Sinnfelder etc.

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
Tosa Inu
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Alethos hat geschrieben :
So 24. Jun 2018, 23:30
Aus all diesen (und anderen) Überlegungen wird möglich, einen Realismus zu entwickeln, der Geist, Wahrheit usw. einen ontologischen Platz zugesteht, der weit über die notwendigen Bedingungen für unsere Erkennbarkeit, also Materialität etc. hinausgeht. Darum ist aber auch die Frage nicht zielführend, warum eine Schere keine Idee durchtrennen kann oder warum der Geist nicht die Schere bedienen kann. Denn die Frage zielt an diesem Verständnis darüber, was Dinge (und Tatsachen) sind und wie sie entstehen, vorbei. Es nützt nichts zu fragen, warum zwei ontologisch völlig andersartige Dinge nicht interagieren können, weil Dinge per se aus der Interaktion andersartiger ontologischer Dinge entstehen. Sie sind das Produkt einer Überlagerung lokaler Interferenzen unterschiedlicher ontologischer Sinne, und es können nicht diese Sinne, durch die ein Ding dieses Ding ist, von ihm abstrahiert und extrahiert werden, um im Anschluss daran zu fragen, wie diese Sinne wieder in ihn zurückgeführt werden können. Denn dann gäbe es dieses Ding bereits nicht mehr, wenn diese Überlagerung nicht wäre.
Alethos, Du darfst Dich gerne, musst Dich aber nicht angesprochen fühlen, mir kamen gerade nur grundsätzliche Gedanken dazu und da fiel mir unser Dialog ein.

Was mich an der Intention der neurealistischen Richtungen freut, ist, dass sie den Gedanken und literarischen, phantastischen und logischen Welten vermutlich mehr Gewicht geben wollen. Das ist nicht etwas, was als Marginalie mitläuft und keine größere Bedeutung hat, man kann durchaus sagen, dass man mit einer Schwester, einem Hund, Batman und Alfred E. Neumann aufgewachsen ist und manches früher gehörte Märchen klingt vielleicht das ganze Leben nach, manches Stück Weltliteratur beeindruckt und verändert einen vielleicht mehr, als 500 belanglose Gespräche und vieles von diesem Inneren, bleibt ungleich mehr haften, als die Tonnen an Materie, die man auf diese oder jene Art bewegt hat und an die man sich nie mehr erinnert.
Unendlich viele Bereiche, in denen Innerlichkeit eine Rolle spielt habe ich gar nicht erwähnt: Lyrik, Meditation, Gebet, philosophisches Denken aber auch Musik seien nur kurz erwähnt.

Ich glaube nur, dass der Weg einer Ontologisierung dieser Bereiche nicht hinhaut, mindestens nicht auf diese Art. Der hier (m.E. insbesondere bei Gabriel) unterstellte ontologische Pluralismus hat m.E. die zentrale Schwäche, dass er mit einem oszillierenden Ontologiebegriff arbeitet, der mal stark und mal schwach ist. Wenn Hexen ‚Gegenstände‘ aus dem Sinnfeld Märchen, Literatur oder Faust sein sollen, dann ist der hier verwendete Ontologiebegriff sehr stark. Die Hexen haben keinen irgendwie epiphänomenalen Gehalt, sollen auch nichts sein, was ausreichend durch die Vorstellungskraft der Leser transportiert wird, sondern es soll diese Hexen tatsächlich und buchstäblich geben, wie Tassen oder Computer, nur eben in einem anderen Sinnfeld, das man nicht mit dem physischen verwechseln und auch nicht auf dieses reduzieren soll. Es ist eine andere ‚Welt‘, Sphäre oder eben ein anderes Sinnfeld, das aber wiederum nicht als erkenntnistheoretische Spielart, Sichtweise oder Perspektive verstanden werden darf, sondern in Abgrenzung davon, auf seine ontologische Andersartigkeit besteht. Hier ist der Ontologiebegriff stark, es gibt diese anderen Welten, Ebenen, Sphären, Sinnfelder wirklich und man wäre sogar ein Narr, würde man nach ihnen irgendwo in der pyhsischen Welt suchen. Die Show findet ganz woanders statt.

Wenn es dann aber darum geht zu erklären, wie dieses ganz andere denn eigentlich zu uns kommt, gibt sich der Realismus erstaunlich sparsam und der eben noch starke Ontologiebegriff schrumpft zu etwas, was doch eigentlich nicht der Rede wert ist, weshalb da überhaupt kein Graben, schon gar kein Hiatus ist, der überwunden werden müsste. Ganz locker haben wir zu all dem ontologisch Andersartigen Zugang, als Wesen aus Fleisch und Blut, also Materie.
Erklären ließe sich das, wenn der Mensch eben nicht nur ein Wesen aus Fleisch und Blut wäre, sondern ein Bewohner vieler Welten, Sphären, Sinnfelder. Aber Altethos‘ Satz: „Es nützt nichts zu fragen, warum zwei ontologisch völlig andersartige Dinge nicht interagieren können, weil Dinge per se aus der Interaktion andersartiger ontologischer Dinge entstehen.“, der m.E. Gabriels Intuition treffend einfängt, erklärt nichts, sondern sagt, wie es angeblich ist.
Doch die Fragen, wie das ontologisch Getrennte denn nun wirklich das Kunststück vollbringt, so ganz und gar anders zu sein – man denke hier an die die Diskussion um Herr K.s Schwester. Man behauptet einerseits, dass es sie sicher gibt (obwohl der Herr K. keine Schwester hat), dass sie in gewisser Weise auch Blutdruckprobleme und eine Warze haben kann, weil man ihr das als Eigenschaft zuschreiben kann, aber sie wird gleichzeitig niemals auf die Kinder aufpassen oder beim Umzug helfen, weil sie den Schritt in die physische Welt, in der Herr K. nun zumindest auch lebt, nicht schafft. Und da interagiert auch nichts, egal wie konzentriert ich eine Schwester imaginiere, die auf der anderen Seite das Regal anhebt. - und dann doch zu interagieren, bleibt auch hier ungeöst.

Nun könnte es aber sein, dass Gabriel einfach sehr intelligent und philosophisch ungleich versierter als wir alle ist und er selbst eine recht genaue Vorstellung davon hat, wie es sein kann, dass ontologisch getrennte Sinnfelder in anderen Sinnfeldern dennoch spielend vorkommen können, so dass sich immer wieder Sinnfelder diverser Art überlagern oder durchdringen und tatsächlich zusammen ein Ding oder einen Menschen bilden – obwohl die Definition ja eigentlich lautet, dass existieren heißt, in einem Sinnfeld zu erscheinen (mindestens einem?, nur einem?) - und dass in dieser Vision ständig irgendwo ‚Gegenstände‘ logischer, physischer, literarischer, phantastischer, mathematischer Art entstehen und vergehen, dass ständig Dinge und Personen aus diversen ontologischen Sphären oder Sinnfeldern vollkommen getrennt sind und dennoch problemlos interagieren oder mindestens kleine Ganzheiten bilden, die sich in all diesen Welten, die etwas zur Ganzheit beitragen, bewegen können. Aber wäre das was mir dann fehlt, nicht genau der verstehende Blick auf das Ganze, auf die Welt, die es nicht geben kann?

Das sind zwei Widersprüche, die zumindest ich nicht aufgelöst bekomme:

1. Die Verwendung eines sehr starken Ontologiebegriffs, der eigene Welten entstehen lässt, die nichts miteinander zu tun haben und dann, als Wellental der Oszillation, der sehr schwache Ontologiebegriff, der eine Interaktion oder einen Patchworkgegenstand, sowie einen problemlos unbegrenzten Zugang des Menschen zum Sinnfeld Materie, in dem man Kaffee trinkt und gleichzeitig zum Sinnfeld Philosophie, indem man Probleme wälzt und zum Sinnfeld, Literatur in dem man Hexen begegnet ermöglicht, ohne dass dabei eine Dualismusproblematik auch nur in Betracht käme. So ein Ontologiebegriff mit Augenzwinkern.

2. Die SFO ist m.E. eine Theorie, die den Anspruch hat über alles, was der Fall ist, zumindest in prinzipieller Weise aufzuklären (dafür muss man nicht erklären können, wie genau nun Ameisen ihre Beine bewegen), denn im Rahmen von Gabriels SFO macht es keinen Sinn zu sagen: ‚Außerdem gibt es noch Regionen, in denen alles vollkommen anders ist, als ich es gerade beschrieben habe‘ und damit wäre der zweite Widerspruch der, dass die SFO eine Theorie von Allem ist, die eine theoretische Position einnimmt, die genau das betrachtet, was es angeblich nicht gibt: Welt als Ganzes.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Das sind zwei Widersprüche, die zumindest ich nicht aufgelöst bekomme:

1. Die Verwendung eines sehr starken Ontologiebegriffs, der eigene Welten entstehen lässt, die nichts miteinander zu tun haben und dann, als Wellental der Oszillation, der sehr schwache Ontologiebegriff
Mein Problem dabei ist, dass ich finde, dass deine Beschreibung nicht der SFO entspricht. Es gibt dort keinen starken Ontologie-Begriff dem ein schwacher gegenübersteht. Statt dessen ergänzt Gabriel in Sinn und Existenz den ontologischen Pluralismus um einen epistemologischen Pluralismus. Daran könntest du mit Textstellen anschließen und dann anhand der Quellen erläutern wo du die Probleme siehst.




