Karmatheorien

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Tosa Inu
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Fr 18. Mai 2018, 12:19

herbert clemens hat geschrieben :
Fr 18. Mai 2018, 10:31
Nicht von mir, und nicht nur für flechtlicht (?):
Warum versuche ich mir immer wieder Regeln und Gesetze, Sichtweisen, Verhaltensideale und Realitätsmodelle aufzubürden, die ich mir von verschiedenen Lehrmeistern, spirituellen Richtungen, Philosophien etc. zusammengelesen habe?
Sicher, die Absicht dahinter ist gut und Ausdruck meines Suchens, aber letztendlich ist es ein Strampeln in erstarrten Systemen, das mich der Aufmerksamkeit gegenüber der Intuition meiner ureigenen Individualität beraubt.
Wenn ich nicht mein inneres Geschehen und Wirklichkeitserfassen mit absolut eigenen Worten und in immer wieder neuer Weise auszudrücken vermag, sondern hilflos in die Redewendungen diverser okkulter, religiöser oder ideologischer Schulen zu pressen versuche, dann habe ich mir den wahren Kern der dort vermittelten Erkenntnisse nicht wirklich angeeignet. Dann rede ich mechanisch nur in toten Formeln und bewege mich stockend im kristallisierten Geistesfeld anderer (wenn auch großer) Menschen.
Selbst wenn es gute Worte sind, die ich auf diese Weise in meine Umwelt injiziere und gute Taten, so entsprechen diese doch nichts anderem als den biblischen toten Werken. Da sie nicht göttlich sind. Denn sie sind nicht aus mir. Aus dem innersten lichten Kern meines Ichs, der allein dem Klang des universalen Orchesters zu lauschen vermag und dementsprechend das eigene Instrument bedient.
Da würde ich nun auch keinen Vermeidungs-Fetisch daraus machen.
Sich von anderen etwas anzunehmen, ist ja an sich gut und auch Ausdruck dessen, was jetzt gerade zu einem passt.
Ganz originär Eigenes zu produzieren, ist vielleicht auch etwas viel verlangt.

Wie Du, oder wer auch immer, schon geschrieben hat, die Absicht ist gut und das ist schon mal aller Ehren wert. Man will ein guter Mensch sein, kein Drecksack. Aber die meisten Wahrheits- und Weisheitsverkünder haben so ihre eigene Idee, wie das maximal gelungene Leben aussieht und Aufforderungen wie: „Sei ganz Du selbst“, haben den Nachteil, dass keine Signallampe aufleuchtet, die einem zeigt, wann man ganz zu sich gefunden hat.

Die engeren Theorien, die man manchmal mythisch nennen kann (hängt aber von der Mythosdefinition ab), sagen einem oft sehr genau, was richtig und falsch ist, haben den Nachteil recht dogmatisch zu sein und den Vorteil recht strukturierend zu sein. Und man steht nicht selbst in der Verantwortung, weil man seine Handlungen (oder sein Nichtstun) mit einem höheren Zweck oder Sinn rechtfertigen kann.

Breitere Theorien trauen dem Individuum mehr zu und nehmen es in die Pflicht. Man hat mehr Freiheit, aber auch mehr Verantwortung, es gibt keine Schablone für alle Fälle und man muss mit den eigenen Zweifeln und Unzulänglichkeiten klar kommen. (Z.B. Kants Ethik.)

Einige Karmatheorien versuchen in gewisser Weise beides zu vereinen. Man kann nicht anders und im Grunde ist es genau so, wie es ist auch gut, dennoch ist man verantwortlich und muss die Suppe auslöffeln. Aber es ist nicht einfach so, dass man in zu simpler und mythischer Weise einfach nur ‚Gutes‘ tun muss, denn gerade auch im Osten wird immer wieder darauf hingewiesen, dass auch die gute Absicht Karma erzeugt und das Rad, aus dem man eigentlich aussteigen sollte, wird nur noch weiter gedreht.
Oft heißt es da, man solle im Zustand der Absichtslosigkeit agieren, aber das fällt in etwa wieder mit dem „Sei Du selbst“ zusammen, man weiß nicht genau, wann man angekommen ist.

