Sinnfelder etc.

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Alethos
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Di 10. Jul 2018, 13:06

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Jul 2018, 12:50
Ich habe Sinn und Existenz nicht nur vorliegen, sondern es sogar in weiteren Teilen gelesen, gar nicht so wenig in den beiden bisherigen einschlägigen Threads daraus zitiert, entgegen Jörn Behauptungen. Ich diskutiere Gabriels Ansatz zudem mit Unterbrechungen an anderer Stelle schon seit Beginn 2014, ich habe gleich mehrere lange Interviews usw. mit Gabriel aufmerksam gehört, Vorlesungen von ihm (auf Video) gesehen, ihn im philosopischen Radio gehört, insgesamt etliche Stunden Material.

Also so ganz aus dem tiefen Tal der Ahnungslosen kommen meine Bemerkungen dann doch nicht, ich habe halt nur nichts von dem verstanden, was ich gehört, gesehen, gelesen und diskutiert habe. ;)
:)

Und doch ist es erstaunlich, dass die einen den Schritt mitmachen und die anderen nicht. Du würdest hier wahrscheinlich psychologische Dispositionen (Erfahrungen, Erziehung etc.) als Begründung heranziehen, auch der Werdegang eines jeden von uns zeichnet ja gewisse Linien und Präferenzen für die Wege vor, die man abschreiten kann oder will. Manchmal sind solche 'Kräfte' stärker als die Kraft des guten Arguments :)

Ich anerkenne, dass du die Argumente siehst und verstehst, sie dich aber schlicht nicht überzeugen. Das ist ja ok und muss als produktive Spannung in der Luft bleiben. Auch das ist Ausdruck einer pluralistischen Haltung. Wäre ja auch irgendwie langweilig, wenn wir alle immer zu den selben Schlüssen kämen. Aber ich verberge auch nicht, dass mich ein Konsens in dieser Sache mehr befriedigen würde als ein unaufgelöstes Nebeneinander unserer Postionen. Auch das ist menschlich.



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Di 10. Jul 2018, 17:43

Alethos hat geschrieben :
Di 10. Jul 2018, 13:06
Manchmal sind solche 'Kräfte' stärker als die Kraft des guten Arguments :)
Ja, aber man lernt mit der Zeit das auch bei sich zu erkennen.
Niemand ist frei von manchmal etwas skurrilen Irrationalismen.
Ich studiere bspw. immer den Verlauf der Börsen und verspüre eine merkwürig kindliche Freude, immer wenn der DAX fällt. Ich habe keinen Hass auf das Börsensystem, da auch nie spekuliert, ich weiß nicht warum es so ist.
Den Kompatibilismus (eine Theorie, die in der Willensfreiheit relevant ist) mag ich irgendwie nicht leiden, obwohl ich aus Einsicht in die besseren Argumente Kompatibilist bin. Gabriels Idee wäre mir sympathisch, aber der Ansatz überzeugt mich einfach nicht.
Alethos hat geschrieben :
Di 10. Jul 2018, 13:06
Ich anerkenne, dass du die Argumente siehst und verstehst, sie dich aber schlicht nicht überzeugen. Das ist ja ok und muss als produktive Spannung in der Luft bleiben. Auch das ist Ausdruck einer pluralistischen Haltung. Wäre ja auch irgendwie langweilig, wenn wir alle immer zu den selben Schlüssen kämen. Aber ich verberge auch nicht, dass mich ein Konsens in dieser Sache mehr befriedigen würde als ein unaufgelöstes Nebeneinander unserer Postionen. Auch das ist menschlich.
Ich denke, dass die Stoßrichtung von Gabriel, die Welt der Gedanken aufzuwerten ganz richtig ist. Herr K. ist als Physikalist wirklich eine Ausnahme, weil er, wie kaum ein anderer den Dingen auf den Grund geht und die meisten Klischees nicht erfüllt, aber der Trend, dass man mit Ideen, Gedanken und Gefühlen eigentlich nichts anfangen kann und nicht weiß, wie man sie in den Kreislauf von Ursache und Wirkung einbauen soll, ist schon da.
Interessanterweise kommt aber gerade aus dem empirischen Bereich, nämlich der Medizin, inzwischen eine Kehrtwende, bei der man immer mehr erkennt, dass schon die Art und Weise wie man Welt (scheinbar passiv) aufnimmt einen weltverändernden Charakter hat und heute Morgen habe ich das in einem link von Friedierike gelesen, in dem Slaby Heideggers Ansicht dazu beschreibt, dass der Mensch in einem nicht nur während der Aktivität vorhandenen Modus "weltbildend" ist.

Insofern sind die Comicfiguren, Fernsehhelden und Märchenfiguren ebenso Teil meiner Sozialisation, wie dei Fußballspiele vor der Tür, die Eltern oder Lehrer und gerade als Kind hält man sich ja besonders gedankenverloren und selbstgenügsam in diesen Phantasiewelten auf. Das alles ist schon sehr relevant, nur eben nicht in dem Sinne, dass dies notwendig ontologische Relevanz hätte, das ist der einzige Unterschied, aber für eine Ontologie eben entscheidend.
Allerdings bin ich recht guter Dinge, dass robuste ontologische Welten durchaus existieren könnten, lustigerweise in Bereichen, von denen bei Gabriel nie die Rede ist.

Das überschneidet sich mit dem empirischen Bereich. Die Art, wie ich denke und empfinde (mein Weltbild) steuert bereits zu einem Teil was ich wahrnehme und das nicht, wie ich das tue und welche Bedeutung das hat. Nicht der mein aktives Eingreifen. Und auch 'mein' Weltbild unterliegt nicht allein meiner Kontrolle, ich muss halt nehmen, was ich von den öffentlichen Angeboten am überzeugendsten finde, der schicksalhafte Aspekt, den ich zwar reflektiven aber nicht zwingend ändern kann.
Der Weltgeist und die Dinge an sich sind zwar inzwischen zur sozialen Perspektive uminterpretiert worden (also auch hier eine Detranszendentalisierung und Deontologisierung), aber man kann ja nun mal auch Erfahrungen machen, die in sozialer Perspektive eigentlich nicht vorkommen oder befriediegend erklärt werden. Das können natürlich traumatische Erahrungen sein, aber eben auch ekstatische. Für Ekstase oder Gipfelerfahrungen haben wir aber kaum passende Räume, wir sind es gewohnt sie zu psychologisieren oder neurologisieren, aber wir haben kaum einen Raum, in dem ihnen Bedeutung zukommt.
Der Mainstream hat hier keine Angebote, keine Sprache, stellt keine Bedeutungen zur Verfügung.
Aber solche Erfahrungen haben mitunter einen äußerst weltbildverändernden Charakter.

Es muss äußerlich nicht viel passieren, wenn man innerlich umzieht und sich auf einmal in ganz anderen Welten als den gewohnten bewegt. Ich bin durchaus, in meinem eigenen sehr fragmentarischen Ansatz geneigt, im wörtlichen Sinne von anderen Welten zu reden und tue das manchmal, weil ich die inneren Unterschiede zwischen den Menschen so absolut fundamental und erstaunlich finden und diesen Innenwelten und Winkeln mit größtem Vergnügen nachspüre.
Wahrlich ein gigantischer Kosmos, der sich da auftut. Nur hat man halt die Außenwelt die uns alle verbindet auch noch am Bein.
Also ich würde von fundamentalen Unterschieden derr Innenwelten, des Welterlebens, der Weltbilder sprechen, der Verlockung diesen Unterschieden einen inneren Kontakt zu anderen Welten zuzuschreiben, kann ich auch schlecht widerstehen und ich halte es für möglich, dass der Mensch tatsächlich ein hybrides Wesen ist (hier nicht im Sinne der Hybris gemeint), das verschiedene Welten bereisen kann, bzw. zu dem/in das verschiedene Welten hinüberdimmen.
Ich kann mir vorstellen, dass das im Kontext eines Platonismus à la Platon Platz findet, der von einem Kontinuum zwischen Ideen und Materie ausgeht, ein häufiges Motov, dass sich Ideen verdichten und zu Welt werden, stofflich werden, mal mit gnostischem Einschlag (Materie als dem Sündenfall) aber in einigen spirituellen Traditionen auch mit einem anderen Zungenschlag, der Materie als Verwirklichung einer Idee. Aber da muss ich noch mehr in meinem schönen Buch über Platon lesen und das ist irgendwann auch eine Zeitfrage. Platon nimmt das ontologisch schon sehr ernst, die Pointe bei ihm ist, dass der scheinbare Dualismus am Ende keiner ist, ich denke, da ist noch Musik drin.



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Fr 27. Jul 2018, 20:58

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 9. Jul 2018, 18:36
Jörn, das haben wir doch nun schon alles x mal durchgekaut.
Mit eigenständig ist hier gemeint, dass es z.B. fiktionale Hexen auch ohne Menschen geben soll, ganz wirklich, wenn auch, ist mir klar, nicht physikalisch.
Die Eigenständigkeit dieser Existenzform im Sinne eines von der physischen Welt unabhängigen Dasein ist m.E. unplausibel.
Man sollte sich aber schon auf das beziehen, was Gabriel behauptet, wenn man dazu ausholt, diese seine Behauptung für unplausibel zu halten.