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Alethos
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Tosa Inu hat geschrieben :
Do 5. Jul 2018, 08:18
Die Hexen haben keinen irgendwie epiphänomenalen Gehalt, sollen auch nichts sein, was ausreichend durch die Vorstellungskraft der Leser transportiert wird, sondern es soll diese Hexen tatsächlich und buchstäblich geben, wie Tassen oder Computer, nur eben in einem anderen Sinnfeld, das man nicht mit dem physischen verwechseln und auch nicht auf dieses reduzieren soll. Es ist eine andere ‚Welt‘, Sphäre oder eben ein anderes Sinnfeld, das aber wiederum nicht als erkenntnistheoretische Spielart, Sichtweise oder Perspektive verstanden werden darf, sondern in Abgrenzung davon, auf seine ontologische Andersartigkeit besteht. Hier ist der Ontologiebegriff stark, es gibt diese anderen Welten, Ebenen, Sphären, Sinnfelder wirklich und man wäre sogar ein Narr, würde man nach ihnen irgendwo in der pyhsischen Welt suchen. Die Show findet ganz woanders statt.

Wenn es dann aber darum geht zu erklären, wie dieses ganz andere denn eigentlich zu uns kommt, gibt sich der Realismus erstaunlich sparsam und der eben noch starke Ontologiebegriff schrumpft zu etwas, was doch eigentlich nicht der Rede wert ist, weshalb da überhaupt kein Graben, schon gar kein Hiatus ist, der überwunden werden müsste. Ganz locker haben wir zu all dem ontologisch Andersartigen Zugang, als Wesen aus Fleisch und Blut, also Materie.
Erklären ließe sich das, wenn der Mensch eben nicht nur ein Wesen aus Fleisch und Blut wäre, sondern ein Bewohner vieler Welten, Sphären, Sinnfelder. Aber Altethos‘ Satz: „Es nützt nichts zu fragen, warum zwei ontologisch völlig andersartige Dinge nicht interagieren können, weil Dinge per se aus der Interaktion andersartiger ontologischer Dinge entstehen.“, der m.E. Gabriels Intuition treffend einfängt, erklärt nichts, sondern sagt, wie es angeblich ist.
Doch die Fragen, wie das ontologisch Getrennte denn nun wirklich das Kunststück vollbringt, so ganz und gar anders zu sein – man denke hier an die die Diskussion um Herr K.s Schwester. Man behauptet einerseits, dass es sie sicher gibt (obwohl der Herr K. keine Schwester hat), dass sie in gewisser Weise auch Blutdruckprobleme und eine Warze haben kann, weil man ihr das als Eigenschaft zuschreiben kann, aber sie wird gleichzeitig niemals auf die Kinder aufpassen oder beim Umzug helfen, weil sie den Schritt in die physische Welt, in der Herr K. nun zumindest auch lebt, nicht schafft. Und da interagiert auch nichts, egal wie konzentriert ich eine Schwester imaginiere, die auf der anderen Seite das Regal anhebt. - und dann doch zu interagieren, bleibt auch hier ungeöst.

Nun könnte es aber sein, dass Gabriel einfach sehr intelligent und philosophisch ungleich versierter als wir alle ist und er selbst eine recht genaue Vorstellung davon hat, wie es sein kann, dass ontologisch getrennte Sinnfelder in anderen Sinnfeldern dennoch spielend vorkommen können, so dass sich immer wieder Sinnfelder diverser Art überlagern oder durchdringen und tatsächlich zusammen ein Ding oder einen Menschen bilden – obwohl die Definition ja eigentlich lautet, dass existieren heißt, in einem Sinnfeld zu erscheinen (mindestens einem?, nur einem?) - und dass in dieser Vision ständig irgendwo ‚Gegenstände‘ logischer, physischer, literarischer, phantastischer, mathematischer Art entstehen und vergehen, dass ständig Dinge und Personen aus diversen ontologischen Sphären oder Sinnfeldern vollkommen getrennt sind und dennoch problemlos interagieren oder mindestens kleine Ganzheiten bilden, die sich in all diesen Welten, die etwas zur Ganzheit beitragen, bewegen können. Aber wäre das was mir dann fehlt, nicht genau der verstehende Blick auf das Ganze, auf die Welt, die es nicht geben kann?

Das sind zwei Widersprüche, die zumindest ich nicht aufgelöst bekomme:

1. Die Verwendung eines sehr starken Ontologiebegriffs, der eigene Welten entstehen lässt, die nichts miteinander zu tun haben und dann, als Wellental der Oszillation, der sehr schwache Ontologiebegriff, der eine Interaktion oder einen Patchworkgegenstand, sowie einen problemlos unbegrenzten Zugang des Menschen zum Sinnfeld Materie, in dem man Kaffee trinkt und gleichzeitig zum Sinnfeld Philosophie, indem man Probleme wälzt und zum Sinnfeld, Literatur in dem man Hexen begegnet ermöglicht, ohne dass dabei eine Dualismusproblematik auch nur in Betracht käme. So ein Ontologiebegriff mit Augenzwinkern.

2. Die SFO ist m.E. eine Theorie, die den Anspruch hat über alles, was der Fall ist, zumindest in prinzipieller Weise aufzuklären (dafür muss man nicht erklären können, wie genau nun Ameisen ihre Beine bewegen), denn im Rahmen von Gabriels SFO macht es keinen Sinn zu sagen: ‚Außerdem gibt es noch Regionen, in denen alles vollkommen anders ist, als ich es gerade beschrieben habe‘ und damit wäre der zweite Widerspruch der, dass die SFO eine Theorie von Allem ist, die eine theoretische Position einnimmt, die genau das betrachtet, was es angeblich nicht gibt: Welt als Ganzes.
Deine Kritikpunkte sind nachvollziehbar und es ist in der Tat nicht einfach, den Schritt von der Behauptung hin zur Erklärung zu tun. Ich will es versuchen.

Zunächst eine Behauptung:
Ein Ding gibt es nie nur in einem Sinn, obwohl es sehr wohl sein kann, dass es in einem Sinnfeld nur ein Ding gibt. Es kommen aber immer mehrere Sinnfelder bei der Konstitution des Dings als dieses Ding überlagert vor, weshalb es ein Ding nicht nur in einem Sinne gibt und weshalb Sinnfelder überlagert vorkommen können müssen.

Erklärungsversuch:
Die Schwester von Herrn K. kommt nicht nur in einem Buch vor, sie kommt auch als Wort vor, d.h. als Zeichenfolge, sie kommt auch als Zahl vor, nämlich als eine Schwester und nicht zwei, sie kommt vielleicht oder vielleicht auch nicht vor in meinen Gedanken, wenn ich über sie lese oder nachdenke. Und ja, sie kann als all das, sofern sie als all das überhaupt vorkommt, auch in jenem Sinnfeld vorkommen, in dem Herr K. einen Lastwagen belädt, weil er umzieht. Denn das Buch, in dem sie vorkommt, könnte in einer dieser Schachteln stecken, in welchem das Buch vorkommt, in welchem sie vorkommt. Sie kann zwar als diese Figur im Roman nicht mithelfen, den Lastwagen zu beladen, denn sie kommt ja nicht als Mensch aus Fleisch und Blut in diesem Sinn vor, wie Herr K. und seine Umzugshelfer, aber sie kommt als Mensch aus Fleisch und Blut in jenem Sinn des Romans vor. Sie ist ja nicht ein Android bestehend aus Batterieflüssigkeit und auch kein Stein bestehend aus Siliziummolekülen, sondern sie ist im Roman eine Figur aus Fleisch und Blut.

Nun fliesst aber kein Blut, wenn man sie sticht, sofern man selber nicht im Roman vorkommt als diese Figur, die sticht und sie zum Bluten bringt, denn man kommt ja als Leser, der das Buch in Händen hält, nicht in allen Sinnfeldern vor wie sie, man kommt ja nicht selber im Roman vor und sticht sie dort, sondern man steht ausserhalb dieses Sinnfelds. Aber man kommt nicht getrennt vor, sondern ontologisch überlagert, man teilt sich Sinnfelder, indem man z.B. das Buch in Händen hält oder indem man über sie nachdenkt etc. Die Frage nach der Interaktion stellt sich gar nicht, denn sofern etwas existiert, ist es Resultat einer ontologischen Interaktion, einer pluralistisch-ontologischen Interaktion. Dass sie interagieren, zeigt sich in ihrem Sein.