Im Westen gibt Meister Eckhard darauf eine recht klare Antwort, die vielen buddhistischen sehr ähnlich ist: Gott ist stark und weise genug, dich genauso so zu machen, wie er dich haben will, also kümmere dich nicht groß darum ein guter Mensch werden zu wollen. Natürlich kommen auch da wieder Zweifel auf, weil man sofort an seine eigenen, vermeintlichen Unvollkommenheiten denkt. Gott kann mich so nicht gewollt haben, das muss ein Irrtum sein. Das ist eine schöne Parallele zu den Erleuchtungslehren des Buddhismus, die einer recht rationalen Analyse folgen. Alles in der Welt (des Samsara) kommt und geht, oder entsteht und vergeht. Das was kommt, wollen wir oft nicht haben, das was ist, nicht loslassen. Buddhistisch ist das Anhaften und die Wurzel allen Leidens. Erleuchtung kann nichts sein, was kommt, denn dann würde sie den Gesetzen der samsaraischen Welt unterworfen sein und auch wieder gehen. Ergo: Erleuchtung ist immer da, ein 'Zustand', den wir in einem gewissen Sinne weder erreichen können, noch müssen. Aber auch dieser Idee erteilen wir eine analoge Absage, wie dem Meister. Das kann nicht sein, so unvollkommen wie ich bin, kann ich unmöglich erleuchtet sein.

Die Problematik dieser (an sich demütigen) Aussage ist, dass man damit behauptet trefflich über Erleuchtung Bescheid zu wissen. Denn sooo, so meint man zu wissen, kann Erleuchtung nicht sein (Gott mich nicht gewollt haben), unmöglich. Gleichzeitig sagt man aber, dass man unvollkommen ist, also im Grunde keine Ahnung von Erleuchtung hat. Beides kann schlecht zugleich sein. Eine Lösung wäre, auf seine Unwissenheit zu vertrauen, dann muss ich aber glauben, dass andere es besser wissen, z.B. jene, die ihre Erleuchtung erkannt haben. Oder man schreibt sich die Autorität dessen zu, den Gott genau so gewollt hat oder der erleuchtet ist. Dann muss man aber seine Idee der Erleuchtung (dass da erst noch dies oder das passieren muss) revidieren. Im Ergebnis ist beides dasselbe.

Wenn man das begriffen hat, fällt einem die Aufforderung sich in das und den/die zu entspannen, den/die man vorfindet (also sich selbst), schon leichter. Wichtig fand und finde ich noch die Bemerkung, dass Erleuchtung, sozusagen das Handeln in leidenschaftlicher Absichtslosigkeit kein Dauer-High ist, sondern das sich entspannen in das Kommen und Gehen, zu dem Erleuchtungserfahrungen gehören können, aber die gehen dann auch wieder und man tut, was man eben gerade tut. Ein häufiger Fehler ist glaube ich, dieses ganze normale Tun, angestrengt betont normal aussehen zu lassen, wobei man sich in Wirklichkeit immer selbst beobachtet (worauf Sloterdijk treffend hingewiesen hat) oder sich in dusseligen Fragen zu verheddern, ob ich denn der gestolperten Oma aufhelfen ‚darf‘, da ich ja dann in ihr Karma eingreifen würde. Die heimliche Angst, das könnte wiederum Minuspunkte auch meinem Karmakonto bedeuten, zeigt, dass man da irgendwie noch verwickelt ist, ansonsten hat es ja seinen Sinn, dass die Oma gerade vor meiner Nase gestolpert ist.
Wenn ich allerdings Psychopath bin und denke: „Super, der Oma helf‘ ich auf, dabei klau‘ ich ihr die Brieftasche“ ist nach der Karmaidee auch alles in Ordnung und das ist problematisch. Im größeren Rahmen kann man sich auch da hinein entspannen, denn es ist nicht unsere Aufgabe zu bewerten, ob das alles richtig ist. Der karmische Ausgleich würde kommen, falls die Idee stimmt. Den Psychopathen würde das nicht jucken, den Beobachter der Szene schon. Man könnte sagen: „Ja, das gibt es, aber es ist im großen Insgesamt gut so", aber das könnte man auch als naturalistischen Fehlschluss werten. Hier könnte man entgegnen, dass man das in dem Moment verstehen wird, in dem man seine Erleuchtung erkennt. Dann geht die Sache wieder auf, aber hier finden wir dann wieder ein Element des Glaubens. Zwischenzeitlich scheint mir das unvermeidlich zu sein, so dass ich mit der Hierarchie mythischen Glauben, zur individualisierten und ethischen Verantwortung bis zur Erleuchtung - wo sich die ethische Komponente evtl. dahin gehend ändert, dass man als höchsten ethischen Imperativ spürt, dem anderen zu ermöglichen, was man selbst erfahren hat, die Freiheit der Absichtslosigkeit der Erleuchtung zu ermöglichen, so gut es geht - viel anfangen kann.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

flechtlicht
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Fr 18. Mai 2018, 21:55

