht um eine kritische Würdigung und vielleicht auch um eine gemeinsame Anstrengung, den ontischen Wahrheitsbegriff zu entwickeln.

Herr K. hat mehrmals nun schon gefragt, worauf sich diese ‚es‘ beziehe, das in der Aussage vorkommt: ‚Es ist über das Ufo wahr, das am Planeten vorbeifliegt‘. Mir auch ist noch nicht ganz klar, ob ‚es’ hier die Tatsache oder die Aussage meint. In ersterem Fall besagt ‚es‘: ‚Die Tatsache ist über die Tatsache wahr.‘, mithin spricht man hier von einer wahren Tatsache. In letzterem Fall meint ‚es‘ eine Aussage, so dass wir also von einer Aussagenwahrheit sprächen. Nur erstere Variante ist ein Kandidat für ontische Wahrheit.

Und meine Frage lautet, ob es über etwas wahr ist, dass es ist, ohne Registrierung und Registratur. Und du sagst, ja, wenn ich das richtig verstehe: Dann lautet die Antwort auf meine Frage: ‚Die Wahrheit der Tatsache kommt an sich vor.‘: Ja.

Dann gilt der folgende Satz bedingungslos: ‚Alle (ontischen) Wahrheiten liegen auch ohne jede Registratur vor.‘ Wenn wir aber sagen, dass die ontische Wahrheit einer Tatsache ohne Registierung dieser Tatsache vorkommt, dann vermuten wir das ja nur, denn registrieren dürfen wir ja die Tatsache für die Behauptung ihres Wahrseins ohne Registratur gerade nicht.

Die Frage lautet also so: ‚wie können wir die Wahrheit von etwas, das wir nicht registrieren, behaupten, ohne die Registrierung konditional vorauszusetzen? Und wie können wir diese Registrierung vorausgesetzt dann immer noch behaupten, die Wahrheit der registrierten Tatsache liege nicht in der Aussage?‘ Denn offensichtlich heisst Registrierung bereits einen Begriff zu haben von etwas als seiend, mithin impliziert es das Tätigen einer Aussage über die Existenz. Denn Registrierung als empirisches Datum allein ist ohne Begriff blind, mit Begriff aber eine Aussage.

Die ontische Wahrheit behauptet aber Wahrheit der Tatsache ohne Begriff weder der Tatsache noch ihrer Wahrheit. Und das
scheint mir unlogisch zu sein, wenigstens scheint es aber induktiv geschlossen und ohne weitere Erklärungen zunächst nicht einleuchtend.
Zuletzt geändert von Alethos am Sa 2. Dez 2017, 14:14, insgesamt 1-mal geändert.



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Sa 2. Dez 2017, 14:11

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 13:17
Es gibt Dinge von bestimmter Art, die in diversen Sachverhalten vorkommen können, welche wir auch in Worten fassen können. Wahrheit ist "da draußen" und wir können manches davon wissen und wahrheitsgemäß sagen.
I want to believe.

Die Alltagssicht ist auch unproblematisch. Sie ist auch mit einem antiken Verständnis von Wahrheit kompatibel. Aber es erscheint in die Tiefe gehend gefragt nicht einsichtig, die Wahrheit von etwas nicht Registriertem zu behaupten. ‚Die Aussage ‚Ein grüner Elefant lebe auf dem Mond’ ist wahr, wenn die Tatsache existiert, dass der grüne Elefant auf dem Mond lebt.‘ ist einleuchtend, aber über den spekulativen Charakter hinaus nichts wert. Die Tatsache, dass es sich so verhält, erhält nur relevanten Wahrheisstatus, wenn die Tatsache verifiziert (veritas facere) werden kann.