Und so kommt jedes Ding, sofern es ist und daher Ding ist, in einer Vielzahl von Sinnfeldern vor, durch das es dieses Ding ist. Kein Ding ist je für sich genommen isoliert in einem Sinnfeld, sondern es kommt als dieses Ding eben in diversen Sinnen vor und zwar gleichzeitig. Wenn ich frage: 'Wie viele Quadrate stehen auf der Tafel?', und dort gibt es zwei Dreiecke und ein Quadrat, dann wird die Antwort lauten: 'Eins'. Wenn ich aber frage: 'Wie viele Objekte stehen da auf der Tafel?' dann wird die Antwort lauten: 'Drei'. In beiden Fällen existiert das Quadrat, als eines von drei Objekten oder aber als ein einziges spezifisches Objekt, nämlich ein Quadrat. Und zugleich ist es ein Ding meiner Anschauung und meines Denkens und Reflektierens, auch das gehört zu seiner in vielerlei Hinsicht pluralen Existenz. Das Ding ist also als dieses Ding per se pluralistisch konstituiet durch die verschiedenen Sinne, durch die er ist.
Und die SFO macht hier keinen Unterschied zwischen dem Sein auf diese oder die andere Weise, weil die Relevanz eines Dings für ein Subjekt ontologisch nichts hinzutut. Ob ich im Film vorkomme oder in einem biophysischen Sinn, das hat durchaus entscheidende Bewandntnis für mich, aber das ist ontologisch gesehen einerlei.

Und nun sagt also die SFO, dass es alles gibt, was es gibt (logisch, oder?), denn sofern es etwas gibt, ist auch der Sinn mitgegeben, durch dieses Etwas ist. Nur sagt sie, dass es das Gesamt der Dinge als Welt nicht geben kann. Denn da jedes Ding nur in spezifischen Sinnen existiert, kann es keinen allgemeine Art und Weise geben für dieses Spezifische, das wäre kontradiktorisch.

Die Welt als alles, was es gibt, müsste von etwas beinhaltet sein, das noch mehr ist als alles. Das ist nicht nur nicht denkbar und widersprüchlich, sondern suggeriert unnötigerweise einen Allgrund allen Seins, wo keiner nötig ist, denn die Dinge sind durch sich selbst das, was sie sind, und nicht durch die ontologische Etikette, die wir ihnen geben. Es gibt keinen Bedarf für monistische Klassifizierungen der Art: 'Alles ist materiell' oder 'alles ist Idee' oder 'alles ist Fiktion', weil jedes ist, was es ist, durch die plurale Konsistenz seines Seins als dieses Einzige. Es ist würdig aus sich selbst.



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Tosa Inu hat geschrieben : Die Hexen haben keinen irgendwie epiphänomenalen Gehalt, sollen auch nichts sein, was ausreichend durch die Vorstellungskraft der Leser transportiert wird, sondern es soll diese Hexen tatsächlich und buchstäblich geben, wie Tassen oder Computer, nur eben in einem anderen Sinnfeld, das man nicht mit dem physischen verwechseln und auch nicht auf dieses reduzieren soll. Es ist eine andere ‚Welt‘, Sphäre oder eben ein anderes Sinnfeld, das aber wiederum nicht als erkenntnistheoretische Spielart, Sichtweise oder Perspektive verstanden werden darf, sondern in Abgrenzung davon, auf seine ontologische Andersartigkeit besteht. Hier ist der Ontologiebegriff stark, es gibt diese anderen Welten, Ebenen, Sphären, Sinnfelder wirklich und man wäre sogar ein Narr, würde man nach ihnen irgendwo in der pyhsischen Welt suchen. Die Show findet ganz woanders statt.
Markus Gabriel in Sinn und Existenz hat geschrieben : Genauer unterscheiden sie [die Hexen] sich dadurch von normalen Hexen, dass sie nur relativ zu einer gelungenen Interpretation (von denen es eine Vielzahl gibt) und im Rahmen der Illusionsbildung des Rezipienten in allen relevanten Hinsichten bestimmt werden. Sie sind also nicht etwa unvollständige Gegenstände, sondern werden vielmehr im Rahmen (im Sinnfeld) gelungener Interpretationen als vollständig erkenn- und thematisierbar.




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Tosa Inu hat geschrieben : Es [das Sinnfeld] ist eine andere ‚Welt‘, Sphäre oder eben ein anderes Sinnfeld, das aber wiederum nicht als erkenntnistheoretische Spielart, Sichtweise oder Perspektive verstanden werden darf, sondern in Abgrenzung davon, auf seine ontologische Andersartigkeit besteht.
Was schreibt aber Gabriel wirklich über Perspektiven? Gleich zu Beginn - also an ganz prominenter Stelle von "Warum es die Welt nicht gibt" findet sich folgende Passage. das
Markus Gabriel, in "Warum es die Welt nicht gibt" hat geschrieben : Um zu verstehen, inwiefern der Neue Realismus eine neue Einstellung zur Welt mit sich bringt, wählen wir ein einfaches Beispiel: Nehmen wir an, Astrid befinde sich gerade in Sorrent und sehe den Vesuv, während wir (also Sie, lieber Leser, und ich) gerade in Neapel sind und ebenfalls den Vesuv betrachten. Es gibt also in diesem Szenario den Vesuv, den Vesuv von Astrid aus (also aus Sorrent) gesehen und den Vesuv von uns aus (also aus Neapel) gesehen.

Die Metaphysik behauptet, dass es in diesem Szenario einen einzigen wirklichen Gegenstand gibt, nämlich den Vesuv. Dieser wird gerade zufällig einmal aus Sorrent und ein andermal aus Neapel betrachtet, was ihn aber hoffentlich ziemlich kaltlässt. Es geht den Vesuv nichts an, wer sich für ihn interessiert. Das ist Metaphysik.

Der Konstruktivismus hingegen nimmt an, dass es in diesem Szenario drei Gegenstände gibt: den Vesuv für Astrid, Ihren Vesuv und meinen Vesuv. Dahinter gebe es entweder überhaupt keinen Gegenstand oder doch keinen Gegenstand, den wir jemals zu erkennen hoffen könnten.

Der Neue Realismus hingegen nimmt an, dass es in diesem Szenario mindestens vier Gegenstände gibt:
  1. Der Vesuv.
  2. Der Vesuv von Sorrent aus gesehen (Astrids Perspektive).
  3. Der Vesuv von Neapel aus gesehen (Ihre Perspektive).
  4. Der Vesuv von Neapel aus gesehen (meine Perspektive).
Man kann sich leicht klarmachen, warum diese Option die beste ist. Es ist nicht nur eine Tatsache, dass der Vesuv ein Vulkan ist, der sich an einer bestimmten Stelle auf der Erdoberfläche befindet, die derzeit zu Italien gehört, sondern es ist ganz mit demselben Recht ebenfalls eine Tatsache, dass er von Sorrent aus soundso und von Neapel aus eben anders aussieht. ...

[Absätze von mir]




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Hallo Altethos, vielen Dank für die Antwort.
Auch ich verstehe, was Du schreibst, was mir fehlt, ist der Druck, aus dem was richtigerweise darstellst etwas ontologisch ableiten zu müssen.
Exemplarisch hier:
Alethos hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 06:13
Und so kommt jedes Ding, sofern es ist und daher Ding ist, in einer Vielzahl von Sinnfeldern vor, durch das es dieses Ding ist. Kein Ding ist je für sich genommen isoliert in einem Sinnfeld, sondern es kommt als dieses Ding eben in diversen Sinnen vor und zwar gleichzeitig. Wenn ich frage: 'Wie viele Quadrate stehen auf der Tafel?', und dort gibt es zwei Dreiecke und ein Quadrat, dann wird die Antwort lauten: 'Eins'. Wenn ich aber frage: 'Wie viele Objekte stehen da auf der Tafel?' dann wird die Antwort lauten: 'Drei'. In beiden Fällen existiert das Quadrat, als eines von drei Objekten oder aber als ein einziges spezifisches Objekt, nämlich ein Quadrat. Und zugleich ist es ein Ding meiner Anschauung und meines Denkens und Reflektierens, auch das gehört zu seiner in vielerlei Hinsicht pluralen Existenz. Das Ding ist also als dieses Ding per se pluralistisch konstituiet durch die verschiedenen Sinne, durch die er ist.
Wenn ich meine Hand betrachte, dann ist das ein Körperteil, aus , Haut, Muskeln, Sehnen, Nerven, Adern, Knochen usw. Zugleich könnte ich aber auch sagen, dass die Hand aus Zellen besteht. Wiederum könnte man sagen, dass die Hand etwas ist, was aus Molekülen besteht und noch einmal aus anderer Perspektive, dass sie eigentlich nur aus Quarks besteht.
Alles Sichtweisen, die man einnehmen kann, die aber m.E. nicht das aufmachen anderer ontologisch andersartiger Sinnfelder erzwingen.
Im Gegenteil es käme mir sogar schlicht falsch vor zu sagen, dass ich mich nun entscheiden müsse, ob ich nun meine, dass die Hand aus Sehen, Zellen oder Quarks bestünde. Nichts davon schließt einander aus und das tut es dann nicht, wenn all das in einer Welt vorkommt, aber aus anderer Perspektive betrachtet wird.