Folgendes steht in Sinn und Existenz:
Sinn und Existenz, S. 20 hat geschrieben : Ein Grossteil der Arbeiten, welche die jüngsten Diskussionen ausgelöst haben - insbesondere die ontologischen und meta-ontologischen Debatten, die man mit Carnap, Quine, Putnam oder David Lewis verbindet -, basiert auf der materialistischen Prämisse, dass dasjenige, was wirklich ist, paradigmatisch durch den Theorierahmen einer als vereinheitlicht gedachten Physik definiert wird, sodass uns nur noch übrig bleibt, die menschlich-allzumenschlichen Projektionen von demjenigen abzuziehen, was wirklich ist.
Nennen wir dies etwas grobschlächtig die naturalistische Metaphysik. Diese geht davon aus, dass die Wirklichkeit ein Bereich ist, der sich aus natürlichen Arten zusammensetzt, die genau deshalb natürlich und wirklich sind, weil sie in der Ontologie der als vereinheitlicht gedachten Physik vorkommen. Die gegenwärtige Analytische Metaphysik ist deswegen wörtlich eine Meta-Physik, das heisst der Versuch, die Grundbegriffe zu klären, die angeblich von der Physik in Anspruch genommen werden müssen, um sicherzustellen, dass die Wirklichkeit sich im Wesentlichen nicht darum kümmert, dass es urteilende, denkende und handelnde Wesen gibt.
Sinn und Existenz, S. 26 hat geschrieben : Die Metaphysik entspringt unserem Bedürfnis zu entdecken, wie die Wirklichkeit an sich ist. Das legt von vornherein nahe, unter "Wirklichkeit" irgendeinen Bereich zu verstehen, der unabhängig davon ist, dass wir uns gedanklich oder sprachlich vermittelt auf ihn beziehen, was ich als 'Welt ohne Zuschauer' bezeichne.
Üblicherweise kommt man auf diesem Weg bei der Totalität dessen an, was ohnehin der Fall ist, wie Bernhard Williams als "absolute Konzeption der Realität" bezeichnet hat. Was ohnehin der Fall ist, besteht unabhängig von Geist, Bewusstsein oder sonstigen Einstellungen, die epistemische Systeme ins Spiel bringen, um einen falliblen Kontakt mit demjenigen aufzunehmen, was auch ohne sie so gewesen wäre, wie es nun einmal ist.
Vor diesem Hintergrund wird der Unterschied zwischen Sein und Schein dann metaphysisch gezogen, wenn man annimmt, dass es eine scheinfreie Wirklichkeit gibt, der wir uns mehr oder weniger erfolgreich durch Theoriebildung annähern. Dieser Arbeitsteilung zufolge steht die Theoriebildung a priori unter Scheinverdacht, was meines Erachtens gegen diese Arbeitsteilung spricht. Selbst wenn Totalität freilich immer das explizite Thema des Unterfangens ist zu konstatieren, was Sein im Unterscheid zum Schein ist, bleibt doch die Vorstellung leitend, dass es eine vereinheitlichte Wirklichkeit gibt, die alles "trägt", was wirklich ist, eine Wirklichkeit, die mindestens dadurch zusammenhängt, dass sie "unabhängig von den Aktivitäten von wissenden und handelnden Subjekten ist, sofern solche vorhanden sind", wie Robert Brandom einmal schrieb. Diesem Bild zufolge sind wir mit einem Dualismus von Sein und Schein konfrontiert.

...

Ein irgendwie gearteter Dualismus von Geist und Welt wird hinfällig, wenn man den Begriff der Totalität nicht schon so interpretiert, dass zur Totalität eigentlich nur eine bestimmte Wirklichkeit gehört, etwa diejenige, die durch die Naturwissenschaften untersucht wird.
Und jetzt kommt's:
Sinn und Existenz, S. 35 hat geschrieben : Der Neue Realismus ist im Allgemeinen die Idee, dass der Realismus nicht mit der Annahme einer geist- oder perspektivenunabhängigen Realität oder Wirklichkeit operieren muss (was keineswegs impliziert, dass es keine Aussenwelt gibt!) Der Realismus besteht gerade nicht in der metaphysischen Anerkennung einer bestimmten Art von Gegenständen (etwa von natürlichen Arten).
Damit ist widerlegt, dass die SFO die Existenz von gedankenunabhängigen Hexen postuliert. Es geht bei der neorealistischen Untersuchung lediglich um die Überwindung der Vorstellung, dass das Sein nur in einem Bereich der Wirklichkeit vorkommt, also nur der Art eines natürlichen oder eines ideellen Gegenstandes sein kann.

Das Sein wir nicht mehr aus der fundamentalen Zugehörigkeit des Seienden zum Ganzen heraus verstanden, sondern es wird aus dem lokalen Phänomen des Seienden heraus, aus der Perspektive der Erscheinung dieses Seienden heraus begriffen als sein (fregescher) Sinn. Das Sein ist immer im Gegebensein in diesem Seienden als dieses Seiende.

Und es ist das Sein eines Gedankendings, z.B. einer Hexe in einem Roman, deshalb ontologisch vollkommen gleichwertig mit einem Ding der natürlichen Art, weil sich auch letzteres nur als solches Ding in seinem Bereich, dem Universum, als Seiendes behaupten kann, weil es in diesem Bereich vorkommt. Nicht, weil es natürlich ist oder vom Denken unabhängig vorkommt, existiert es wirklich, sondern weil es in diesem Sinn vorkommt, es so und so gegeben ist, existiert als als ein Ding dieser Art. Es gibt bezüglich des Seins überhaupt von Gegenständen, seien sie materiell oder fiktiv, keinen ontologischen Unterschied.



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Fr 27. Jul 2018, 21:16

Und das Argument, das oft vorgebracht worden ist, dass die Physik die grundlegendere Ebene sei als die Fiktive, weil ja das Fiktive einen Körper braucht, der einen Kopf ausbildet, darin Gedanken an fiktive Gestalten entwickelt werden können, verfehlt dieses pluralistische Seinsverständnis. Es gibt bezüglich dem Sein eines Gedankendings und dem Sein eines materiellen Dings kein konstitutives Verhältnis. Es gibt keine Abhängigkeit des Seins einer Hexe in eine Roman uns des Seins eines materiellen Schreibwerkzeugs, auch wenn die Zeichen im Roman ohne das Schreibwerkzeug nicht hätten geschrieben werden können, denn so ergibt sich doch die Existenz der Hexe nicht aus dem kausalen Zusammenhang, dass sie gedacht und erfunden oder niedergeschrieben wurde, sondern, dass sie dort als dieser Begriff in diesem
Sinn vorkommt. Ihr Sein als Hexe ist zwar bedingt durch den Umstand, dass es etwas geben muss, auf das das Wort niedergeschrieben werden kann, z.B. ein Blatt Papier. Sie muss sich also materialisieren können als dieses Seiende, damit wir es überhaupt erfassen können, aber sie ist als dieses Seiende nicht apriori etwas Materielles.



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Sa 28. Jul 2018, 09:47

Hallo Alethos,

vielen Dank, für Deine Antwort.
Alethos hat geschrieben :
Fr 27. Jul 2018, 20:58
Sinn und Existenz, S. 20 hat geschrieben : ... naturalistische Metaphysik. Diese geht davon aus, dass die Wirklichkeit ein Bereich ist, der sich aus natürlichen Arten zusammensetzt, die genau deshalb natürlich und wirklich sind, weil sie in der Ontologie der als vereinheitlicht gedachten Physik vorkommen. Die gegenwärtige Analytische Metaphysik ist deswegen wörtlich eine Meta-Physik, das heisst der Versuch, die Grundbegriffe zu klären, die angeblich von der Physik in Anspruch genommen werden müssen, um sicherzustellen, dass die Wirklichkeit sich im Wesentlichen nicht darum kümmert, dass es urteilende, denkende und handelnde Wesen gibt.
Das sehe ich schon anders, bzw. und wichtiger, die Mehrzahl der Naturalisten/Physikalisten sieht das auch anders.
Die Realität von Gedanken, Gefühlen, Phantasien, Texten, Reflexionen, Abstraktionen usw. wird ja zunächst einmal überhaupt nicht geleugnet.
Menschen, die ernsthaft sagen, dass es Gedanken oder selbstreflexive Gedanken gar nicht gibt, die widersprechen sich ja erkennbar selbst und sind an der Stelle schon raus. So dumm ist dann aber auch selten jemand und noch seltener ein Philosoph.
Insofern ist das in meinen Augen ein Strohmann. Herr K., der hier im Forum eine physikalistische Position vertritt, leugnet mit keiner Silbe, dass es Gedanken, Phantasien etc. gibt, noch leugnet er Wert und Einfluss derselben.
Alethos hat geschrieben :
Fr 27. Jul 2018, 20:58
Und jetzt kommt's:
Sinn und Existenz, S. 35 hat geschrieben : Der Neue Realismus ist im Allgemeinen die Idee, dass der Realismus nicht mit der Annahme einer geist- oder perspektivenunabhängigen Realität oder Wirklichkeit operieren muss (was keineswegs impliziert, dass es keine Aussenwelt gibt!) Der Realismus besteht gerade nicht in der metaphysischen Anerkennung einer bestimmten Art von Gegenständen (etwa von natürlichen Arten).
Damit ist widerlegt, dass die SFO die Existenz von gedankenunabhängigen Hexen postuliert. Es geht bei der neorealistischen Untersuchung lediglich um die Überwindung der Vorstellung, dass das Sein nur in einem Bereich der Wirklichkeit vorkommt, also nur der Art eines natürlichen oder eines ideellen Gegenstandes sein kann.

Genau das ist ja der Punkt. Dieser Bereich der Wirklichkeit, in dem z.B. Hexen vorkommen, soll bspw. die Gedankenwelt sein. Nun gibt es min. zwei Möglichkeiten, diese Gedankenwelt zu sehen:
1. Gedanken sind Hirnaktivität und kommen ohne diese nicht vor. Egal, ob wir das in allen Fällen erklären können (können wir nicht) oder wie diese neuronalen Aktivitäten uns erscheinen (wir sie direkt erleben), sie sind immer und ausschließlich Hirnaktivität. Ontologischer Monismus, der Spiel für epistemische Variationen lässt.
2. Gedanken sind von neuronaler Aktivität ontologisch ver- und geschieden.
Könnte ja sein. Dann wäre zu fragen, wieso, wenn diese wirklich verschieden sind, ein Herumschrauben an der Neuroaktivität (qua Drogen, transkranieller Magnetstimulation, aber auch pathologisch, wie bei Demenzen und Schlaganfällen) in der Lage ist, die Gedanken, Gefühle, Motive, Texte, Reflexionen, Phantasien etc. zu verändern.

