TN, in "Das objektive Selbst" hat geschrieben : Denken Sie sich eine vollständige Weltbeschreibung, und zwar eine solche, die aus keiner... besonderen Perspektive [z.B. meiner] formuliert wäre - eine Weltbeschreibung, in der mithin bereits alle in dieser Welt vorkommenden Menschen verzeichnet wären, wovon einer Thomas Nagel ist. Zum einen schiene in einer solchen Weltbeschreibung gleichwohl eines noch gar nicht angegeben zu sein, nämlich: welches dieser Individuen ich selbst bin.
Tommy hat geschrieben : ↑ Do 19. Apr 2018, 15:21
In dem vorliegendem Textauszug aus THOMAS NAGELs "Das objektive Selbst" beschreibt NAGEL zunächst die Welt aus einer objektiven Sicht.
Alethos hat geschrieben : ↑ Sa 21. Apr 2018, 15:07
Mich würde zunächst interessieren, was mit 'objektivem Selbst' gemeint ist.
Ja, was heißt das eigentlich: "Das objektive Selbst"?
Zunächst war mein Eindruck, dass es dabei vielleicht darum geht, dass es hier etwas objektives, tatsächliches gibt, was dem Naturalismus notwendig entgehen muss, eben das "Ich" oder das "Selbst". Ich glaube aber mittlerweile, dass etwas anderes gemeint ist. In dem ersten Zitat Nagels heißt es: "
Denken Sie sich eine vollständige Weltbeschreibung, und zwar eine solche, die
aus keiner... besonderen Perspektive [z.B. meiner] formuliert wäre ..." [Hervorhebung von mir] Wir alle hier sind dergleichen gewohnt. Man denke zum Beispiel an den Thread über den Urknall. Niemand von uns geht ja davon aus, dass er beim Urknall dabei war und sich das Spektakel von außen angeschaut hat. Wir können solche Gedanken, wie Nagel sie "fordert" dennoch nachvollziehen.
Allerdings ist das gar nicht so selbstverständlich. Ich bin schließlich im alltäglichen Erleben das "Zentrum meiner eigenen subjektiven Welt". Und manch einer meint, da kommt man nicht raus, wir seien im Grunde zum Solipsismus verpflichtet oder ewige Konstruktivisten. Aber Nagel ist kein Solipsist, sondern ein Realist. Falls die Theorie vom Urknall das letzte Wort ist, falls die Theorie also wahr ist, dann gab es einen Urknall, denn das wäre die Tatsache, die der Theorie entspricht. Nichts desto trotz muss jeder von uns diese Gedanken (vom Urknall und ähnlichem) ja vollziehen. Das heißt, man muss diesen "Blick von nirgendwo" einnehmen. Das wiederum heißt wir müssen von der Einstellung, in der wir das Zentrum der eigenen Welt sind, "wechseln" zu Auffassung von einer zentrumslosen Welt. Das Selbst, das danach strebt, die Wirklichkeit so zu "sehen", nennt Nagel das "objektive" Selbst. "Ich bin immer einerseits der logische Brennpunkt einer objektiven Auffassung der Welt, und andererseits ein besonderes Wesen in dieser Welt, das in ihr keinerlei Schlüsselstellung innehat." (Thomas Nagel, Der Blick von Nirgendwo, Seite 113)
Wir können natürlich nie vollkommen der subjektiven Färbung des eigenen Blicks entgehen, dennoch scheint dieses "objektive Selbst" etwas durchaus Reales zu sein. Wir erstellen ja "Weltberichte" von Nirgendwo. Und wenn wir auf der Suche nach Aliens sind, dann schicken wir Voyager ins All mit Botschaften, von denen wir glauben, dass auch diese Außerirdischen sie lesen können, weil sie dieses "objektive Selbst" ebenso einnehmen können.
Wenn das "objektive Selbst" den Blick von Nirgendwo inne hat, dann sieht es sich jedoch einer seltsamen Situation gegenüber gestellt:
"Wie kann ich, der das ganze azentrische Universum denkt, etwas so Besonderes sein, wie dies da:" Ich. "Thomas Nagel" hingegen ist für dieses "Objektive Selbst" kein Problem, denn TN ist ein Datum der vollständigen Weltbeschreibung, die wir uns zu Beginn des Textes vorstellen sollen. Und der Satz "Ich bin Thomas Nagel" spiegelt diese Spannung wieder. Das "Ich" ist das uns allen wohlvertraute "ich" aus dem heraus jeder von uns denkt, handelt, spricht ... das auch dann ganz real ist, wenn wir nicht aufschlüsseln können, was es "eigentlich" ist. Und "Thomas Nagel" ist das, was sich dem Blick von Nirgendwo präsentiert. (Die Metapher ist deshalb so gut, weil sie das Paradoxe dieser Situation auf den Punkt bringt.)
Das passt - soweit ich es richtig deute - sehr gut zu den verschiedenen Zeitbegriffen, über die ich weiter oben schon etwas geschrieben habe. Aus der Perspektive der Ewigkeit (die im Grunde gar keine Perspektive ist) gibt es zwar Zeitabläufe bei denen ein Zeitpunkt der frühere und eine Zeitpunkt der spätere ist, aber es gibt keine "Jetzte". Diese ergeben sich immer nur aus der Perspektive der ersten Person.
(Etwas wirr geschrieben, gebe ich zu - und natürlich auch ohne Gewähr)