Nun kann man aber auch sagen, dass es noch eine ganz andere Sicht gibt. Nämlich das Eigentliche der Hand sie die Vielfalt, zu der man sie beutzten kann. Als Boxer, Chirurg, Pianist, Maler, Metzger, Masseur, Blogger, Priester, Putzfrau, Köchin, LKW-Fahrer, Möbelpacker + 10.000 weitere Variationen vom Extremkletterer bis zu jemandem, der als Geistheiler die Hand auflegt. Nun kann man natürlich sagen, dass die Hand des Metzgers, der sich versehentlich den Finger abschneidet in einem anderen Sinnfeld existiert, als die es Handchirurgen, der ihm den Finger wieder dran näht und das in dem Moment wo der Metzger auf den Chirurgen trifft sich bei Sinnfelder überlappen, aber auch hier kommt es mir eher gekünstelt vor, diese Welten ontologisch zu trennen, es sei denn, der Begriff der Ontologie ist sehr schwach und meint eigentlich nur, dass Handchirurgen und Metzger in aller Regel keine Überschneidungen haben, außer, wenn der Metzger sich einen Finger abschneidet oder der Arzt am Wochenende grillen will. (Sozusagen die Schnittmenge von Chirurg und Metzger.)

Man kann es aber auch noch mal anders fassen, indem man sagt, dass die Hände des begnadeten Pianisten, Schriftstellers, Bildhauers oder Malers uns ja in andere Welten entführen und es geradezu naiv ist, so etwas wie Bedeutung oder Ergriffenheit nun unten links in der Ecke des Bildes oder an der Häufigkeit des A in einem Text festzumachen und gar in oder an der Hand.
Aber zieht man Hände, Farben und Klaviere, kurz gesagt Materielles von der Geschichte ab, bleibt nichts.
Dennoch kann man sagen, das seien ontologisch andere Welten/Sinnfelder, die zwar abhängig von der Materie sind, aber denoch andere Welten/Sinnfelder, die zwar problemlos mit anderen Sinnfelder interagieren, eine tiefe Erfahrung in einem Klavierkonzert wirkt sich todsicher auf unsere Körperbiologie aus, aber trotzdem andere Welten/Sinnfelder sind, nur verfehlt zumindest für mich die Möglichkeit wechselseiter Beeinflussung und einseitiger, asymmetrischer Abhängigkeit all das, was ich unter ontologischer Andersartigkeit verstehe oder es wird eben ein sehr schwacher Ontologiebegriff verwendet.
Alethos hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 06:13
Und die SFO macht hier keinen Unterschied zwischen dem Sein auf diese oder die andere Weise, weil die Relevanz eines Dings für ein Subjekt ontologisch nichts hinzutut. Ob ich im Film vorkomme oder in einem biophysischen Sinn, das hat durchaus entscheidende Bewandntnis für mich, aber das ist ontologisch gesehen einerlei.
Ich glaube, dass das nicht stimmt.
Ich glaube, dass nach dem plötzlichen und frühen Tod eines allseits beliebten Schauspielers, die Trauer groß wäre, bei Familie, Freunden und Fans und dass die Tatsache, dass er ja in Filmen weiterlebt oder demnächst Biographien über ihn erscheinen werden, so dass er sogar noch häufiger existiert als je zuvor, auch für das Umfeld kein wirklicher Trost ist, der den Verlust aufwiegt.
Es ist also nicht nur eine höchstpersönliche Angelegenheit physisch zu existieren oder eben nicht.

M.E. muss man das anders angehen und den Druck im Kessel der ontologischen Andersartigkeit erhöhen. Wenn ich es heute noch schaffe, versuche ich mal eine grobe Skizze zu entwerfen, um der Frage näherzukommen, was eigentlich für andere Welten spricht, die ontologisch anders sind und einem härteren Ontologiebegriff gehorchen.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Sa 7. Jul 2018, 11:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 08:12
Tosa Inu hat geschrieben : Es [das Sinnfeld] ist eine andere ‚Welt‘, Sphäre oder eben ein anderes Sinnfeld, das aber wiederum nicht als erkenntnistheoretische Spielart, Sichtweise oder Perspektive verstanden werden darf, sondern in Abgrenzung davon, auf seine ontologische Andersartigkeit besteht.
Was schreibt aber Gabriel wirklich über Perspektiven? Gleich zu Beginn - also an ganz prominenter Stelle von "Warum es die Welt nicht gibt" findet sich folgende Passage. das
Markus Gabriel, in "Warum es die Welt nicht gibt" hat geschrieben : Um zu verstehen, inwiefern der Neue Realismus eine neue Einstellung zur Welt mit sich bringt, wählen wir ein einfaches Beispiel: Nehmen wir an, Astrid befinde sich gerade in Sorrent und sehe den Vesuv, während wir (also Sie, lieber Leser, und ich) gerade in Neapel sind und ebenfalls den Vesuv betrachten. Es gibt also in diesem Szenario den Vesuv, den Vesuv von Astrid aus (also aus Sorrent) gesehen und den Vesuv von uns aus (also aus Neapel) gesehen.

Die Metaphysik behauptet, dass es in diesem Szenario einen einzigen wirklichen Gegenstand gibt, nämlich den Vesuv. Dieser wird gerade zufällig einmal aus Sorrent und ein andermal aus Neapel betrachtet, was ihn aber hoffentlich ziemlich kaltlässt. Es geht den Vesuv nichts an, wer sich für ihn interessiert. Das ist Metaphysik.

Der Konstruktivismus hingegen nimmt an, dass es in diesem Szenario drei Gegenstände gibt: den Vesuv für Astrid, Ihren Vesuv und meinen Vesuv. Dahinter gebe es entweder überhaupt keinen Gegenstand oder doch keinen Gegenstand, den wir jemals zu erkennen hoffen könnten.

Der Neue Realismus hingegen nimmt an, dass es in diesem Szenario mindestens vier Gegenstände gibt:
  1. Der Vesuv.
  2. Der Vesuv von Sorrent aus gesehen (Astrids Perspektive).
  3. Der Vesuv von Neapel aus gesehen (Ihre Perspektive).
  4. Der Vesuv von Neapel aus gesehen (meine Perspektive).
Man kann sich leicht klarmachen, warum diese Option die beste ist. Es ist nicht nur eine Tatsache, dass der Vesuv ein Vulkan ist, der sich an einer bestimmten Stelle auf der Erdoberfläche befindet, die derzeit zu Italien gehört, sondern es ist ganz mit demselben Recht ebenfalls eine Tatsache, dass er von Sorrent aus soundso und von Neapel aus eben anders aussieht. ...

[Absätze von mir]
1. Ich finde eine Positionierung zwischen Metaphysik und Konstrultivismus schwierig, weil beide nun überhaupt nicht zusammenpassen.
Metaphysik entspräche (in Gabriels Lesart) eine monistischen Position, der (harte) Konstruktuivismnus sieht sich als epistemische Position und meint, er sei ontoologisch enthaltsam.
Darum ist mir auch nicht klar, was in der Aufzählung der 4 Arten Versuv nun die Nummer 1, der Vesuv sein/bedeuten soll.
Ist es der Vesuv abzügllich aller Perspektiven, gesehen mit dem nichtexistenten Blick von Nirgendwo?
Oder ist mit Vesuv der gegebene Berg 'an sich' gemeint, der ja auch theoretisch eher schwer zu fassen ist? Denn was wäre nun diese 'an sich' Perspektive?
Oder will Gabriel mit sener 3+1 Kombination von Perspektve + physischem Sosein eine eine Art Addition vornehmen? Das wäre aber m.E.. eine neue Gesamtschau, die eine metaphysische Position (in Gabriels Lesart) darstellte.

2. Daran anschließend steht immernoch die für mich unbeantwortete Frage im Raum, was, wenn Sinnfelder eine Komposition aus Perspektiven und Naturgesetzen sind, diese beiden m.E. sehr unterschiedlichen Bereiche zusammenführt, so dass etwas wie ein Sinnfeld theoretisch entstehen kann.

