Herr K. hat geschrieben : ↑ Do 30. Nov 2017, 13:48
Alethos hat geschrieben : ↑ Mi 29. Nov 2017, 22:48
Auch für mich sind Tatsachen nicht an mentale Prozesse geknüpft. Das gerade wollte ich mit Selbstgetragenheit verdeutlichen.
Ich hatte Dich so verstanden: nur etwas, das nicht von einem denkenden Akt abhinge, könne eine Tatsache sein und ergo könnte z.B. der Umstand, dass ich eine bestimmte Auffassung vertrete, keine Tatsache sein. Aber vielleicht habe ich Dich da falsch verstanden?
Ich sehe überspitzt gesagt keinen Unterschied zwischen der Selbstgetragenheit von Denken und dem Rauch, der aus dem Kamin eines Einfamilienhauses qualmt. Ich schreibe Gedanken, Einbildung, Gefühlen etc. volle Existenz zu und zwar in derselben Weise wie einem Baum oder einem Stein. Es gibt zwischen Seiendem und aus anderem Seienden hervorgehendes Seiendes keine relevanten Unterschiede, denn worin sollten sie liegen? Es gibt für mich keine denkbare
creatio ex nihilo, auch keine psychologische. Der Gedanke geniesst kein privilegierteres Sein als das Sein eines Staubkorns auf dem Mars, wenigstens nicht in Bezug auf Existenz überhaupt. Ganz gewiss empfinden wir den Gedanken als viel relevanter, den er konstituiert mit, dass wir Menschen sind, die denken und über sich selbst nachdenken. Er ist uns ganz nah, näher jedenfalls als das Staubkorn auf dem Mars. Aber das halte ich für eine subjektive Verzerrung
Ob ich also denke oder einen Ball ankicke, ob der Meteorit einschlägt oder der See im Seebecken liegt, das ist für den Umstand, dass sie alle Tatsache sind, unerheblich. Sebstverständlich ist das eine eng ans Menschsein geknüpft, z.B. moralische Gesetze - sie kommen ohne unsere Aktualisierung nicht vor (auch hierfür gibt es ziemlich radikal realistische Positionen). Aber auch Einbildungen gestehe ich den Status ontischer Selbstgetragenheit als Tatsache zu, denn ob ich einen Kuchen backe oder einen Supermann erdenke, hat auf das Sein dieser Tatsache keinen Einfluss. Alles kommt in einem entsprechenden Bereich vor, ob der Seinsbereich meiner Gedanken mein Bewusstsein ist oder der Seinsbereich des Sees das Seebecken, das tut doch nichts dazu. Auch wenn jeder Seinsbereich unterschiedliche Seinsbedingungen hat und also das Seiende in diesem Seinsbereich von diesem Seinsbereich abhängt, so ist es doch selbstgetragene Tatsache, wenn es ist.
Herr K. hat geschrieben : ↑ Do 30. Nov 2017, 13:48
Ich stimme zu, dass nach der Korrespondenztheorie die Tatsache als Wahrmacher Anteil an der Wahrheit der Aussage hat. Was das aber nun mit dem Ausblenden/Einblenden bzw. Fokussieren auf bestimte Aspekte zu tun haben soll, ist mir nicht klar geworden, bzw. inwiefern das für eine ontische Wahrheitstheorie spricht.
Könntest Du vielleicht andeuten, was Du hier unter "ontische Wahrheitstheorie" verstehst?
Wenn eine Tatsache besteht, dann können über diese zumindest in vielen Fällen wahre Aussagen gemacht werden. Das meinst Du vielleicht mit "Wenn die Tatsache also ist, dann ist auch potenzielle Wahrheit." Wie aber ist die Überleitung zu ontischer Wahrheit?
Ich habe mich in die Rolle des Anwalts der ontischen Wahrheitstheorie versetzt. Darum auch die obigen Überlegungen, die ich als eine mögliche Denkoption in die Runde werfe. Ich bin selbst kein radikaler Realist, sondern ein moderater
Mein Gedankengang war folgender: Wenn die Wahrheit allein in der Aussage läge, und sie nicht in der Sache selbst vorkäme, dann wäre die Wahrheit des einen kleiner als die des anderen, wenn der eine mehr weiss als der andere. Denn die Aussage beschränkt sich ja auf die Tatsache, die erkannt wird, somit auch der Wahrheitswert der Aussage nur auf das Erkannte. Wo aber jemand mehr Erkenntnis hat als der andere, kann er auch mehr aussagen über die Tatsache, und hat er folglich auch mehr Wahrheit. Aber es kann intuitiv gesehen nicht ein bisschen Wahrheit geben, sondern nichts als die Wahrheit
Die ontische Wahrheit wäre demnach jene, die der Existenz zukommt. Existieren heisst wahr sein, denn alle Tatsachen sind in Existenz und als Existierendes sind sie. Wenn sie aber sind, ob bekannt oder nicht, sind sie wahr, denn über sie könnte Wahres ausgesagt werden, wären sie bekannt. Da sie es aber nicht sind, ist Wahrheit lediglich eine supponierte, konditionale, denn die Existenz von allen Tatsachen können wir ja nicht wissen. Wir müssen sagen: ‚Wenn es so ist, dass x, dann ist die Aussage, dass x ist, wahr.‘
Aber wir können uns doch auch ein Superbrain vorstellen, das alles erkannt hat, alles, was je war, ist und sein wird, wenigstens theoretisch. Und von diesem göttlichen Standpunkt des Allbewusstseins aus liesse sich sagen, dass alle Wahrheit in allen Tatsachen ist, weil es aus dieser Perspektive möglich wird, eine Aussage zu machen, über alles, was ist. Die Wahrheit käme nach wie vor der Aussage zu, aber diese Aussage wäre die Tatsache, die von allem handelte. Und wenn sie von allem zugleich handelte, wäre sie identisch mit dem Sein aller Dinge überhaupt. Denn sie schliesste alles ein unter allem anderen sich selbst in allem Sein.
Wem das zu viel des Guten ist (und mir ist es das
), der kann bei der supponierten, konditionalen Wahrheit bleiben, sie ist auch praktikabler, weil sie auf plausible Erfahrungsgründe baut.
Darum bin ich auch kein radikaler Realist, weil ich um die Beschränktheit unserer emprischen Erfahrungen weiss und nur jenem Realismus Wahrheit zusprechen mich befähigt sehe, den wir auch verifizieren können. Aber die ontische Wahrheitstheorie geht nicht von der Erfahrung aus, sondern von der kompletten
Unverborgenheit alles Seienden als Wahrheit. Diese Allwahrheit war bei den alten Griechen alltagstauglich.