In einer ontologisch getrennten Welt dürfte ein Schlaganfall m.E. keine Auswirkungen haben. Denn die Neuroaktivität wäre ja das eine, die Gedanken etwas ganz anderes.
Sinn und Existenz, S. 26 hat geschrieben : Ein irgendwie gearteter Dualismus von Geist und Welt wird hinfällig, wenn man den Begriff der Totalität nicht schon so interpretiert, dass zur Totalität eigentlich nur eine bestimmte Wirklichkeit gehört, etwa diejenige, die durch die Naturwissenschaften untersucht wird.
Das sieht ja niemand so. Filme untersucht der Filmkritiker, Beziehungen von Zahlen der Mathematiker, das Ich der Psychologe ... .
Was verstört, ist der Reduktionismus, der mehr sein möchte als eine ontologische Position und ein Bild skizziert, das meint, dass wenn wir erst alles über die Physik hinter der Biologie wüssten und dann noch die Phsyik der kleinsten Teilchen verstünden, dann hätte wir ein annähernd perfektes und komplettes Wissen. Die Unmöglichkeit des Blicks von Nirgendwo, des Laplaceschen Dämöns und der Gottesperspaktive zerstört diese Annahme.
Soweit sind die meisten aber heute, den Rest betrachte ich nicht mehr als der Rede wert. Und es wäre eben Erkenntnistheorie, nicht Ontologie.
Alethos hat geschrieben :
Fr 27. Jul 2018, 20:58
Damit ist widerlegt, dass die SFO die Existenz von gedankenunabhängigen Hexen postuliert. Es geht bei der neorealistischen Untersuchung lediglich um die Überwindung der Vorstellung, dass das Sein nur in einem Bereich der Wirklichkeit vorkommt, also nur der Art eines natürlichen oder eines ideellen Gegenstandes sein kann.
Nimm DIch mal beim Wort. Wenn "die Wirklichkeit" ein letztes Alles ist, was alle Sinnfelder umschließt, dann drückt sie den Gedanken aus, den Gabriel vermeiden oder unterlaufen will. Also kann es einen Rekurs auf "die Wirklichkeit" (die dann eine Art Weltersatz wäre) nicht geben und es muss folglich andere Wirklichkeiten, die dann SInnfelder wären, geben. Hexen, so schreibt Gabriel ja explizit, sind nicht nur Phantasieprodukte, sondern es gibt sie unabhängig vom Menschen. Wenn nicht, sind sie einfach Phantasieprodukte, ohne Eigenleben und -aktivität. Und wenn die Welt in der sie vorkommen, ausdrücklich nicht die physikalische sein soll, dann muss es ja eine andere sein.
Dann muss man fragen können, wo sich diese andere Welt denn befindet, aber wenn man den Einwand, dass 'Wo?' bezeichne stets einen raumzeitlichen Begriff und sei daher zu vermeiden stark macht, muss doch noch immer erklärt werden, wie diese anderen Welt oder dieses andere Sinnfeld denn nun mit der raumzeitlichen korrespondiert, so das wir auch immerhin auch raumhzeitliche Wesen diese erfassen können.

Was Gabriel oder seiner Interpreten an der Stelle machen, ist a) zu behaupten, dass die Welt der Hexen fundamental anders ist, als die raumzeitliche und man ein Narr sei, wenn man die Eigenschaften raumzeitlicher Hexen auf sie übertragen möchte, aber wenn dann Butter bei die Fische gefordert wird, wird behauptet, dass b) die ontologisch verschiedenen Welten ja nun soooo verschieden auch nicht sind, denn qua Definition kommen Sinnfelder in Sinnfeldern vor und alle ontologischen Gräben sind zugeschüttet.
In dem Moment werden Sinnfelder aber zu Zirbeldrüsen oder prästabilen Harmonien. Wie sie das machen ist genauso mirakulös, die Hirnzellen Gedanken zu dem machen, was wir erleben.
Alethos hat geschrieben :
Fr 27. Jul 2018, 20:58
Das Sein wir nicht mehr aus der fundamentalen Zugehörigkeit des Seienden zum Ganzen heraus verstanden, sondern es wird aus dem lokalen Phänomen des Seienden heraus, aus der Perspektive der Erscheinung dieses Seienden heraus begriffen als sein (fregescher) Sinn. Das Sein ist immer im Gegebensein in diesem Seienden als dieses Seiende.
Aber Sinnfelder sollen explizit mehr als nur Perspektive sein.
Zorns Einwand gegen Gabriel ist ja, dass wir uns dem Sein und dem Seienden widerum nur über den Logos, also doch Perspektiven näher.
Dass z.B. Naturgesetze etwas anderes als Perspektiven sein sollen, könnte so sein, wenn es Naturgesetze im engen Sinn gibt (das ist umstritten), aber wir erfassen sie ja wieder nur qua logos, also als Perspektive. Wir können nichts anderes einnehmen, als eine Perspektive zur Kaffestasse, zum Einhorn, zur 7 und zum Graviatationsgesetz. Ich würde das so formulieren, dass wir nicht Menschen sind, die irgendwo und irgendwie Psychen haben und in diesen erscheinen dann, doppelt epiphänomenal noch Weltbilder, als Konsequenz von Weltbeobachtungen, sondern ich würde sagen, wir sind Psychen, die sich durch Weltbilder bewegen.
Gabriel wäre aber zu fragen, wenn Sinnfelder nicht nur Perspektiven sind: Was denn dann noch?
Alethos hat geschrieben :
Fr 27. Jul 2018, 20:58
Und es ist das Sein eines Gedankendings, z.B. einer Hexe in einem Roman, deshalb ontologisch vollkommen gleichwertig mit einem Ding der natürlichen Art, weil sich auch letzteres nur als solches Ding in seinem Bereich, dem Universum, als Seiendes behaupten kann, weil es in diesem Bereich vorkommt. Nicht, weil es natürlich ist oder vom Denken unabhängig vorkommt, existiert es wirklich, sondern weil es in diesem Sinn vorkommt, es so und so gegeben ist, existiert als als ein Ding dieser Art. Es gibt bezüglich des Seins überhaupt von Gegenständen, seien sie materiell oder fiktiv, keinen ontologischen Unterschied.
Anton Koch, dessen Video Du gesehen ja hast, ist mit Gabriel im Grunde mit nur einem Wort fertig: "Nachgeordnet."
Damit will er sagen, und dass sagt auch Zorn/'DPZ' (er nennt das eher übergeordnet, als Aussagen über Aussagen oder über die Wirklichkeit), dass es in der Philosophie eine bestimmte Lücke zwischen einer "Es gibt" Aussage gibt und einer nach- oder übergeordneten Ebene, die Aussagen über diese Ebene machen.
Es ist dieses Verhältnis was mich interessiert und ich teile insofern Gabriels Intuition, die ich hier zu erkennen meine, dass die Welt jenseits dieser Lücke aufgewertet gehört und so auch mein Eindruck, in der naturalistischen Darstellung eher abgewertet wird.
Und ich behaupte schon seit Jahren, dass mit diesem 'technischen' Befund durchaus auch ein emotionaler Gehalt verknüpft ist, aus dem nicht selten auch Herablassung hervordringt. Analog zu Begriffen wie "unwissenschaftlich" die eben auch nicht nur meinen, dass etwas nicht wissenschaftlich ist, sondern öfter mal die Konnotation von "nichts wert" hat.

Der Gedanke, dass diese Innenwelt oder Überwelt mehr als nur belanglos, mehr als nur Pilepalle ist, vereint uns dann tatsächlich alle, nur die Wege dies zu betonen, sind unterschiedlich.



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dpz hat geschrieben : Philosophie ist das langsame, mühsame Erlernen von Tanzschritten. Philosophie ist Kung-Fu, mit vielen Lehrern. Sie ist überwältigend und unmenschlich – man muss sich mit einem ganz fremden Denken beschäftigen, man muss es besser kennenlernen als man sein eigenes Denken jemals kennengelernt hat. Man muss so denken können, wie der Philosoph denkt, den man liest. Und dann, wenn man dort angelangt ist, muss man ihn verlassen. Und alles beginnt von vorne.
Wenn ich mich recht entsinne, hast du irgendwann erzählt, dass du "Sinn und Existenz" auch vorliegen hast. Wäre es nicht vielleicht etwas produktiver, wenn du deine Thesen mit Textstellen belegen wurdest?
ti hat geschrieben : Was Gabriel oder seiner Interpreten an der Stelle machen, ist a) zu behaupten, dass die Welt der Hexen fundamental anders ist, als die raumzeitliche und man ein Narr sei, wenn man die Eigenschaften raumzeitlicher Hexen auf sie übertragen möchte, aber wenn dann Butter bei die Fische gefordert wird, wird behauptet, dass b) die ontologisch verschiedenen Welten ja nun soooo verschieden auch nicht sind, denn qua Definition kommen Sinnfelder in Sinnfeldern vor und alle ontologischen Gräben sind zugeschüttet.
Insbesondere zu diesem Punkt hätte ich gerne mal eine Textstelle, die belegt, dass Gabriel etwas in der Art behauptet. Irgendeine Textstelle, die zeigt, dass deine Interpretation angemessen ist.