Erläuternd: Dass Sinnfelder Perspektiven sind oder als Bestandteil haben ist unstrittig. Gabriel sagt jedoch, Perspektiven seien nicht alles, oder wie Du zitiertest:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 4. Aug 2017, 17:15
Hier ein Zitat aus dem Buch von Gabriel, was zeigen soll, dass Gabriel mit Sinn-Feldern nicht Sichtweisen meint:

"Es gibt keine Gegenstände oder Tatsachen außerhalb von Sinnfeldern. Alles, was existiert, erscheint in einem Sinnfeld (genau genommen erscheint es sogar in unendlich vielen). »Existenz« bedeutet, dass etwas in einem Sinnfeld erscheint. Unendlich vieles erscheint in einem Sinnfeld, ohne dass irgendwann jemand dies bemerkt hätte. Dabei spielt es in ontologischer Hinsicht eine untergeordnete Rolle, ob wir Menschen davon erfahren oder eben nicht. Die Dinge und Gegenstände erscheinen nicht nur, weil sie uns erscheinen, sie existieren nicht nur, weil uns dies aufgefallen ist. Das meiste erscheint einfach, ohne dass wir Notiz davon nehmen."
Der letzte Satz heißt, man braucht keine Zeugen, damit etwas existiert, es "erscheint einfach, ohne dass wir Notiz davon nehmen."
Das hegt einen zu wilden Konstuktivismus ein, auf die Frage was denn nun aber die Materie überhaupt als Voraussetzung brauchen sollte, um zu existieren (denn existieren heißt, in einem Sinnfeld zu erscheinen), antwotetest Du: die Naturgesetze.
Also bilden Naturgesetze und Perspektiven zusammen Sinnfelder, was ich gewagt finde, da die Verhältnisse der beiden zueinander m.E. ungeklärt sind.

3. Deine Bemerkung: "Was schreibt aber Gabriel wirklich über Perspektiven?" deute ich als Kritk an meiner Lesart, Sinnfelder seien nicht (allein) als Perspektive zu verstehen, allerdings hattest Du früher ja wiederum kritisiert, dass man sie als Perspektive versteht, betreffendes Zitat dazu s.o..

Was also ist ein Sinnfeld?
a) Perspektive + Naturgesetze?
b) Nur eines von beiden?
c) Perspektive + Naturgesetze und noch etwas, nämlich ... (bitte ggf. ergänzen)
d) Nichts von all dem, sondern ... (bitte ggf. kurz erläutern)



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Sa 7. Jul 2018, 11:23

Dass Sinnfelder Perspektiven sind oder als Bestandteil haben ist unstrittig
Doch, ich bestreite das. Wenn du dir die Liste aus Gabriels Buch anschaust, siehst du das auch. Der Vesuv ist nicht einfach eine Perspektive.




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Jörn Budesheim
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Sa 7. Jul 2018, 11:29

Was also ist ein Sinnfeld?
Antwort d) Ein Sinnfeld ist nach meinem Verständnis ein Bereich, der auf eine bestimmte Art und Weise zusammen gehalten wird, nach Prinzipien, Regeln, Gesetzen ...

Erläutere deine Fragen doch Mal an dem Beispiel, das Gabriel in dem Vortrag gibt - der mit den drei Quadraten auf der Tafel. Der Gedanke ist übrigens ursprünglich von Putnam und von Gabriel sehr gut weiter entwickelt. Meines Erachtens stellen sich die Fragen, die du stellst dabei einfach nicht.




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Jörn Budesheim
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Sa 7. Jul 2018, 11:58

Oder will Gabriel mit sener 3+1 Kombination von Perspektve + physischem Sosein eine eine Art Addition vornehmen?
Das steht da oben aber nicht. Dort steht, dass der Vesuv von da oder dort so und so aussieht. Das ist nicht einfach im herkömmlichen Sinn eine Perspektive, auch wenn es in dem Beispiel aus meiner oder deiner Perspektive erkennbar ist. Andere Autoren gehen in eine ähnliche Richtung wie Gabriel behalten aber den Begriff "Perspektive" bei und sprechen entsprechend von "objektiven Perspektiven", "Aspekten", die nicht einfach daraus resultieren, dass es auffassende Subjekte gibt.




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Alethos
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Sa 7. Jul 2018, 12:06

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 10:23
Alethos hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 06:13
Und so kommt jedes Ding, sofern es ist und daher Ding ist, in einer Vielzahl von Sinnfeldern vor, durch das es dieses Ding ist. Kein Ding ist je für sich genommen isoliert in einem Sinnfeld, sondern es kommt als dieses Ding eben in diversen Sinnen vor und zwar gleichzeitig. Wenn ich frage: 'Wie viele Quadrate stehen auf der Tafel?', und dort gibt es zwei Dreiecke und ein Quadrat, dann wird die Antwort lauten: 'Eins'. Wenn ich aber frage: 'Wie viele Objekte stehen da auf der Tafel?' dann wird die Antwort lauten: 'Drei'. In beiden Fällen existiert das Quadrat, als eines von drei Objekten oder aber als ein einziges spezifisches Objekt, nämlich ein Quadrat. Und zugleich ist es ein Ding meiner Anschauung und meines Denkens und Reflektierens, auch das gehört zu seiner in vielerlei Hinsicht pluralen Existenz. Das Ding ist also als dieses Ding per se pluralistisch konstituiet durch die verschiedenen Sinne, durch die er ist.
Wenn ich meine Hand betrachte, dann ist das ein Körperteil, aus , Haut, Muskeln, Sehnen, Nerven, Adern, Knochen usw. Zugleich könnte ich aber auch sagen, dass die Hand aus Zellen besteht. Wiederum könnte man sagen, dass die Hand etwas ist, was aus Molekülen besteht und noch einmal aus anderer Perspektive, dass sie eigentlich nur aus Quarks besteht.
Alles Sichtweisen, die man einnehmen kann, die aber m.E. nicht das aufmachen anderer ontologisch andersartiger Sinnfelder erzwingen.
Im Gegenteil es käme mir sogar schlicht falsch vor zu sagen, dass ich mich nun entscheiden müsse, ob ich nun meine, dass die Hand aus Sehen, Zellen oder Quarks bestünde. Nichts davon schließt einander aus und das tut es dann nicht, wenn all das in einer Welt vorkommt, aber aus anderer Perspektive betrachtet wird.
Man kann, finde ich zumindest, nicht bei der Zusammengsetztheit eines Grösseren aus seinen materiellen Teilen stehen bleiben, um die sinnfeldartige Konstituierung zu denken, sondern muss alle Aspekte des Gegenstands als zu seinem fragmentarischen Sein vollständig zugehörig, ja dieses Sein überhaupt erst Gebende, weiterdenken. Das wäre sozusagen eine Art holistischer Perspektivismus als Ontologie gedacht, die das Vielfältige Sein eines Gegenstands anerkennt. Dazu gehört meiner Meinung nach auch einzuräumen, dass über dieselbe Hand z.B. nachgedacht werden kann. Die Hand des Chirurgen, die im Operationssaal schneidet, das ist zugleich auch Gegenstand eines Gedankens oder dieses hier formulierten Satzes. Sie kann dann in ihrem Sein aber nicht erfasst werden allein dadurch, dass man sie unter materiell zusammengesetzte Dinge einordnet, sondern ihr Sein muss als im Gedanken fortgesetzt gedacht werden als Gegenstand des Denkens oder als Wort in einem Satz. Dieselbe Hand kommt dann nicht einfach nur in einer Realitätsschicht vor, sie ist nicht nur in der Dimension aller materiellen Dinge vorkommend, sondern sie kommt ebenso vor als Gegenstand in einem Gedanken oder in einem Text.

Du sagst nun vielleicht, das sei dann aber nicht dieselbe Hand, denn das eine sei nur sprachliche Repräsentation, aber wir sprechen doch trotzdem vom
selben Objekt, einmal von jenem, das dort blutendes Fleisch materiell schneidet, einmal vom Wort, das sich in den Satz einfügt, so dass er eben überhaupt Gegenstand des Denkens ist?
Wir haben es in dieser Lesart bei Wörtern somit nicht einfach mit Platzhaltern zu tun, die auf etwas ausserhalb von Sprache und Denken verweisen, vielmehr sind sie als Inhalte des Denkens Erweiterungen des Seins eines Gegenstandes. Aber nicht erst als solche Erweiterungen geniessen sie ontologischen Status, also nicht erst, weil sie sich auf etwas Materielles beziehen, erlangen sie Existenz, sondern weil die Dinge in dieser Form erscheinen, durch die sie diese Dinge sind, existieren sie in diesem Sinnfeld als dieses Ding. Der Gedanke an jene Hand ist zugleich im Vollbesitz von Existenzrechten durch den Gedanken selbst, so wie die fiktive Schwester von Herrn K. im Rahmen der fiktionalen Geschichte über die fiktive Familie von Herrn K. vollen ontologischen Status hat. Aber das ist ja auch gar nicht anders möglich: Denn sobald doch etwas überhaupt als dieses oder anderes existiert, existiert es ja und hat eben den ontologischen Status als dieses Existierende erreicht. Die Frage ist dann, als was es existiert und nicht mehr, ob es existiert. Und diese Frage würdigt doch eben die verschiedenen Aspekte des Seins eines Dings, weil es die ontologischen Bedingungen dieses Seins herausarbeitet. Es fragt nach den Differenzierungen des Seins eines Dings und wird damit seinem spezifischen, individuellen und einzigartigen Sein gerecht?
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 10:23
Alethos hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 06:13
Und die SFO macht hier keinen Unterschied zwischen dem Sein auf diese oder die andere Weise, weil die Relevanz eines Dings für ein Subjekt ontologisch nichts hinzutut. Ob ich im Film vorkomme oder in einem biophysischen Sinn, das hat durchaus entscheidende Bewandntnis für mich, aber das ist ontologisch gesehen einerlei.
Ich glaube, dass das nicht stimmt.
Ich glaube, dass nach dem plötzlichen und frühen Tod eines allseits beliebten Schauspielers, die Trauer groß wäre, bei Familie, Freunden und Fans und dass die Tatsache, dass er ja in Filmen weiterlebt oder demnächst Biographien über ihn erscheinen werden, so dass er sogar noch häufiger existiert als je zuvor, auch für das Umfeld kein wirklicher Trost ist, der den Verlust aufwiegt.
Es ist also nicht nur eine höchstpersönliche Angelegenheit physisch zu existieren oder eben nicht.
Dass aber Pipi Langstrumpf nur im Film oder in Büchern vorkommt, vermindert doch dieses Vorkommen mit Bezug auf die Ontologie in keiner Weise.