Mit Wiedergeburt ist das nicht still werden können gemeint, weder gedanklich, emotional noch körperlich. Die Vorstellung mehrmaliger Verkörperungen als Mensch sollte nur als bildliche Darstellung für die grundlegenden Prinzipien karmischer Gerechtigkeit dienen.
Still werden ereignet sich beim Heraustreten aus Abhängigkeit.

Kein Mensch hat einem irgendetwas aufzutragen, noch trägt man selbst auf.
Es besteht kein Bedarf an irgendeiner Beziehung = vollkommene Beziehungsfähigkeit.
Man erlaubt anderen die Illusion ein Mensch zu sein.
Die Eltern werden zu unseren Kindern.
Wir lieben jedes Geschöpf wie unser eigenes Kind, wir sind so frei.

Auf dieser Grundlage entsteht kein neues Karma mehr und das Rad der Wiedergeburt kommt allmählich in die Nähe des Stillstands.

Karma aus Ungerechtigkeiten die andere Menschen uns "antun" "übergeben" wir unseren nicht verkörperten Gefährten, die es in einen liebevollen Heilungsprozess verwandeln.

Wir stehen alle nackt voreinander, es gibt keine Geheimnisse und ist nur in bedingungsloser Liebe zu ertragen, dann aber wunderschön.
Die Illusion gewährt nur scheinbaren Schutz, der mit dem biologischen Körper vergeht.

Wer sich in diesem Leben nicht dazu entschliesst seine Abhängigkeit/karmische Verflechtung aufzuösen, wird es auch nicht in tausendundeinem weiteren tun, er wird sich nach diesem Leben als für immer gescheitert empfinden - darum holen wir ihn ab und führen ihn in Welten die der irdischen sehr ähnlich sind zum weiteren Ausreifen und zu einer ganz neuen "Bewährungsebene".
Ohne "Bestehen" der "Erdenprüfung" würde sich sonst keine Seele auch nur den Hauch einer Weiterexistenz zugestehen.
Das alles steht mit göttlichen Flammen in unserem Herzen geschrieben.




herbert clemens
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Mo 21. Mai 2018, 11:43

@Tosa Inu: Ich kann mit dem ausführlich mäandernden Beitrag von Dir viel anfangen. Ich betone ja auch, wie viel ich den Anregungen anderer verdanke. (Ich gehe kurz auf deinen Schlussabschnitt ein.)
Meine eigenen meditativen Versuche sind nie so fruchtbar, dass ich auch nur ansatzweise die „ Freiheit der Absichtslosigkeit der Erleuchtung“ erfahren habe, geschweige darin einen ethischen Imperativ für mich sehe, diese Freiheit anderen zu vermitteln.
Aufgrund des Wissens um und des Vertrauens auf die „Liebe“ versuche ich der „individualisierten und ethischen Verantwortung“ gerecht zu werden.
@flechtlicht: Mir gelingt es kaum still zu werden. Ich bin noch weit weg von der „ vollkommene(n) Beziehungsfähigkeit“. Ich merke immer wieder, wie ich nach der Anerkennung der anderen schiele.




flechtlicht
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Mo 21. Mai 2018, 23:03

Kürzlich bin ich nach einem Hinweis von Sophie im PhiloForum auf das Büchlein "Wolke des Nichtwissens", übertragen von Willi Massa, aufmerksam geworden.

Aus der Hinführung:
Der Name des Verfassers dieses Buches ist unbekannt, vermutlich war es ein Mönch des 14. Jahrhunderts. Die ... (Texte) des Schreibers an einen jungen Menschen sind eine klare Einführung in die transkonfessionelle christliche Mystik.
...
Überraschend ist jedoch, dass der Weg, den er lehrt, dem Zen sehr nahe steht. Auch wenn der Schreiber immer wieder das Wort Gott gebraucht, so sucht er doch eindeutig über das Personale hinaus zu gehen.