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Sa 28. Jul 2018, 10:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 09:59
ti hat geschrieben : Was Gabriel oder seiner Interpreten an der Stelle machen, ist a) zu behaupten, dass die Welt der Hexen fundamental anders ist, als die raumzeitliche und man ein Narr sei, wenn man die Eigenschaften raumzeitlicher Hexen auf sie übertragen möchte, aber wenn dann Butter bei die Fische gefordert wird, wird behauptet, dass b) die ontologisch verschiedenen Welten ja nun soooo verschieden auch nicht sind, denn qua Definition kommen Sinnfelder in Sinnfeldern vor und alle ontologischen Gräben sind zugeschüttet.
Insbesondere zu diesem Punkt hätte ich gerne mal eine Textstelle, die belegt, dass Gabriel etwas in der Art behauptet. Irgendeine Textstelle, die zeigt, dass deine Interpretation angemessen ist.
Ich glaube, das bekommen wir auch so hin, wenn sich das nicht auflösen lässt, suche ich gerne.
Zunächst der Versuch der Klärung.
1. Dass Gabriel sagt, dass Sinnfelder in Sinnfeldern erscheinen ist zwischen uns unstrittig, oder?
2. Falls ja, folgt daraus für mich bereits, dass, wenn das (1.) möglich ist, wir hier von keiner ontologischen Trennung die Rede sein kann, denn wie könnten sonst Sinnfelder der einen Art in Sinnfeldern der anderen Art, z.B.Logik im Gehirn, erscheinen. Ich denke, dieser Punkt ist strittig, oder?

Wenn Du sagst, dass Logik ja auch nicht im Gehirn vorkommt, sondern Logik eben etwas ontologisch anderes ist, wie können dann die Elemente, Welten, Sinnfelder Logik, logsiches Denken, Gehirn in einen sinnvollen Zusammenhang treten? Denn den haben sie insofern, als bestimmte Erkrankungen das logische Denkvermögen einschränken.



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Sa 28. Jul 2018, 10:45

Strittig ist alles. Das liegt daran, dass wir keine (auch nur näherungsweise) ähnliche Interpretation des Textes vornehmen.

Woher hast du zum Beispiel das Stichwort "ontologische Trennung"? Was meinst du damit? Auf welche Aussagen von Gabriel bezieht sich das? Was soll das (zum Beispiel) am Tafelbild illustriert bedeuten?




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Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 09:47
Dieser Bereich der Wirklichkeit, in dem z.B. Hexen vorkommen, soll bspw. die Gedankenwelt sein. Nun gibt es min. zwei Möglichkeiten, diese Gedankenwelt zu sehen:
1. Gedanken sind Hirnaktivität und kommen ohne diese nicht vor.
Vielen Dank für deine Einwände. Es wird später auf alle Punkte einzugehen sein, damit wir die Stärken und Schwächen des SFO-Modells herauserarbeiten können.

Ich nehme diesen ersten Satz heraus, um ganz kurz nur zu erwähnen, was mich irritiert:

Sagen wir einmal, es gebe ohne Hirnaktivität kein Denken. Darauf können wir uns wahrscheinlich schon allein deshalb
einigen, weil die Empirie es zeigt: Eine Läsion des Hirns führt zu einer minderen oder starken Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten. Es gibt also eine nachweisliche Korrelation zwischen Neuronen, den materialistische Bedingungen fürs Denken, und dem Denken selbst.

Aber wenn ein Gedanke einmal ist, so ist er ja deshalb ja nichts nur Neuronales, er ist als Gedanke nun gehörig zu einem anderen Reich, den der Sprache, der Logik, des Geistes, der Rechtfertigungen etc. Es ist das, was den Gedanken als solchen auszeichnet ja nicht seine physikalische Dimension, denn reine Neuronenaktivität ergibt ja keinen Gedanken. Auch das Zittern meines Augenliedes ist neuronal koordiniert, niemand aber würde sagen, dass sein Augenlid denkt.

Zu behaupten, dass Gedanken ohne Hirnaktivität nicht vorkommen und dass Gedanken Hirnaktivität sind, sind deshalb zwei völlig verschiedene Aussagen, die sich nicht einfach so mittels einer Konjunktion zu einer wahren Aussage verknüpfen lassen. Der Gedanke wird gedacht, er wird produziert und dafür braucht es ein Hirn, aber das Hirn ist ja nicht der Generator des Denkens, es ist nicht die das Denken konstituierende Einheit.
Ein Gedanke wird nur vermittels der Verflechtung von logischen Regeln, also durch Anwendung einer öffentlichen Praxis, in den ontologischen Status des Gedankenseins gehoben. Es ist das Denken als Denken angelegt in einer Intersubjektivität und nicht in der Materialität des Hirns.

So wie ein Fluss nicht einfach eine Ansammlung von Wasser ist (auch ein Regentropfen ist eine Ansammlung von Wasser), sondern eine ganz spezifische Art von Wassermasse ist, so ist auch ein Gedanke nicht einfach vollkommen bestimmt durch eine wie auch immer geartete, einseitige Bedingheit. Denn obwohl der Fluss nichts wäre ohne Wasser, so ist er doch auch nie ein Fluss, wenn er Regentropfen ist.

Das Spezifische des Soseins eines Dings, das hängt doch unmittelbar an der Form des Gegebenseins, sie ist die Bedingung selbst seines Soseins. Und als dieses Spezifische ist es eben nicht nur eine Erscheinungsform von Wasser, es gehört nicht einfach in die Klasse von Wasserdingen, sondern überhaupt in alle Bereiche, durch das er als dieses Seiende ausgezeichnet ist. Und in jeder Daseinsform (molekular, poetisch, gedanklich, in einem Argument, in Atomtheorien etc.) zeigt sich das Seiende in seiner jeweiligen Perspektive. Sinn als Form des Gegebenseins ist Perspektive, aber sie ist eine objektive, nicht eine konstruierte, denn sie kommt dem Ding selbst zu als verschiedene Möglichkeiten, mit es relational in Verbindung zu treten.

(Gabriel meint in SuE, dass er den Begriff Perspektive meidet, um antitealistischen Deutungen vorzubeugen, aber er sagt klar, dass der fregesche Sinn eine Art von Perspektive ist)



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Sa 28. Jul 2018, 10:51

Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
Ich nehme diesen ersten Satz heraus, um ganz kurz nur zu erwähnen, was mich irritiert:

Sagen wir einmal, es gebe ohne Hirnaktivität kein Denken. Darauf können wir uns wahrscheinlich schon allein deshalb
einigen, weil die Empirie es zeigt ...
Kleiner (etwas erbsenzählerischer) Einwand: mit mir konntest du dich darauf nicht einigen. Statt dessen glaube ich, dass für uns Gehirne eine notwendige Voraussetzung für das Denken (als Akt) sind. Für andere Spezies könnte anderes gelten :-)




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Sa 28. Jul 2018, 11:03

Alethos hat geschrieben : Gabriel meint in SuE, dass er den Begriff Perspektive meidet, um antitealistischen Deutungen vorzubeugen, aber er sagt klar, dass der fregesche Sinn eine Art von Perspektive ist
Yepp. Perspektiven in diesem Sinne sind etwas objektives. Es hängt (in dem Tafelbildbeispiel) nicht von mir ab, ob ich drei Quadrate oder vier zähle. Dort sind (an sich) drei Quadrate. Diese Perspektiven sind etwas an sich bestehendes, auch wenn es manchmal unsere Registratur braucht, um ihr Bestehen zu erkennen. Sinne sind Eigenschaften der Dinge an sich. (Sie sind "An sich Sache" und keine "Ansichtssache".) Das ist zumindest meine Interpretation. In "Warum es die Welt nicht gibt" erläutert er das gleich zu Beginn mit dem Blick auf den Vulkan.

Dazu noch Mal ein Zitat. Darin bringt Gabriel einen Vorschlag von Mark Johnston, den ich hier sicher schon mehr als ein Dutzend Mal gebracht habe :-)
MG hat geschrieben : Fregesche Sinne als Arten des Gegebenseins von Dingen an sich, ja als Eigenschaften von Dingen an sich zu verstehen, setzt voraus, Freges ohnehin nur angedeutete Erkenntnistheorie von ihren psychologistischen Resten zu befreien. Mark Johnston hat eine ganz ähnliche Strategie am epistemologischen Ende des Spektrums gewählt, indem er – ebenfalls in Anknüpfung an Freges Sinnbegriff – die Position verteidigt, dass wir keine »Produzenten von Präsenz (producers of presence)«, sondern vielmehr »Probesonden von Präsenz (samplers of presence)« seien, wie er sich ausdrückt.[13] Ich nähere mich dieser These vom hier entwickelten ontologischen Standpunkt aus. Gegenstände sind mit demjenigen identisch, was wahr über sie ist. Damit es überhaupt eine Pluralität an Wahrheiten über einen Gegenstand gibt, muss er unter Beschreibungen existieren. Dass wir Präsenz nicht hervorbringen, sondern vorfinden, ​bedeutet, dass wir imstande sind herauszufinden, unter welchen Beschreibungen Gegenstände existieren.