Dass ein Mensch stirbt und seine Angehörigen trauern, das ist Tatsache, weil dessen Ableben emotionale, soziale Implikationen hat. Das ist also sehr relevant und kein Weiterbestehen in Filmen würde da einen 'vollwertigen' Ersatz bieten können. Aber auch dieser Umstand, dass es für das Eine keinen Ersatz durch das andere gibt, ist ja Folge von verschiedenartigem Sein und durch nichts würde doch das Sein des Einen vom Fehlen des Anderen mit Bezug auf das jeweils Seiende ontologisch etwas hinzutun können.

Wenn Harrison Ford stirbt, dann stirbt ja nicht zugleich die Heldenfigur Indiana Jones. Und wenn Indiana Jones im Film stirbt, dann stirbt sie eben im Film, so dass sie als diese Figur in späteren Szenen nicht mehr vorkommt. Sobald sie aber vorkommt, existiert sie und zwar in der eben wie auch immer vollständigen Form des individuellen Soseins. Das ist zugegeben ein primitiver Realismus, aber nur, weil er nicht zwischen starker und schwacher Ontologie unterscheidet. Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage :)

Inwiefern wir es mit Bezug auf die Ontologie für sinnvoll erachten können, zwischen starker und schwacher Ontologie zu unterscheiden, müsstest du noch ausführen. Das Argument dürfte aber nicht monistisch inspiriert sein, denn gerade der Monismus wird durch den Neorealismus bestritten. Also zu sagen, etwas sei schwach ontologisch existent, weil es von etwas stark ontologisch Existentem abhänge, das führt die Prämisse eines monistisch begründeten Seins mit sich und diese Prämisse wird gerade bezweifelt.



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Sa 7. Jul 2018, 12:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 11:23
Dass Sinnfelder Perspektiven sind oder als Bestandteil haben ist unstrittig
Doch, ich bestreite das. Wenn du dir die Liste aus Gabriels Buch anschaust, siehst du das auch. Der Vesuv ist nicht einfach eine Perspektive.
Meine Formulierung war daher ja auch:
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 11:13
2. Daran anschließend steht immernoch die für mich unbeantwortete Frage im Raum, was, wenn Sinnfelder eine Komposition aus Perspektiven und Naturgesetzen sind, diese beiden m.E. sehr unterschiedlichen Bereiche zusammenführt, so dass etwas wie ein Sinnfeld theoretisch entstehen kann.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 11:29
Antwort d) Ein Sinnfeld ist nach meinem Verständnis ein Bereich, der auf eine bestimmte Art und Weise zusammen gehalten wird, nach Prinzipien, Regeln, Gesetzen ...
Das finde ich relativ unscharf.
Man könnte z.B. der Meinung sein, dass Atome von den Kernkräften zusammengehalten werden und die diesbezüglichen Regeln oder Gesetze nicht vorher dagewesen sein, sondern Regelmäßigkeiten oder Regularitäten darstellen, die sich aus der Materie ergeben.
Sowohl zeitlich (kausal), aber auch logisch wären Sinnfelder aber dann eine Konsequenz aus den Atomen, nicht umgekehrt.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 11:29
Erläutere deine Fragen doch Mal an dem Beispiel, das Gabriel in dem Vortrag gibt - der mit den drei Quadraten auf der Tafel. Der Gedanke ist übrigens ursprünglich von Putnam und von Gabriel sehr gut weiter entwickelt. Meines Erachtens stellen sich die Fragen, die du stellst dabei einfach nicht.
In meiner Antwort an Altehos habe ich das ganz analog am Beispiel einer Hand erläutert, ich bin sicher, dass Du das verstehen kannst.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Alethos hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 12:06
Das Argument dürfte aber nicht monistisch inspiriert sein, denn gerade der Monismus wird durch den Neorealismus bestritten.
Sowas höre ich immer wieder, das geht aber nicht, weil es eine Deutungshoheit a priori einfordert, die sich erst durch Konsistenz und pragtmatische oder erklärende Gewinne erweisen muss.
Ich kann mir da gerne auch an die eigene Nase fassen, das ist die Wilber Falle: Man kann Wilber nur dann kritisieren, wenn man ihm vorbehaltlos zustimmt und das kann irgendwie nicht sein.
Man muss sich schon Mühe geben, die Position den anderen zu verstehen, um diese nicht sogleich mit eigenen Vorurteilen zu sabotieren, aber es kann ja sein, dass man sich Mühe gibt, dies aber dennoch nicht gelingt. Beim erkennbaren Unvermögen des Interpreten können andere ja helfen, aber ich sehe nicht, dass die strittigen Positonen klar erläutert werden könnten.

Einfaches Beispiel:
Gibt es eigentlich Gott?
Die Antwort muss lauten ja, denn aus der Sicht vieler ist er real und in der Bibel wird ebenfalls von ihm berichtet.
Wäre ja mal ein schlanker Gottesbeweis, jetzt setzen aber die Einwände ein: In der Welt der Christen, Moslems und Juden ja, in der Welt der Buddhisten und Naturalisten nein und dazu findet man noch haufenweise weitere Positionen, für pro und conta.

Nun kann man es sich aber gerade bei der Frage keinesfalls so einfach machen, weil die Welt der Christen bzw. Ansprüche erhebt, dass Gott durchaus in die physische Welt hineinwirkt und andersrum auch Naturalisten qua def sagen, dass man auf Gott in jeder Hinsicht verzichten kann.
Wo bringt SFO Konzept hier bspw. Klärung hinein, wo werden wir gerade mit Blick auf die Wahrheit schlauer?

Weitere Kommentare zu Deinem Post evtl. später, ich habe am Wochenende dieses mal leider nicht frei und muss jetzt weg.



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Tosa Inu hat geschrieben : Man könnte z.B. der Meinung sein, dass [...] die diesbezüglichen Regeln oder Gesetze nicht vorher dagewesen sein, sondern Regelmäßigkeiten oder Regularitäten darstellen, die sich aus der Materie ergeben.
So ist es. Und jetzt müsstest du erklären inwiefern, dass ein Einwand gegen die SFO sein könnte.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 12:28
Sowohl zeitlich (kausal), aber auch logisch wären Sinnfelder aber dann eine Konsequenz aus den Atomen, nicht umgekehrt.
Mir ist nicht klar, was das bedeuten soll. Konsequenz? Was meinst du damit? Außerdem waren ja nicht erst die Atome da, die sich dann noch ihre Naturgesetze gesucht haben. Das hast Du oben doch auch selbst anders dargestellt. Das Sinnfeld Natur folgte den Atomen also weder logisch noch kausal.




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Sa 7. Jul 2018, 13:27

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 10:23
Im Gegenteil es käme mir sogar schlicht falsch vor zu sagen, dass ich mich nun entscheiden müsse, ob ich nun meine, dass die Hand aus Sehen, Zellen oder Quarks bestünde. Nichts davon schließt einander aus und das tut es dann nicht, wenn all das in einer Welt vorkommt, aber aus anderer Perspektive betrachtet wird.
Es ist allerdings keine Behauptung oder Forderung der SinnfeldOntologie, dass man sich entscheiden müsse. Wie kommst du da drauf? Was willst du damit sagen? Es ist ebenso keine Behauptung oder Forderung der SinnfeldOntologie, dass Sinnfelder einander ausschließen.

Folgendes ist die (ursprüngliche) Problem- bzw. Fragestellung (von Putnam) hier mit der Hand dargestellt (bei Putnam waren es wohl Kreise). Man kann hier schließlich folgende "einfache" Frage stellen: Wieviel Gegenstände sind dort? Wie lautet die Antwort? Dazu kann man die Hände zählen und kommt auf die Antwort 1. Zählt man jedoch die Atome, dann kommt eine andere Antwort heraus. Entscheidend ist dabei, was als Gegenstand gilt, denn das gibt vor, was zu zählen ist. Putnam zog daraus antirealistische Konsequenzen. Gabriels Theorie der Sinnfelder deutet das Szenario anders, nämlich realistisch. Dabei muss man sich keineswegs metaphysisch entscheiden, welches die wahren "an sich seienden" Gegenstände sind, sondern viele verschiedene Antworten auf die Frage sind wahr.