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Sa 2. Dez 2017, 16:42

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 1. Dez 2017, 13:32
Wie sähe eine schärfere Begriffsbestimmung [von Tatsache] denn aus?
Ungefähr so: Tatsachen sind bestehende Sachverhalte. Und Sachverhalte wiederum konstituieren sich aus Dingen und Eigenschaften bzw. Relationen. Wobei hier "Ding" ganz allgemein zu verstehen ist; ein "Ding" soll hier etwas sein, das Eigenschaften hat. Mein Begriff von Tatsache ist ontologisch neutral. Jede Tatsache besteht, daher ist es redundant, zu sagen, eine Tatsache bestünde oder auch so ausgedrückt: die beiden Aussagen "x ist eine Tatsache" und "x ist eine bestehende Tatsache" sind bedeutungsgleich. Es gibt mE keine negativen Tatsachen, d.h. z.B. die Aussage "Herr K. ist keine Frau" bezieht sich nicht auf eine Tatsache, (etwa: das Nicht-Frau-Sein Herrn K.'s). Tatsachen sind ontologisch abhängig von ihren Konstituenten, d.h. verschwinden die Konstituenten, dann verschwindet auch die Tatsache und: gibt es die Konstituenten nicht, dann auch nicht die Tatsache.




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Sa 2. Dez 2017, 16:52

Alethos hat geschrieben :
Fr 1. Dez 2017, 13:44
Wenn doch eine Aussage die Erkenntnis von etwas voraussetzt, dann impliziert dass, dass keine Aussage über etwas gemacht werden kann, wenn dieses nicht erkannt wird. Die Aussage aber ist doch das, was (Aussagen-)Wahrheit bringt. Wenn also jemand mehr weiss als der andere, kann er über einen grösseren Bereich des Seienden Aussagen machen. Seine Wahrheit ist extensiver, da er doch eben mehr aussagen kann. Das halte ich für ziemlich plausibel, aber kontraintuitiv. Denn wir sprechen ja nicht von dieser seiner Wahrheit oder der Wahrheit des anderen, sondern von der einen Wahrheit?
Eine Aussage setzt nicht die Erkenntnis von etwas voraus, Aussagen können auch gemacht werden, wenn etwas nicht erkannt/nicht gewusst wird. So ist z.B. dies: "Alethos ist in Stuttgart geboren" eine Aussage, obgleich ich keine Ahnung habe, wo Du geboren bist.

Wir sprechen nicht von der Wahrheit des einen und der Wahrheit des anderen, (außer, wenn wir ausdrücken wollen, dass das Gesagte nicht wahr sei), aber wir reden über das Wissen des einen und das Wissen des anderen. Daher weiß ich nun nicht so recht, was genau Du kontraintuitiv findest, denn Du redest hier ja über unterschiedliches Wissen.




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Jörn Budesheim
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Herr K. hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 16:42
Mein Begriff von Tatsache ist ontologisch neutral.
"ontologisch neutral" Was heißt das?

Wenn ein Ding etwas ist, das Eigenschaften haben kann, dann ist die 5 ein Ding, denn sie hat die Eigenschaft größer als die 4 zu sein, eine Primzahl zu sein, etc. Dieses Ding das Eigenschaften hat, existiert deiner Ansicht nach aber nicht, wenn ich dich richtig verstanden habe. Was sind das für Tatsachen, die von Dingen handeln, die es gar nicht gibt? Daraus würde wohl folgen, dass etwas, was es nicht gibt, größer sein kann als etwas anderes, was es nicht gibt.




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Herr K.
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"Ontologisch neutral" heißt, dass mein Begriff von "Tatsache" keine bestimmte ontologische Position impliziert, aus einer bestimmten ontologischen Position folgt hingegen, was demnach Tatsachen sind. Oder so gesagt, auf Dein Beispiel bezogen: angenommen, jemand meinte, es gäbe die 4 und die 5 nicht, dann kann er nach meinem Begriff von "Tatsache" nicht behaupten, es sei eine Tatsache, dass 5 größer als 4 sei.




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Alethos
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Sa 2. Dez 2017, 17:26

Herr K. hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 16:52
Eine Aussage setzt nicht die Erkenntnis von etwas voraus, Aussagen können auch gemacht werden, wenn etwas nicht erkannt/nicht gewusst wird. So ist z.B. dies: "Alethos ist in Stuttgart geboren" eine Aussage, obgleich ich keine Ahnung habe, wo Du geboren bist.
Ich sprach von wahren Aussagen, das hätte ich ausdrücklich erwähnen müssen. Sind wahre Aussagen auch ohne eine Erkenntnis möglich? Ich denke, nein.