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Sa 28. Jul 2018, 11:50

Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
Aber wenn ein Gedanke einmal ist, so ist er ja deshalb ja nichts nur Neuronales, er ist als Gedanke nun gehörig zu einem anderen Reich, den der Sprache, der Logik, des Geistes, der Rechtfertigungen etc. Es ist das, was den Gedanken als solchen auszeichnet ja nicht seine physikalische Dimension, denn reine Neuronenaktivität ergibt ja keinen Gedanken. Auch das Zittern meines Augenliedes ist neuronal koordiniert, niemand aber würde sagen, dass sein Augenlid denkt.
Du fügst hier einen Dualismus ein, der dann nachher, wie durch Zauberhand verschwinden soll.
Genau hier: "... denn reine Neuronenaktivität ergibt ja keinen Gedanken." Muss ja auch nichts ergeben, wenn sie bereits eins sind.
Zu Deinem Sosein wird ja auch nicht Leben, Mannsein und Denken hinzugefügt.
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
Zu behaupten, dass Gedanken ohne Hirnaktivität nicht vorkommen und dass Gedanken Hirnaktivität sind, sind deshalb zwei völlig verschiedene Aussagen, die sich nicht einfach so mittels einer Konjunktion zu einer wahren Aussage verknüpfen lassen.
Es wäre dann Hirnaktivität eine notwendige Voraussetzung für Gedanken, die Gedanken selbst wären etwas anderes, okay.
Was kommt denn dann noch dazu, das nicht von dieser Welt ist?
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
Der Gedanke wird gedacht, er wird produziert und dafür braucht es ein Hirn, aber das Hirn ist ja nicht der Generator des Denkens, es ist nicht die das Denken konstituierende Einheit.
Sondern wer oder was?
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
Ein Gedanke wird nur vermittels der Verflechtung von logischen Regeln, also durch Anwendung einer öffentlichen Praxis, in den ontologischen Status des Gedankenseins gehoben. Es ist das Denken als Denken angelegt in einer Intersubjektivität und nicht in der Materialität des Hirns.
Es bleibt, was ist. Entweder all das ist etwas was im Hirn vorkommt, sprich, dort verarbeitet wird, denn "das Denken als Denken" leidet ja, wenn das Gehirn verletzt wird, oder man sagt, z.B. das Denken findet in einer anderen Welt statt und das Gehirn bietet uns irgendwie die Möglichkeit des Zugangs zu dieser Welt.
Dies wäre dualistisch und müsste erklärt werden, also, wie man die Spaltung überwindet.
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
So wie ein Fluss nicht einfach eine Ansammlung von Wasser ist (auch ein Regentropfen ist eine Ansammlung von Wasser), sondern eine ganz spezifische Art von Wassermasse ist, so ist auch ein Gedanke nicht einfach vollkommen bestimmt durch eine wie auch immer geartete, einseitige Bedingheit. Denn obwohl der Fluss nichts wäre ohne Wasser, so ist er doch auch nie ein Fluss, wenn er Regentropfen ist.
Aber dem Fluss und dem Regentropfen (und dem See, Meer, Bach, Vollbad, Schwimmbad ...) das Wasser zu nehmen, hieße, sie ihrer Existenz zu berauben, denke ich.
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
Das Spezifische des Soseins eines Dings, das hängt doch unmittelbar an der Form des Gegebenseins, sie ist die Bedingung selbst seines Soseins. Und als dieses Spezifische ist es eben nicht nur eine Erscheinungsform von Wasser, es gehört nicht einfach in die Klasse von Wasserdingen, sondern überhaupt in alle Bereiche, durch das er als dieses Seiende ausgezeichnet ist.
Naja, wie gesagt, ein Regentropfen ist kein Fluss, aber ohne Wasser sind beide nichts.
Und das Glas Wasser im Roman kann man nicht trinken, Wasser ist hier also eine Äquivokation, weil es gerade - Herr K.s notorischer Hinweis - kein Wasser ist.
Auf Äquivokationen, würde ich keine Ontologie aufbauen wollen.
Und diese ganze "Natürlich kann man das Wasser trinken, eben im Roman" Einwände machen eben das, was ich kritisierte: Man behauptet eine Eigenständigkeit die dann doch wieder kassiert wird. Natürlich gibt es das Wasser im Roman, aber es wäre dennoch närrisch es trinken zu wollen, das können nun Romanfiguren, die nur in der Phantasie vorkommen, aber irgendwie auch total eigenständig sind, aber doch nicht so, dass man fragen darf, wo die denn leben und was die machen, wenn niemand an sie denkt. Wie geht das denn ganz konkret, ohne Angriffe man hätte da aber auch gar nichts verstanden, auf?
Eine Ontologie die ontologisch nicht belastbar ist, weil die sofort platzt, wenn eine andere Welt zerstört wird, ist eben keine Ontologie oder in einem so großen Maße ontologisch anhängig, dass ich den Begriff Ontologie dann einfach unpassend finde.
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
Und in jeder Daseinsform (molekular, poetisch, gedanklich, in einem Argument, in Atomtheorien etc.) zeigt sich das Seiende in seiner jeweiligen Perspektive. Sinn als Form des Gegebenseins ist Perspektive, aber sie ist eine objektive, nicht eine konstruierte, denn sie kommt dem Ding selbst zu als verschiedene Möglichkeiten, mit es relational in Verbindung zu treten.
Klar, das Ich der Neurobiologen ist nicht das der Psychologen, ist nicht das, was ich mir zuschreibe, ist nicht das, was mit "ist ein indexikalischer Ausdruck" beschrieben wird, ist nicht das, was der Meditierende betrachtet, ist nicht das der Säuglingsforscher ... Aber ontologisch getrennt?
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
(Gabriel meint in SuE, dass er den Begriff Perspektive meidet, um antitealistischen Deutungen vorzubeugen, aber er sagt klar, dass der fregesche Sinn eine Art von Perspektive ist)
Ich glaube sogar, dass die SFO ziemlich ausschließlich eine Perpektive ist, also Erkennitstheorie.
Wo sie mehr sein will, laut Gabriel Perspektive plus etwas, was es Materie ermöglicht zu erscheinen, in Jörn Deutung etwa die Naturgesetze, muss man entweder auf das rekurrieren, was es nach Gabriel nicht geben soll, nämlich ein Irgendwas "an sich" (in dem Fall ein Naturgesetz).
Warum es das nicht geben soll?
Alethos hat geschrieben :
Fr 27. Jul 2018, 20:58
Sinn und Existenz, S. 35 hat geschrieben :
Der Neue Realismus ist im Allgemeinen die Idee, dass der Realismus nicht mit der Annahme einer geist- oder perspektivenunabhängigen Realität oder Wirklichkeit operieren muss (was keineswegs impliziert, dass es keine Aussenwelt gibt!) Der Realismus besteht gerade nicht in der metaphysischen Anerkennung einer bestimmten Art von Gegenständen (etwa von natürlichen Arten).
Gibt es das aber nicht an sich, ist alles Perspektive, was Gabriel bestreitet.
Zorn sagt, dass es wahr ist, dass Gedanken z.B. von bestimmten Geesstzmäßigkeiten abhängen, wir zu diesen, aber auch auf zu Gegenständen wiederum und immer nur einen Zugang per logos haben. Damit wird die Rede über die Ontologie unnötig.
Der Wunsch zu klären, wie es denn nun wirklich 'ist' ist verständlich, aber anders als theoretisch haben wir keinen Zugang dazu, wie sehen also nur unsere Theorien über. Da Theorien und Gedanken usw. aber gerade nicht nichts sind, sondern es sie zweifellos gibt, finden wir uns also gerade darin vor.
Dass Theoriefähigkeit mit Heidegger seinerseits immer schon eine Geworfensein in die Welt voraussetzt und mit Habermas und Co, erlernte Sprachspiele, wäre m.E. ein weiterer Reflexionsgrad, der den harten Konstruktivismus zurückweist. Aber die Außenwelt, die wir daraus ableiten dürfen, ist ein theoretisches Konstrukt. Das schließt nicht aus, dass wir dennoch ganz real diese Welt erfahren.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Sa 28. Jul 2018, 12:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 11:03
Perspektiven in diesem Sinne sind etwas objektives.
Ja, klarer Fall.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 11:03
Es hängt (in dem Tafelbildbeispiel) nicht von mir ab, ob ich drei Quadrate oder vier zähle. Dort sind (an sich) drei Quadrate. Diese Perspektiven sind etwas an sich bestehendes, auch wenn es manchmal unsere Registratur braucht, um ihr Bestehen zu erkennen.
Das ist glaube ich falsch, da eine Verdinglichung von etwas, was kein Ding ist.
Eine Perspektive ist etwas, was ich einnnehme, ich kann etwas so betrachten oder anders.
Wenn ich einen Topf aber nun zum kochen, als Spielzeug (Topfschlagen) oder Vogeltränke nehme, vervielfacht sich da nichts, auch nicht die ontologischen Ebenen. Dass der Topf aber nur einen gewissen Interpretationsraum zulässt, ist nicht schlecht, vielleicht heißt es aus anderer Perspektive aber auch nicht mehr, als den Begriff zu verfehlen.

Und trotz allem, sollte eine der ersten Einsichten über die SFO ja lauten, sie sei ausdrücklich nicht nur Perspektive.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 4. Aug 2017, 17:15
Hier ein Zitat aus dem Buch von Gabriel, was zeigen soll, dass Gabriel mit Sinn-Feldern nicht Sichtweisen meint:

"Es gibt keine Gegenstände oder Tatsachen außerhalb von Sinnfeldern. Alles, was existiert, erscheint in einem Sinnfeld (genau genommen erscheint es sogar in unendlich vielen). »Existenz« bedeutet, dass etwas in einem Sinnfeld erscheint. Unendlich vieles erscheint in einem Sinnfeld, ohne dass irgendwann jemand dies bemerkt hätte. Dabei spielt es in ontologischer Hinsicht eine untergeordnete Rolle, ob wir Menschen davon erfahren oder eben nicht. Die Dinge und Gegenstände erscheinen nicht nur, weil sie uns erscheinen, sie existieren nicht nur, weil uns dies aufgefallen ist. Das meiste erscheint einfach, ohne dass wir Notiz davon nehmen."



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Sa 28. Jul 2018, 12:39

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 11:50
Du fügst hier einen Dualismus ein, der dann nachher, wie durch Zauberhand verschwinden soll.
Genau hier: "... denn reine Neuronenaktivität ergibt ja keinen Gedanken." Muss ja auch nichts ergeben, wenn sie bereits eins sind.
Dafür müsstest du allerdings eine Begründung geben. Ich habe hier ein Stück Holz liegen. Dieses Stück Holz ergibt noch keinen Springer ... und dass da noch einiges dazu kommen muss, damit aus dem Stück Holz ein Springer wird, macht noch keinen Dualismus.