Ich befürchte, dein ganzes Nichtverstehen der Theorie basiert darauf, dass du irgendwo implizit annimmst, eine richtige Ontologie müsse so etwas wie Substanzen postulieren, entweder eine oder zwei oder drei etc. Bei diesen Substanzen - nehmen wir die von Descartes - ergeben sich dann die nämliche Probleme, die du dir nachgerade sehnlichst herbei zu wünschen scheinst. Also: wie spielen sie zusammen (sie schließen sich ja im Grunde aus.) Ist man gerade hier oder ist man da (man muss sich ja entscheiden). Aber das Beispielszenario mit der Hand zeigt, dass das gar nicht die grundlegende Problemlage ist.

Übrigens ist es nach meiner Ansicht auch nicht egal, ob man das am Beispiel der Hand oder am Beispiel der drei Quadrate macht. Denn die Frage, wie die Atome oder der Kreidestaub die Quadrate bilden können, ist sicher kein spannendes Forschungsprogramm. Aber die Frage, wie es kommt, dass bei einer Hand (als Teil eines Organismus) das Ganze mehr sein kann als die Summe der Teile, ist durchaus von Interesse. Aber solche Fragen entstehen stets lokal, während du deine Fragen stets metaphysisch - also global - stellst.




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So 8. Jul 2018, 07:18

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 13:00
Einfaches Beispiel:
Gibt es eigentlich Gott?
Die Antwort muss lauten ja ...
Die Antwort muss nicht ja lauten. Das entspricht nicht der SFO, denn die Antwort kann auch problemlos "nein" lauten. Zum Beispiel: "Nein, Gott kommt im Universum nicht vor." Es ist zwar wahr, dass es laut SFO alles gibt, außer der Welt, es ist aber immer zu präzisieren, in welchem Bereich/Sinnfeld es etwas gibt. Die meisten religiösen Menschen werden sich kaum damit zufrieden geben, dass es Gott in ihrem Glauben oder in der Bibel gibt.




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So 8. Jul 2018, 09:34

Alethos hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 12:06
Man kann, finde ich zumindest, nicht bei der Zusammengsetztheit eines Grösseren aus seinen materiellen Teilen stehen bleiben, um die sinnfeldartige Konstituierung zu denken, sondern muss alle Aspekte des Gegenstands als zu seinem fragmentarischen Sein vollständig zugehörig, ja dieses Sein überhaupt erst Gebende, weiterdenken. Das wäre sozusagen eine Art holistischer Perspektivismus als Ontologie gedacht, die das Vielfältige Sein eines Gegenstands anerkennt. Dazu gehört meiner Meinung nach auch einzuräumen, dass über dieselbe Hand z.B. nachgedacht werden kann. Die Hand des Chirurgen, die im Operationssaal schneidet, das ist zugleich auch Gegenstand eines Gedankens oder dieses hier formulierten Satzes. Sie kann dann in ihrem Sein aber nicht erfasst werden allein dadurch, dass man sie unter materiell zusammengesetzte Dinge einordnet, sondern ihr Sein muss als im Gedanken fortgesetzt gedacht werden als Gegenstand des Denkens oder als Wort in einem Satz. Dieselbe Hand kommt dann nicht einfach nur in einer Realitätsschicht vor, sie ist nicht nur in der Dimension aller materiellen Dinge vorkommend, sondern sie kommt ebenso vor als Gegenstand in einem Gedanken oder in einem Text.

Du sagst nun vielleicht, das sei dann aber nicht dieselbe Hand, denn das eine sei nur sprachliche Repräsentation, aber wir sprechen doch trotzdem vom
selben Objekt, einmal von jenem, das dort blutendes Fleisch materiell schneidet, einmal vom Wort, das sich in den Satz einfügt, so dass er eben überhaupt Gegenstand des Denkens ist?
Der Punkt, um den es bei der Kritik der ontologischen Position geht, ist nicht, dass wir über etwas anderes sprechen würden, sondern, dass wir, um bspw. die Hand zu repräsentieren - in einem inneren Bild, in einem Text, usw. - die physische Welt nie verlassen müssen. Da die SFO eine Kritik am Monismus (in Gabriels Begriffen: der Metaphysik) ist, ist natürlich eine monistische Position der Widerpart.

Wer nun sagt: 'Sorry, die SFO darf ein Monist nicht kritisieren, denn diese weist den Monismus zurück' schießt insofern ein Eigentor, als man dann auch mit der SFO den Monismus nicht kritisieren darf, da der Monismus die SFO zurückweist. Aber natürlich dürfen sich alle wechselseitig kritisieren und das passiert ja auch ständig. Man kann dann nicht einzelne Versatzstücke rausbrechen und die Theorien bunt mischen und daher entscheidet man, am Ende, ob die Gesamttheorie z.B. Dinge erklärt, die wr nicht kennen; uns hilft ein Phänomen konsistent einzuordnen, was sich in anderen Deutungssystemen als sperrig erweist; ob es uns einen völlig neuen Blick ermöglicht usw.

So bestand der Siegeszug des Naturalismus m.E. vor allem darin, dass er die Erklärung "Gott" weitgehend überflüssig machte. Da wurde nicht aggressive Propaganda betrieben, sondern Gott, der vermutlich doch in den meisten intellektuellen und normalen Köpfen als feste Größe präsent war, wurde einfach in Theorie und Praxis (durch die Industrialisierung) nicht mehr gebraucht.
Der Naturalismus ist zwar nicht sinnstiftend und orientierungsgebebend, aber seine erklärende Kraft ist gewaltig, allerdings bekommt er seit neuestem Risse, weil das, was er da erklären möchte, nicht mehr überzeugend erklärt, er wankt in seiner Kernkompetenz.
Besonders schwächelt er in der Kosmologie und eben bei der Erklärung von Bewusstsein, Ich und dem Zusammenspiel von erlebter Innenwelt und einer erklärenden Darstellung dieser Erlebnisse in einer objektivierenden Sprache.

Aber dies nicht erklären zu können bedeutet ja noch nicht, eine andere ontologische Sphäre dafür aufzumachen. Ich finde es sogar halbwegs absurd zu sagen, dass wenn A die Frontseite eines Buches sieht und B die Rückseite, dieses Buch nun in 3 Welten/Sphären vorkommt, die ontologisch anders sind.
Wo ist die Grenze? Dann könnten ja auch Messer und Gabel auf meinem Tisch in ontologisch eigene Welten existieren, weil die einen links und anderen rechts vom Teller liegen. Das verdünnt den m.E. ja stets kräftigen Ontologiebegriff bis ins Kümmerliche.
Ich verstehe durchaus, dass die Assoziationen und Möglichkeiten etwas damit zu tun, bei Messer und Gabel jeweils andere sind, würde aber nie auf die Idee kommen, diese Andersartigkeit in den ontologischen Topf zu tun.
Ein Psychotherapeut kann einen Patienten erfolgreich therapieren ohne auch nur wissen zu müssen, dass dieser Mensch ein Gehirn besitzt. D.h. Erklärebene, bei Theorie A kann lauten, dass dieser Mensch etwas falsch gelernt/verknüpft hat und dies nun gezielt verlernen/entknpüfen muss und alles ist gut. Die Benutzeroberfläche ist dabei die Psyche, die Panik, die der Mensch auf einmal hat, wenn er einen Fahrstuhl besteigt. Auf dieser Benutzeroberfläche wird nun agiert, wieder und wieder und nie wird dabei über das Gehirn gesprochen, es wird erklärt, es wird der Atem kontrolloiert, die Musekelspannung, die Körperwahrnehmung, die Gedanken werden betrachtet und zu kontrollieren versucht, d.h. die Arbeit auf der Benutzeroberfläche kann durchaus erfolgreich sein und auch wenn man das Gehirn dabei nie beachtet hat, kann ein Verhaltenstherapeut dennoch der Überzeugung sein, dass es die ganze Zeit an dem Vorgang beteiligt war. Nur: zu wissen, oder überzeugt zu sein, dass das Gehirn hier beteiligt ist, bringt dem Verhaltenstherapeuten rein gar nichts, weil sein theoretischer Hintergrund ein vollkommen anderer ist.
Dass man hier weiß, da gibt es noch ein Gehirn und weiß, dass man das für den eigenen Ansatz nicht beachten muss, erzwingt ja immer noch nicht die Ansicht, dieses Gehirn sei nun ontologisch ausgelagert.
Wenn man nun sagt: Ja aber das ist es doch gar nicht, es wechselwirkt doch alles fröhlich, dass ist doch gerade der Clou der SFO, das Zusammenspiel von allen möglichen sich erzeugenden und vergehenden Sinnfeldern, dann sehe ich da keine Notwendigkeit in die Ontologiekiste zu greifen.
Der Unterschied eines Ansatzes der z.B. direkt das Hirn stimuliert wie Pharamkologie oder transkranielle Magnetstimulation und der Verhaltenstheapie, ist die Theorieebene auf der man arbeitet, nicht die Ontologieebene.