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Herr K. hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 16:42
Tatsachen sind bestehende Sachverhalte. Und Sachverhalte wiederum konstituieren sich aus Dingen und Eigenschaften bzw. Relationen. Wobei hier "Ding" ganz allgemein zu verstehen ist; ein "Ding" soll hier etwas sein, das Eigenschaften hat.
Ist alles ziemlich zirkulär, nicht wahr? Man kann nicht von Eigenschaften sprechen, ohne den Tatsachenbegriff schon vorausgesetzt zu haben, oder? Zum Beispiel: "Das da ist grün." Bei Dingen und Eigenschaften ist es genau so, denn du kannst nicht wissen, was ein Ding, ohne zu wissen, was eine Eigenschaft ist und umgekehrt, was dann sogleich bedeutet, dass auch der Tatsachenbegriff schon vorausgesetzt ist.

Aber am erstaunlichsten ist, dass diese Definition dazu führt, dass es über all die Dingen Tatsachen gibt, deren Existenz du stets leugnest. Superman hat eine ganze Reihe von Eigenschaften, so dass es etliche Tatsachen über ihn gibt, außer, dass es ihn gar nicht gibt, wie du geltend gemacht hast :-) Hattest du nicht sogar mal erläutert, dass Existenz die höherstuftige Eigenschaft ist, Eigenschaften haben zu können? Oder verwechsle ich das?




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So 3. Dez 2017, 13:09

Alethos hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 13:56
Herr K. hat mehrmals nun schon gefragt, worauf sich diese ‚es‘ beziehe, das in der Aussage vorkommt: ‚Es ist über das Ufo wahr, das am Planeten vorbeifliegt‘. Mir auch ist noch nicht ganz klar, ob ‚es’ hier die Tatsache oder die Aussage meint. In ersterem Fall besagt ‚es‘: ‚Die Tatsache ist über die Tatsache wahr.‘, mithin spricht man hier von einer wahren Tatsache. In letzterem Fall meint ‚es‘ eine Aussage, so dass wir also von einer Aussagenwahrheit sprächen. Nur erstere Variante ist ein Kandidat für ontische Wahrheit.
Ja, einer der Streitpunkt scheint der zu sein, ob bei einer Aussage wie "Es ist wahr, dass das Ufo gerade an einem Planeten vorbeifliegt" sich das "es" (das, was wahr ist; der Wahrheitsträger) auf eine Aussage oder auf eine Tatsache bezieht. Bei dieser Aussage kann das auch strittig sein, bei Deiner anderen Beispielaussage "Es ist vielleicht wahr, dass das Ufo gerade an einem Planeten vorbeifliegt" hingegen scheint mir klar zu sein, dass es sich nicht auf eine Tatsache beziehen kann, denn wenn wir wieder hilfsweise annehmen, dass die Wahrheit einer Tatsache gleich ist mit dem Bestehen der Tatsache, dann kann es kein Vielleicht-Wahrsein einer Tatsache geben. Hingegen scheint mir ein Vielleicht-Wahrsein einer Aussage unproblematisch zu sein.