Aus dem Kapitel "Die schwierige Einfachheit":
Im Leben Jesu finden wir eine gute Erläuterung für das, was ich bisher auszuführen suchte. Gäbe es für uns nichts Größeres, als Jesus in seinem Menschsein anzuschauen und zu lieben, ich glaube nicht, dass er in den Himmel aufgefahren wäre. Er hätte sicher nicht seinen Freunden, die ihn innig liebten, seine leibhafte Gegenwart entzogen.

Uns ist jedoch in diesem Leben Größeres möglich, nämlich die reine geistige Erfahrung, ihn in seiner Gottheit zu lieben. Seine Freunde verzichteten ungern auf seine leibliche Gegenwart, genauso ungern wie du auf bildhaftes Meditieren und forschendes Denken verzichtest. Daher sagte Jesus seinen Freunden, es ist gut für euch, dass ich fortgehe - das heisst, es ist notwendig, dass ich mich leiblich von euch trenne.

Der Kirchenlehrer Augustinus gibt dazu folgende Erklärung: "Hätte Jesus sein Menschsein nicht unseren leiblichen Augen entzogen, würden sich unsere geistigen Augen nicht voll Liebe auf seine Gottheit richten."
Darum sage ich dir: zu einem bestimmten Zeitpunkt ist es einfach notwendig, mit nachdenkendem Betrachten aufzuhören, um etwas von dieser tiefen geistlichen Erfahrung Gottes zu kosten. Verlässt du dich auf Gottes Hilfe, die dich leitet und führt, und gehst du auf dem Weg, den ich dir beschrieb, wirst du in der Tiefe deines Herzens seine Liebe erfahren.

Das heisst für dich: Strebe immer und zu jeder Zeit die bildlose Schau deines nackten Seins an, und bring Gott unaufhörlich dein reines Sein als kostbares Geschenk dar.
Nochmals erinnere ich dich: Sieh zu, dass wirklich alles bildlos ist, sonst ist es falsch. Je bildloser die Schau, umso anstrengender ist es anfangs für dich, länger darin zu bleiben. Deine Sinne und dein Verstand finden eben keine Nahrung mehr. Aber das schadet nichts. Ehrlich, ich freue mich sogar darüber. Mach weiter, lass sie fasten.

Selbstverständlich hat jeder einen natürlichen Hunger nach Wissen. Dennoch stimmt:
Wissen, mag es noch so gross sein, führt niemanden zur geistigen Erfahrung Gottes. Dieses Erkennen ist reines Geschenk. Darum bitte ich dich: Zieh die Erfahrung dem Bescheidwissen vor. Der Stolz des Wissens kann dich blenden; doch diese zarte und liebende Zuneigung wird dich nicht täuschen. Wissen bläht auf, Liebe aber baut auf (1 Korinther 8, 1.)
Wissen ist verbunden mit Mühe, Liebe aber mit Frieden und Ruhe (Johannes vom Kreuz)




scilla
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Di 22. Mai 2018, 05:13

ein Verlust, der einem erst nach einem tatsächlich eingetretenen Verlust bewusst wird,
ist das Grundkonzept der Tragödie

die Kreuzigung Jesu hat viel von einem Theaterstück
und das sind und waren die Passionsfestspiele




herbert clemens
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Registriert: Di 22. Aug 2017, 14:06

Mi 23. Mai 2018, 09:28

@flechtlicht: „Alle Seelen müssen ihren eigenen Weg finden finden, und das Ziel auf ihre eigene Weise erreichen. Manche tun es vielleicht in der Meditation, manche in der Kontemplation, manche im Gebet, manche im Gebet, manche in der Arbeit und manche im Kontakt mit Menschen.“ Diese Gedanken von Eileen Caddy trösten mich.
Einleuchtend finde ich deine Gedanken zur bildlosen Meditation. Ich weiß nicht, wie es geht.




flechtlicht
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Mi 23. Mai 2018, 22:26

Klares inhaltsloses Bewusstsein ist unser Normalzustand, den wir durch Identifizieren mit Vorstellungen, Eigenschaften, Bildern, Körpern, jeglichem Geschaffenen, aus eigenem Entschluss verlassen haben.
Wir selbst sind aus Liebe und Freiheit, Freude und Frieden gemacht und unsere Bestimmung ist es, aus diesen vier Farben unendliche Bilder voller göttlicher Harmonie und Schönheit zu malen. Und so Gott will, werden sie zu eigenständigem Leben erwachen und die Schöpfung in noch nie dagewesenen Ebenen erblühen lassen.