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Sa 28. Jul 2018, 12:49

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 12:39
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 11:50
Du fügst hier einen Dualismus ein, der dann nachher, wie durch Zauberhand verschwinden soll.
Genau hier: "... denn reine Neuronenaktivität ergibt ja keinen Gedanken." Muss ja auch nichts ergeben, wenn sie bereits eins sind.
Dafür müsstest du allerdings eine Begründung geben. Ich habe hier ein Stück Holz liegen. Dieses Stück Holz ergibt noch keinen Springer ... und dass da noch einiges dazu kommen muss, damit aus dem Stück Holz ein Springer wird, macht noch keinen Dualismus.
Bei Alethos war ja von einem anderen Reich die Rede.
Aber Schach ist ein gutes Beispiel, weil ja hier konkret bewegt wird, was gemäß Eurer Auffassung ja aus andere Welten/Reichen/SF stammt.
Die Frage ist und bleibt: Wie?
(Muss jetzt arbeiten.)



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Sa 28. Jul 2018, 13:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 4. Aug 2017, 17:15
Hier ein Zitat aus dem Buch von Gabriel, was zeigen soll, dass Gabriel mit Sinn-Feldern nicht Sichtweisen meint:

"Es gibt keine Gegenstände oder Tatsachen außerhalb von Sinnfeldern. Alles, was existiert, erscheint in einem Sinnfeld (genau genommen erscheint es sogar in unendlich vielen). »Existenz« bedeutet, dass etwas in einem Sinnfeld erscheint. Unendlich vieles erscheint in einem Sinnfeld, ohne dass irgendwann jemand dies bemerkt hätte. Dabei spielt es in ontologischer Hinsicht eine untergeordnete Rolle, ob wir Menschen davon erfahren oder eben nicht. Die Dinge und Gegenstände erscheinen nicht nur, weil sie uns erscheinen, sie existieren nicht nur, weil uns dies aufgefallen ist. Das meiste erscheint einfach, ohne dass wir Notiz davon nehmen."
So ist es. Das spricht jedoch nur dann für deine Sichtweise, wenn du einfach unterstellst, dass mit Sichtweise, Perspektive, Projektion, Sinnfeld je das selbe gemeint ist. Das ist aber nicht der Fall.




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Sa 28. Jul 2018, 13:17

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 12:49
Wie?
Wo sollte das Problem liegen? Die Schachfigur gehört als Schachfigur eben zu einem bestimmten Feld, nämlich dem Schachspiel.

Du siehst ein Problem, weil du es fälschlicherweise nach dem Muster des Descartischen Dualismus (oder Vergleichbaren) zu verstehen versuchst. Statt nach dem Muster der Sinnfeld-Ontologie selbst. Die Behauptung, die Hexen in Macbeth existieren, besagt nicht, es gäbe einen eigenen, strikt getrennten, vielleicht gar: jenseitigen oder "ontologischen" - in deinem Gebrauch des Wortes - oder substanzartigen Bereich a la des cogitans, in dem sie vorkommen oder einen platonischen Himmel. Die Sichtweise, dass es in der Würfel-Allegorie ganz viele Bereiche gibt, basiert ganz offensichtlich nicht auf einem Substanzpluralismus. Auch in diesem Fall würde die Frage "Wie" einfach nur zeigen, dass man die Allegorie missdeutet hat.

Wenn Gabriel sagt, dass die Natur nicht alles ist, dann hörst du - wie mir scheint - immer, es müsse noch andere, von der Natur ganz und gar "ontologisch" unabhängiges (wie immer du es nennen möchtest) geben. Aber das ist nicht Gabriels Behauptung. Auch der Bereich Wohnzimmer und der Bereich Polizeiwache sind verschiedene, aber nicht, weil es eine Wohnzimmer-Substanz und eine Polizeiwachen-Substanz gibt. Und solange du diese verschiedenen Ontologie-Begriffe (deinen und Gabriels) verwechselst, kommen wir nicht dazu, die Theorie so zu diskutieren, wie sie wirklich ist.
MG hat geschrieben : Es gibt neben dem Universum viele andere Gegenstandsbereiche. Dies bedeutet nicht, dass die anderen Gegenstandsbereiche insgesamt außerhalb des Universums existieren, was eine ganz andere (und falsche) These wäre. Thomas Manns Zauberberg oder die Bundesrepublik Deutschland existieren nicht an einem anderen Ort als das Universum, sozusagen hinter oder über den Galaxien und damit sozusagen »hyper-« oder »meta-galaktisch«.
Meines Erachtens ist einer der Grundgedanken Gabriels dies hier: "Unser Zugang zur Welt gehört zur Welt, wir registrieren die Welt von innen."




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Sa 28. Jul 2018, 15:01

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 09:47
Das sieht ja niemand so. Filme untersucht der Filmkritiker, Beziehungen von Zahlen der Mathematiker, das Ich der Psychologe
Ich glaube keine Sekunde, dass das niemand so sieht, ich glaube im Gegenteil, dass das der Mainstream ist. Gabriel zitiert dazu z. B. Carnap, der explizit der Ansicht ist, dass es "nur ein Gebiet von Gegenständen und daher nur eine Wissenschaft" gibt. Und welche wohl? Eliminative Materialisten glauben z. B. dass unsere Alltagspsychologie nur Schein ist, während es in Wahrheit nur materielle Dinge gibt, die letztlich von der Physik untersucht werden. Gabriel nennt die weitverbreitete These, dass es im Grunde nur Elementarteilchen gibt (in Anlehnung an Ben Caplan) Mikrofundamentalismus. Und Graham Harman formuliert es so: “Der Wissenschaftler reduziert den Tisch hinunter zu winzigen Partikeln, die für das Auge unsichtbar sind ...” (in: die drei Tische)

Wenn ich mich Recht entsinne, habe ich die folgende Litanei von Julian Nida-Rümelin: Der zeitgenössische physikalistische Naturalismus ist reduktionistisch: Alles lässt sich (im Prinzip) physikalisch erklären. Chemie ist Physik, Botanik ist Physik, Zoologie ist Physik, Psychologie ist Physik, Logik ist Physik, Ethik ist Physik , Ästhetik ist Physik ... Hier zeigt sich, dass der Reduktionismus des physikalistischen Naturalismus nicht ausschließlich die Bereiche “der humanen Lebensform” - also uns - umfasst, sondern auch die Gegenstandsbereiche anderer Wissenschaften. Man kann diese Sicht auf folgende Gleichung bringen: Wissenschaft = Naturwissenschaft = Physik und der Rest ist Aberglaube - das soll (so oder so ähnlich) der Evolutionsbiologe Richard Dawkins gesagt haben.

Im Grunde läuft das auf den Imperativ des Naturalisten hinaus: Du sollst kein anderes Wissen von der Welt neben mir haben. Noch ein weiteres Beispiel: Bei dem Symposium: "nature after nature" erläutert Cord Riechelmann, einer der Redner, dass er im Biologie-Studium zunächst einmal “lernte”, dass Biologie nicht wirklich eine harte Naturwissenschaft ist, das gilt nur für die Physik.

Der angebliche Strohmann ist quicklebendig.




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Sa 28. Jul 2018, 19:03

Hier noch ergänzend zwei Zitate aus Sinn und Existenz:
... Unter veränderten Vorzeichen, aber mit einer ähnlichen Absicht spricht Stanley Cavell von dem »spezifische[n] Objekt«, dessen Natur und unabhängige Wirklichkeit in der Philosophie in Frage gestellt wird. Solche Dinge sind etwa [...] in der neuzeitlichen und gegenwärtigen Philosophie Äpfel, Tische und Stühle. Diese Gegenstände sind paradigmatisch unter Verdacht geraten, weil sie, wie John Campbell in einem anderen Kontext festgehalten hat, durch die frühneuzeitliche Physik mitsamt den Sinneserfahrungen in unseren Kopf verschoben wurden ...
... Ein Großteil der Arbeiten, welche die jüngsten Diskussionen ausgelöst haben – insbesondere die ontologischen und meta-ontologischen Debatten, die man mit Carnap, Quine, Putnam oder David Lewis verbindet –, basiert auf der materialistischen Prämisse, dass dasjenige, was wirklich ist, paradigmatisch durch den Theorierahmen einer als vereinheitlicht gedachten Physik definiert wird, sodass uns nur noch übrig bleibt, die menschlich-allzumenschlichen Projektionen von demjenigen abzuziehen, was wirklich ist ...
... nun ist zwar klar, dass die Begriffe Perspektive und Projektionen streng genommen nicht identisch sind. Aber es ist auch klar, dass Perspektive im gängigen Gebrauch häufig "bloß Perspektive" meint - "in etwa: gibt es nicht wirklich, ist bloß unserer Perspektive geschuldet" - und damit sehr dicht an den Begriff der Projektion reicht. Das ist natürlich nicht das, was Gabriel meint, weshalb er den Begriff durch angemessenere ersetzt, wobei, wie Alethos schon erläuterte, insbesondere Frege für viele Weichenstellungen verantwortlich zeichnet.




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Sa 28. Jul 2018, 20:44

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 11:50
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
Aber wenn ein Gedanke einmal ist, so ist er ja deshalb ja nichts nur Neuronales, er ist als Gedanke nun gehörig zu einem anderen Reich, den der Sprache, der Logik, des Geistes, der Rechtfertigungen etc. Es ist das, was den Gedanken als solchen auszeichnet ja nicht seine physikalische Dimension, denn reine Neuronenaktivität ergibt ja keinen Gedanken. Auch das Zittern meines Augenliedes ist neuronal koordiniert, niemand aber würde sagen, dass sein Augenlid denkt.
Du fügst hier einen Dualismus ein, der dann nachher, wie durch Zauberhand verschwinden soll.
Genau hier: "... denn reine Neuronenaktivität ergibt ja keinen Gedanken." Muss ja auch nichts ergeben, wenn sie bereits eins sind.
Zu Deinem Sosein wird ja auch nicht Leben, Mannsein und Denken hinzugefügt.
Ich sehe den Vorwurf des Dualismus, aber nicht seinen Gegenstand in dem, was ich sagte.