Und so sehe ich natürlich auch, dass eine sprachliche, bildliche oder schriftliche Repräsentation etwas anderes ist, als das Objekt oder Ereignis, auf das es sich bezieht, aber die entscheidende Frage ist nicht, ob eine Speisekarte genauso satt macht, wie das Essen, sondern, ob Speisekarte, Essen und der Gedanke an das Essen, tatsächlich erfordert, das ontologische Besteck überhaupt rauszuholen. Die große Gegenerzählung ist immer noch, dass hier Materie mit Materie interagiertt, ob wir Essen, Tennis spielen, an Essen denken und etwas fühlen, stets ist da immer soviel Materie in Aktion, dass der Naturalismus zu rechtfertigen, wenngleich in seinen Einzelheiten nicht zu erklären ist, aber wer versteht schon bis ins Detail sein Smartphone.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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So 8. Jul 2018, 10:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 13:10
Tosa Inu hat geschrieben : Man könnte z.B. der Meinung sein, dass [...] die diesbezüglichen Regeln oder Gesetze nicht vorher dagewesen sein, sondern Regelmäßigkeiten oder Regularitäten darstellen, die sich aus der Materie ergeben.
So ist es. Und jetzt müsstest du erklären inwiefern, dass ein Einwand gegen die SFO sein könnte.
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 12:28
Sowohl zeitlich (kausal), aber auch logisch wären Sinnfelder aber dann eine Konsequenz aus den Atomen, nicht umgekehrt.
Mir ist nicht klar, was das bedeuten soll. Konsequenz? Was meinst du damit? Außerdem waren ja nicht erst die Atome da, die sich dann noch ihre Naturgesetze gesucht haben. Das hast Du oben doch auch selbst anders dargestellt. Das Sinnfeld Natur folgte den Atomen also weder logisch noch kausal.
Dann hast Du womöglich nicht ganz erfasst, wie der obere Teil gemeint war, denn ich habe da nichts anders dargestellt:
Es gibt zwei prinzipielle Ansätze:

1. Der Regulismis oder die Idee, dass es Naturgesetze gibt, die einer bestimmten Notwendigkeit folgen, die sich nicht aus dem Sosein der Materie ableiten lässt. Das kann eine mathematische, logische, göttliche, karmische oder sonstige Notwendigkeit sein, in jedem Fall steht dahinter die Idee eines irgendwe gearteten Masterplans, der besagt, dass die Welt nicht anders aussehen könnte, als sie heute aussieht, weil sie nicht das Resultat zufälliger Ereignisse ist, sondern notwendigen Gesetzen folgt.

2. Der Regularismus oder die Idee der Regelmäßigkeit oder die Laws of Nature.
Gemäß dieser Idee folgen die Gesetze aus dem, wie die Welt nun mal zufällig entstanden ist. Es gibt bestimmmte physikalische Grundkräfte, die sich daraus erklären, dass Materie nun mal bestimmte Eigenschaften hat, sich Massen z.B. anziehen, daraus ergeben sich dann quasiatabile Gesetzmäßigkeiten (die allerdings nicht in Stein gemeißelt sind und keiner irgendwie gearteten Notwendigkeit folgen) sondern sich aus der zufälligen Natur der Dinge ergeben.

In diesem Sinne, von 2., gibt es keine Naturgesetze, die Atome musste sich daher auch nichts suchen, da die sich ergebenden Regelmäßigkeiten eine Konsequenz der Materie wären. Die Idee, dass es vorher irgendwelche Naturgesetze gäbem, von der die Materie dann Kenntnis erlangt, hat schon eine harten dualistischen Einschlag, da man fragen müsste, wo denn die Gesetze entstanden sind und wer die Materie informiert hat.

Die SFO Konsequenz: Für mich bedeutet die theoretische Aussage dass existieren bedeutet in einem Sinnfeld zu erscheinen im logischen Umkehrschluss, dass Existenz ohne Sinnfeld nicht möglich ist. Ich fragte Dich ja mal was Deiner Meinug nach das Sinnfeld der Materie sei und Deine Antwort war: die Naturgesetze.
Wenn aber, wie unter 2., die Regularitäten oder Regelmäßigkeiten der Natur sich erst aus dem Sosein der Materie ergeben können Sinnfelder keine Voraussetzung der Materie sein (oder es muss etwas anderes als die Naturgesetze sein).



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So 8. Jul 2018, 10:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 8. Jul 2018, 07:18
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 7. Jul 2018, 13:00
Einfaches Beispiel:
Gibt es eigentlich Gott?
Die Antwort muss lauten ja ...
Die Antwort muss nicht ja lauten. Das entspricht nicht der SFO, denn die Antwort kann auch problemlos "nein" lauten. Zum Beispiel: "Nein, Gott kommt im Universum nicht vor." Es ist zwar wahr, dass es laut SFO alles gibt, außer der Welt, es ist aber immer zu präzisieren, in welchem Bereich/Sinnfeld es etwas gibt. Die meisten religiösen Menschen werden sich kaum damit zufrieden geben, dass es Gott in ihrem Glauben oder in der Bibel gibt.
Gott - so es ihn gäbe - wäre nicht derartig, dass er in Gedanken vorkommen könnte - ebensowenig wäre meine leibliche Schwester derartig wäre. Und Gedanken an Gott sind nicht Gott und Gedanken an meine Schwester sind nicht meine Schwester. Oder auch so gesagt:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 8. Jul 2018, 08:24
Das sehe ich etwas anders, denn für mich hört sich das wie eine Verwechslung/Vermischung von Beschreibung/Erklärung und Gegenstand der Beschreibung/Erklärung an. Die Erklärung von x ist ja nicht x.
Ebensowenig wie eine Erklärung von x x ist, ist ein Gedanke an x x.

Außerdem wird es einen Gläubigen kaum jucken, wenn Du sagst, Gott käme nicht im Universum vor, wenn wir hier Gabriels Definition von "Universum" zugrundelegen, nämlich "Universum = der Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften". Und da nach Gabriel z.B. Wohnzimmer nicht zum Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften gehören - und ergo nicht im Universum nach Gabrielscher Definition vorkommen, wird wohl Gott auch nicht dazugehören.

Was die Frage auffwirft, wie man überhaupt Atheismus in Gabrielscher Nomenklatur definieren könnte. Oder wie ich den in der Alltagssprache schlichten und allgemeinverständlichen Satz "ich habe keine leibliche Schwester" sinnfeldontologiegemäß ausdrücken könnte.




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Jörn Budesheim
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So 8. Jul 2018, 10:48

das ontologische Besteck
Das Problem ist und bleibt, dass du nicht wirklich die Theorie, so wie sie ist, kritisiert. Gabriel nutzt den Begriff Ontologie einfach anders. Er fragt, was es heißt zu existieren. Deswegen hat es auch überhaupt keinen Sinn, das ontologische Besteck in der Kiste zu lassen, wenn es um Gabeln geht oder was auch immer. Es hat auch überhaupt keinen Sinn zu sagen, der Ontologie Begriff sei "kräftig" und würde bei Gabriel "verkümmern". Das basiert nur darauf, dass du nicht zur Kenntnis nimmst, wie Gabriel den Begriff einführt und nutzt. Auch die Frage, die du weiter oben stellst, wo denn da die Grenze ist, ist einfach vor dem Hintergrund der Theorie vollkommen sinnlos. Du nutzt einfach einen anderen Ontologie-Begriff.

In "Warum es die Welt nicht gibt" schreibt Gabriel an dich: "Es gibt neben dem Universum viele andere Gegenstandsbereiche. Dies bedeutet nicht, dass die anderen Gegenstandsbereiche insgesamt außerhalb des Universums existieren, was eine ganz andere (und falsche) These wäre. Thomas Manns Zauberberg oder die Bundesrepublik Deutschland existieren nicht an einem anderen Ort als das Universum, sozusagen hinter oder über den Galaxien und damit sozusagen »hyper-« oder »meta-galaktisch«."

Gabriel postuliert auch nicht seltsame Substanzbereiche, die streng von einander getrennt sind.
Wenn aber, wie unter 2., die Regularitäten oder Regelmäßigkeiten der Natur sich erst aus dem Sosein der Materie ergeben können Sinnfelder keine Voraussetzung der Materie sein (oder es muss etwas anderes als die Naturgesetze sein).
Ja doch. Es sind ja keine zeitlichen Voraussetzungen. Die Naturgesetze sind die Anordnungsregelen, die festlegen, welche Gegenstände in dem nämlichen Bereich auf welche Weise vorkommen können. Und das entspricht der Erläuterung des Begriffs Sinnfeld. Das Sinnfeld ist - anders als du es anscheinend glaubst - keine Dose, die schon da sein muss, damit man später etwas in sie hinein tun kann.




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