Solange Abhängigkeitsverhältnisse, Begierden, Ängste bestehen, wird die innere Unruhe die Rückkehr in den ungefallenen Urzustand verwehren. Durch liebevolles, schrittweises heraustreten aus den Mustern der gefallenen Welt, kehrt allmählich die alte Ruhe und Reinheit der Gedanken und Gefühlswelt annähernd zurück und führt den Menschen zur vollbewussten Teilhabe am göttlichen Wirken.

Angestrebte bildlose Meditation/Kontemplation wird zum natürlichen Mittelpunkt des Lebens in dem himmlische und irdische Belange ununterbrochen zusammengeführt werden.

Die vollkommene Seelenruhe und Befreiung aus seiner selbst gewählten Gottesferne ist dem Menschen jedoch nicht aus eigener Kraft möglich, sie geschieht nach Ablegen des biologischen Körpers in einer gnadenvollen Fusswaschung durch ungefallene Engel.

Jeder Mensch, der beginnt aus grenzenloser Liebe (zu Gott) zu leben, ist dieser (seiner) Gnade würdig.




herbert clemens
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Do 24. Mai 2018, 08:25

So einleuchtend einfach schilderst du es. Indem ich diese Gedanken mit dem Herzen lebendig mache, fühle ich mich Gott nahe.
Ich gehe in die Kirche, in die Wüste, auf den Berg, … und bin nur Liebe.
Im Säuseln des Windes und im Duft der Rose … klingt Gott in mir nach.
Mit meinen alltäglichen Begierden, …. zu riechen, zu schmecken, Sexualität zu genießen, begründbare Gedanken zu pflegen, …. bin ich von Gott als besonderes Individuum in diese (seine?) Welt gestellt, bin immer wieder von neuem in die Sonderung geworfen und aufgerufen, die Liebe an den Nächsten wie an mich selbst in die Wirklichkeit zu bringen.




Tosa Inu
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Fr 25. Mai 2018, 10:39

Der Begriff des 'Urzutandes' oder 'Normalzustandes' ist vielleicht etwas verwirrend, auch wenn flechtlicht ihn im Sinne der Mystiker vollkommen zutreffend benutzt.

Nur ist dieser Normalzustand keiner im Sinne irgendwelcher Vorfahren, die noch naturnäher lebten, sondern damit ist in aller Regel ein Zustand vor aller Schöpfung gemeint. Ich erwähne das deshalb, weil es ziemlich quer zu unserem Denken steht, in dem wir Ich und Welt in oft sehr unkritischer Weise voraussetzen (was aber im Alltag funktioniert), aber auch wenn man die Begriffe kritisch beleuchtet, wird das alles nicht unbedingt leichter.

Der Urzustand ist also der vor jeder Trennung, Schöpfung, Differenzierung und die Problematik liegt darin, diese beiden Welten als nicht getrennt wahrzunehmen oder zu erkennen. Gleichzeitig ist dieser Urzustand genauso vorhanden, real und jetzt, wie der Stau auf der Autobahn oder der Teller Suppe vor mir.
Gleichzeitig sind der Verstrickungen des Ich genauso real, wie der Zustand absoluter ichloser Freiheit.

Praktisch ist das allerdings kaum zu fassen, so dass auch moderne Meister von einer radikalen Lehre der Befreiung, in der sie sagen, dass alles (erleuchteter) Geist ist zu einem System der schritt- oder stufenweisen Erwachens übergegangen sind. Das 'Ziel' ist noch immer dasselbe, aber die spezifischen Schwierigkeiten, die zur Entwicklungsstufe passen werden hier gewürdigt.
Was mir gut gefällt, ist, dass Erleuchtung somit Stück weit vermittelbar ist, es auf der anderen Seite aber auch keine Fleißkärtchen gibt, bzw. das 'Ziel' in jedem Moment und auf jeder Stufe erkannt werden kann. Es bleibt schon dieser eine Moment des 'Besonderen', dessen wesentliche Eigenschaft ist, dass er radikal 'nicht besonders' ist. Die Pointe fast aller spirituellen Lehrsysteme, die eine Lehrer/Schüler-Beziehung beinhalten besteht darin, dass der Schüler mit viel Tamtam auf den ganz großen Moment vorbereitet wird um dann darin 'enttäuscht' zu werden, weil das, worum es geht dann das Geräusch der vorbeifahrenden Autos ist.