Wie sollten denn zwei (oder unzählig viele) Neuronen einen Gedanken bilden können? Ist es in ihnen selbst als Zellen sowie in den chemischen Konfigurationen angelegt, dass sie so und so zusammengesetzt, einen Satz ergeben können, der zudem noch wahr ist? Das ist offenbar absurd. Neuronen sind nicht Puzzleteile, die eine Bedeutung bilden (z.B. eine Aussage über eine Tatsache), wenn man sie bloss richtig verknüpft.

Das, wodurch sich die Wahrheit über Dinge sagen lässt, sind Sprache und Begriffe, letztere als logische 'Bausteine' vorgestellt. Aber Begriffe finden sich doch nicht im Kopf, sondern ausserhalb davon in einer gegenständlichen Welt.
Wenn ich einen Satz bilde, ihn also denke, so ist ein Hirn involviert, aber doch nicht so, dass er die Bedeutung beinhaltete, sondern ich 'entlehne' die Bedeutung einer intersubjektiven Sprachpraxis, einem Sprach- und Kulturraum, einer Gewordenheit von Bedeutung, die ausserhalb meines Hirns vorkommt. Nicht Neuronen stellen uns Bedeutung zur Verfügung, es sind vielmehr Dinge in Tatsachen, deren Bedeutung wir sprachlich beschreiben und erfassen.

Also kommt doch etwas zur Hirnaktivität hinzu, das deshalb objektiv und nicht subjektiv ist, weil es ausserhalb von Subjekten stattfindet und unabhängig eines individuellen Wollens Geltung hat. Ich kann mir zwar denken, dass gavagai Boot bedeutet, aber wenn alle einen Hasen meinen, dann ist das wohl seine geltende Bedeutung und nicht die, die meine neuronalen Konfigurationen geltend machen könnten.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 11:50
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
Zu behaupten, dass Gedanken ohne Hirnaktivität nicht vorkommen und dass Gedanken Hirnaktivität sind, sind deshalb zwei völlig verschiedene Aussagen, die sich nicht einfach so mittels einer Konjunktion zu einer wahren Aussage verknüpfen lassen.
Es wäre dann Hirnaktivität eine notwendige Voraussetzung für Gedanken, die Gedanken selbst wären etwas anderes, okay.
Was kommt denn dann noch dazu, das nicht von dieser Welt ist?
Ich weiss einfach nicht, was du meinst mit 'nicht von dieser Welt'. Es gibt, reden wir einmal nicht im Tonfall der SFO, nur eine Welt. Das Universum ist Teil davon.
Das dauernde Evozieren mehrerer Welten ist einfach nicht im Sinne der SFO. Es gibt also nichts, was zu den Hirnaktivitäten noch hinzukommen könnte, was nicht von dieser Welt ist, denn alles das, was einen Gedanken vollständig als solchen auszeichnet, stammt ausschliesslich von dieser Welt.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 11:50
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
Der Gedanke wird gedacht, er wird produziert und dafür braucht es ein Hirn, aber das Hirn ist ja nicht der Generator des Denkens, es ist nicht die das Denken konstituierende Einheit.
Sondern wer oder was?
Der Sprachraum, Sprachregeln, Sprechakte, Sprachakteure, Traditionen, grammatische und syntaktische Regeln, Semantik etc.. Das entsteht ja nicht alles in meinem Hirn, sondern auch durch Zeigen auf etwas, durch Übersetzungsleistungen, Rechtfertigungspraxen etc. Man sieht doch ein, dass das, was wir von klein auf erlernen, nicht etwa im Kopf steckt, sondern ausserhalb davon auffindbar ist: bei den Anderen, den Eltern etc. Dass etwas ein Würfel ist und rot ist, das beinhaltet sich doch nicht im Kopf, sondern am Würfel selbst und dass wir es so erfassen und beschreiben ist eine kollektive Leistung.
Man fragt doch als Kind seine Mutter oder seinen Vater, was es mit diesem oder jenem auf sich habe, aber doch nie das benachbarte Neuron. :)
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 11:50
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
Ein Gedanke wird nur vermittels der Verflechtung von logischen Regeln, also durch Anwendung einer öffentlichen Praxis, in den ontologischen Status des Gedankenseins gehoben. Es ist das Denken als Denken angelegt in einer Intersubjektivität und nicht in der Materialität des Hirns.
Es bleibt, was ist. Entweder all das ist etwas was im Hirn vorkommt, sprich, dort verarbeitet wird, denn "das Denken als Denken" leidet ja, wenn das Gehirn verletzt wird, oder man sagt, z.B. das Denken findet in einer anderen Welt statt und das Gehirn bietet uns irgendwie die Möglichkeit des Zugangs zu dieser Welt.
Dies wäre dualistisch und müsste erklärt werden, also, wie man die Spaltung überwindet.
Diese Spaltung gibt es nicht. Woher dein Bedürfnis nach Transzendenz kommt, kann ich nicht nachvollziehen und eine Brücke ins Diesseits kann ich dir nicht basteln.

Jede Weltbeschreibung bewegt sich im theoretischen Rahmen des entsprechenden Weltbilds. Zu diesem gehört eine Vielzahl von falliblen Gedanken über Tatsachen. Man kann sich irren, aber nicht immer irrt man sich. Dass es so etwas gibt wie ein Sein und dem gegenübergestellt einen Geist, das ist in der Tat eine dualistische Auffassung. Aber man kann sich stattdessen auch vorstellen, dass nicht alles, was wir denken, einfach eine mentale Repräsentation ist, die dann als gelungen zu gelten hat, wenn sie die Tatsachen richtig simuliert. Man kann sich auch denken, dass wahre Aussagen über die Welt nicht dadurch zustande kommen, dass die Aussage dieselbe logische Struktur hat wie die ontische Struktur der Dinge in Tatsachen, so als stellte sich Wahrheit ein als Kongruenz oder Korrespondenz zwischen Denken einerseits und Wirklichkeit andererseits. Man kann sich z.B. denken, dass der Gedanke an den Tisch, an dem ich sitze, genau von dieser Bedeutung handelt, die der Gegenstand selbst ist. Wenn ich sage: 'Der Tisch steht auf der Terrasse', dann ist mit Terrasse ja nicht etwas anderes gemeint als eben die Bedeutung dieses Begriffs, einmal im Gedankensinn und einmal im ontischen Sinn. Es ist aber jedesmal genau dieser Tisch und nicht ein anderer.

Gedanken, die wahr sind, handeln von Tatsachen. Und gewisse Tatsachen bestehen ja nicht durch das Denken, sondern durch sich selbst. Und die Wahrheit eines Gedankens über eine Tatsache, die durch sich selbst besteht, besteht nun eben nicht durch die Korrespondenz, sondern dadurch, dass vieles über viele Dinge wahr ist. Das ist der Hauptgedanke des Realismus: Alle Weltbeschreibungen sind an ein begrifflich-semantisches System gekoppelt, Aussagen über die physikalische Welt nicht ausgenommen. Nun gibt es also keinen Zugang zu den Dingen an sich, auch nicht für den Empiriker, aber das heisst nichts anderes, als dass jeder Gegenstand, der gedacht und beschrieben wird, in vielerlei Hinsicht vorkommt: In einer Theorie oder auch in der weiten Ferne des unerforschten Universums.

Hierzu Gabriel auf S. 49:
Bei einer Beschreibung handelt es sich um eine logische Form, die darin besteht, dass etwas so-und-so ist. "Es ist eine Tatsache, dass 7 + 5 = 12" bedeutet, dass es auf die 7 und die 5 zutrifft, dass sie zusammengenommen 12 sind, vorausgesetzt, es sind gewisse Restriktionen erfüllt, welche die 'Addition' als basale arithmetische Operation festlegen. Dass gewisse Beschreibungen auf 7 und 5 zutreffen, heisst nichts weiter, als dass sie über 7 und 5 wahr sind, wobei es sich hier um einen Sinn von 'Wahrheit' handelt, der diese unterhalb der Theorieschwelle einer repräsentationalistischen Wahrheitskonzeption verortet. Tatsachen sind Wahrheiten, die durch Beschreibungen artikuliert sind, die auf Gegenstände zutreffen. Deswegen sind wahre Gedanken Tatsachen und handeln nicht von diesen (womit nicht gesagt ist, dass jede Tatsache ein wahrer Gedanke ist). Sie handeln von Gegenständen, auf die dasjenige zutrifft, was wahre Gedanken artikulieren. Die Dinge an sich sind schon so-und-so, Beschreibungen treffen auf sie zu, ob wir dies entdecken oder nicht. Das bedeutet nicht, dass gleichsam ein "Geist über den Wassern schwebte". Es bedeutet lediglich, dass wahre Gedanken nicht neben den Gegenständen stehen und versuchen, mit ihren relationalen, perspektivisch verzerrten Mitteln irgendwie indirekt zu diesen vorzustossen.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 11:50
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
So wie ein Fluss nicht einfach eine Ansammlung von Wasser ist (auch ein Regentropfen ist eine Ansammlung von Wasser), sondern eine ganz spezifische Art von Wassermasse ist, so ist auch ein Gedanke nicht einfach vollkommen bestimmt durch eine wie auch immer geartete, einseitige Bedingheit. Denn obwohl der Fluss nichts wäre ohne Wasser, so ist er doch auch nie ein Fluss, wenn er Regentropfen ist.
Aber dem Fluss und dem Regentropfen (und dem See, Meer, Bach, Vollbad, Schwimmbad ...) das Wasser zu nehmen, hieße, sie ihrer Existenz zu berauben, denke ich.
Ja, was aber nur zeigt, dass Wasser eine notwendige Bedingung des Regentropfenseins und des Flussseins ist, nicht eine hinreichende, weshalb nur die hinreichende Bedingung hier für das Spezifische des entsprechenden Seins stehen kann, und nicht das Wasser selbst. Das Gegebensein des Wasser in dieser spezifischen Form des Regentropfens oder des Flusses erhebt den Regentropfen oder den Fluss zur Existenz. Das ist der springende ontologische Punkt.

