Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Di 28. Nov 2017, 14:25
Ich würde zwar nicht die Formulierung nutzen, dass Tatsachen wahr sind. Aber Tatsachen und Wahrheit sind bei mir doch überhaupt nichts getrenntes oder so ... wie du zu glauben scheinst. Ich verstehe deine Frage vielleicht auch nicht. Einfach gesagt: bei Tatsachen geht es um Wahrheit. Bei dem Katzenbeispiel in zweifacher Hinsicht, wie ich erläutert habe. Es ist wahr, dass das Ding, welches in dem Sachverhalt vorkommt, eine Katze ist und von dieser ist wahr, dass sie auf der Matte sitzt. Das ist die Tatsache, die kein Gedankending ist, sondern an sich vorliegt. Und ein Satz kann diese Tatsache aussagen, was ihn zu einem wahren macht. Viel substanzieller kann man sich eine "Korrespondenz" eigentlich kaum vorstellen, weswegen ich dein "jedoch" nicht verstehe.
Die letzten beiden Sätze beziehen sich auf Aussagenwahrheit. Bezüglich dieser sind wir uns wohl einig, wenn ich das recht sehe: Aussagen und Tatsachen sind nicht identisch (genauer gesagt: eine wahre Aussage über die Tatsache T ist nicht identisch mit T), daher kann es eine Korrespondenzbeziehung zwischen wahren Aussagen und Tatsachen geben, (hingegen kann es keine Korrespondenzbeziehung zwischen etwas und sich selber geben), und eine Aussage ist dann wahr, wenn sie mit einer Tatsache korrespondiert. Woraus folgt, dass bei Aussagenwahrheiten Aussagen die Wahrheitsträger (d.h.: hierbei können Aussagen die Eigenschaften "wahr" oder "unwahr" haben) und Tatsachen die Wahrmacher sind.
Kommen wir zu "Sachwahrheiten" wie: "Franz ist ein wahrer Freund" oder "dies ist wahres Gold". Hier haben wir auch eine Korrespondenzbeziehung, diese besteht jedoch sozusagen in umgekehrter Richtung. Franz ist dann ein wahrer Freund, wenn er unserem Konzept eines Freundes hinreichend entspricht. Was in diesen Fällen fix ist, ist unser Konzept, damit verglichen werden dann (vermeintliche) Freunde oder (vermeintliches) Gold. Je nach Übereinstimmung handelt es sich dann um einen echten Freund oder echtes Gold oder um einen falschen Freund oder um falsches Gold. Bei Aussagenwahrheit ist es umgekehrt: hier wird die Wirklichkeit fix gesetzt (ist so und so) und unterschiedliche Aussagen betrachtet, die wiederum, je nach Übereinstimmung, wahr oder falsch sein können.
Solche Sachwahrheiten sind nun wohl noch nicht das, was unter "ontischer Wahrheit" verstanden wird, sondern - zumindest so, wie ich das bislang verstehe - liegt diese in der Wirklichkeit selber und bedeutet nicht mehr oder weniger, als dass die Wirklichkeit so und so ist, bzw.: die (ontische) Wahrheit eines Ausschnittes der Wirklichkeit ist identisch mit ihrem so-und-so-Sein. Siehe dazu auch nochmal das Zitat von Petra Kolmer aus meinem Beitrag 8343 - man kann also in dieser Bedeutung von "wahr" "seiend" und "wahr" synonym verwenden. Was nun auf eine Tatsachenontologie umgemünzt ungefähr sowas bedeuten müsste, wie: a) Tatsachen sind ontisch wahr und b) "ontisch wahr" bedeutet in dem Falle, dass eine Tatsache besteht.
Nun stimmt zwar meine Auffassung von "ontischer Wahrheit" wohl nicht mit Deiner Auffassung von "ontischer Wahrheit" überein, die ich immer noch nicht verstanden habe. Mir reichte es nun, wenn wir einfach unterschieden zwischen Aussagenwahrheit, Sachwahrheit und ontischer Wahrheit, damit wäre ich solange zufrieden, bis Du nicht behauptest, dass "ontische Wahrheit" die "wahre Wahrheit" sei. Oder anders gesagt: mich deucht, dass "Wahrheit" unterschiedliche Bedeutungen habe, die recht unabhängig voneinander sind, d.h. nicht auf eine dieser Bedeutungen (z.B.: ontische Wahrheit) zurückgeführt werden können.
Nehmen wir nun noch mal diese Aussage von Dir: "Die Tatsache [Tasse steht auf dem Tisch] besteht, weil es über die Tasse wahr ist, dass sie auf dem Tisch steht." Hier ist wohl nicht Aussagenwahrheit, sondern ontische Wahrheit gemeint. (Aussagenwahrheit kann deswegen nicht gemeint sein, weil, wie schon Aristoteles sagte: "Nicht darum nämlich, weil unsere Meinung, du seiest weiß, wahr ist, bist du weiß, sondern darum, weil du weiß bist, sagen wir die Wahrheit, indem wir dies behaupten.") Also wird hier wohl ontische Wahrheit gemeint sein. Und entweder ist nun die ontische Wahrheit [Tasse steht auf dem Tisch] identisch mit der Tatsache [Tasse steht auf dem Tisch] oder aber sie ist abgeleitet aus dieser Tatsache, (in welchem Falle sich die Frage nach dem Wahrheitsträger stellt, im ersten Falle ist die Tatsache der Wahrheitsträger). So oder so aber kann sie keine Begründung für das Bestehen der fraglichen Tatsache sein, höchstens könnte - im zweiten Falle - das Bestehen der Tatsache die Begründung für das Bestehen der ontischen Wahrheit sein. Oder aber Du meintest, dass ontische Wahrheiten primäre ontologische Entitäten seien und sich Tatsachen daraus ableiteten, was aber wohl nicht mit einer Tatsachenontologie kompatibel wäre.
Auch diese Aussage von Gabriel: "Eine Tatsache ist etwas, das über etwas wahr ist." ist mir - im Zusammenhang mit Deiner Auffassung von ontischer Wahrheit, nach der wohl Tatsachen nicht ontisch wahr sein könnten - nach wie vor höchst unklar. Nehmen wir erst einmal an, hier sei Aussagenwahrheit gemeint. In dem Falle erhielten wir: "Eine Tatsache ist eine Aussage, die über etwas wahr ist." Das hört sich nun merkwürdig an - vermutlich ist das nicht gemeint [x]. Vielleicht ist hier wieder ontische Wahrheit gemeint. Dann hätten wir: "Eine Tatsache ist etwas, das über etwas ontisch wahr ist." In dem Falle allerdings wäre das erklärungsbedürftig, denn "ontische Wahrheit" ist ein philosophischer Terminus Technicus (ein mE in der Philosophie recht ungebräuchlicher noch dazu) und kein Begriff der Alltagssprache. Das beiseitegestellt folgt allerdings daraus, dass demnach Tatsachen ontisch wahr sein können - es ist schwer zu leugnen, dass "etwas, das über etwas wahr ist" die Eigenschaft "wahr" hat. Ebenso wüsste ich nicht, wie man die Aussage anders interpretieren kann, als dass sich das erste "etwas" auf eine Tatsache bezieht.
[x] Anmerkung: es sei denn, Gabriel würde eine Identitätstheorie der Wahrheit vertreten, d.h. meinen, dass Aussagen und Tatsachen identisch seien.