Die einzige Gefahr der alten Zen-Bilder oder verwandter Systeme sehe ich darin, dass man sie unbewusst verklärt. Das Mondlicht, Holz hacken, der alte Weiher, das klingt für uns so romantisch, nach Stille und weg vom hektischen Alltag. Naturnähe und weg vom hektischen Alltag zu kommen, ist gewiss nicht schlecht, aber dabei geht oft verloren, dass diese uns romantisch anmutenden Bilder einfach nur die radikale Normalität der damaligen Zeit einfangen sollten. Heute würde man statt dessen vielleicht sagen, im Feierabendverkehr zu stehen, an der Supermarktkasse zu warten oder seinen Computer upzudaten.
In all diesen Momenten ist Erleuchtung der Hintergrund, der einfach immer da ist. Dass man auf die eine oder andere Weise, bewusst oder unbewusst drauf besteht, dass das alles gar nicht sein kann, macht das Thema so kompliziert, wie es ist.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

flechtlicht
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Sa 26. Mai 2018, 22:21

Es hat nie irgendwelche Meister oder eine Trennung von Gott gegeben :P
Nachdem ein Teil von mir beschlossen hatte den Erdentraum weiter zu spinnen, hat er zwanzig Jahre überwiegend in Portugal verträumt, davon zehn Jahre auf einer eigenen, kleinen Quinta ohne Strom und Wasseranschluss, nur über halsbrecherische Eseltreiberpfade zu erreichen.

Aber mit eigener Quelle, Teichlein und Bachlauf. Obst und Olivenbäumen, verwilderten Weinstöcken und einem kleinen Wäldchen. In unterschiedlichen Ebenen am Hang auf uralten Trockenmauer Terrassen angelegt.
Morgens bei Sonnenaufgang unter der plätschernden Quelle stehen und die erquickende Kühle der klaren Frühe vor der allesdurchdringenden Hitze des himmelblauen Tages geniessen. Ein Sommer, der den Namen verdient, mit Sonnenschein von Mai bis September. Nächte voller Sternenfunkeln, einer Milchstraße die sich im Quellteich spiegelt und zum Spazierengehen einlädt. Der Vollmond nah und gross zum umarmen und auf die Stirn küssen. Auch das Holzhacken fehlt nicht, drei Ster um den fiesfeuchten Winter zu überstehen.

Reine Gnade, eingedenk der Tatsache, dass das Lebenmüssen von diesem Land, Generationen von Menschen mit zerstörerischer Härte umklammert hielt. Das war ein anderer Traum.

Die Mädchen an der Supermarktkasse, der Familienvater im alltäglichen Feierabendstau, Kinder mit Dauercomputerverbindung... ...mein Gott, lass sie aufstehen und gehen, lass sie übers armselige Kuckucksnest fliegen und dich sehen.

Gott ist einfach zu tun aber kompliziert zu denken.




flechtlicht
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Registriert: Fr 13. Apr 2018, 09:35

So 27. Mai 2018, 09:49

Gott ist einfach Sein
Gott ist Einfachsein
God is nowhere
God is now here




herbert clemens
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Registriert: Di 22. Aug 2017, 14:06

Mo 28. Mai 2018, 16:17

Ich schwanke zwischen den Gedanken von Tosa Inu und flechtlicht, die sich vielleicht auch ergänzen.
Von meinem alltäglichen Leben her ist mir Tosa Inu näher, und vielleicht lebe ich im Großen und Ganzen so, wozu das tägliche Scheitern auch gehört.
Mit welcher Sprach- und Bildgewalt der bildlose „Anblick“ Gottes durch flechtlicht in mir wach gerufen wird, beeindruckt mich auch. Ich erlebe dies als persönliche Bereicherung.
Danke euch.
Im Zusammensein mit meinem Enkelkind weiß ich, dass Du, flechtlicht, recht hast: „Gott ist einfach zu tun aber kompliziert zu denken.“ Doch irgendwann will ich dann wieder die Freude des Denkens erleben....




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