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So 3. Dez 2017, 13:21

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 17:45
Herr K. hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 16:42
Tatsachen sind bestehende Sachverhalte. Und Sachverhalte wiederum konstituieren sich aus Dingen und Eigenschaften bzw. Relationen. Wobei hier "Ding" ganz allgemein zu verstehen ist; ein "Ding" soll hier etwas sein, das Eigenschaften hat.
Ist alles ziemlich zirkulär, nicht wahr? Man kann nicht von Eigenschaften sprechen, ohne den Tatsachenbegriff schon vorausgesetzt zu haben, oder? Zum Beispiel: "Das da ist grün." Bei Dingen und Eigenschaften ist es genau so, denn du kannst nicht wissen, was ein Ding, ohne zu wissen, was eine Eigenschaft ist und umgekehrt, was dann sogleich bedeutet, dass auch der Tatsachenbegriff schon vorausgesetzt ist.
Ich finde nicht, dass das zirkulär ist, bzw., ich denke nicht, dass man, um verstehen zu können, was "Ding" und "Eigenschaft" bedeutet, schon wissen muss, was "Tatsache" bedeutet.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 17:45
Aber am erstaunlichsten ist, dass diese Definition dazu führt, dass es über all die Dingen Tatsachen gibt, deren Existenz du stets leugnest. Superman hat eine ganze Reihe von Eigenschaften, so dass es etliche Tatsachen über ihn gibt, außer, dass es ihn gar nicht gibt, wie du geltend gemacht hast :-) Hattest du nicht sogar mal erläutert, dass Existenz die höherstuftige Eigenschaft ist, Eigenschaften haben zu können? Oder verwechsle ich das?
Wenn es Superman nicht gibt (was ich meine), dann kann es (nach meinem Tatsachenbegriff) auch keine Tatsache sein, dass z.B. Superman mit bürgerlichem Namen Clark Kent heißt. Woraus weiter - nach meinem Wahrheitsverständnis (Korrespondenztheorie der Wahrheit) und nach klassischer Logik - folgt, dass die Aussage "Superman heißt mit bürgerlichem Namen Clark Kent" falsch (nicht wahr) ist. Um wahr sein zu können, benötigt sie mE einen Zusatz etwa der Art "laut der Geschichte", also: "laut der Geschichte 'Superman' heißt Superman mit bürgerlichem Namen Clark Kent".




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Alethos
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So 3. Dez 2017, 13:24

Ich habe gestern die Diskussion mit einem 50-jährigen weitergeführt. Er ist der Meinung, dass Wahrheit in der Feststellung der Tatsachen liege, mithin nimmt er an, dass die Wahrheit von etwas in der Aussage liege, die den Wahrmacher identifiziert. Er meinte aber zugleich, dass die Wahrheit im Fakt der Tatsächlichkeit liege. Tatsachen und Wahrheit ließen sich nicht trennen, es gebe auch keinen ontologischen Vorrang der Tatsache über die Wahrheit und umgekehrt.

Nach seiner Auffassung kann es demnach sein, dass die Wahrheit irgendwo da draussen ist und nur darauf wartet, bewahrheitet zu werden. Man kann dagegen argumentieren, besonders als Vertreter einer Korrespondenztheorie. Im Eigentlichen kann man es auch so stehen lassen und die Existenz der Tatsache (da sie Tatsache ist, ist sie per se existent) als ihre Wahrheit gelten lassen. Das Seiende und alle seine Prädiaktionen sind wahr durch den Umstand, dass sie sind. Ich denke, das würden wir als ontische Wahrheit bezeichnen.



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So 3. Dez 2017, 22:03

Alethos hat geschrieben :
So 3. Dez 2017, 13:24
Ich habe gestern die Diskussion mit einem 50-jährigen weitergeführt. Er ist der Meinung, dass Wahrheit in der Feststellung der Tatsachen liege, mithin nimmt er an, dass die Wahrheit von etwas in der Aussage liege, die den Wahrmacher identifiziert. Er meinte aber zugleich, dass die Wahrheit im Fakt der Tatsächlichkeit liege. Tatsachen und Wahrheit ließen sich nicht trennen, es gebe auch keinen ontologischen Vorrang der Tatsache über die Wahrheit und umgekehrt.

Nach seiner Auffassung kann es demnach sein, dass die Wahrheit irgendwo da draussen ist und nur darauf wartet, bewahrheitet zu werden. Man kann dagegen argumentieren, besonders als Vertreter einer Korrespondenztheorie. Im Eigentlichen kann man es auch so stehen lassen und die Existenz der Tatsache (da sie Tatsache ist, ist sie per se existent) als ihre Wahrheit gelten lassen. Das Seiende und alle seine Prädiaktionen sind wahr durch den Umstand, dass sie sind. Ich denke, das würden wir als ontische Wahrheit bezeichnen.
Mir ist völlig unklar, wo Du den Konflikt zwischen dem Standpunkt des "50-jährigen" und der Korrespondenztheorie siehst.

Die Korrespondenztheorie geht davon aus, dass die Wahrheit "irgendwo da draußen ist" und nur darauf wartet, im Intellekt reflektiert zu werden.




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