Dabei wird doch klar, dass das spezifische Sein des Regentropfens nicht an unseren Beschreibungen hängt, sondern der Regentropfen beschreibt sich durch sich selbst als Regentropfen. Unsere Epistemologie vollzieht dieses Sein nach, aber bringt es nicht in die Welt.
Und darum sind die Perspektiven, die der Regentropfen gibt, nicht einfach begriffliche Konstrukte, sie entstehen nicht durch unsere Draufsicht aus verschiedenen Winkeln. Ihr Sein entsteht nicht durch unsere Beschreibungen und Begriffe, sondern letztere durch sie.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 11:50
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
Das Spezifische des Soseins eines Dings, das hängt doch unmittelbar an der Form des Gegebenseins, sie ist die Bedingung selbst seines Soseins. Und als dieses Spezifische ist es eben nicht nur eine Erscheinungsform von Wasser, es gehört nicht einfach in die Klasse von Wasserdingen, sondern überhaupt in alle Bereiche, durch das er als dieses Seiende ausgezeichnet ist.
Naja, wie gesagt, ein Regentropfen ist kein Fluss, aber ohne Wasser sind beide nichts.
Und das Glas Wasser im Roman kann man nicht trinken, Wasser ist hier also eine Äquivokation, weil es gerade - Herr K.s notorischer Hinweis - kein Wasser ist.
Auf Äquivokationen, würde ich keine Ontologie aufbauen wollen.
Und diese ganze "Natürlich kann man das Wasser trinken, eben im Roman" Einwände machen eben das, was ich kritisierte: Man behauptet eine Eigenständigkeit die dann doch wieder kassiert wird. Natürlich gibt es das Wasser im Roman, aber es wäre dennoch närrisch es trinken zu wollen, das können nun Romanfiguren, die nur in der Phantasie vorkommen, aber irgendwie auch total eigenständig sind, aber doch nicht so, dass man fragen darf, wo die denn leben und was die machen, wenn niemand an sie denkt. Wie geht das denn ganz konkret, ohne Angriffe man hätte da aber auch gar nichts verstanden, auf?
Eine Ontologie die ontologisch nicht belastbar ist, weil die sofort platzt, wenn eine andere Welt zerstört wird, ist eben keine Ontologie oder in einem so großen Maße ontologisch anhängig, dass ich den Begriff Ontologie dann einfach unpassend finde.
Da sind wir nun wieder bei einem sonderbaren Argument: Weil der Gedanke an das viele Geld in meiner Hosentasche, nur eine Phantasie ist, und ich mir im Laden um die Ecke davon nichts kaufen kann, ist das illudierte Geld (als Gedanke an Geld) nicht existent? Jedenfalls ist es nichr wirkliches Geld, wirst du sagen, aber das setzt eben eine einzige Wirklichkeit als einzig ontologisch gültige voraus. Wir können doch aber einem Ding (hier Gedanke an Geld) nicht einfach Wirklichkeit absprechen bloss deshalb, weil es in einem spezifischen Bereich der Wirklichkeit nicht vorkommt, z.B. Geld in meiner aus Stoff genähten Hosentasche. Dass Wasser nur wirklich Wasser sein soll, wenn es durch mich als biophysikalisches Wesen getrunken werden kann, es aber nie und nimmer in einer fiktiven Erzählung vorkommen kann, denn da handle es sich eben nicht um wirkliches Wasser, sondern nur um Tinte oder Pixel, das entspringt einer monistischen Grundannahme, dass etwas nur in einem Sinn als dieses Wirkliche gelten kann. Und das ist eben nicht pluralistisch, sondern reduktionistisch.

Natürlich existiert Geld beim Monopoly, auch wenn ich mir davon kein Brötchen beim Bäcker, sondern nur den Zürich Bahnhofsplatz kaufen kann. Und auch deshalb nicht, weil ich ein fiktives Glas Wasser nicht trinken kann, existiert es nicht einfach gar nicht, sondern es existiert eben in einer Geschichte. Es ist ein anderes Glas in der Geschichte als in meiner Hand, ja, was aber die SFO ontologisch genau würdigt.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 11:50
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
Und in jeder Daseinsform (molekular, poetisch, gedanklich, in einem Argument, in Atomtheorien etc.) zeigt sich das Seiende in seiner jeweiligen Perspektive. Sinn als Form des Gegebenseins ist Perspektive, aber sie ist eine objektive, nicht eine konstruierte, denn sie kommt dem Ding selbst zu als verschiedene Möglichkeiten, mit es relational in Verbindung zu treten.
Klar, das Ich der Neurobiologen ist nicht das der Psychologen, ist nicht das, was ich mir zuschreibe, ist nicht das, was mit "ist ein indexikalischer Ausdruck" beschrieben wird, ist nicht das, was der Meditierende betrachtet, ist nicht das der Säuglingsforscher ... Aber ontologisch getrennt?
Ja, ontologisch getrennt, manchmal auch ontologisch überlappend. Das Ich, das sich bei deinen Meditationen in kosmische Höhen schwingt, das gibt es einfach nicht im Computertomographen, aber es gibt es in deiner Erfahrung. Es ist dann mit Bezug auf den einen Bereich, in welchem dieses Ich vorkommt und den anderen Bereich, in dem dieses Ich nicht vorkommt, ontologisch getrennt, auch wenn es im weiten Sinn immer um dasselbe Ich geht.

Auch der Ätna in Sizilien existiert ja nicht vervielfältigt in seinen möglichen Beschreibungen, es handelt sich immer um denselben Vulkan, den wir sehen und beschreiben. Aber es gibt keine allumfassende Beschreibung, die den Ätna in seinem vollen Dasein zu beschreiben in der Lage wäre. Das wäre eine unendlich lange Beschreibung, denn es gibt eben nicht den Ätna nur in einem Sinn, in einer Gegebenheit, sondern in einer ontologisch plural verschränkten Weise. Er ist einerseits Gegenstand der Geschichte, andereseits von Erzählungen, der Erfahrung deiner Fussohlen und er wird manchmal von da und manchmal von dort gesehen. Er wirkt manchmal spitz und dann wieder stumpf. Aber zu keinem Zeitpunkt ist der Ätna ein Konstrukt, sondern es ist seine ontologische Vielfalt, die in unseren Beschreibungen Einlass findet.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 11:50
Alethos hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 10:46
(Gabriel meint in SuE, dass er den Begriff Perspektive meidet, um antitealistischen Deutungen vorzubeugen, aber er sagt klar, dass der fregesche Sinn eine Art von Perspektive ist)
Ich glaube sogar, dass die SFO ziemlich ausschließlich eine Perpektive ist, also Erkennitstheorie.
Das ist leider nachweislich falsch. Leider deshalb, weil du diese Fehlinterpretation schon oft vorgebracht hast und sie sich auch durch unzähliges Wiederholen nicht als wahr perpetuieren lässt.

Dass wir etwas erkennen, gehört der Epistemologie an. Dass ein Glas Wasser im Roman existiert, weil es dort vorkommt in diesem Sinn, das hat mit unserer Erkenntnisleistung nichts zu tun. Es geht um die Ontologie des entsprechenden Dings.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 11:50
Alethos hat geschrieben :
Fr 27. Jul 2018, 20:58
Sinn und Existenz, S. 35 hat geschrieben :
Der Neue Realismus ist im Allgemeinen die Idee, dass der Realismus nicht mit der Annahme einer geist- oder perspektivenunabhängigen Realität oder Wirklichkeit operieren muss (was keineswegs impliziert, dass es keine Aussenwelt gibt!) Der Realismus besteht gerade nicht in der metaphysischen Anerkennung einer bestimmten Art von Gegenständen (etwa von natürlichen Arten).
Gibt es das aber nicht an sich, ist alles Perspektive, was Gabriel bestreitet.
Zorn sagt, dass es wahr ist, dass Gedanken z.B. von bestimmten Geesstzmäßigkeiten abhängen, wir zu diesen, aber auch auf zu Gegenständen wiederum und immer nur einen Zugang per logos haben. Damit wird die Rede über die Ontologie unnötig.
Der Wunsch zu klären, wie es denn nun wirklich 'ist' ist verständlich, aber anders als theoretisch haben wir keinen Zugang dazu, wie sehen also nur unsere Theorien über. Da Theorien und Gedanken usw. aber gerade nicht nichts sind, sondern es sie zweifellos gibt, finden wir uns also gerade darin vor.
Dass Theoriefähigkeit mit Heidegger seinerseits immer schon eine Geworfensein in die Welt voraussetzt und mit Habermas und Co, erlernte Sprachspiele, wäre m.E. ein weiterer Reflexionsgrad, der den harten Konstruktivismus zurückweist. Aber die Außenwelt, die wir daraus ableiten dürfen, ist ein theoretisches Konstrukt. Das schließt nicht aus, dass wir dennoch ganz real diese Welt erfahren.
Ja, genau. Ontologie bedeutet immer die systematische Untersuchung des Seins und als solche Gegenstände der Reflexion können Dinge gar nie an sich sein. Und doch können Aussagen wahr sein, z.B. dass ich jetzt ein Glas Wasser trinke oder dass Herr K. im 'wirklichen' Leben keine Schwester hat. Dass wir die Dinge immer theoretisch-relational verorten macht das Sein nicht zu epistemologisch konstituieren Tatsachen, weshalb der Psychologismus im Übrigen auf falschen Prämissen aufgebaut ist. Aber das ist ein weites Feld und meine Ferien sind (leider) endlich.



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Alle lächeln in derselben Sprache.

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